Begriff und rechtliche Grundlagen der Belegschaftsaktie
Die Belegschaftsaktie ist eine Sonderform der Aktie, welche von Unternehmen gezielt an ihre eigenen Mitarbeitenden ausgegeben wird. Die Ausgestaltung als Belegschaftsaktie verfolgt das Ziel, die Belegschaft am Unternehmenserfolg zu beteiligen und durch Eigenkapitalbeteiligung die Bindung an das Unternehmen zu stärken. Die rechtliche Ausgestaltung der Belegschaftsaktie unterliegt in Deutschland vielfältigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere im Aktiengesetz (AktG), im Einkommensteuergesetz (EStG), im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und weiteren einschlägigen Normen.
Rechtliche Definition und Abgrenzung
Belegschaftsaktien werden von Aktiengesellschaften an deren Mitarbeitende ausgegeben und stellen somit eine spezielle Form der Belegschaftsbeteiligung dar. Im Unterschied zur freien Zeichnung von Aktien an der Börse erfolgt bei Belegschaftsaktien regelmäßig eine Direktzuteilung, häufig zu besonderen Konditionen. Rechtlich werden hierbei sowohl aktien- als auch arbeitsrechtliche Vorgaben berührt.
Gesellschaftsrechtliche Aspekte der Belegschaftsaktie
Emission und Ausgabe
Die Ausgabe von Belegschaftsaktien setzt in der Regel einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss voraus (§ 192 Abs. 2 Nr. 3, § 204 AktG), wenn eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird. Die Gesellschaft kann zur Ausgabe an Arbeitnehmer entweder das genehmigte Kapital oder ein bedingtes Kapital nutzen. Die Ausgabe erfolgt regelmäßig unter Ausschluss des Bezugsrechts der übrigen Aktionäre, was nach § 203 Abs. 2 Satz 2, § 186 Abs. 3 AktG zulässig ist, sofern ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft an der Kapitalbeteiligung ihrer Beschäftigten besteht.
Zuteilungsvoraussetzungen
Wer als Mitarbeitender Belegschaftsaktien erhält, hängt vom jeweiligen Beteiligungsprogramm der Gesellschaft und etwaigen Satzungsbestimmungen ab. Häufig ist neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis auch eine Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit Voraussetzung.
Besonderheiten der Belegschaftsaktie im Vergleich zur Regelaktie
Belegschaftsaktien sind aus aktienrechtlicher Sicht grundsätzlich mit den gleichen Vermögens- und Verwaltungsrechten ausgestattet wie alle Stammaktien der betreffenden Gesellschaft. Unterschiede können sich insbesondere hinsichtlich Veräußerungsbeschränkungen oder Haltefristen ergeben. Gesetzlich vorgeschriebene Einschränkungen existieren diesbezüglich jedoch nicht, sie können allerdings vertraglich vereinbart werden.
Steuerrechtliche Behandlung von Belegschaftsaktien
Die steuerliche Behandlung ist maßgeblich im Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 39 EStG) geregelt. Hiernach sind Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Mitarbeiteraktien bis zu einem bestimmten Freibetrag steuerfrei. Im Jahr 2024 beträgt dieser Freibetrag 1.440 Euro jährlich. Übersteigende Vorteile sind als geldwerter Vorteil lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig.
Viele Unternehmen gewähren den Mitarbeitern neben der Beteiligung zusätzlich einen Preisnachlass. Die Bewertung dieses geldwerten Vorteils erfolgt auf Basis des Unterschiedsbetrages zwischen dem gewährten Ausgabepreis und dem tatsächlichen Börsenkurs.
Arbeitsrechtliche und mitbestimmungsrechtliche Implikationen
Beteiligung und Mitbestimmung
Durch den Erwerb von Belegschaftsaktien erwerben Mitarbeitende grundsätzlich auch Stimmrechte und damit Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmenspolitik. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind Belegschaftsaktien Teil der personalpolitischen Maßnahmen und können Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Ausgestaltung betrieblicher Beteiligungsformen mitzubestimmen.
Wertpapier- und kapitalmarktrechtliche Anforderungen
Die Emission und der Verkauf von Belegschaftsaktien können unter die Vorgaben des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) fallen. Eine Prospektpflicht besteht jedoch nicht, wenn der Gesamtgegenwert der angebotenen Wertpapiere innerhalb von zwölf Monaten unterhalb bestimmter gesetzlicher Schwellenwerte liegt oder ein Ausnahmetatbestand greift. Dennoch sind Mitarbeitende als Erwerber umfassend über die Chancen und Risiken der Beteiligung zu informieren.
Veräußerung und Haltefristen
Eine zwingende gesetzliche Haltefrist für Belegschaftsaktien existiert nicht. Gesellschaften können jedoch freiwillig Sperrfristen für die Veräußerung einzelvertraglich oder im Rahmen des Beteiligungsprogramms vereinbaren. Hält der Mitarbeitende die Aktien nach Ablauf einer etwaigen Haltefrist weiter, gelten für Rückgabe oder späteren Verkauf die regulären Regelungen des Kapitalmarktes.
Bilanzielle Behandlung durch das Unternehmen
Die Ausgabe von Belegschaftsaktien stellt einen Eigenkapitalzufluss dar, der handelsrechtlich als Stammkapitalerhöhung verbucht wird. Im Fall von Preisnachlässen oder kostenlosen Zuteilungen erfolgt zusätzlich eine Erfassung eines Personalaufwands, soweit diese geldwerten Vorteile über die Lohnabrechnung abgewickelt werden.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Belegschaftsaktie ist ein vielseitiges Instrument der Mitarbeiterbeteiligung, das zahlreiche rechtliche Aspekte vereint. Sie erfordert sorgfältige Beachtung gesellschaftsrechtlicher, steuerrechtlicher, arbeitsrechtlicher, sowie kapitalmarkt- und bilanzrechtlicher Bestimmungen. Ihr Einsatz kann sowohl die Mitarbeiterbindung und die Motivation stärken, als auch steuerliche sowie mitbestimmungsrechtliche Chancen und Herausforderungen bieten. Die rechtliche Gestaltung sollte sowohl die unternehmerischen Interessen als auch die Erwartungen und Rechte der Arbeitnehmer umfassend berücksichtigen, um eine rechtssichere und für beide Parteien vorteilhafte Beteiligungsform zu schaffen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um Belegschaftsaktien auszugeben?
Zur Ausgabe von Belegschaftsaktien müssen Unternehmen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllen. Zunächst ist die rechtlich zulässige Aktienform relevant: Nicht jede Rechtsform (z. B. GmbH) ist zur Ausgabe von Aktien berechtigt; dies ist primär Aktiengesellschaften (AG) und in bestimmten Fällen europäischen Gesellschaften (SE) vorbehalten. Die Ausgabe der Aktien bedarf eines entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung, insbesondere wenn eine Kapitalerhöhung stattfinden soll (§ 182 ff. Aktiengesetz (AktG)). Häufig wird dafür ein sogenanntes genehmigtes Kapital genutzt, bei dem der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt wird, das Grundkapital innerhalb eines bestimmten Rahmens zu erhöhen. Weiterhin ist zu prüfen, ob bestehende Aktionärsrechte, insbesondere Bezugsrechte, durch die Belegschaftsbeteiligung tangiert werden (§ 186 AktG), und ob sowie in welchem Umfang diese ausgeschlossen werden dürfen. Schließlich sind auch die Mitteilungspflichten gegenüber dem Handelsregister (§ 188 AktG) und Meldungen nach § 20 Abs. 1 WpHG (Meldeschwellen) zu beachten.
Welche arbeitsrechtlichen Aspekte sind beim Angebot von Belegschaftsaktien zu berücksichtigen?
Arbeitsrechtlich gilt grundsätzlich der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG; § 241 Abs. 2 BGB). Arbeitgeber dürfen nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer von der Beteiligung ausschließen, sofern nicht ein sachlicher Grund hierfür besteht, etwa Betriebszugehörigkeit, Hierarchieebene oder Vollzeit- versus Teilzeitbeschäftigung. Die konkrete Ausgestaltung des Angebots (z. B. Ausübungsfristen, Sperrfristen, Preisnachlässe) muss zudem transparent und nachvollziehbar sein. Die betriebliche Mitbestimmung ist zu berücksichtigen; das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betrifft Gestaltung und Umsetzung von Vergütungsbestandteilen, zu denen auch Belegschaftsaktien zählen können. In diesem Zusammenhang ist eine rechtzeitige Information und Einbindung des Betriebsrats unabdingbar.
Welche steuerrechtlichen Folgen ergeben sich für Arbeitnehmer beim Erwerb von Belegschaftsaktien?
Aus steuerrechtlicher Sicht werden Belegschaftsaktien regelmäßig als geldwerter Vorteil gemäß § 19 EStG besteuert. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem verbilligten Erwerbspreis und dem tatsächlichen Börsenkurs im Zeitpunkt des Erwerbs unterliegt dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Bis zu einer jährlichen Freigrenze von 1.440 Euro (§ 3 Nr. 39 EStG) ist dieser geldwerte Vorteil steuerfrei, sofern die Gewährung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt. Darüber hinausgehende Vorteile sind steuerpflichtig. Bei späterer Veräußerung der Aktien fällt ggf. Abgeltungssteuer auf den erzielten Kursgewinn an.
Welche besonderen Prospekt- und Veröffentlichungsanforderungen bestehen bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien?
Die Ausgabe von Belegschaftsaktien kann unter bestimmten Bedingungen von der Prospektpflicht nach der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129) ausgenommen sein. Gemäß Art. 1 Abs. 4 lit. i der Verordnung entfällt die Prospektpflicht, sofern Wertpapiere Mitarbeitern oder ehemaligen Mitarbeitern im Rahmen eines Beteiligungsprogramms angeboten werden und ein Dokument mit wesentlichen Informationen über das Angebot zur Verfügung gestellt wird. Diese Regel muss im Übrigen auch im nationalen Recht, etwa durch das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), beachtet werden. Börsennotierte Unternehmen sind zudem zur Veröffentlichung ad-hoc-pflichtiger Informationen verpflichtet, wenn die Ausgabe von Belegschaftsaktien einen Kurs relevanten Vorgang darstellt (§ 17 MAR [Marktmissbrauchsverordnung]).
Gibt es sperrfristenrechtliche Vorgaben für Arbeitnehmer beim Erwerb von Belegschaftsaktien?
Obwohl das deutsche Aktienrecht keine expliziten Sperrfristen für Belegschaftsaktien vorsieht, können solche Sperrfristen durch interne Programme oder individualrechtliche Vereinbarungen geregelt werden. Solche Bindungsfristen sind insbesondere aus Gründen der Mitarbeiterbindung oder zur Einhaltung steuerlicher Vorteile (z. B. bei steuerbegünstigter Überlassung nach § 3 Nr. 39 EStG) üblich. Rechtlich ist darauf zu achten, dass Sperrfristen nicht unangemessen lange sind und eine Rückgabe- oder Verfallsregelung im Falle des Ausscheidens rechtlich wirksam ist. Außerdem sind Geltungsvorschriften zum Kündigungsschutz und zur Sozialversicherungspflicht zu beachten, da eine sog. „echte“ Mitarbeiterbeteiligung in der Regel nicht als Arbeitslohn zählt, solange sie bestimmten Kriterien genügt.
Welche Mitbestimmungs- und Zustimmungserfordernisse bestehen im Unternehmen hinsichtlich eines Belegschaftsaktienprogramms?
Die Einführung eines Belegschaftsaktienprogramms ist regelmäßig vom Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats zu beschließen (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG bei Kapitalerhöhung). Daneben ist im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dem Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Ausgestaltung, Teilnahmebedingungen und Zuteilungsmodalitäten einzuräumen. In Fällen von Beteiligungsgesellschaften oder Mutter-Tochter-Strukturen kann auch eine Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bzw. des Konzernbetriebsrats erforderlich sein. Bei internationalen Aktienprogrammen sind gegebenenfalls auch europäische Betriebsräte und die Einhaltung ausländischer Mitbestimmungsregelungen zu berücksichtigen.
Welche besonderen Informationspflichten gegenüber Arbeitnehmern bestehen bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien?
Unabhängig von prospektrechtlichen Vorgaben sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer umfassend, rechtzeitig und verständlich über die Bedingungen des Erwerbs von Belegschaftsaktien zu informieren. Dazu gehören Informationen über Erwerbs-, Halte- und Veräußerungsbedingungen, etwaige steuerliche Auswirkungen, Risiken im Zusammenhang mit Kursschwankungen sowie mögliche Sperrfristen oder Rückgabeverpflichtungen. Diese Informationspflicht ergibt sich bereits aus dem arbeitsvertraglichen Schutz- und Rücksichtnahmegebot (§ 241 Abs. 2 BGB) sowie aus dem Grundsatz der Transparenz. In Unternehmen mit Betriebsrat sind diese Informationen auch diesem zur Verfügung zu stellen.