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Beförderungserschleichung

Beförderungserschleichung – Begriff, Bedeutung und Einordnung

Unter Beförderungserschleichung wird das Erlangen einer Beförderungsleistung im öffentlichen oder privaten Personenverkehr verstanden, ohne die hierfür vorgesehene Gegenleistung zu entrichten und unter Umgehung vorhandener Kontroll- oder Sicherungssysteme. Gemeint sind vor allem Fahrten mit Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus, U-Bahn oder Straßenbahn ohne gültigen Fahrausweis. Der Begriff umfasst aber auch vergleichbare Konstellationen, in denen eine Beförderung gezielt ohne Zahlung oder mit missbräuchlicher Nutzung von Fahrausweisen in Anspruch genommen wird.

Rechtliche Einordnung und Schutzzweck

Die Beförderungserschleichung ist eine strafbare Handlung, die dem Schutz entgeltlicher Dienstleistungen dient. Der Schutzzweck liegt darin, das Funktions- und Erlösmodell öffentlich zugänglicher Beförderungsangebote zu sichern. Anders als bei Vermögensdelikten, die eine Täuschung und irrtumsbedingte Vermögensverfügung voraussetzen, steht hier die unbefugte Inanspruchnahme einer Leistung im Vordergrund, die grundsätzlich nur gegen Zahlung erbracht werden soll.

Tatbestandliche Voraussetzungen

Leistung mit Entgeltpflicht

Erforderlich ist eine Beförderungsleistung, die nach ihrer Ausgestaltung nur gegen Entgelt erbracht wird. Dazu zählen insbesondere Fahrten im Linienverkehr, aber auch individuell erbrachte Beförderungen (etwa Mietwagen- oder Taxifahrten). Maßgeblich ist, dass ein objektiver Zahlungsanspruch für die konkrete Nutzung besteht.

Umgehen von Sicherungen oder Kontrollen

Das Merkmal des „Erschleichens“ setzt typischerweise ein Verhalten voraus, mit dem die vorgesehenen Zugangsvoraussetzungen oder Kontrollen umgangen werden. Dies kann offen oder verdeckt geschehen, etwa durch Benutzen eines Verkehrsmittels ohne Fahrschein, Überwinden von Zugangssperren oder Ausnutzen von Situationen, in denen Kontrollen faktisch nicht stattfinden. Auch unauffälliges Mitfahren ohne Täuschungshandlung kann unter den Begriff fallen, wenn das System der Entgeltpflicht gezielt unterlaufen wird.

Vorsatz und Zahlungsabsicht

Vorausgesetzt ist ein vorsätzliches Handeln. Die handelnde Person muss wissen, dass für die Beförderung ein Entgelt geschuldet ist, und die Leistung dennoch ohne ordnungsgemäße Zahlung in Anspruch nehmen. Unerheblich ist, ob später gezahlt werden könnte; entscheidend ist die Absicht, die konkrete Fahrt zunächst ohne gültige Berechtigung zu nutzen. Fahrlässigkeit genügt nicht.

Besondere Konstellationen

Missbrauch fremder oder ermäßigter Tickets (z. B. Mitnahmeregelungen, personalisierte Fahrausweise, zeitlich oder räumlich beschränkte Karten), Manipulationen an Sperren, die Nutzung unentwerteter oder offensichtlich ungültiger Fahrscheine sowie das Vortäuschen von Berechtigungen können tatbestandsrelevant sein. Bei technischen Störungen kann es auf die Umstände im Einzelfall ankommen, insbesondere darauf, ob die Nutzung dennoch ohne Zahlung erfolgen sollte.

Typische Fallgestaltungen

Fahren ohne gültigen Fahrausweis

Das Betreten und Mitfahren in Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrschein gehört zum Kernbereich der Beförderungserschleichung. Dazu zählt auch das Mitführen unzureichender oder nicht aktivierter Tickets, wenn das System eine vorgelagerte Entwertung oder Aktivierung verlangt.

Missbrauch vergünstigter oder personalisierter Tickets

Die Nutzung von Tickets, die an persönliche Merkmale gebunden sind (z. B. Alters- oder Studentenrabatte), ohne die Voraussetzungen zu erfüllen, sowie das Verwenden fremder personalisierter Karten kann die Tatbestandsmerkmale erfüllen, insbesondere wenn Kontrollen bewusst unterlaufen werden.

Umgehung von Zugangssperren und Kontrollmechanismen

Das Übersteigen, Aufdrücken oder Umgehen von Sperren, das Mitgehen durch geöffnete Kontrollbereiche ohne eigene Berechtigung oder das gezielte Ausnutzen kontrollfreier Zugänge sind typische Erschleichungshandlungen.

Taxi- und Mietwagenfahrten

Auch individuell erbrachte Beförderungen können betroffen sein, wenn die Fahrt in Anspruch genommen wird, ohne die vereinbarte Vergütung entrichten zu wollen. Maßgeblich ist, dass die Leistung bewusst ohne Zahlung genutzt wird.

Abgrenzungen

Abgrenzung zum Betrug

Beim Betrug steht eine Täuschung im Vordergrund, die eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung auslöst. Die Beförderungserschleichung setzt demgegenüber keine aktive Täuschung des Personals voraus; entscheidend ist das Umgehen des Entgeltsystems und die unberechtigte Nutzung der Leistung.

Reine Vertragsverstöße

Nicht jeder Verstoß gegen Beförderungsbedingungen ist zugleich strafbar. Fehlt es am Erschleichen oder am Vorsatz, kann eine Pflichtverletzung lediglich zivilrechtliche Folgen haben. Die Einordnung hängt vom konkreten Verhalten und den erkennbaren Umständen der Nutzung ab.

Zivilrechtliche Aspekte

Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung bestehen vertragliche Ansprüche der Verkehrsunternehmen, etwa auf Zahlung des Fahrpreises und eines zusätzlichen Entgelts für die Kontrolle und Abwicklung. Diese Ansprüche stehen neben einer möglichen strafrechtlichen Ahndung.

Rechtsfolgen

Strafrechtliche Folgen

Die Beförderungserschleichung kann mit Geldstrafe oder in schwereren Fällen mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Der Versuch kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls erfasst sein. Ob und in welchem Umfang eine Ahndung erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalls, etwa Vorbelastungen und Tatintensität, ab.

Zivilrechtliche Folgen und erhöhtes Beförderungsentgelt

Verkehrsunternehmen verlangen regelmäßig ein erhöhtes Beförderungsentgelt und den nacherhobenen Fahrpreis. Das erhöhte Entgelt ist branchenüblich pauschaliert und soll den Kontroll- und Verwaltungsaufwand abdecken. Die konkrete Höhe und die Zahlungsmodalitäten ergeben sich aus den jeweiligen Beförderungsbedingungen.

Nebenfolgen

Möglich sind Hausverbote für bestimmte Anlagen, zivilrechtliche Forderungen und inkassorechtliche Maßnahmen. Bei wiederholten Verstößen kann die Ahndung spürbar verschärft werden.

Eintragungen und Register

Verurteilungen werden im zentralen Register dokumentiert. Ob und wann sie in einem Führungszeugnis erscheinen, richtet sich nach Art und Höhe der Sanktion sowie nach Vorbelastungen. Kleinere Sanktionen können unter bestimmten Voraussetzungen im einfachen Führungszeugnis unberücksichtigt bleiben.

Strafprozessuale Aspekte

Anzeige und Ermittlungen

Der Vorgang wird meist durch das Verkehrsunternehmen gemeldet. Es folgen Ermittlungen, die auf Feststellungen der Kontrolleure, Dokumente und sonstige Beweismittel zurückgreifen.

Beweisfragen

Relevante Beweismittel sind Kontrolldokumentationen, Zeugenaussagen, Belege zu Fahrscheinen, Videoaufzeichnungen und etwaige Sicherungen an Zugangssystemen. Maßgeblich ist, ob sich Vorsatz und Erschleichen nachweisen lassen.

Verfahrensausgänge

In Betracht kommen Einstellungen, Geldstrafen per schriftlicher Entscheidung oder Hauptverhandlungstermine. Die konkrete Reaktion richtet sich nach Schwere, Häufigkeit und persönlichen Umständen.

Besondere Personengruppen und Situationen

Minderjährige

Bei Jugendlichen gelten besondere Regeln. Statt regulärer Strafen stehen erzieherische Maßnahmen im Vordergrund. Die Beurteilung orientiert sich an Reifegrad, Einsichtsfähigkeit und den Umständen.

Wiederholte Beförderungserschleichung

Mehrfache Auffälligkeiten können zu strengeren Reaktionen führen. Sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich wird Wiederholung regelmäßig nachteiliger bewertet als ein Einzelfall.

Irrtümer, Versehen und technische Störungen

Ob ein bloßes Versehen vorliegt oder ein strafbares Erschleichen gegeben ist, hängt von den Gesamtumständen ab. Technische Defekte, missverständliche Hinweise oder fehlerhafte Entwertungen können die Bewertung beeinflussen, ersetzen aber nicht automatisch eine fehlende Berechtigung.

Verjährung

Die Verfolgung ist nur innerhalb bestimmter Fristen möglich. Bei weniger schweren Delikten gelten vergleichsweise kurze Zeiträume.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Beförderungserschleichung

Was bedeutet „Erschleichen“ im Zusammenhang mit Beförderung?

„Erschleichen“ meint das Umgehen der vorgesehenen Zahlung oder Kontrolle, um eine Beförderungsleistung zu erhalten. Dazu kann bereits das unauffällige Mitfahren ohne gültigen Fahrausweis gehören, wenn damit das Entgeltsystem gezielt unterlaufen wird.

Ist schon das Betreten eines Verkehrsmittels ohne Ticket strafbar?

Maßgeblich ist die Inanspruchnahme der Beförderungsleistung. Wer einsteigt, um zu fahren, ohne Berechtigung und in der Absicht, die Zahlung zu umgehen, kann tatbestandsnah handeln. Die genaue Bewertung richtet sich nach den Umständen, insbesondere dem Vorsatz und den vorhandenen Sicherungen.

Reicht Fahrlässigkeit aus, etwa wenn ein Ticket versehentlich nicht entwertet wurde?

Fahrlässigkeit genügt nicht. Erforderlich ist Vorsatz, also das Wissen um die Entgeltpflicht und die bewusste Nutzung ohne Berechtigung. Ob ein Versäumnis als bloßes Versehen zu werten ist, hängt von den Gesamtumständen ab.

Erscheint eine Verurteilung wegen Beförderungserschleichung im Führungszeugnis?

Eintragungen erfolgen im zentralen Register. Ob eine Verurteilung im Führungszeugnis sichtbar wird, hängt von Art und Höhe der Sanktion sowie von Vorbelastungen ab. Kleinere Geldstrafen können im einfachen Führungszeugnis unter bestimmten Voraussetzungen unberücksichtigt bleiben.

Ist der Versuch der Beförderungserschleichung erfasst?

Der Versuch kann erfasst sein, wenn mit der Umsetzung begonnen wird, etwa durch zielgerichtetes Umgehen von Kontrollen zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistung. Die konkrete Einordnung ist vom Einzelfall abhängig.

Welche zivilrechtlichen Folgen drohen neben einer Strafe?

Unabhängig vom Strafverfahren verlangen Verkehrsunternehmen regelmäßig den Fahrpreis und ein erhöhtes Beförderungsentgelt. Zusätzlich können Verwaltungskosten, Inkassomaßnahmen und Hausverbote hinzukommen.

Wie werden Minderjährige behandelt?

Bei Minderjährigen stehen erzieherische Reaktionen im Vordergrund. Sanktionen und Maßnahmen orientieren sich stärker an pädagogischen Gesichtspunkten und der persönlichen Entwicklung.