Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Verkehrsrecht»Behinderung im Straßenverkehr

Behinderung im Straßenverkehr


Begriff und rechtlicher Rahmen der Behinderung im Straßenverkehr

Der Begriff Behinderung im Straßenverkehr ist ein zentraler Rechtsbegriff des deutschen Straßenverkehrsrechts und bezeichnet jede Beeinträchtigung, Störung oder Einschränkung der ordnungsgemäßen Teilnahme anderer Verkehrsteilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr. Die Vorschrift richtet sich insbesondere an Führer von Kraftfahrzeugen, beinhaltet jedoch grundsätzliche Anforderungen an alle Teilnehmer des Straßenverkehrs.

Definition und gesetzliche Grundlagen

Die rechtliche Definition der Behinderung im Straßenverkehr findet sich vor allem in § 1 Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Dort heißt es: „Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Darüber hinaus sind auch zahlreiche Spezialvorschriften relevant, beispielsweise in Zusammenhang mit dem Halten und Parken (§ 12 StVO), dem Vorfahrt- und Vorrangsrecht (§ 8, § 9 StVO) und dem Verhalten gegenüber bestimmten Gruppen wie Rettungsfahrzeugen (§ 38 StVO).

Formen der Behinderung

Behinderung im Straßenverkehr liegt vor, wenn einer anderen Person die Teilnahme am Verkehr erschwert, verzögert oder unmöglich gemacht wird, ohne dass eine konkrete Gefährdung oder Schädigung eintritt. Beispiele hierfür sind das Blockieren von Fußwegen, das Be- oder Versperren von Rettungswegen, das Verengen der Fahrbahn oder das unnötige Halten im Halteverbot.

Abgrenzung zu Gefährdung und Belästigung

Die StVO unterscheidet zwischen Schädigung, Gefährdung, Behinderung und Belästigung:

  • Schädigung: Eintritt eines materiellen oder immateriellen Schadens.
  • Gefährdung: Herbeiführen einer konkreten Gefahr, das heißt, ein Schaden ist nur durch Zufall ausgeblieben.
  • Behinderung: Jede erhebliche, das zumutbare Maß überschreitende Erschwerung oder Verzögerung der Verkehrsteilnahme.
  • Belästigung: Unzumutbare, meist subjektiv empfundene Beeinträchtigungen, z. B. durch Lärm oder Abgase.

Behinderungen können sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verursacht werden und sind nicht an die Entstehung eines Schadens gebunden.

Rechtliche Folgen und Sanktionen

Für das Verursachen einer Behinderung im Straßenverkehr sieht das bundesdeutsche Ordnungswidrigkeiten- und Verkehrsstrafrecht empfindliche Sanktionen vor.

Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder

Typische Bußgeldtatbestände im Zusammenhang mit Behinderungen sind etwa das unzulässige Halten oder Parken auf Geh- und Radwegen, an Engstellen oder in zweiter Reihe. Die Höhe des Bußgelds richtet sich nach dem bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog und steigt bei besonderen Umständen wie der Behinderung von Einsatzfahrzeugen.

Punkte im Fahreignungsregister (FAER)

Kommt es infolge der Behinderung zu zusätzlichen Gefährdungen, können Punkte im FAER in Flensburg eingetragen werden. Auch eine Fahrerlaubnisentziehung kann drohen, insbesondere bei wiederholten oder groben Verstößen.

Strafrechtliche Folgen

In besonders schwerwiegenden Fällen kann das Verhalten auch strafrechtlich relevant sein, beispielsweise nach § 315b Strafgesetzbuch (StGB) wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr oder nach § 323c StGB wegen unterlassener Hilfeleistung.

Zivilrechtliche Auswirkungen

Wer durch eine Verkehrsbehinderung einen Unfall verursacht oder einen Schaden herbeiführt, haftet nach den Grundsätzen des Zivilrechts (§ 823 BGB) auf Schadensersatz. Die Haftung kann verschärft sein, wenn eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde.

Typische Fallkonstellationen und Beispiele

Halten und Parken

  • Parken auf Gehwegen, Radwegen oder sogenannten „Gullideckeln“
  • Halten in zweiter Reihe, insbesondere im Innenstadtbereich
  • Blockieren von Ausfahrten, Einmündungen oder Zufahrten zu Rettungswegen

Fahrvorgänge und Allgemeines Verkehrsverhalten

  • Unnötiges Langsamfahren auf Autobahnen oder Landstraßen
  • Behinderung von Omnibussen durch Nichtbeachtung der Haltestellenregelung (§ 20 StVO)
  • Versperren von Fahrstreifen durch nicht angepasste Geschwindigkeit oder Fahrmanöver

Verhalten gegenüber besonderen Verkehrsteilnehmergruppen

  • Blockieren von Rettungsfahrzeugen im Einsatz
  • Verweigerung der Bildung einer Rettungsgasse bei Stau
  • Behinderung mobilitätseingeschränkter Personen, beispielsweise durch Abstellen von Fahrzeugen an abgesenkten Bordsteinen

Besonderheiten bei behindernden Verkehrsverstößen

Subjektives Empfinden und objektiver Maßstab

Nicht jede Unannehmlichkeit stellt im juristischen Sinne eine Behinderung dar. Entscheidend ist regelmäßig, ob die Einschränkung das zumutbare Maß überschreitet und objektiv vermeidbar gewesen wäre. Das Verhalten wird aus der Sicht eines verständigen und umsichtigen Verkehrsteilnehmers bewertet.

Rechtmäßige Behinderungen

Bestimmte Behinderungen sind nach dem Gesetz zulässig, beispielsweise bei überragendem öffentlichem Interesse (z. B. Baustellen, Behördeneinsätze). Auch Verkehrsteilnehmer, die die Vorfahrt wahrnehmen oder einfahren müssen, dürfen unter Umständen andere behindern – sofern dies hinzunehmen ist.

Prävention und Vermeidung von Behinderungen

Verkehrsrechtliche Verhaltensregeln

Die wichtigste Verhaltensregel zur Vermeidung von Behinderungen ist die permanente Rücksichtnahme auf andere (§ 1 StVO). Ergänzend gilt die Verpflichtung, sein Fahrzeug stets nur dort abzustellen, wo weder der Verkehrsfluss noch andere Verkehrsteilnehmer behindert werden.

Technische und bauliche Maßnahmen

Auch bauliche Veränderungen, wie das Anbringen von Pollern, Fahrbahnmarkierungen oder die Schaffung von Ladezonen, dienen der Prävention und Abstimmung widersprüchlicher Verkehrsinteressen im Alltag.

Zusammenfassung

Behinderung im Straßenverkehr ist ein elementarer Begriff des Verkehrsrechts, der die Rücksichtnahme und Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs gewährleisten soll. Neben den Verkehrsregeln der StVO sind auch straf- und zivilrechtliche Aspekte zu beachten. Verkehrsteilnehmer, die andere behindern, müssen mit Sanktionen rechnen, die von Bußgeldern über Fahrverbote bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen reichen können. Zahlreiche Sachverhalte, etwa das Parken auf Gehwegen oder das Versperren von Rettungswegen, werden im Bußgeldkatalog explizit aufgeführt und geahndet. Eine bewusste, aufmerksame und rücksichtvolle Teilnahme am Straßenverkehr ist entscheidend, um Behinderungen zu vermeiden und für die Sicherheit aller Beteiligten zu sorgen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen gelten für die Nutzung eines Behindertenparkplatzes?

Zur Nutzung eines Behindertenparkplatzes in Deutschland ist zwingend das Mitführen und gut sichtbare Auslegen eines entsprechenden Parkausweises erforderlich. Es gibt hierbei insbesondere zwei Parkausweise: den blauen EU-weit gültigen Behindertenparkausweis und den orangefarbenen – nur bundesweit gültigen – Ausweis. Der blaue Parkausweis berechtigt zum Parken auf ausgewiesenen Behindertenparkplätzen sowie zu diversen Parkerleichterungen, wie z.B. das Parken im eingeschränkten Halteverbot oder das längere Parken an Parkuhren, ohne dabei Gebühren entrichten zu müssen. Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines blauen Parkausweises ist der Nachweis einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“) oder der Blindheit (Merkzeichen „Bl“). Die Nutzung eines solchen Parkplatzes ohne gültigen Ausweis stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeldern oder sogar mit dem Abschleppen des Fahrzeugs geahndet werden. Es ist außerdem zu beachten, dass der Parkausweis personengebunden ist; das heißt, auch Familienmitglieder oder Begleitpersonen dürfen diese Parkplätze nur nutzen, wenn die berechtigte, behinderte Person das Fahrzeug benutzt oder zumindest begleitet.

Welche besonderen Rechte haben Menschen mit Behinderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)?

Menschen mit Behinderung genießen im ÖPNV verschiedene besondere Rechte, die sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) und dem Personenbeförderungsgesetz ergeben. So haben schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen „G“, „aG“, „Bl“ oder „H“ und entsprechendem Schwerbehindertenausweis in Verbindung mit einer Wertmarke das Recht auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr. Hierzu zählen Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen sowie bestimmte Nahverkehrszüge. Begleitpersonen von schwerbehinderten Menschen mit Merkzeichen „B“ sowie notwendige Begleithunde können ebenfalls unentgeltlich mitfahren. Verkehrsunternehmen sind zudem verpflichtet, die Barrierefreiheit sicherzustellen, etwa durch Niederflurbusse, rollstuhlgerechte Haltestellen und entsprechende Informationssysteme. Wird die Barrierefreiheit nicht sichergestellt, so besteht ggf. ein Anspruch auf eine Ersatzbeförderung oder andere angemessene Vorkehrungen, die den Zugang zum öffentlichen Verkehr ermöglichen.

Welche Pflichten haben Autofahrer gegenüber Menschen mit Behinderung im Straßenverkehr?

Autofahrer müssen im Straßenverkehr besondere Rücksicht auf Menschen mit Behinderung nehmen, was sich sowohl aus der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) als auch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergibt. Laut § 3 Absatz 2a StVO ist jeder Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sich gegenüber Menschen mit erkennbaren Behinderungen besonders vorsichtig und rücksichtsvoll zu verhalten. Das beinhaltet etwa eine erhöhte Aufmerksamkeit an Ampeln, Zebrastreifen und Bushaltestellen sowie das sichere und ungehinderte Passierenlassen von Rollstuhlfahrern oder blinden Menschen, insbesondere wenn diese bestimmte Hilfsmittel wie einen weißen Stock oder Blindenhund mit sich führen. Auch das Zuparken von abgesenkten Bordsteinen, die explizit als Überwege für Rollstuhlfahrer dienen, ist untersagt und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Wer gegen diese Pflichten verstößt, muss mit Bußgeldern und weiteren Sanktionen rechnen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, wenn Barrieren im Straßenverkehr die Mobilität von Menschen mit Behinderung einschränken?

Wenn bauliche oder organisatorische Barrieren die Teilhabe am Straßenverkehr limitieren, haben Menschen mit Behinderung das Recht, auf Grundlage des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) sowie des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die Beseitigung oder Anpassung der Barrieren zu verlangen. Dies kann sowohl die Installation von abgesenkten Bordsteinen, Rollstuhlrampen oder akustischen Signalanlagen an Ampeln betreffen. Solche Anliegen sind zunächst an die zuständigen Straßenbau- oder Verkehrsbehörden zu richten. Sollte diesen nicht nachgekommen werden, ist es möglich, den Rechtsweg einzuschlagen, etwa durch Einlegen von Widerspruch oder Klage vor dem Verwaltungsgericht. In bestimmten Fällen kann zudem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingeschaltet oder Unterstützung durch Behindertenverbände in Anspruch genommen werden.

Welche Strafen drohen beim Missbrauch der Behindertenparkregelungen?

Wer unberechtigt einen Behindertenparkplatz nutzt, indem er ohne gültigen Parkausweis parkt, muss mit einem Bußgeld rechnen. In Deutschland sieht der bundeseinheitliche Tatbestandskatalog (Bußgeldkatalog) für das Parken ohne Berechtigung auf einem Behindertenparkplatz derzeit ein Bußgeld von mindestens 55 Euro vor, wobei in besonders schweren Fällen (z.B. gleichzeitige Behinderung eines Berechtigten oder Wiederholungsfälle) auch höhere Strafen oder ein Abschleppen des Fahrzeugs möglich sind. Der widerrechtliche Gebrauch oder die Fälschung eines Behindertenparkausweises erfüllt zudem unter Umständen den Tatbestand der Urkundenfälschung und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Missbrauch umfasst auch das Auslegen eines echten Parkausweises ohne Anwesenheit der berechtigten Person.

Welche Ausnahmeregelungen im Straßenverkehr gelten für Menschen mit bestimmten Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis?

Menschen mit den Merkzeichen „G“ (erhebliche Gehbehinderung), „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ (blind), und „H“ (hilflos) im Schwerbehindertenausweis profitieren von verschiedenen Sonderregelungen im Straßenverkehr. Hierzu gehören nicht nur Parkerleichterungen, sondern zum Teil auch Ausnahmen von Halt- und Parkverboten nach § 46 Absatz 1 StVO, z.B. das Parken im eingeschränkten Halteverbot, auf Bewohnerparkplätzen und in Fußgängerzonen während der Ladezeiten. Weitere individuelle Ausnahmegenehmigungen können von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde auf Antrag und gegen Vorlage entsprechender Nachweise erteilt werden. So ist es beispielsweise blinden Personen erlaubt, mit Führhund oder weißem Stock auf besonderen Verkehrswegen unterwegs zu sein, ohne dass davon Einschränkungen für sie ausgehen dürfen. Auch das Ausstellen temporärer Ausnahmegenehmigungen, beispielsweise bei plötzlicher Bewegungseinschränkung (etwa infolge eines Unfalls), ist in begründeten Fällen möglich.