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Befriedete Bezirke


Befriedete Bezirke – Begriff und Rechtliche Grundlagen

Begriffserklärung „Befriedete Bezirke“

Der Begriff Befriedete Bezirke bezeichnet im deutschen Recht abgegrenzte Bereiche, die durch besondere Rechtsvorschriften einen erhöhten Schutz vor Störungen oder Gefährdungen, insbesondere durch die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, genießen. Die Einrichtung solcher Bezirke dient häufig dem Schutz sensibler staatlicher oder öffentlicher Einrichtungen und hat zum Ziel, den ordnungsgemäßen Ablauf von Verfassungsorganen, Behörden oder Gerichten zu sichern.

Befriedete Bezirke sind insbesondere in Gesetzen zum Schutz von Staatsorganen, Gerichten und bestimmten Verwaltungseinrichtungen geregelt. Ihre rechtliche Verankerung und Ausgestaltung ist auf Bundes- und Landesebene unterschiedlich, folgt jedoch weitgehend übereinstimmenden Grundprinzipien.


Rechtliche Grundlagen der Befriedeten Bezirke

Gesetzliche Regelungen und Anwendungsbereiche

Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen für befriedete Bezirke finden sich insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB) und in verschiedenen bereichsspezifischen Einzelgesetzen. Hervorzuheben sind insbesondere:

  • § 106 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt)
  • § 123 StGB (Hausfriedensbruch)
  • Gesetze zum Schutz von Gerichtsgebäuden, Parlamenten und anderen verfassungsrechtlichen Einrichtungen, beispielsweise das Hausrecht und Polizeirecht des Bundestags und der Landtage

Der Geltungsbereich umfasst regelmäßig Räume und Grundstücke, die für den dienstlichen Betrieb und den Schutz öffentlicher Aufgaben genutzt werden.


Charakteristika und Zweckbefriedeter Bezirke

Der zentrale Zweck eines befriedeten Bezirks ist die Aufrechterhaltung von Funktion, Schutz und Ordnung in Einrichtungen der öffentlichen Hand. Merkmale sind insbesondere:

  • Abgrenzung: Klare, meist bauliche oder symbolische Grundstücks- und Raumabgrenzungen (z.B. Gebäudegrenzen, Zäune, Mauern, Hinweisschilder).
  • Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen: Ausschluss unbefugter Personen; Betreten oder Verweilen ohne Erlaubnis ist untersagt.
  • Besondere Schutzbestimmungen: Verstärkte Überwachung, ggf. Einsatz von Ordnungskräften, Kameras oder Kontrollsystemen.

Praxisbeispiele: Wo besteht ein Befriedeter Bezirk?

Ständige Einrichtungen der Verfassungsorgane

Ein typischer Anwendungsfall bezieht sich auf das Gebäude des Deutschen Bundestages einschließlich zugehöriger Außenflächen in Berlin. Hier gelten befriedete Bezirke mit umfassenden Zutrittskontrollen und Auflagen, darunter das Verbot öffentlicher Versammlungen auf dem „Platz der Republik“.

Gerichtsgebäude

Auch Gerichte (Amts-, Landes- und Oberlandesgerichte, Bundesgerichte) verfügen regelmäßig über befriedete Bezirke. Ziel ist, den ordnungsgemäßen Ablauf der Rechtspflege zu gewährleisten und Verfahren vor Störungen oder Gefährdungen zu schützen.

Polizei- und Justizvollzugsanstalten

Polizeidienststellen und Justizvollzugsanstalten sind meist als befriedete Bezirke einzustufen. Entsprechende Vorschriften ergeben sich aus dem Polizeigesetz sowie dem Strafvollzugsgesetz.


Rechtsfolgen bei Verletzung des Schutzes befriedeter Bezirke

Strafrechtliche Konsequenzen

Das unerlaubte Betreten oder Verweilen in einem befriedeten Bezirk kann, abhängig von den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen, eine Straftat (etwa nach § 123 StGB – Hausfriedensbruch) oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Bei Veranstaltungen, Versammlungen oder Demonstrationen innerhalb befriedeter Bezirke können nach Maßgabe des Versammlungsgesetzes zusätzliche Strafen gelten.

Zivilrechtliche Ansprüche

Für Einrichtungen, die als befriedete Bezirke geschützt werden, bestehen Rechte auf Unterlassung und Beseitigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1004 BGB bei Besitzstörung). Diese Ansprüche richten sich gegen unbefugte Nutzer oder Störer.


Abgrenzung zu Vergleichbaren Rechtsinstituten

Die Einordnung eines Bereichs als befriedeter Bezirk ist abzugrenzen von Begriffen wie „öffentlicher Raum“ oder „Hausrecht“. Während im öffentlichen Raum grundsätzlich jeder das Recht auf freie Beweglichkeit genießt, sind befriedete Bezirke durch Rechtsvorschriften gezielt von bestimmten Handlungen, Personen oder Gruppen abgeschirmt.

Ein Hausrecht kann (privat oder öffentlich-rechtlich) auch außerhalb eines befriedeten Bezirks ausgeübt werden, doch ist der Schutz standardmäßig weniger eingegrenzt als bei den ausdrücklich gesetzlich als befriedeter Bezirk ausgewiesenen Flächen.


Besondere Vorschriften bei Versammlungen und Demonstrationen

Befriedete Bezirke sind regelmäßig von Versammlungs- und Demonstrationsverboten betroffen, soweit nicht eine ausdrückliche Ausnahmegenehmigung besteht. Insbesondere im Kontext des Versammlungsgesetzes (§ 16 VersG) sind Veranstaltungen in unmittelbarer Nähe oder innerhalb solcher Bereiche untersagt, sofern sie die Funktionsfähigkeit verfassungsrechtlicher Organe gefährden könnten.


Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte

Die Einrichtung und Aufrechterhaltung befriedeter Bezirke muss stets im Einklang mit den Grundrechten aus dem Grundgesetz stehen, insbesondere mit der Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit sowie dem Recht auf Zugang zu öffentlichen Einrichtungen. Die Einschränkungen dürfen nur angewendet werden, soweit sie erforderlich und verhältnismäßig sind, um die Funktionsfähigkeit der geschützten Bereiche zu gewährleisten.


Fazit

Befriedete Bezirke sind bedeutsame Rechtsinstitute im deutschen Recht, die dem umfassenden Schutz staatlicher und öffentlicher Einrichtungen vor Störungen, Gefahren und unbefugtem Zutritt dienen. Ihre gesetzliche Ausgestaltung und praktische Umsetzung sichern das reibungslose Funktionieren zentraler Verfassungsorgane und weiterer öffentlich-rechtlicher Einrichtungen. Die strengen Zugangsregelungen und Sanktionen bei Zuwiderhandlungen heben die besondere Schutzwürdigkeit hervor, während die Balance mit verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten stets gewahrt werden muss.


Quellen

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 106, 123 StGB
  • Versammlungsgesetz (VersG)
  • Grundgesetz (GG)
  • Polizeirecht und Hausordnungen öffentlich-rechtlicher Einrichtungen
  • Rechtsprechung zum Hausrecht und befriedeten Bezirken

(Stand: 2024)

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Ausweisung eines befriedeten Bezirks im rechtlichen Sinne?

Die Ausweisung eines befriedeten Bezirks richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften der jeweiligen Bundes- oder Landesgesetze. Maßgeblich ist insbesondere § 21 des Versammlungsgesetzes (VersG) des Bundes sowie entsprechende landesrechtliche Regelungen, etwa § 6 SächsVersG in Sachsen. Die zuständigen Behörden – in der Regel die Polizei- oder Ordnungsbehörden – erlassen eine Allgemeinverfügung oder im Einzelfall einen Verwaltungsakt, durch den festgelegt wird, welche konkreten Flächen als befriedeter Bezirk gelten. Es erfolgt eine formelle Festlegung unter Angabe des räumlichen Geltungsbereichs, der zeitlichen Begrenzung und der Zwecke, zu deren Schutz die Maßnahme dient (etwa Schutz verfassungsrechtlicher Einrichtungen wie Parlamente oder Gerichte vor Störungen oder Gefahren). Die Öffentlichkeit wird durch amtliche Bekanntmachung, Aushänge oder durch entsprechende Markierungen (z.B. Schilder oder Absperrungen) über die Ausweisung informiert. Diese Festlegung ist regelmäßig überprüfbar und kann an aktuelle Gefährdungslagen angepasst werden.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat ein Verstoß gegen das Betretungsverbot eines befriedeten Bezirks?

Ein Verstoß gegen das Betretungsverbot eines befriedeten Bezirks stellt eine Ordnungswidrigkeit bzw. unter bestimmten Umständen sogar eine Straftat dar. Gemäß § 21 Abs. 2 VersG kann das unbefugte Eindringen in einen befriedeten Bezirk, insbesondere wenn eine Versammlung oder ein Aufzug stattfindet oder der Bezirk eine besondere Gefährdungssituation darstellt, als Straftat gemäß Versammlungsgesetz verfolgt werden. Die Sanktionen reichen von Geldbußen bis hin zu Freiheitsstrafen, abhängig von den Umständen und der Intensität des Verstoßes. Darüber hinaus können weitere Maßnahmen wie Platzverweise, Ingewahrsamnahmen oder auch präventive Aufenthaltsverbote angeordnet werden. Eine Missachtung kann zudem zivilrechtliche Ansprüche (z.B. Schadensersatz wegen Verletzung des Hausrechts) auslösen, und in speziellen Fällen droht auch ein Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis.

Wer ist berechtigt, Ausnahmen vom Betretungsverbot innerhalb eines befriedeten Bezirks zu erteilen?

Die Befugnis zur Erteilung von Ausnahmen liegt grundsätzlich bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, meist der Polizeibehörde, die die Ausweisung des jeweiligen befriedeten Bezirks vorgenommen hat. Sie kann Einzelpersonen oder bestimmten Gruppen (z.B. Journalisten, Anwohner, Beschäftigte, Lieferanten) mit berechtigtem Interesse und nach Prüfung des Einzelfalls Zutritt gewähren. Die Ausnahmen werden meist durch die Erteilung von Passierscheinen, Sonderausweisen oder durch namentliche Listen geregelt. In besonders sensiblen Bereichen, etwa im Umfeld von Gerichtsgebäuden oder Parlamenten, sind die Ausnahmeregelungen regelmäßig besonders restriktiv und an klare Nachweispflichten gebunden. Jede Ausnahme muss den Schutzzweck des befriedeten Bezirks berücksichtigen, das heißt, sie darf diesen nicht gefährden.

Wie werden befriedete Bezirke im räumlichen und zeitlichen Umfang begrenzt?

Die räumliche und zeitliche Begrenzung eines befriedeten Bezirks ergibt sich aus der jeweiligen Verfügung der zuständigen Behörden. Räumlich wird exakt festgelegt, welche Straßen, Plätze oder Gebäude vom Verbot umfasst sind – oft unter Angabe von Straßennamen, Hausnummern oder geographischen Koordinaten. Zeitlich kann die Befriedung dauerhaft, vorübergehend (z.B. bei besonderen Ereignissen wie Gerichtstagen, Demonstrationen oder Staatsbesuchen) oder für bestimmte Tageszeiten ausgesprochen werden. Die Begrenzung ist so zu wählen, dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht: Sie muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die zu schützenden Rechtsgüter zu sichern. Die genauen Grenzen sind der jeweiligen Verfügung und deren Begründung zu entnehmen und sind rechtlich überprüfbar.

Welche Rechtsmittel stehen bei Anordnungen bezüglich befriedeter Bezirke zur Verfügung?

Gegen Maßnahmen und Verfügungen über die Ausweisung oder den Zutritt zu befriedeten Bezirken können die Betroffenen im Rahmen des Verwaltungsrechts Widerspruch einlegen und gegebenenfalls vor dem zuständigen Verwaltungsgericht klagen. In Eilfällen kann zudem ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) gestellt werden. Wer beispielsweise durch eine Allgemeinverfügung in seinen Grundrechten – etwa Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) oder Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) – betroffen ist, kann die Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüfen lassen. Die Gerichte prüfen dabei insbesondere die Rechtmäßigkeit, die Verhältnismäßigkeit und die Begründetheit der behördlichen Maßnahme.

Welche Bedeutung haben befriedete Bezirke für das Versammlungsrecht?

Befriedete Bezirke dienen in erster Linie dem Schutz zentraler Staatsfunktionen und -einrichtungen, etwa Parlamente, Gerichte oder Regierungsgebäude, und stellen daher eine Ausnahme zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar. Ihre Ausweisung schränkt das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel (Art. 8 GG) ein, wobei diese Einschränkung ausdrücklich gesetzlich geregelt und durch Sicherheitsinteressen und den Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe gerechtfertigt werden muss. Die Behörden haben darauf zu achten, dass solche Verbote nicht über das unbedingt Erforderliche hinausgehen und Versammlungen außerhalb dieser Bezirke grundsätzlich ermöglicht werden. Jede Einschränkung muss sich an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Transparenz orientieren und ist einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.