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Begehungsort


Begriff und rechtliche Bedeutung des Begehungsortes

Der Begehungsort ist ein zentraler Begriff im deutschen Recht, insbesondere im Strafrecht und Zivilrecht, und kennzeichnet den Ort, an dem eine als tatbestandsmäßig bewertete Handlung oder ein Teilakt im Rahmen einer Straftat oder unerlaubten Handlung verwirklicht wurde. Die Definition und Bedeutung des Begehungsortes erstrecken sich auf unterschiedliche Rechtsgebiete, wobei jeweils spezielle rechtliche Konsequenzen mit der Feststellung eines Begehungsortes verbunden sind. Die präzise Lokalisierung des Begehungsortes ist von wesentlicher Bedeutung für die örtliche Zuständigkeit von Gerichten und Behörden sowie für die Anwendbarkeit von Rechtvorschriften.


Begehungsort im Strafrecht

Gesetzliche Grundlagen

Im deutschen Strafrecht ist der Begehungsort maßgeblich im § 9 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Nach § 9 Abs. 1 StGB gilt:

„Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat, oder im Falle eines Unterlassens hätte handeln müssen, oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.“

Bedeutung für die Strafverfolgung

Die genaue Bestimmung des Begehungsortes hat zahlreiche rechtliche Konsequenzen, unter anderem für:

  • Örtliche Zuständigkeit der Strafgerichte (§ 7 StPO)
  • Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (§§ 3 ff. StGB)
  • Festlegung des anwendbaren Strafrechts (insbesondere bei Auslandstaten)
  • Feststellung von Ermittlungs- und Vollstreckungsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden

Formen des Begehungsortes

Handlungsort

Der Handlungsort bezeichnet den Ort, an dem der Täter den zur Tat gehörenden Ausführungsteil vorgenommen hat, also die Tathandlung im objektiven Sinne verwirklicht wurde. Bei Täterschaften durch Unterlassen gilt jener Ort als Handlungsort, an dem der Täter tätig werden musste.

Erfolgsort

Der Erfolgsort ist der Ort, an welchem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eintritt. Dies ist oft relevant bei sogenannten Erfolgsdelikten, etwa bei der Körperverletzung der Ort, an dem das Opfer verletzt wurde.

Kombination von Handlungs- und Erfolgsort (Ubiquitätsprinzip)

Das Ubiquitätsprinzip nach § 9 StGB bestimmt, dass die Tat an jedem Ort begangen ist, an dem entweder die Tathandlung vorgenommen wurde oder der Erfolg eintrat bzw. eintreten sollte. Dadurch kann ein und dieselbe Straftat mehreren unterschiedlichen Begehungsorten zugeordnet werden. Insbesondere bei Internetdelikten, Fernkommunikation oder Delikten mit grenzüberschreitendem Bezug ermöglicht das Ubiquitätsprinzip einen weiten räumlichen Bezug.

Praktische Beispiele

  • Ein Täter verschickt von Ort A aus eine betrügerische E-Mail an ein Opfer in Ort B. Die Tat gilt sowohl in A (Handlungsort) als auch in B (Erfolgsort) als begangen.
  • Wird ein Vermögensschaden mittels Telefonanruf aus dem Ausland durch Täuschung eines in Deutschland ansässigen Opfers herbeigeführt, so ist auch Deutschland Begehungsort (Erfolgsort).

Begehungsort im Zivilrecht

Tatort im Sinne zivilrechtlicher Haftung

Auch im Zivilrecht hat der Begehungsort bei deliktischen Ansprüchen erhebliche Bedeutung. Gemäß Art. 40 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche) kann bei einer unerlaubten Handlung das Recht des Landes des Begehungsortes Anwendung finden. Ferner richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Gerichte bei unerlaubten Handlungen nach dem Tatort (§ 32 ZPO).

Internationale Sachverhalte

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist insbesondere für das internationale Privatrecht (IPR) der Tatort entscheidend, welcher – in Anlehnung an das Strafrecht – sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort sein kann. Dadurch wird der auch im internationalen Zivilprozess bedeutsame „locus delicti commissi“ bestimmt.


Abgrenzungen und Sonderfälle

Begehungsort und Gerichtsstand

Die Festlegung des Begehungsortes beeinflusst in zahlreichen Verfahrensordnungen die Bestimmung des zuständigen Gerichts (Gerichtsstand des Tatortes in § 32 ZPO sowie § 7 StPO). Bei mehreren potenziellen Begehungsorten besteht häufig eine Wettbewerbssituation verschiedener Gerichte, was insbesondere bei Delikten mit überregionaler oder internationaler Dimension relevant ist.

Sonderregelungen bei bestimmten Deliktsformen

Bei Zuständigkeitsstreitigkeiten, etwa bei Cyberkriminalität oder Delikten durch Massenkommunikation, ergibt sich regelmäßig eine Ausdehnung der Begehungsorte, da sowohl der Ort der Aussendung als auch der jeweilige Empfangsort als Begehungsort erachtet werden.


Zusammenfassung und praxisrelevante Hinweise

Der Begehungsort ist im deutschen Recht von zentraler Bedeutung für Tatbestandsvoraussetzungen, Fragen der Zuständigkeit, das anwendbare Recht bei Inlandstaten wie bei Auslandstaten sowie im zivilrechtlichen Haftungs- bzw. Gerichtsstandskontext. Die weite Auslegung nach dem Ubiquitätsprinzip erleichtert den Zugriff der nationalen Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, kann jedoch bei internationalen Sachverhalten zu komplexen Konflikten führen. Die genaue Bestimmung erfordert stets eine differenzierte Prüfung unter Berücksichtigung der Handlungs- und Erfolgsortkriterien.


Siehe auch

  • Örtliche Zuständigkeit
  • § 9 StGB
  • § 32 ZPO
  • Art. 40 EGBGB
  • Internationales Privatrecht

Quellen:

  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)
  • Fachliteratur zum Straf- und Zivilprozessrecht

Häufig gestellte Fragen

Wer legt den Begehungsort in einem Verwaltungsverfahren fest?

In Verwaltungsverfahren wird der Begehungsort grundsätzlich durch die zuständige Behörde bestimmt. Die Entscheidung richtet sich maßgeblich nach dem Sachverhalt, der Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung und den einschlägigen Vorschriften, zum Beispiel der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder spezialgesetzlichen Regelungen. Die Behörde berücksichtigt bei der Festlegung des Begehungsorts insbesondere, wo sich die streitgegenständliche Sache befindet oder wo ein möglicher Verstoß festgestellt wurde (z.B. Immissionsquelle, Bauobjekt, Grundstück). In bestimmten Fällen kann der Beteiligte einen Antrag auf Ortsbegehung stellen. Wird eine gerichtliche Ortsbesichtigung durchgeführt, entscheidet das Gericht über den Begehungsort und setzt diesen per Beschluss fest. Bei Ortsterminen ist darauf zu achten, dass alle Verfahrensbeteiligten rechtzeitig über Ort, Zeit und Ablauf informiert werden („Gewährung des rechtlichen Gehörs“). Die Entscheidungen zum Begehungsort unterliegen grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle, wobei Anspruch auf willkürfreie Auswahl besteht.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Durchführung einer Begehung am Begehungsort?

Die Durchführung einer Begehung am Begehungsort unterliegt rechtlichen Rahmenbedingungen, die insbesondere im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der Zivilprozessordnung (ZPO) und teils spezialgesetzlich geregelt sind. Zu den wichtigsten Anforderungen gehört die ordnungsgemäße Ladung aller Beteiligten gemäß § 73 Abs. 1 VwVfG. Die Begehung muss so durchgeführt werden, dass die Feststellung der relevanten Tatsachen möglich ist, weshalb am Begehungsort typischerweise dokumentiert und protokolliert wird. Die Beteiligten haben ein Anwesenheits- und Teilnahmerecht, sofern keine besonderen Ausschlussgründe bestehen. Zudem ist der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung zu beachten (Art. 13 GG); das Betreten bestimmter Räume oder Grundstücke kann unter engen Voraussetzungen erzwungen werden (z.B. durch richterlichen Beschluss). Die getroffenen Feststellungen müssen in das Verfahren eingeführt und den Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme eröffnet werden. Eine Missachtung dieser Anforderungen kann zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen.

In welchen Fällen ist der Begehungsort maßgeblich für die gerichtliche oder behördliche Zuständigkeit?

Der Begehungsort ist insbesondere für die örtliche Zuständigkeit von Behörden und Gerichten von Bedeutung. Im Verwaltungsrecht regelt § 3 VwVfG die sachliche und örtliche Zuständigkeit, wobei häufig an den Ort der Handlung oder des Ereignisses angeknüpft wird. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bestimmt § 7 StPO bzw. § 39 OWiG die Zuständigkeit nach dem Begehungsort der Tat (Tatortprinzip). Im Bau- und Umweltrecht ist regelmäßig das Baugrundstück beziehungsweise die betroffene Fläche entscheidend. Das bedeutet, dass Beschwerden, Anträge, Klagen oder Verfahren in der Regel bei derjenigen Behörde oder demjenigen Gericht zu führen sind, in deren Bezirk sich der Begehungsort befindet. Dies dient der Verfahrensnähe, Effizienz und besseren Beurteilungsmöglichkeit durch Ortskenntnis.

Welche Rechte und Pflichten haben Beteiligte am Begehungsort einer behördlichen oder gerichtlichen Besichtigung?

Beteiligte an einer behördlichen oder gerichtlichen Besichtigung haben umfassende Rechte und Pflichten. Zu den Rechten gehört insbesondere das Teilnahmerecht, gemäß § 73 VwVfG und § 357 ZPO, sowie das Recht auf Stellungnahme zu den getroffenen Feststellungen. Die Beteiligten können Anträge zur Erweiterung des Begehungsumfangs stellen und Beweisanträge einreichen. Ihnen steht grundsätzlich auch das Recht zu, sich vom Zustand des Begehungsorts eigene Eindrücke zu verschaffen. Zu den Pflichten zählt insbesondere die Duldung der Besichtigung, sofern diese gesetzlich oder per richterlicher Anordnung gestattet ist. In bestimmten Fällen besteht Mitwirkungspflicht, z.B. Auskunfts-, Herausgabe- oder Unterstützungspflichten nach § 26 VwVfG. Ferner sind die Beteiligten gehalten, während der Begehung die Regeln der Verfahrensordnung zu achten, keine Beeinträchtigungen des Ablaufs zu verursachen und Anweisungen der Leitungsperson (Richter, Behördenvertreter) nachzukommen.

Kann gegen die Auswahl oder den Ablauf der Begehung am Begehungsort Rechtsmittel eingelegt werden?

Die Auswahl des Begehungsorts sowie der Ablauf der Begehung sind grundsätzlich verfahrensleitende Maßnahmen und selbständige Entscheidungen, gegen die regelmäßig kein eigenständiges Rechtsmittel besteht. Ist die Auswahl des Begehungsorts jedoch willkürlich, diskriminierend oder verletzt sie verfassungsmäßige Rechte (z.B. rechtliches Gehör, Unverletzlichkeit der Wohnung), so kann dies im Rahmen einer Anfechtung der Endentscheidung (z.B. des Verwaltungsakts oder Urteils) gerügt werden. In Eilfällen ist im gerichtlichen Verfahren auch die Möglichkeit eines Antrags auf Zwischenverfügung oder einstweiligen Rechtsschutz (§ 123 VwGO bzw. § 32 ZPO) denkbar. Bei schwerwiegenden formellen Verstößen kann auch ein Antrag auf Aussetzung oder Wiederholung der Begehung gestellt werden.

Welche Dokumentationspflichten gelten für die Besichtigung am Begehungsort?

Die Dokumentationspflichten bei einer amtlichen Besichtigung am Begehungsort sind umfangreich und richten sich nach dem Grundsatz der Aktenklarheit und -vollständigkeit. Jede Begehung ist zu protokollieren, wobei Zeit, Ort, Beteiligte, Ablauf, Feststellungen sowie relevante Äußerungen und ggf. Beweisaufnahmen detailliert aufzuführen sind. Bildliche oder akustische Aufnahmen sind zulässig, wenn sie vorher angekündigt und nicht durch Datenschutz oder Persönlichkeitsrechte untersagt sind. Das Protokoll wird Bestandteil der Verfahrensakten und muss allen Beteiligten auf Verlangen zugänglich gemacht werden, um die rechtlichen Anforderungen des rechtlichen Gehörs und der Transparenz zu erfüllen. Fehlerhafte oder unterlassene Dokumentation kann zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens führen und eine Wiederholung oder Nachholung der Begehung erforderlich machen.

Welche Besonderheiten gelten bei der Begehung privater oder besonders geschützter Orte?

Bei der Begehung privater Grundstücke, Wohnungen oder besonders geschützter Orte (z.B. Betriebsstätten mit Betriebsgeheimnissen, schützenswerte Naturräume) gelten gesteigerte rechtliche Anforderungen. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfordern im Regelfall eine besondere Rechtfertigung und/oder richterliche Anordnung. Die Befugnis ergibt sich meist aus spezialgesetzlichen Regelungen, etwa dem Polizeigesetz, Immissionsschutzgesetz oder Baugesetzbuch. Die Beschränkungen betreffen sowohl den Zugang als auch die Verwendung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Die Betroffenen sind über Zweck, Umfang und Rechtsgrundlage der Begehung umfassend zu informieren, und eine unangemessene Belastung oder Einschränkung persönlicher Freiheiten ist zu vermeiden. Zudem können zusätzliche Anforderungen an Verschwiegenheit und Schutz sensibler Daten bestehen.