Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Familienrecht»Befreite Vormundschaft

Befreite Vormundschaft


Begriff und Wesen der Befreiten Vormundschaft

Die befreite Vormundschaft ist eine besondere Ausprägung der Vormundschaft im deutschen Recht. Sie bezeichnet eine Form der personenbezogenen Betreuung, bei der die Aufsicht des Familiengerichts – im Vergleich zur sogenannten einfachen Vormundschaft – erheblich eingeschränkt ist. Die befreite Vormundschaft findet ihre gesetzlichen Grundlagen insbesondere in den §§ 1852 bis 1856 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie in den entsprechenden Verfahrensvorschriften des Familienverfahrensgesetzes (FamFG).

Die befreite Vormundschaft stellt damit einen Sonderfall dar, bei dem bestimmte Kontrollmechanismen gegenüber dem Vormund gelockert werden. Dies geschieht vor allem, um das Betreuungsverhältnis effektiver und praxisnäher zu gestalten, wenn entweder das Vertrauensverhältnis zwischen Mündel und Vormund dies erlaubt oder der Vormund durch seine Position besonders geeignet erscheint.


Rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen

Gesetzliche Regelung

Die befreite Vormundschaft ist im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Die entscheidenden Vorschriften sind:

  • § 1852 BGB: Voraussetzungen der Befreiung
  • §§ 1853-1856 BGB: Umfang und Rechtsfolgen der Befreiung

Gemäß diesen Vorschriften kann die Befreiung ganz oder teilweise erfolgen. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Familiengerichts.

Voraussetzungen der Befreiung

Eine Vormundschaft kann befreit werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Tatbestände erfüllt sind:

  • Der Vormund ist Elternteil des Mündels (sog. elterliche Vormundschaft nach § 1852 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
  • Der Vormund ist gemäß letztwilliger Verfügung des verstorbenen sorgeberechtigten Elternteils bestimmt.
  • Die Bestellung des Vormunds beruht auf einer von den Eltern bestimmten Verfügung.
  • Der Vormund ist ein anerkannter Vormundschaftsverein (nunmehr: anerkannter Betreuungsverein) oder das Jugendamt.
  • Das Familiengericht kann auf Antrag oder von Amts wegen aus wichtigen Gründen eine Befreiung aussprechen.

Nicht jede Vormundschaft kann befreit werden; besonders im Fall eines möglichen Interessenkonfliktes oder eines verschärften Schutzbedarfes des Mündels bleibt die Aufsicht voll erhalten.


Umfang und Rechtswirkungen der Befreiten Vormundschaft

Rechtsfolgen der Befreiung

Die befreite Vormundschaft wirkt sich maßgeblich auf die Kontroll- und Genehmigungspflichten des Familiengerichts aus. Zu den Hauptwirkungen zählen:

a) Entfall der Vermögenssorge-Überwachung

Im Regelfall bedürfen Vormünder für bestimmte Rechtsgeschäfte (etwa Immobiliengeschäfte, die Aufnahme von Darlehen) der Genehmigung und Überwachung durch das Gericht. Im Rahmen einer befreiten Vormundschaft entfallen diese Genehmigungserfordernisse zum Teil oder weitgehend (§ 1854 BGB). Der Vormund kann somit im Namen des Mündels viele Handlungen eigenständig vornehmen.

b) Keine jährliche Rechnungslegungspflicht

Befreite Vormünder sind in der Regel von der jährlichen Rechnungslegungspflicht befreit (§ 1855 BGB). Rechnungslegung ist dann nur in bestimmten Ausnahmefällen vorgeschrieben.

c) Entfall weiterer gerichtlicher Aufsichtspflichten

Auch andere Formen der gerichtlichen Beaufsichtigung, beispielsweise regelmäßige Berichterstattungspflichten, entfallen oder werden gelockert.

Grenzen der Befreiung

Ein vollständiger Wegfall der gerichtlichen Kontrolle ist rechtlich nicht möglich. Die Befreiung gilt nur insoweit, als das Gesetz dies anordnet; das Familiengericht kann stets weitergehende Kontrollen anordnen, sofern berechtigte Interessen des Mündels dies erfordern (§ 1856 BGB).


Praktische Anwendungsbereiche

Fälle der befreiten Vormundschaft

Typische Beispiele, in denen eine befreite Vormundschaft zur Anwendung kommt, sind etwa:

  • Überlebende sorgeberechtigte Elternteile nach Tod des anderen Elternteils
  • Als Vormund bestellte Jugendämter bei elternlosen Minderjährigen
  • Vormundschaft durch einen Betreuungsverein oder eine andere anerkannte Institution

Der praktische Anwendungsbereich ist somit insbesondere auf Situationen zugeschnitten, in denen ein hohes Vertrauensverhältnis oder eine institutionell gesicherte Fachkenntnis vorliegt.


Unterschiede zur einfachen Vormundschaft

Die einfache Vormundschaft ist von einem hohen Maß gerichtlicher Kontrolle und Berichtspflichten gekennzeichnet, um einen größtmöglichen Schutz des Mündels zu gewährleisten. Dagegen ermöglicht die befreite Vormundschaft eine flexiblere und eigenständigere Führung der Vormundschaft, wobei dem Vormund ein größeres Maß an Eigenverantwortung zukommt.

Die Unterscheidung beider Formen ist von wesentlicher Bedeutung für das praktische Handeln aller am Vormundschaftsverfahren Beteiligten.


Aufsicht und Kontrolle trotz Befreiung

Selbst im Fall der Befreiung bleibt die staatliche Überwachung nicht vollständig ausgeschlossen. Das Familiengericht kann jederzeit aufgrund außergewöhnlicher Umstände einschreiten, beispielsweise bei Hinweisen auf Pflichtverletzungen des Vormunds oder das Bekanntwerden einer Gefährdung des Wohls des Mündels. In bestimmten Fällen ist auch die nachträgliche Entziehung der Befreiung möglich.


Beendigung und Rechtsmittel

Eine befreite Vormundschaft endet wie jede Vormundschaft durch Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen, also insbesondere:

  • Erreichen der Volljährigkeit des Mündels
  • Tod des Mündels oder des Vormunds
  • Entlassung des Vormunds aus dem Amt durch das Gericht

Gegen die Bestellung eines Vormunds, die Erteilung oder den Entzug der Befreiung sowie gegen Maßnahmen des Vormunds bestehen die üblichen Beschwerdemöglichkeiten, wie sie das FamFG vorsieht.


Zusammenfassung und Bedeutung

Die befreite Vormundschaft ist ein zentraler Begriff des deutschen Familienrechts, der eine ausgewogene Balance zwischen gerichtlicher Kontrolle und praktischer Handhabung der Vormundschaft sicherstellt. Sie trägt dazu bei, das Verfahren in fachkundigen oder besonders vertrauenswürdigen Fällen zu entbürokratisieren und dennoch die notwendige Kontrolle zum Schutz des Mündels zu gewährleisten. Die gesetzlichen Vorgaben bieten hierbei einen klaren Rahmen für die Ausgestaltung und Kontrolle der befreiten Vormundschaft und sichern ein Höchstmaß an Rechtssicherheit und Transparenz.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Pflichten hat ein befreiter Vormund nach deutschem Recht?

Ein befreiter Vormund übernimmt grundsätzlich dieselben Aufgaben wie ein gewöhnlicher Vormund, das heißt, er vertritt die Person und das Vermögen des Mündels gem. § 1800, § 1909 BGB. Jedoch ist der befreite Vormund – anders als der nicht befreite Vormund – von bestimmten gesetzlichen Beschränkungen und Kontrollrechten des Familiengerichts ausgenommen. Insbesondere bedarf der befreite Vormund für zahlreiche Rechtshandlungen, wie die Verfügung über Grundstücke des Mündels, die Aufnahme von Darlehen, die Versagung der Zustimmung zu einer Ausbildung oder die Eingehung längerfristiger Verpflichtungen, von Gesetzes wegen keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1852 BGB). Weiterhin entfällt teilweise die Pflicht zur gerichtlichen Rechnungslegung (§ 1840 BGB), sodass insbesondere Eltern als befreite Vormünder eine größere eigenverantwortliche Handlungsfreiheit im Interesse des Mündels haben. Dennoch bleiben allgemeine Sorgfaltspflichten, die Beachtung des Wohls des Mündels und gegebenenfalls die Informationsweitergabe an das Familiengericht bestehen.

Wer kann befreiter Vormund werden?

Grundsätzlich können gemäß § 1852 BGB leibliche Eltern oder ein Elternteil, dem die elterliche Sorge ganz oder teilweise durch gerichtliche Anordnung allein übertragen ist, befreite Vormünder werden. Ebenfalls kann im Testament oder Erbvertrag eines Elternteils eine Person als Vormund mit den Befugnissen eines befreiten Vormunds eingesetzt werden, sofern das Familiengericht dieser Bestellung zustimmt. Neben Eltern können nach bestimmten Voraussetzungen auch Großeltern, Verwandte oder Dritte, die im Testament bestimmt wurden, befreite Vormünder sein, sofern das Gericht keine Gründe gegen deren Eignung sieht und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Befreiung ist damit teils an die verwandtschaftliche Nähe und das besondere Vertrauensverhältnis zum Mündel geknüpft.

Welche gerichtlichen Genehmigungen sind für befreite Vormünder weiterhin erforderlich?

Obwohl der befreite Vormund im Vergleich zum gewöhnlichen Vormund deutlich weniger Genehmigungen des Familiengerichts für seine Handlungen benötigt, bleiben einige rechtsgeschäftliche Tätigkeiten weiterhin genehmigungspflichtig. Dazu zählt insbesondere die Einwilligung in die Adoption des Mündels, die Ausschlagung oder Annahme einer Erbschaft unter bestimmten Bedingungen, großvolumige Schenkungen aus dem Vermögen des Mündels, sowie die endgültige Aufgabe von Rechten (z. B. Verzichtserklärungen). Auch bei medizinischen Maßnahmen, die das Leben des Mündels gefährden könnten, ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich. Hierdurch bleiben zentrale Schutzfunktionen des Gerichts zugunsten des Mündels gewährleistet.

Wie erfolgt die Kontrolle und Überwachung des befreiten Vormunds?

Im Gegensatz zum nicht befreiten Vormund unterliegt der befreite Vormund einer geringfügigeren Kontrolle durch das Familiengericht. Insbesondere die jährliche Rechnungslegungspflicht entfällt meist, es sei denn, das Gericht ordnet diese aus besonderem Anlass an. Allerdings bleibt dem Familiengericht das Recht vorbehalten, im Einzelfall Berichte anzufordern oder die Tätigkeit des befreiten Vormunds zu überprüfen (§ 1852 Abs. 3 BGB). Auch Beschwerden und Hinweise Dritter, etwa von nahen Verwandten des Mündels, können eine gerichtliche Überprüfung nach sich ziehen. Darüber hinaus kann das Gericht die Befreiung widerrufen, wenn Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung oder eine Gefährdung des Wohls des Mündels bestehen.

Wann und warum kann die Befreiung eines Vormunds vom Gericht widerrufen werden?

Die Befreiung eines Vormunds kann durch Entscheidung des Familiengerichts widerrufen werden, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, dass der befreite Vormund seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahrnimmt oder das Wohl des Mündels gefährdet ist. Dies ist etwa der Fall, wenn grobe Pflichtverletzungen vorliegen (bspw. missbräuchliche Verwendung des Mündelvermögens, schwerwiegende Vernachlässigung der Personensorge, Interessenkonflikte oder vorsätzliche Täuschung des Gerichts). Auch kann ein Widerruf erfolgen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Vormund von Anfang an nicht geeignet war oder wesentliche Umstände dem Gericht zunächst nicht bekannt waren. Im Falle des Widerrufs wird meist ein Ersatzvormund bestellt, der dann den Aufgabenbereich des befreiten Vormunds übernimmt.

Unter welchen Voraussetzungen erlischt die befreite Vormundschaft?

Die befreite Vormundschaft endet grundsätzlich mit dem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen: Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Mündel volljährig wird, stirbt oder adoptiert wird. Zudem kann sie mit gerichtlicher Entscheidung erlöschen, etwa durch Widerruf der Befreiung, Entlassung oder Abberufung des Vormunds aufgrund von Ungeeignetheit (§ 1886 BGB) oder auf eigenen Antrag des Vormunds bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (z. B. dauerhafte Krankheit, Interessenkonflikt). Andere Beendigungsgründe sind die Übertragung der elterlichen Sorge an eine andere Person oder die Rückübertragung dieser Befugnisse durch das Gericht, insbesondere im Falle einer wesentlichen Verbesserung der elterlichen Erziehungsfähigkeit.

Welche Rechtsmittel stehen gegen Entscheidungen bezüglich der befreiten Vormundschaft zur Verfügung?

Gegen Entscheidungen des Familiengerichts, die die Befreiung, Bestellung, Entlassung oder sonstige Maßnahmen bezüglich der befreiten Vormundschaft betreffen, kann innerhalb einer festgelegten Frist (meist vier Wochen) Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden (§ 58 ff. FamFG). Diese Möglichkeit steht nicht nur dem Vormund, sondern auch dem Mündel, dessen Eltern oder anderen Beteiligten offen, die durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar betroffen sind. Das Beschwerdeverfahren ermöglicht eine Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und dient der Wahrung der Rechte aller Beteiligten sowie dem Schutz des Mündelwohls.