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Beihilferecht


Begriff und Grundlagen des Beihilferechts

Das Beihilferecht ist ein zentrales Rechtsgebiet, das die staatliche Gewährung wirtschaftlicher Vorteile („Beihilfen“) an Unternehmen oder andere Wirtschaftsteilnehmer regelt. Hauptziel des Beihilferechts ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, die aufgrund von Subventionen oder sonstigen Begünstigungen durch öffentliche Stellen entstehen können. Das Beihilferecht ist wesentlich durch das Europäische Unionsrecht sowie durch nationales Recht geprägt und umfasst Regelwerke, gerichtliche Entscheidungen sowie Verfahrensordnungen.

Definition der Beihilfe

Eine Beihilfe ist im rechtlichen Sinn jede unmittelbare oder mittelbare finanzielle oder wirtschaftliche Zuwendung, die ein Staat oder eine staatliche Stelle einem Unternehmen gewährt, wodurch dieses Unternehmen gegenüber Wettbewerbern begünstigt wird. Typische Beihilfen sind Zuschüsse, Darlehen zu günstigen Konditionen, Steuervergünstigungen, Bürgschaften, Kapitalzuführungen oder der Erwerb von Vermögenswerten zu überhöhten Preisen.

Rechtsgrundlagen des Beihilferechts

Europäisches Beihilferecht (EU-Beihilfenkontrolle)

Das europäische Beihilferecht findet seine zentrale Rechtsgrundlage in den Artikeln 107 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Artikel 107 AEUV – Allgemeines Beihilfeverbot

Artikel 107 Absatz 1 AEUV legt das allgemeine Verbot staatlicher Beihilfen fest, die den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, sofern keine Ausnahme eingreift.

Ausnahmen und Genehmigungstatbestände

Die Artikel 107 Absätze 2 und 3 AEUV kennen verschiedene Ausnahmen, bei denen Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können, zum Beispiel Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligter Regionen oder zur Förderung von Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse.

Notifizierungspflicht und Standstill-Klausel

Nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV sind beabsichtigte Beihilfen durch den betreffenden Mitgliedstaat vor ihrer Durchführung der Europäischen Kommission zu melden („Notifizierungspflicht“). Während der Prüfung durch die Kommission dürfen die Maßnahmen nicht umgesetzt werden (sog. „Standstill-Klausel“).

Sekundärrechtliche Regelungen der EU

Ergänzend zum AEUV existieren zahlreiche Rechtsakte der Europäischen Kommission, die die Ausgestaltung und Zulässigkeit von Beihilfen konkretisieren, beispielsweise Leitlinien, Mitteilungen oder Verordnungen. Besonders bedeutsam sind:

  • Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO; VO (EU) Nr. 651/2014)
  • De-minimis-Verordnung (VO (EU) Nr. 1407/2013)

Diese Rechtsakte regeln detailliert, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Beihilfearten auch ohne vorherige Genehmigung zulässig sind.

Nationales Beihilferecht

Das nationale Beihilferecht orientiert sich maßgeblich an den europäischen Vorgaben. Das deutsche Recht kennt keine eigenständigen beihilferechtlichen Regelungen vergleichbar dem EU-Recht, wohl aber Bestimmungen etwa im Haushaltsrecht oder bei der Vergabe öffentlicher Subventionen, die neben dem EU-Recht Anwendung finden.

Anwendungsbereich und Tatbestandsmerkmale

Maßgebliche Voraussetzungen einer Beihilfe nach EU-Recht

Damit eine Maßnahme als staatliche Beihilfe gilt, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  1. Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Maßnahme: Die Zuwendung muss unmittelbar oder mittelbar vom Staat oder einer öffentlichen Stelle stammen.
  2. Selektivität: Die Maßnahme darf nicht allgemein gelten, sondern muss Einzelne oder bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen.
  3. Wettbewerbsverfälschung: Die Beihilfe muss geeignet sein, den Wettbewerb zu verfälschen oder zu beeinträchtigen.
  4. Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten: Die Begünstigung muss den Handel zwischen Mitgliedstaaten potentiell beeinflussen können.

Ausnahmen von der Beihilfereigenschaft

Nicht als Beihilfen gelten allgemeine infrastukturelle Maßnahmen oder marktübliche Handlungen der öffentlichen Hand, bei denen kein Vorteil verschafft wird („private investor test“).

Verfahren im Beihilferecht

Notifizierungs- und Prüfungsverfahren

Staatliche Beihilfen müssen vor ihrer Gewährung bei der Europäischen Kommission angemeldet werden. Die Kommission prüft, ob die Voraussetzungen des Beihilfetatbestands erfüllt sind und ob eine Ausnahmeregelung nach Art. 107 AEUV eingreift.

Folgen unerlaubter Beihilfen

Werden Beihilfen ohne vorherige Genehmigung oder entgegen ablehnender Entscheidung der Kommission gewährt, sind diese rechtswidrig und in der Regel zurückzufordern. Auch Empfänger rechtswidriger Beihilfen müssen diese zurückzahlen.

Rechtsschutz und Klagemöglichkeiten

Gegen Entscheidungen der Kommission im Bereich des Beihilferechts besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Gericht der Europäischen Union sowie gegebenenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof.

Arten von Beihilfen

Staatliche Beihilfen können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, beispielsweise:

  • Betriebsbeihilfen
  • Investitionsbeihilfen
  • Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen
  • Regionalbeihilfen
  • Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen

Jede Kategorie unterliegt eigenen beihilferechtlichen Anforderungen und Prüfungen durch die Kommission.

Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten

Das Beihilferecht überschneidet sich häufig mit weiteren Rechtsmaterien, namentlich dem Vergabe- und Wettbewerbsrecht sowie dem Haushalts- und Subventionsrecht. Eine klare Abgrenzung erfolgt anhand der jeweiligen Tatbestandsmerkmale und Anwendungsziele.

Bedeutung und Auswirkungen des Beihilferechts

Das Beihilferecht ist ein zentrales Instrument zur Sicherung des freien Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt. Es gewährleistet, dass keine Verzerrungen durch staatliche Begünstigungen entstehen und alle Marktteilnehmer gleiche Chancen erhalten. Insbesondere in wirtschaftlichen Krisensituationen gewinnt das Beihilferecht an Bedeutung, etwa im Rahmen von Sondermaßnahmen zur Stabilisierung von Branchen oder zur Förderung strukturschwacher Regionen.

Literatur und weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen finden sich in den einschlägigen Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Kommission, in Fachaufsätzen, Kommentaren sowie in den judikativ ergangenen Entscheidungen des EuGH und der deutschen Verwaltungsgerichte im Bereich beihilferechtlicher Fragen.


Dieser Beitrag liefert eine umfassende Übersicht zum Begriff des Beihilferechts, dessen zentrale Rechtsgrundlagen, praktische Anwendungsbereiche sowie die daraus resultierenden Rechte und Pflichten für staatliche Stellen und Unternehmen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen sind im Beihilferecht zu beachten?

Im Beihilferecht gelten verschiedene Fristen, die entweder gesetzlich oder durch Verwaltungsvorschriften geregelt sind. Von besonderer Bedeutung ist zum einen die Antragsfrist: Beihilfeanträge müssen in der Regel innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Entstehen der Aufwendungen gestellt werden. Nach § 3 Abs. 5 der Beihilfeverordnung (je nach Bundesland oder Bundesregelung unterschiedlich ausgestaltet) beträgt die Frist meist sechs Monate ab Rechnungsdatum oder ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beihilfeberechtigte Kenntnis von der Aufwendung und der Belegvorlage erhält. Wird diese Frist versäumt, verfällt der Anspruch auf Beihilfe für die betreffende Aufwendung endgültig. Darüber hinaus gibt es bei der Festsetzung und Auszahlung der Beihilfe weitere Fristen, innerhalb derer die Verwaltung tätig werden muss, regelmäßig zwischen zwei bis sechs Wochen nach Antragseingang. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei Bescheiden, die die Bewilligung oder Ablehnung der Beihilfe betreffen, Rechtsbehelfsfristen gelten: Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe kann Widerspruch eingelegt werden, soweit das Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung findet.

Welche Belege müssen einem Beihilfeantrag beigefügt werden?

Für einen erfolgreichen Beihilfeantrag ist die Vorlage bestimmter Nachweise zwingend erforderlich. Zunächst müssen Originalbelege, insbesondere Rechnungen von Ärzten, Apotheken oder anderen Leistungserbringern, eingereicht werden. Diese Unterlagen müssen die vollständigen Angaben gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder Zahnärzte (GOZ) enthalten, darunter die genaue Leistungsziffer, Beschreibung der erbrachten Leistung, das Rechnungsdatum und die Höhe des Betrages. Für Arzneimittel sind zusätzlich die Apothekenquittungen beizufügen. Wiederkehrende Kosten, wie beispielsweise für Hilfsmittel, müssen durch eine ärztliche Verordnung oder einen Nachweis über die medizinische Notwendigkeit belegt werden. Des Weiteren kann es erforderlich sein, bei Krankenhausaufenthalten eine Bescheinigung über die Notwendigkeit der stationären Behandlung oder einen Entlassungsbericht vorzulegen. In besonderen Fällen verlangen die Beihilfestellen auch Vorabgenehmigungen (z. B. bei Kurmaßnahmen oder teuren Hilfsmitteln). Je nach Sachverhalt sind ergänzende Nachweise wie Versicherungsbescheinigungen, Erstattungsnachweise von Krankenversicherungen oder Unterlagen zur Familienversicherung beizufügen.

Welche Leistungen sind im Beihilferecht ausgeschlossen?

Beihilferechtlich gibt es eine Vielzahl von Ausschlüssen, die sich aus den Beihilfeverordnungen ergeben. Generell ausgeschlossen sind Aufwendungen, die nicht der medizinischen Notwendigkeit und Angemessenheit entsprechen. Das betrifft insbesondere kosmetische Behandlungen ohne therapeutische Indikation, Privat- und Wunschleistungen, die von gesetzlichen Leistungskatalogen abweichen, sowie bestimmte alternative Heilmethoden, soweit sie nicht explizit aufgenommen wurden. Ferner sind auch Kosten für Übernachtungen von Begleitpersonen, Telefongebühren, Fernsehgebühren und Verpflegungsmehraufwand in Krankenhäusern ausgeschlossen, sofern sie als Komfortleistungen erbracht werden. Weiterhin gilt, dass Aufwendungen, die bereits von dritter Seite (wie Krankenversicherungen, Unfallkassen oder Haftpflichtversicherungen) erstattet wurden, grundsätzlich nicht noch einmal als beihilfefähig gelten. Ebenso werden Kosten, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Handlungen entstanden sind, aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen.

Wie erfolgt die Anrechnung von Erstattungen durch Dritte (z.B. Krankenversicherung)?

Im Beihilferecht ist die Anrechnung von Leistungen durch Dritte ein zentraler Aspekt. Grundsätzlich ist der Beihilfeberechtigte verpflichtet, bei mehreren Kostenträgern eine Doppelbegünstigung zu vermeiden. Das bedeutet, dass beihilfefähige Aufwendungen, für die bereits eine (teilweise) Erstattung durch die private Krankenversicherung, gesetzliche Kassen, Unfall- und Rentenversicherungsträger oder Haftpflichtversicherungen erfolgt ist, nur noch in Höhe des verbliebenen Eigenanteils bei der Beihilfestelle geltend gemacht werden dürfen. Bei Antragstellung müssen daher sämtliche Erstattungsbelege der Dritten eingereicht werden, um diese Beträge korrekt in Abzug zu bringen. Die Beihilfe wird dann anhand der Restkosten berechnet („Subsidiaritätsprinzip“). Eine nicht ordnungsgemäße Angabe oder gar Verschweigen von Drittleistungen kann zu Rückforderungen, Verzinsungspflichten und im Falle des Vorsatzes auch zu disziplinar- oder strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Wie können Beihilfebescheide angefochten werden?

Der Rechtsweg bei Beihilfebescheiden richtet sich nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Nach Bekanntgabe eines beihilferechtlichen Bescheids – unabhängig ob es sich um eine Ablehnung, teilweise Bewilligung oder eine Rückforderung handelt – gilt für den Antragsteller die Monatsfrist zur Einlegung des Widerspruchs. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Bescheid angegebenen Behörde einzulegen. Die Beihilfestelle prüft daraufhin die Sach- und Rechtslage erneut und erlässt einen Widerspruchsbescheid. Sollte dieser nicht im Sinne des Antragstellers ausfallen, besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Zu beachten ist, dass die Einlegung des Widerspruchs die aufschiebende Wirkung hat, d.h. Rückforderungen werden zunächst nicht vollstreckt. Es ist ratsam, für den Widerspruch alle relevanten Unterlagen und gegebenenfalls neue Beweismittel beizufügen, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Gelten für Pensionäre und aktive Beamte unterschiedliche Beihilfebedingungen?

Für Pensionäre (Versorgungsempfänger) und aktive Beamte bestehen im Kern ähnliche Beihilfebestimmungen, unterscheiden sich jedoch in bestimmten Details. Ein wesentlicher Unterschied betrifft den Bemessungssatz: Während für aktive Beamte üblicherweise 50% der beihilfefähigen Aufwendungen als Beihilfe erstattet werden, erhöht sich die Quote bei Pensionären auf 70%. Auch für berücksichtigungsfähige Ehegatten und Kinder gelten unterschiedliche Sätze, abhängig von Einkommen und Status. Zudem unterscheiden sich teils die beihilfefähigen Leistungen, etwa bei Pflegeaufwendungen oder im Bereich der Heil- und Hilfsmittelversorgungen, abhängig von Versorgungsgrad und aktuellen gesetzlichen Regelungen. Im Antragsverfahren selbst bestehen kaum Differenzen; allerdings sind Versorgungsempfänger verpflichtet, Änderungen des Versorgungsstatus oder Einkommensverhältnisse zeitnah anzuzeigen, da sich dadurch die Höhe und der Anspruch auf Beihilfe ändern können.

Wie verhält sich das Beihilferecht im Falle von Auslandserkrankungen?

Das Beihilferecht sieht vor, dass auch im Ausland entstandene Krankheitskosten unter bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig sind, allerdings gelten hierbei häufig zusätzliche Auflagen. Der Aufenthaltszweck ist entscheidend: Während für dienstlich bedingte Auslandsaufenthalte meist umfassender Versicherungsschutz und Beihilfefähigkeit besteht, werden bei privaten Auslandsreisen die Kosten bis zu einem Höchstbetrag übernommen oder sind auf im Inland vergleichbare Kosten beschränkt. Die Rechnungen müssen in deutscher Übersetzung und möglichst mit Diagnose eingereicht werden, zusammen mit dem Nachweis, dass es sich um einen medizinisch notwendigen Fall handelte. In einigen Fällen ist zudem ein Vorab-Antrag oder eine ärztliche Bescheinigung über die Dringlichkeit notwendig. Bestimmte Leistungen wie Rückführungskosten oder Kosten für medizinische Evakuierung sind von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um zwingende medizinische Notfälle. Die Beihilfestelle prüft auch hier, ob Drittleistungen (z.B. durch Auslandsreiseversicherungen) vorliegen, und rechnet diese entsprechend an.