Legal Wiki

Wiki»Wiki»Begehungsdelikt

Begehungsdelikt

Begehungsdelikt: Bedeutung, Struktur und Abgrenzung

Ein Begehungsdelikt ist eine Straftat, die durch aktives Tun verwirklicht wird. Im Mittelpunkt steht eine Handlung, die ein gesetzlich missbilligtes Verhalten darstellt und ein geschütztes Interesse beeinträchtigt oder gefährdet. Die rechtliche Beurteilung richtet sich danach, ob die Handlung die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, rechtswidrig ist und der handelnden Person persönlich vorwerfbar bleibt.

Kerngedanke

Begehungsdelikte beruhen darauf, dass jemand durch ein positives Verhalten eine verbotene Wirkung herbeiführt oder eine verbotene Tätigkeit ausübt. Das kann sowohl die Herbeiführung eines Erfolgs (zum Beispiel eine Verletzung) als auch die Vornahme einer bestimmten Handlung sein, bei der es auf einen äußeren Erfolg nicht ankommt.

Abgrenzung zum Unterlassungsdelikt

Das Gegenstück zum Begehungsdelikt ist das Unterlassungsdelikt. Dort steht ein Nicht-Handeln im Vordergrund, also das Ausbleiben einer gebotenen Handlung. Beim Begehungsdelikt wird aktiv gehandelt; beim Unterlassungsdelikt liegt der Vorwurf darin, eine erforderliche Handlung nicht vorgenommen zu haben.

Unechtes Unterlassungsdelikt

Rechtlich bedeutsam ist der Grenzbereich, in dem ein tatbestandsmäßig eigentlich als Begehung gedachtes Unrecht durch Unterlassen verwirklicht wird (häufig als unechtes Unterlassungsdelikt bezeichnet). Der Unterschied zeigt, dass nicht der äußere Verlauf, sondern die rechtliche Struktur der Vorwerfbarkeit entscheidend ist.

Aufbau der Prüfung eines Begehungsdelikts

Die rechtliche Beurteilung eines Begehungsdelikts folgt einem strukturierten Aufbau. Dieser sorgt für Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung.

1. Tatbestand

  • Tathandlung: Ein aktives Verhalten, das vom Gesetz beschrieben wird (zum Beispiel Schlagen, Wegnehmen, Täuschen). Es geht um ein positives Tun.
  • Tatobjekt und Tatumstände: Bestimmte Personen, Sachen oder Situationen können Teil der gesetzlichen Beschreibung sein (etwa fremde Sache, öffentliche Veranstaltung, Urkunde).
  • Erfolg (bei Erfolgsdelikten): Manche Begehungsdelikte setzen einen von der Handlung abgrenzbaren Erfolg voraus, etwa eine Verletzung oder einen Schaden. Andere sind Tätigkeitsdelikte, bei denen die Handlung selbst genügt.
  • Kausalität: Die Handlung muss Ursache des Erfolgs sein. Maßstab ist, ob der Erfolg ohne die Handlung entfallen wäre.
  • Objektive Zurechnung: Über die bloße Ursächlichkeit hinaus muss der Erfolg dem Handelnden normativ zugerechnet werden können, etwa weil er ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen und sich gerade dieses Risiko im Erfolg realisiert hat.

2. Rechtswidrigkeit

Liegt ein tatbestandsmäßiges Verhalten vor, wird vermutet, dass es rechtswidrig ist. Diese Vermutung kann entfallen, wenn anerkannte Rechtfertigungsgründe greifen (zum Beispiel in Notlagen oder Schutzsituationen). Ob ein solcher Grund vorliegt, ist jeweils vom Einzelfall abhängig.

3. Schuld

  • Vorsatz oder Fahrlässigkeit: Regelmäßig setzt ein Begehungsdelikt vorsätzliches Handeln voraus, also das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Manche Delikte sind auch in fahrlässiger Form ausgestaltet; dort genügt die pflichtwidrige Sorgfaltsverletzung, die kausal einen Erfolg herbeiführt.
  • Persönliche Vorwerfbarkeit: Weitere Voraussetzungen betreffen die persönliche Verantwortlichkeit, etwa die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln, sowie das Fehlen von Entschuldigungsgründen.

Erscheinungsformen des Begehungsdelikts

Erfolgsdelikt und Tätigkeitsdelikt

  • Erfolgsdelikte: Die Vollendung knüpft an einen eintrittenden Erfolg an (zum Beispiel eine Verletzung oder ein Vermögensnachteil).
  • Tätigkeitsdelikte: Die bloße Vornahme der verbotenen Handlung genügt; ein abgrenzbarer Erfolg ist nicht erforderlich.

Dauerdelikt

Einige Begehungsdelikte werden als Dauerdelikte verstanden, wenn der rechtswidrige Zustand durch die Handlung geschaffen und über eine gewisse Zeit aufrechterhalten wird. Die Aufrechterhaltung kann eigenständige rechtliche Bedeutung erlangen, etwa für Fristen oder die Beendigung der Tat.

Qualifikationen und Privilegierungen

Gesetzliche Tatbestände können erschwerende Umstände (Qualifikationen) oder mildernde Varianten (Privilegierungen) vorsehen. Diese beziehen sich auf besondere Mittel, Motive, Folgen oder Situationen und wirken sich auf die Einordnung und die rechtliche Bewertung aus.

Versuch, Vollendung und Beendigung

Versuch

Bleibt der tatbestandliche Erfolg aus oder wird die Tat vor Vollendung gestoppt, kann ein strafbarer Versuch vorliegen. Entscheidend ist, ob der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Ausführung unmittelbar angesetzt hat. Der Versuch ist ein eigenständiger Prüfungsgegenstand mit besonderen Regeln, etwa zur Rücktrittsmöglichkeit.

Vollendung und Beendigung

Ein Begehungsdelikt ist vollendet, sobald alle tatbestandlichen Merkmale erfüllt sind. Beendigung liegt vor, wenn die Tat ihren Abschluss gefunden hat, also keine weiteren tatbezogenen Handlungen oder Folgezustände mehr fortwirken, die dem Täter zugerechnet werden. Die Unterscheidung kann Auswirkungen auf zeitliche Fragen und Zurechnung haben.

Täterschaft und Teilnahme

Alleintäterschaft und Mittäterschaft

  • Alleintäterschaft: Eine Person verwirklicht die Tatbestandsmerkmale eigenhändig.
  • Mittäterschaft: Mehrere handeln arbeitsteilig aufgrund eines gemeinsamen Tatplans und verwirklichen die Tat gemeinsam.

Anstiftung und Beihilfe

  • Anstiftung: Jemand veranlasst gezielt eine andere Person zur Tat.
  • Beihilfe: Jemand leistet vorsätzlich Unterstützung bei der Tat eines anderen, ohne selbst Täter zu sein.

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme richtet sich nach Tatbeitrag, Tatherrschaft und Verantwortungsumfang. Sie beeinflusst die rechtliche Bewertung und die individuelle Vorwerfbarkeit.

Kausalität und objektive Zurechnung

Bei Erfolgsdelikten genügt es nicht, dass eine Handlung den Erfolg in naturwissenschaftlichem Sinne verursacht hat. Hinzukommen muss, dass sich durch die Handlung ein rechtlich missbilligtes Risiko im konkreten Erfolg realisiert hat und der Erfolg dem Handelnden zugerechnet werden kann. Fehlt es hieran, etwa weil ein völlig atypischer Verlauf die Kette unterbricht, scheidet eine Verantwortlichkeit aus.

Vorsatz, Fahrlässigkeit und Irrtümer

Vorsatzformen

Vorsatz kann unterschiedliche Intensitäten aufweisen: sicheres Wissen und Wollen, das Billigen des Erfolgseintritts oder das Handeln trotz Wissens um die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung. Welche Form vorliegt, ergibt sich aus der inneren Haltung, die aus äußeren Umständen erschlossen wird.

Fahrlässige Begehung

Fahrlässige Begehungsdelikte setzen eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus, durch die ein tatbestandlicher Erfolg verursacht wird. Maßstab ist, was in der konkreten Situation von einer besonnenen Person erwartet werden kann.

Irrtümer

  • Irrtum über Tatsachen: Wer Umstände verkennt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, handelt nicht vorsätzlich. Eine fahrlässige Verantwortlichkeit kann dennoch in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Irrtum über die rechtliche Bewertung: Verkennt jemand die rechtliche Unrechtseinsicht, kann dies unter engen Voraussetzungen die Vorwerfbarkeit mindern. Ob dies greift, hängt vom Einzelfall ab.

Konkurrenzen und Tatmehrheit

Mehrere Handlungen oder mehrere verletzte Tatbestände können sich überschneiden. Dann stellt sich die Frage nach Tateinheit (eine Handlung erfüllt mehrere Tatbestände) oder Tatmehrheit (mehrere rechtlich selbstständige Taten). Die Einordnung wirkt sich auf die rechtliche Gesamtbewertung aus.

Schutzrichtung und Rechtsgüter

Begehungsdelikte schützen unterschiedliche Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, Urkundenverkehr oder öffentliche Sicherheit. Die Auslegung orientiert sich am Schutzzweck des jeweiligen Deliktstyps und an der Frage, ob der eingetretene Erfolg genau dasjenige Risiko verwirklicht, das die Norm verhindern soll.

Beweis- und Zurechnungsfragen

Die Feststellung eines Begehungsdelikts erfordert die Überzeugung von Handlung, Tatumständen, innerer Einstellung (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), Kausalität und Zurechnung. Indizien, äußere Abläufe und die Plausibilität einer alternativen Geschehensdeutung spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Prägnante Beispiele zur Veranschaulichung

  • Tätigkeitsdelikt: Jemand fälscht ein Dokument; die strafbare Handlung liegt bereits in der Herstellung der unechten Urkunde.
  • Erfolgsdelikt: Jemand schlägt eine andere Person, die dadurch körperlich verletzt wird; die Vollendung tritt mit dem Verletzungserfolg ein.
  • Mehrpersonenkonstellation: Eine Person plant, eine andere lenkt ab, eine dritte führt aus; je nach Tatbeitrag kommen Mittäterschaft oder Teilnahme in Betracht.

Häufig gestellte Fragen zum Begehungsdelikt

Was ist ein Begehungsdelikt?

Ein Begehungsdelikt ist eine Straftat, die durch aktives Tun verwirklicht wird. Entscheidend ist, dass eine Handlung die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, rechtswidrig ist und der handelnden Person vorwerfbar bleibt.

Worin unterscheidet sich ein Begehungsdelikt vom Unterlassungsdelikt?

Beim Begehungsdelikt wird aktiv gehandelt; beim Unterlassungsdelikt besteht der Vorwurf im Ausbleiben einer gebotenen Handlung. Beide beruhen auf unterschiedlichen rechtlichen Strukturen der Vorwerfbarkeit.

Welche Voraussetzungen müssen für ein Begehungsdelikt vorliegen?

Erforderlich sind die Erfüllung des Tatbestands (Handlung, ggf. Erfolg, Kausalität, objektive Zurechnung), die Rechtswidrigkeit und die persönliche Vorwerfbarkeit (Schuld), regelmäßig in Form von Vorsatz, teils auch in Form von Fahrlässigkeit.

Kann ein Begehungsdelikt auch fahrlässig begangen werden?

Ja. Einige Begehungsdelikte sind in einer fahrlässigen Variante ausgestaltet. Dann genügt eine Sorgfaltspflichtverletzung, die kausal den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt und dem Handelnden zugerechnet werden kann.

Was bedeutet Versuch bei Begehungsdelikten?

Der Versuch liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Ausführung unmittelbar ansetzt, die Vollendung jedoch ausbleibt. Der Versuch ist eigenständig regelbar und hat eigene Voraussetzungen.

Wie wird zwischen Täterschaft und Teilnahme unterschieden?

Maßgeblich sind Tatbeitrag, Tatherrschaft und Verantwortungsumfang. Täter verwirklichen die Tat als eigene; Teilnehmer fördern oder veranlassen die Tat eines anderen, ohne selbst Täter zu sein.

Was bedeuten Kausalität und objektive Zurechnung?

Kausalität verlangt, dass der Erfolg ohne die Handlung entfiele. Objektive Zurechnung fordert zusätzlich, dass sich im Erfolg ein rechtlich missbilligtes Risiko der Handlung realisiert hat und der Erfolg dem Handelnden normativ zugerechnet werden kann.