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Belästigung der Allgemeinheit

Belästigung der Allgemeinheit: Begriff, Bedeutung und Einordnung

Belästigung der Allgemeinheit bezeichnet ein Fehlverhalten im öffentlichen Raum, das über bloße Unannehmlichkeiten hinausgeht und die allgemeine Öffentlichkeit in relevanter Weise stört oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigt. Gemeint sind grob ungehörige Handlungen, die nach den anerkannten sozialen Regeln deutlich aus dem Rahmen fallen und geeignet sind, eine unbestimmte Vielzahl von Personen zu beeinträchtigen. Es handelt sich in der Regel um einen Verstoß aus dem Bereich der öffentlichen Ordnung mit bußgeldrechtlichen Folgen, nicht um eine Straftat.

Die Regelungen dienen dem Schutz eines geordneten und für alle nutzbaren öffentlichen Lebens. Sie schließen die Lücke zwischen zivilrechtlichen Individualkonflikten und strafrechtlichen Verhaltensweisen mit erheblichem Unrechtsgehalt.

Tatbestandliche Voraussetzungen

Handlung und sozialer Kontext

Erforderlich ist eine Handlung, die in einem öffentlichen oder jedenfalls öffentlich wahrnehmbaren Kontext stattfindet. Der öffentliche Raum umfasst Straßen, Plätze, Parks, Verkehrsanlagen und sonstige allgemein zugängliche Bereiche. Auch private Handlungen können erfasst sein, wenn ihre Wirkung auf den öffentlichen Raum ausstrahlt.

Grobe Ungehörigkeit und Erheblichkeitsschwelle

Die Handlung muss grob ungehörig sein. Das bedeutet, dass sie nach dem allgemeinen Empfinden in deutlicher Weise gegen Rücksichtnahme, Anstand oder Ordnungsvorstellungen verstößt. Nicht jede Lappalie ist erfasst; erforderlich ist eine gewisse Erheblichkeit, gemessen an Intensität, Dauer, Umfeld und Tageszeit. Maßstab ist eine objektive Bewertung aus Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der Öffentlichkeit.

Belästigung der Allgemeinheit statt individueller Störung

Im Mittelpunkt steht die Beeinträchtigung eines unbestimmten, offenen Personenkreises. Eine bloße Auseinandersetzung zwischen Einzelnen genügt nicht. Entscheidend ist die Eignung, mehrere Personen oder die Allgemeinheit als solche zu stören, auch wenn sich im Einzelfall nur wenige Personen tatsächlich beschweren.

Subjektive Seite

Erfasst wird in der Regel vorsätzliches Verhalten. Je nach Ausgestaltung können auch sorgfaltswidrige Verhaltensweisen in Betracht kommen. Maßgeblich ist, ob die störende Wirkung erkennbar und vermeidbar war.

Typische Erscheinungsformen

Die Erscheinungsformen sind vielfältig und hängen stark vom örtlichen Umfeld ab. Häufig genannt werden:

  • anhaltender, vermeidbarer Lärm im öffentlichen Raum, etwa laute Musikbeschallung oder wiederholtes Hupen ohne Anlass,
  • aggressives oder aufdringliches Anpöbeln von Passanten,
  • massive Verunreinigungen oder Verunachtens des Umfelds, die das öffentliche Zusammenleben spürbar beeinträchtigen,
  • unsachgemäße Nutzung öffentlicher Anlagen, die andere erheblich behindert oder stört,
  • Provokative Verhaltensweisen, die deutlich über soziales Unbequemsein hinausgehen und geeignet sind, ein allgemeines Ärgernis zu bereiten.

Welche Konstellationen erfasst sind, hängt vom Zusammenspiel aus Ort, Zeit, Intensität und sozialer Üblichkeit ab.

Abgrenzung zu anderen Rechtsverstößen

Lärmstörungen und Immissionsschutz

Belästigungen durch Lärm können von spezielleren Regelungen zu Ruhezeiten, Veranstaltungen oder Immissionen erfasst sein. Diese können neben oder anstelle einer allgemeinen Belästigungsnorm greifen, wenn sie den Sachverhalt konkreter regeln.

Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung

Sind einzelne Personen gezielt betroffen und erreicht das Verhalten eine gewisse Intensität, kommen Delikte mit höherem Unrechtsgehalt in Betracht. Belästigung der Allgemeinheit deckt primär allgemeine Störungen ab und nicht persönliche Angriffe mit strafrechtlicher Relevanz.

Verunreinigung öffentlicher Plätze

Örtliche Vorschriften können das Sauberhalten des öffentlichen Raums konkret regeln. Ist eine Verunreinigung erheblich und öffentlichkeitswirksam, kann sie zugleich als Belästigung der Allgemeinheit bewertet werden.

Öffentliche Ordnung und öffentliche Sicherheit

Belästigung der Allgemeinheit bezieht sich vor allem auf die öffentliche Ordnung als Gesamtheit ungeschriebener Regeln für ein störungsfreies Zusammenleben. Kommt es zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit, greifen regelmäßig speziellere Normen und polizeiliche Maßnahmen.

Rechtsfolgen und Verfahren

Mögliche Sanktionen und Maßnahmen

Typische Rechtsfolge ist ein Bußgeld. In geringeren Fällen kann eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld in Betracht kommen. Zur Unterbindung fortdauernder Störungen können gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, etwa Platzverweise oder die Sicherstellung von Störquellen.

Zuständige Behörden und Ablauf

Zuständig sind in der Regel Ordnungsbehörden und Polizei. Üblich ist ein Verfahren mit Anhörung der betroffenen Person und gegebenenfalls einem Bußgeldbescheid. Eine gerichtliche Überprüfung ist in einem gesetzlich geregelten Verfahren möglich.

Besonderheiten bei Minderjährigen

Für Minderjährige gelten besondere Regeln, die erzieherische Gesichtspunkte berücksichtigen. Die Ausgestaltung und Rechtsfolgen unterscheiden sich von denen für Erwachsene.

Dokumentation und Folgeeffekte

Die Ahndung erfolgt verwaltungsrechtlich-bußgeldrechtlich. Sie ist von strafrechtlichen Eintragungen zu unterscheiden und folgt eigenen Dokumentationsregeln.

Räumlicher und zeitlicher Anwendungsbereich

Öffentlicher Raum und Öffentlichkeit

Erfasst werden insbesondere Handlungen an allgemein zugänglichen Orten. Auch private Handlungen können betroffen sein, wenn sie ihre störende Wirkung auf den öffentlichen Bereich entfalten, zum Beispiel durch laute Beschallung oder sichtbare Ausstrahlung.

Kommunale Regelungen und Hausordnungen

Kommunen können ergänzende Verhaltensregeln erlassen, etwa zu Ruhezeiten, Sauberkeit oder Nutzung öffentlicher Anlagen. Zusätzlich sind Hausordnungen privater Betreiber relevant, soweit öffentlich zugängliche Räume betroffen sind.

Veranstaltungen und Versammlungen

Öffentliche Veranstaltungen und Versammlungen unterliegen besonderen Regelungen. Sofern rechtliche Rahmen eingehalten werden, liegt regelmäßig keine Belästigung der Allgemeinheit vor. Überschreitungen können jedoch sanktioniert werden.

Beweisfragen und Beurteilung im Einzelfall

Beweismittel

Typische Beweismittel sind Zeugenaussagen, Protokolle der Behörden, Ton- oder Bilddokumente, Messungen sowie Feststellungen zum Ort, zur Zeit und zur Dauer der Störung. Maßgeblich ist die objektive Eignung der Handlung, die Öffentlichkeit in erheblicher Weise zu beeinträchtigen.

Bewertungskriterien

Die Beurteilung erfolgt unter Würdigung von Intensität, Dauer, Wiederholungsfrequenz, Ortsüblichkeit, Tageszeit (etwa Ruhezeiten) und der Zahl potenziell betroffener Personen. Es genügt die Eignung zur Belästigung; eine flächendeckende tatsächliche Störung ist nicht erforderlich.

Historische und systematische Einordnung

Der Begriff der Belästigung der Allgemeinheit ist historisch gewachsen und verortet sich systematisch im Bereich der öffentlichen Ordnung. Er dient als generalklauselartige Auffangregel für Verhaltensweisen, die weder ausschließlich private Interessen berühren noch bereits wegen ihrer Intensität dem Strafrecht unterfallen, und schützt die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Zusammenlebens.

Häufig gestellte Fragen

Was umfasst Belästigung der Allgemeinheit im rechtlichen Sinn?

Gemeint sind grob ungehörige Handlungen im öffentlichen oder öffentlich wahrnehmbaren Raum, die geeignet sind, eine unbestimmte Zahl von Personen zu stören oder die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Es geht um relevante, nicht bloß geringfügige Beeinträchtigungen.

Reicht es aus, wenn sich einzelne Personen gestört fühlen?

Maßgeblich ist die Eignung, die Allgemeinheit zu beeinträchtigen. Eine einzelne Beschwerde ist ein Indiz, aber nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die objektive Beurteilung, ob die Handlung die Öffentlichkeit als solche betrifft.

Muss es zu einer konkreten Gefährdung oder einem Schaden kommen?

Erforderlich ist regelmäßig keine eingetretene Schädigung. Es genügt die objektive Eignung, eine erhebliche Störung zu verursachen. Die Erheblichkeitsschwelle trennt Alltägliches von sanktionierbaren Belästigungen.

Wo kann eine Belästigung der Allgemeinheit vorliegen?

Typischerweise im öffentlichen Raum wie Straßen, Plätzen, Parks oder Verkehrsanlagen. Auch in privaten Bereichen kann eine Belästigung vorliegen, wenn die Wirkung auf die Öffentlichkeit ausstrahlt und dort spürbar wird.

Welche Rechtsfolgen sind möglich?

In Betracht kommen Verwarnungen, Bußgelder sowie gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen, etwa Platzverweise oder die Sicherstellung von Störquellen. Die konkrete Reaktion richtet sich nach Umständen, Intensität und örtlichen Regelungen.

Wie wird die Erheblichkeit beurteilt?

Berücksichtigt werden Intensität, Dauer, Tageszeit, Ortsüblichkeit und die Zahl der potenziell Betroffenen. Eine kurzfristige Bagatelle erfüllt die Voraussetzungen in der Regel nicht, während wiederholte oder besonders laute bzw. aufdringliche Verhaltensweisen eher erfasst sind.

Worin liegt der Unterschied zu Straftatbeständen?

Belästigung der Allgemeinheit ist typischerweise eine bußgeldrechtliche Materie. Überschreitet ein Verhalten die Schwelle zur erheblichen Verletzung individueller oder kollektiver Rechtsgüter, kommen gesonderte Straftatbestände in Betracht, die anders geahndet werden.