Legal Lexikon

Beigeladene


Begriffsbestimmung und Einordnung: Beigeladene

Der Begriff Beigeladene bezeichnet im deutschen Verfahrensrecht Dritte, die zu einem gerichtlichen Verfahren hinzugezogen werden, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung des Gerichts betroffen sein können. Die Beiladung dient dem Ziel, allen potenziell betroffenen Personen die Möglichkeit zur Beteiligung am Verfahren zu geben und widersprüchliche Entscheidungen in verschiedenen Verfahren zu vermeiden. Rechtsgrundlagen und konkrete Ausgestaltung der Beiladung variieren je nach Verfahrensart und Gerichtszweig.


Rechtliche Grundlagen der Beiladung

Verwaltungsprozessrecht

Im Verwaltungsprozess ist die Beiladung in den §§ 65 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt. Die Beiladung kann sowohl notwendig (obligatorisch) als auch einfach (fakultativ) erfolgen:

Notwendige Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO)

Eine notwendige Beiladung ist durchzuführen, wenn die streitentscheidende Wirkung des Urteils so weit reicht, dass es unmittelbar in die Rechte eines Dritten eingreift, ohne dass dieser selbst Partei des Verfahrens ist. Ohne dessen Beteiligung könnte das Gericht kein wirksames und vollstreckbares Urteil erlassen. Typischerweise ist dies der Fall, wenn eine Entscheidung nur einheitlich gegenüber mehreren Betroffenen ergehen kann.

Einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO)

Die einfache Beiladung ist zulässig, wenn die Entscheidung auch die rechtlichen Interessen eines Dritten berührt, ohne dass dessen Mitwirkung für die Rechtskraft des Urteils zwingend erforderlich ist. Hier hat der Beigeladene die Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, ohne jedoch Kläger oder Beklagter zu werden.

Weitere Verfahrensarten

Sozialgerichtsbarkeit

In der Sozialgerichtsbarkeit enthält § 75 SGG die entsprechenden Vorschriften zur Beiladung. Auch hier wird zwischen einfacher und notwendiger Beiladung differenziert. Insbesondere bei Streitigkeiten über sozialrechtliche Ansprüche mit drittbelangten Parteien (z. B. Kostenträger, Mitbetroffene) kommt die Beiladung zum Tragen.

Finanzgerichtsbarkeit

Das Finanzgerichtsverfahren kennt die Beiladung nach § 60 FGO. Sie ist insbesondere relevant, wenn die Entscheidung unmittelbare Auswirkungen auf die steuerlichen Belange eines Dritten hat.

Zivilprozessordnung (ZPO)

Im Zivilprozess ist die Beiladung institutionell nicht vorgesehen. In Ausnahmefällen wird jedoch von einer Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) Gebrauch gemacht, wobei ein Dritter auf etwaige Regressansprüche vorbereitet werden soll.


Rechte und Pflichten der Beigeladenen

Parteistellung und Beteiligungsmöglichkeiten

Beigeladene verfügen grundsätzlich über eigene Beteiligungsrechte im Verfahren. Diese umfassen insbesondere:

  • Recht auf Akteneinsicht
  • Gleichrangige Stellung hinsichtlich der Verfahrenshandlungen (z. B. Antragstellung, Stellung von Beweisanträgen, Rechtsmittelgebrauch)
  • Anspruch auf rechtliches Gehör
  • Teilnahmerecht an mündlichen Verhandlungen

Beigeladene sind jedoch keine originären Parteien des Prozesses (im Sinne von Kläger bzw. Beklagter), sondern nehmen eine Zwischenstellung ein. Ihre Stellung nähert sich jedoch, insbesondere bei notwendiger Beiladung, derjenigen einer Partei an. Sie sind an die gerichtliche Entscheidung in gleichem Maße wie die übrigen Beteiligten gebunden.

Kostenbeteiligung

Beigeladene können gemäß § 162 VwGO zu den Verfahrenskosten herangezogen werden, wenn dies nach dem Ausgang und Inhalt des Verfahrens angemessen erscheint. Insbesondere bei eigenständigen Anträgen, die sie im Laufe des Verfahrens gestellt haben, kann eine Kostenbeteiligung in Betracht kommen.


Prozessuale Auswirkungen der Beiladung

Bindungswirkung und Rechtskraft

Ein Urteil, das unter Beteiligung von Beigeladenen ergeht, entfaltet auch gegenüber den beigeladenen Dritten Rechtskraft, soweit diese von der Entscheidung betroffen sind. Die Bindungswirkung trägt dazu bei, Rechtssicherheit und Prozessökonomie zu gewährleisten.

Rechtsmittelbefugnis

Beigeladene sind im vollen Umfang rechtsmittelberechtigt, soweit sie durch die Entscheidung des Gerichts beschwert sind (§ 65 Abs. 3 VwGO). Damit können sie gegen ein Urteil, das zu ihren Lasten ergeht, eigenständig Berufung oder Revision einlegen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Abgrenzung zu anderen Beteiligtenformen

Die Beiladung ist von anderen Erscheinungsformen der Verfahrensbeteiligung, etwa der Streitverkündung im Zivilprozess oder der Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO), abzugrenzen. Während bei der Beiladung die Initiative regelmäßig vom Gericht ausgeht, beruht die Streitverkündung auf dem Parteiwillen.


Zulässigkeit, Verfahren und Ablauf der Beiladung

Einleitung und Entscheidung über die Beiladung

Die Beiladung erfolgt entweder

  • auf Antrag eines Beteiligten oder
  • von Amts wegen durch das Gericht, wenn es die Beiladung für erforderlich hält.

Die Entscheidung wird dem Betroffenen durch einen gerichtlichen Beiladungsbeschluss mitgeteilt. Der Beigeladene wird offiziell in das Verfahren einbezogen und erhält Zugang zu den prozessualen Akten.

Mögliche Anträge und Handlungsspielräume

Im Verfahren kann der Beigeladene

  • eigene Anträge stellen,
  • sich bereits gestellten Anträgen anschließen,
  • Rechtsmittel independently einlegen,
  • und an der mündlichen Verhandlung teilnehmen und sich äußern.

Die Einlegung von Rechtsmitteln durch Beigeladene ist unter den gleichen Voraussetzungen möglich wie für Kläger oder Beklagte, sofern eine eigene Beschwer vorliegt.


Bedeutung der Beiladung für die Praxis

Die Beiladung spielt eine zentrale Rolle, um die Verfahrensbeteiligung aller potenziell betroffenen Dritten sicherzustellen und die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auf einen erweiterten Personenkreis zu erstrecken. Dies verhindert spätere Rechtsstreitigkeiten um denselben Sachverhalt und trägt wesentlich zur Prozessökonomie und Rechtssicherheit bei.

Insbesondere im öffentlichen Baurecht, im Umweltrecht, im Sozialversicherungsrecht sowie im Steuerrecht ist die sachgerechte Anwendung der Beiladung von erheblicher praktischer Bedeutung.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Kopp/Schenke: Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar
  • Schmidt: Die Beteiligten im Verwaltungsprozess, 5. Aufl.
  • Redeker/von Oertzen: Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar

Dieser Artikel bietet eine umfassende Darstellung und eine tiefe rechtliche Einordnung des Begriffs „Beigeladene“ im deutschen Verfahrensrecht und eignet sich zur grundlegenden Information innerhalb eines Rechtslexikons.

Häufig gestellte Fragen

Müssen Beigeladene am Verfahren beteiligt werden, auch wenn sie kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben?

Beigeladene werden nach § 65 VwGO in einem gerichtlichen Verfahren beteiligt, wenn ihre rechtlichen Interessen durch das Verfahren berührt sein könnten. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass Beigeladene ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens geltend machen oder tatsächlich besitzen; vielmehr genügt es, dass das Verfahren objektiv geeignet ist, in ihre Rechte einzugreifen oder diese zu beeinflussen. Diese Beteiligung bezweckt den umfassenden Rechtsschutz aller potenziell Betroffenen sowie die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen. Selbst wenn ein Beigeladener subjektiv kein Interesse zeigt oder das Verfahren für ihn nachteilig erscheinen mag, kann das Gericht ihn gleichwohl beiziehen, sofern dessen Rechtsposition potentiell berührt ist. Die ordnungsgemäße Beiladung ist auch für die prozessuale Wirksamkeit und die materielle Rechtskraft des Urteils von Bedeutung, da eine unterlassene oder fehlerhafte Beiladung unter Umständen zur Aufhebbarkeit des Urteils nach § 138 Nr. 6 ZPO (analog) führen kann.

Welche Rechte stehen einem Beigeladenen im Verfahren zu?

Beigeladene besitzen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich sämtliche prozessualen Rechte, mit Ausnahme der isolierten Einlegung von Rechtsmitteln, es sei denn, ihnen wurde ausdrücklich ein eigenes Rechtsmittelrecht eingeräumt (§ 65 Abs. 2 VwGO). Sie dürfen Schriftsätze einreichen, Anträge stellen, an mündlichen Verhandlungen teilnehmen, Beweise beantragen und Erklärungen abgeben. Allerdings sind ihre Handlungsmöglichkeiten durch die Anträge der Hauptparteien begrenzt: Ein Beigeladener kann keine eigenen Klageanträge stellen, die über das hinausgehen, was die Hauptparteien beantragen; vielmehr ist seine Beteiligung in der Regel akzessorisch zu den jeweiligen Verfahrensanträgen. Seine Einwendungen sind daher typischerweise auf die Unterstützung oder Ablehnung der Anträge einer Hauptpartei beschränkt. Ausnahmsweise kann einem notwendig Beigeladenen auch ein eigenständiges Rechtsmittelrecht zustehen, etwa im Fall der Drittanfechtungsklage.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einfacher und notwendiger Beiladung?

Die einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO dient der Information und dem Beteiligungsschutz Dritter, deren rechtliche Interessen möglicherweise von einer gerichtlichen Entscheidung betroffen werden. Sie wird nach Ermessen des Gerichts ausgesprochen, wenn es zweckdienlich erscheint. Die Beiladung ist aber in diesem Fall nicht zwingend für die materielle Rechtskraft oder die Wirksamkeit des Urteils. Dagegen ist bei der notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO das Verfahren ohne die Beteiligung des Beizuladenden nicht ordnungsgemäß durchführbar, weil die Entscheidung nur einheitlich gegenüber mehreren Beteiligten ergehen kann. Die notwendige Beiladung führt dazu, dass ohne sie keine Sachentscheidung getroffen werden darf und das Urteil nur gegenüber allen Beteiligten materielle Rechtskraft entfaltet. Im Falle einer unterlassenen notwendigen Beiladung ist das Urteil verfahrensfehlerhaft und auf entsprechende Rüge aufhebbar.

Haben Beigeladene Anspruch auf Kostenerstattung?

Die Frage nach den Kosten richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere §§ 154 ff. VwGO. Grundsätzlich tragen Beigeladene ihre eigenen Kosten selbst, sofern das Gericht nicht ausdrücklich eine Kostenerstattung anordnet. Eine Kostenauferlegung zugunsten oder zulasten des Beigeladenen ist insbesondere dann möglich, wenn er eigene Anträge gestellt oder das Verfahren in erheblichem Maße beeinflusst hat. Die gerichtliche Kostenentscheidung kann nach billigem Ermessen berücksichtigen, inwieweit die Beigeladenen zur Förderung oder Erschwerung des Verfahrens beigetragen haben. Im Fall der notwendigen Beiladung ist eine Kostenentscheidung regelmäßig erforderlich, um die Interessenlagen angemessen zu berücksichtigen.

In welchen Fällen ist eine nachträgliche Beiladung möglich?

Eine Beiladung kann auch nachträglich, d.h. im laufenden Verfahren, vorgenommen werden, solange noch keine rechtskräftige Sachentscheidung ergangen ist. Dies folgt aus dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes und dem Willen, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Das Gericht wird typischerweise eine Beiladung dann nachholen, wenn es feststellt, dass die Entscheidung ohne Beteiligung einer betroffenen Person oder Stelle eine unvollständige oder wirkungslose Rechtskraft entfalten könnte. Auch die Parteien können ausdrücklich die Beiladung eines Dritten beantragen, worüber das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Eine nachträgliche Beiladung hat grundsätzlich rückwirkende Wirkungen nur im Hinblick auf den Engagementsbereich (z.B. Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab Beiladung), nicht aber auf bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte.

Können Beigeladene einen Antrag auf Ablehnung eines Richters stellen?

Beigeladene sind in prozessualer Hinsicht weitgehend den Hauptparteien gleichgestellt und können daher gemäß §§ 41 ff. ZPO (anwendbar über § 54 VwGO) analog einen Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit stellen. Dies entspricht dem Prinzip des rechtlichen Gehörs und dem Anspruch auf ein faires Verfahren für alle Verfahrensbeteiligten, deren Rechte durch das Verfahren betroffen sind. Auch hier gilt jedoch, dass der Beigeladene nur im Rahmen seiner Rechtsstellung tätig werden kann, weswegen die Ablehnung typischerweise nur zulässig ist, wenn seine Beteiligung am weiteren Verfahrensgang davon berührt wird.

Welche Bedeutung hat die Beiladung im Kontext der materiellen Rechtskraft?

Die Beiladung wirkt sich auf den Umfang und die Tragweite der durch das Urteil eintretenden materiellen Rechtskraft aus. Bei notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) entfaltet die gerichtliche Entscheidung Rechtskraft nicht nur gegenüber den Hauptparteien, sondern auch unmittelbar gegenüber den Beigeladenen. Das bedeutet, dass die streitentscheidende Frage – etwa die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts – für und gegen alle Beteiligten bindend ist. Unterbleibt eine notwendige Beiladung, ist die materielle Rechtskraft der Entscheidung eingeschränkt, was zu nachfolgenden Rechtsstreitigkeiten sowie zur Anfechtbarkeit des Urteils führen kann. In Fällen der einfachen Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) gilt die materielle Rechtskraft hingegen regelmäßig nur für die Hauptparteien und lässt die Rechtspositionen der Beigeladenen eher unberührt.