Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Begehungsdelikt

Begehungsdelikt


Begriff und rechtliche Einordnung des Begehungsdelikts

Der Begriff Begehungsdelikt bezeichnet im Strafrecht eine der wesentlichen Erscheinungsformen von Straftaten. Begehungsdelikte sind dadurch gekennzeichnet, dass der Täter durch ein aktives Tun, also durch ein positives Verhalten, den gesetzlich normierten Tatbestand erfüllt. In der dogmatischen Systematik steht das Begehungsdelikt dem Unterlassungsdelikt gegenüber, bei dem das Unrecht in einem pflichtwidrigen Nichtstun liegt.

Begehungsdelikte bilden den Regelfall im deutschen Strafrecht und sind sowohl im besonderen Teil des Strafgesetzbuches (StGB) als auch in Nebengesetzen zahlreich normiert. Sie umfassen eine Vielzahl von Straftatbeständen, angefangen bei Körperverletzungsdelikten über Eigentums- und Vermögensdelikte bis hin zu Delikten gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung.


Tatbestand des Begehungsdelikts

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand eines Begehungsdelikts erfordert grundsätzlich ein aktives Tun des Täters, das zur Verwirklichung des gesetzlichen Unrechtstatbestandes führt. Typischerweise umfassen Begehungsdelikte folgende Elemente:

  • Tathandlung (Tun): Die Ausführung einer Handlung, die vom Gesetz als strafbar bestimmt ist (z. B. Schlagen bei § 223 StGB – Körperverletzung).
  • Tatobjekt: Das konkrete Rechtsgut oder das betroffene Opfer (bspw. eine andere Person bei Körperverletzung).
  • Taterfolg: Eventuell ist ein tatbestandlicher Erfolg zu erzielen, zum Beispiel beim vollendeten Diebstahl der Gewahrsamsbruch.
  • Kausalität und objektive Zurechnung: Die Tathandlung muss kausal für den Erfolg sein, sofern ein solcher erforderlich ist, und der Erfolg muss dem Täter objektiv zurechenbar sein.

Subjektiver Tatbestand

Im subjektiven Tatbestand ist regelmäßig Vorsatz erforderlich, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich Fahrlässigkeit genügen lässt. Der Täter muss alle objektiven Tatbestandsmerkmale kennen und willentlich verwirklichen.


Abgrenzung zu anderen Deliktsformen

Begehungsdelikt und Unterlassungsdelikt

Im Unterschied zum Begehungsdelikt besteht beim Unterlassungsdelikt die strafbare Handlung im Nichttun, also im Verstoß gegen eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln, obwohl objektiv Möglichkeit und Verpflichtung dazu bestanden hätten (Garantenstellung). Bei Begehungsdelikten ist lediglich ein aktives Tun strafbar, während das bloße Unterlassen straflos bleibt, sofern keine Sonderregelung (echtes oder unechtes Unterlassungsdelikt) eingreift.

Echte und unechte Begehungsdelikte

Echte Begehungsdelikte

Als echte Begehungsdelikte werden Tatbestände bezeichnet, bei denen explizit ein aktives Handeln verlangt wird, wie beispielsweise beim Diebstahl (§ 242 StGB) oder der Sachbeschädigung (§ 303 StGB).

Unechte Begehungsdelikte

Unechte Begehungsdelikte sind solche, bei denen zwar tatbestandlich ein Tun erforderlich ist, das Gesetz jedoch auch die Verwirklichung durch ein pflichtwidriges Unterlassen (§ 13 StGB) ermöglicht. In diesen Fällen spricht man von unechten Unterlassungsdelikten.


Systematische Bedeutung im Strafrecht

Begehungsdelikte stellen in der Systematik des Strafrechts die grundlegende und häufigste Deliktsform dar. Sie sind konstitutiv für die Ausgestaltung des Allgemeinen Teils des StGB, da viele Fragestellungen – etwa zur Versuchslehre, Anstiftung und Beihilfe – zunächst von einer Begehung durch aktives Tun ausgehen und erst sekundär auf Unterlassungsformen übertragen werden.


Versuch und Vollendung beim Begehungsdelikt

Ein Begehungsdelikt kann sowohl im Versuchsstadium (§§ 22 ff. StGB) als auch als vollendete Tat vorliegen. Der Versuch setzt voraus, dass der Täter zur Tat ansetzt, das Ziel jedoch nicht oder nicht vollständig erreicht. Die Voraussetzungen und strafrechtlichen Folgen des Versuchs sind abhängig vom jeweiligen Delikt und unterscheiden sich von denen eines vollendeten Begehungsdelikts.


Rechtsfolgen und Strafzumessung

Die Verletzung eines Begehungsdelikts zieht die im Tatbestand vorgesehene Strafe nach sich. Sofern der Täter vorsätzlich oder, falls das Gesetz dies erlaubt, fahrlässig gehandelt hat, kann er entsprechend belangt werden. Der Strafrahmen ist dabei vom Schutzzweck des jeweiligen Tatbestandes und dem Gewicht des erfolgten Unrechts abhängig.


Beispiele für Begehungsdelikte

Um die dogmatische Einordnung zu verdeutlichen, sind hier ausgewählte Beispiele für gesetzlich geregelte Begehungsdelikte aufgeführt:

  • Körperverletzung (§ 223 StGB): Das erfolgreiche Einwirken auf den Körper eines anderen Menschen durch aktives Tun.
  • Diebstahl (§ 242 StGB): Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter Bruch fremden Gewahrsams.
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB): Zerstören oder Beschädigen einer fremden Sache durch positive Handlung.

Bedeutung des Begehungsdelikts im internationalen Kontext

Auch im internationalen Strafrecht existieren Begehungsdelikte als wesentlicher Bestandteil der Rechtsordnungen. Sie sind Grundlage der meisten staatlichen Strafgesetzgebungen und werden vergleichbar aufgebaut.


Zusammenfassung

Das Begehungsdelikt bildet den Grundtypus strafbaren Verhaltens nach deutschem Strafrecht sowie auch in internationalen Rechtssystemen. Gekennzeichnet durch ein aktives Tun, stehen Begehungsdelikte systematisch im Gegensatz zu den Unterlassungsdelikten. Ihre dogmatische Struktur bestimmt maßgeblich die Auslegung und Anwendung strafrechtlicher Vorschriften, macht sie zur zentralen Kategorie des Strafrechts und zur Basis für die Anwendung und Weiterentwicklung der strafrechtlichen Dogmatik.


Siehe auch:

  • Unterlassungsdelikt
  • Tätertypenlehre
  • Strafrechtssystematik

Literatur:

  • Lackner/Kühl, StGB-Kommentar
  • Fischer, StGB-Kommentar
  • Roxin/Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung kommt dem Tatplan beim Begehungsdelikt zu?

Beim Begehungsdelikt ist der Tatplan ein wesentliches Element, das insbesondere im Rahmen der subjektiven Tatbestandsmerkmale eine bedeutende Rolle spielt. Der Tatplan beschreibt die gedankliche Vorwegnahme des Tathergangs durch den Täter, das heißt, die bewusste Entscheidung, eine bestimmte strafbare Handlung in einer bestimmten Weise auszuführen. Dieser Plan wird bei Vorsatzdelikten zum maßgeblichen Prüfstein für die Annahme eines einheitlichen natürlichen Handlungsgeschehens. Im Gegensatz dazu ist beim fahrlässigen Begehungsdelikt zu untersuchen, ob eine Abweichung vom objektiv gebotenen Sorgfaltsmaßstab aus dem Tatplan resultiert. Für die strafrechtliche Bewertung ist zu prüfen, ob sich der Täter im Rahmen seines Tatplans bewusst oder unbewusst über bestehende Verbote hinwegsetzt und gegebenenfalls alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Der Tatplan kann ebenso relevant sein für die Abgrenzung zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten, etwa bei Handeln durch aktives Tun gegenüber pflichtwidrigem Nicht-Handeln.

Wie wird das Tatgeschehen vom Versuch bis zur Vollendung beim Begehungsdelikt rechtlich abgegrenzt?

Die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung bei Begehungsdelikten erfolgt durch eine genaue Analyse der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale. Der strafbare Versuch beginnt mit der unmittelbaren Ansetzung zur Tatbestandsverwirklichung, also mit einer Handlungsphase, in welcher der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat eine Schwelle überschreitet, die das Geschehen „aus seiner Sicht“ in den Bereich des jetzt unmittelbar bevorstehenden Erfolgs verlagert. Die Vollendung ist dann erreicht, wenn sämtliche objektive Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Delikts erfüllt sind. Bei erfolgsqualifizierten Delikten ist zudem zu berücksichtigen, ob auch der tatbestandliche Erfolg eingetreten ist, während beim Unternehmensdelikt bereits die Gefährdungslage genügen kann. Die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung ist für Strafzumessung, Rücktrittsmöglichkeiten und Teilnahmeproblematik (Anstiftung, Beihilfe) von erheblicher Bedeutung.

Welche Rolle spielt die Kausalität beim Begehungsdelikt, und wie wird sie geprüft?

Die Kausalität ist ein zentrales Element im objektiven Tatbestand eines Begehungsdelikts. Sie stellt die Verbindung zwischen der Tathandlung (aktives Tun) und dem tatbestandlichen Erfolg her. Im Strafrecht wird zur Prüfung der Kausalität meist die sogenannte „conditio-sine-qua-non“-Formel (Äquivalenztheorie) angewendet: Eine Handlung ist kausal für einen Erfolg, wenn der Erfolg in seiner konkreten Gestalt ohne diese Handlung nicht eingetreten wäre. Dabei ist stets eine hypothetische Eliminationsprüfung vorzunehmen, bei der entfällt, was der Täter tatsächlich getan hat; käme im Wegdenken der Handlung der Erfolg dennoch, besteht keine Kausalität. Komplex wird die Prüfung der Kausalität insbesondere bei mehreren Kausalbeiträgen, beim Vorliegen atypischer Kausalverläufe oder bei der Beteiligung Dritter. Teilweise sind auch die Lehre von der objektiven Zurechnung und die Abgrenzung zur rechtlich missbilligten Gefahrerhöhung heranzuziehen.

Wie wird das Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen des Begehungsdelikts rechtlich beurteilt?

Das Begehungsdelikt kann grundsätzlich sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden, wobei der Gesetzgeber ausdrücklich regelt, ob ein Fahrlässigkeitsdelikt vorliegt (keine Strafbarkeit für Fahrlässigkeit ohne spezifische Regelung!). Der Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, das im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen muss. Bei Fahrlässigkeit hingegen handelt der Täter sorgfaltswidrig, ohne Vorsatz, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch den Tatbestand verwirklicht. Im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung ist zu klären, ob ein Vorsatzausschluss vorliegt (beispielsweise Irrtumstatbestände), und ob etwaige besondere Fahrlässigkeitsvoraussetzungen, wie die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs und die Vermeidbarkeit der Rechtsgutverletzung, gegeben sind. Die sorgfältige Abgrenzung ist für die Strafbarkeit sowie die Höhe der Sanktionierung entscheidend.

Nach welchen Kriterien unterscheidet sich das Begehungsdelikt vom Unterlassungsdelikt im rechtlichen Kontext?

Das Begehungsdelikt ist durch ein aktives Tun (Handlung) gekennzeichnet, das den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, wohingegen das Unterlassungsdelikt auf einem pflichtwidrigen Nicht-Handeln beruht. Die zentrale Unterscheidung erfolgt anhand des Unterscheidungskriteriums der Handlungspflichten: Beim Begehungsdelikt entsteht die Pflicht, eine bestimmte Handlung zu unterlassen (Verbotstatbestand), beim Unterlassungsdelikt dagegen besteht die Pflicht zum Handeln (Gebotstatbestand). Eine weitere bedeutsame Unterscheidung betrifft das Vorliegen einer Garantenstellung beim Unterlassungsdelikt, die vorausgesetzt wird, um den Unterlassenden mit dem aktiv handelnden Täter gleichzustellen (§ 13 StGB). Zudem unterscheiden sich die Anforderungen an die Kausalität und den Pflichtwidrigkeitszusammenhang, wobei bei echten Unterlassungsdelikten die Frage des hypothetischen Kausalverlaufs besonders problematisch ist.

Welche Bedeutung kommt der objektiven Zurechnung beim Begehungsdelikt zu?

Die objektive Zurechnung ist neben der Kausalität ein zusätzliches Kriterium zur Zuordnung eines Erfolgseintritts zur Handlung des Täters. Eine objektive Zurechnung liegt vor, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder eine bestehende Gefahr erhöht hat und sich genau diese Gefahr im tatbestandlichen Erfolg realisiert. Die reine Kausalität genügt für eine Strafbarkeit nicht, wenn der Erfolg außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren und beherrschbaren Risikoverlaufs liegt (atypische Kausalverläufe). Der Zurechnungszusammenhang wird insbesondere bei Fehlverhalten Dritter, Eigenverantwortlichkeit des Opfers oder sozialadäquatem Verhalten häufig diskutiert. Die objektive Zurechnung grenzt damit strafwürdiges und strafloses Verhalten ab.