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Beförderungserschleichung


Begriff und Definition der Beförderungserschleichung

Die Beförderungserschleichung bezeichnet die unbefugte Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen, ohne das dafür vorgesehene Entgelt zu entrichten. In Deutschland findet sich die Rechtsgrundlage hierfür im Strafgesetzbuch (StGB), konkret in § 265a StGB („Erschleichen von Leistungen“). Beförderungserschleichung ist somit ein eigenständiger Straftatbestand, der insbesondere im öffentlichen Personenverkehr von großer praktischer Bedeutung ist.

Rechtliche Einordnung

Die Beförderungserschleichung zählt zu den Vermögensdelikten und dient vor allem dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Anbieter von Beförderungsleistungen, wie zum Beispiel Nahverkehrsunternehmen, Bahn-, Bus- oder Fährgesellschaften.

Tatbestandsmerkmale der Beförderungserschleichung

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand der Beförderungserschleichung setzt voraus, dass eine Beförderungsleistung im öffentlichen Verkehr oder eine entsprechende Einrichtung unberechtigt genutzt wird. Folgende Merkmale müssen dabei erfüllt sein:

Öffentlicher Verkehr

Der Begriff „öffentlicher Verkehr“ erfasst sämtliche Formen von Beförderungen, die für die Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Öffentliche Verkehrsmittel wie Bus, Bahn, U-Bahn, Straßenbahn, S-Bahn und Schiff
  • Nah- und Fernverkehrsangebote
  • Seilbahnen und andere entsprechende Einrichtungen

Unberechtigter Nutzung und Erschleichen

Das „Erschleichen“ liegt vor, wenn die Beförderungsleistung in einer Weise in Anspruch genommen wird, die auf eine Umgehung der Kontrolle oder Sicherungsvorkehrungen abzielt. Formen des Erschleichens können sein:

  • Nutzung der Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrausweis („Schwarzfahren“)
  • Betreten eines Verkehrsmittels durch Hintereingänge oder während der Schließung der Türen
  • Täuschung über die Berechtigung zur Mitfahrt (z. B. Vorlage eines gefälschten oder nicht übertragbaren Tickets)

Subjektiver Tatbestand

Erforderlich ist vorsätzliches Handeln. Der Täter muss also mit Wissen und Wollen die Beförderungsleistung erschleichen und sich bewusst sein, dass kein Anspruch auf die unentgeltliche Beförderung besteht.

Rechtliche Folgen der Beförderungserschleichung

Strafrechtliche Konsequenzen

Beförderungserschleichung wird gemäß § 265a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. In minder schweren Fällen oder bei erstmaligem Verstoß können die Strafverfolgungsbehörden das Verfahren jedoch auch einstellen; zum Beispiel gegen Zahlung eines Geldbetrags (nach § 153a StPO).

Zivilrechtliche Ansprüche

Neben strafrechtlichen Folgen bestehen häufig zivilrechtliche Ansprüche der Beförderungsunternehmen, etwa auf Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts nach den jeweiligen Beförderungsbedingungen. Die Unternehmen können in der Regel ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ (oftmals 60 Euro) erheben.

Eintragung ins Bundeszentralregister

Wird eine Person wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt, so kann dies zu einem Eintrag im Bundeszentralregister führen, sofern keine Einstellung nach § 153 oder § 153a StPO erfolgt.

Abgrenzung zu anderen Tatbeständen

Betrug (§ 263 StGB)

Abzugrenzen ist die Beförderungserschleichung vom Betrug. Ein Betrug erfordert eine Täuschungshandlung, einen Vermögensschaden und eine irreführende Einwirkung auf das Opfer. Beim Erschleichen von Leistungen steht hingegen das unerlaubte Erlangen der Leistung im Vordergrund, oft unabhängig von einer direkten Täuschung gegenüber dem Personal.

Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)

Beim unbefugten Betreten von Transportmitteln kann unter Umständen auch der Tatbestand des Hausfriedensbruchs in Betracht kommen, sofern der Bereich eindeutig gegen das Betreten durch Unberechtigte gesichert ist. Üblicherweise dominiert jedoch der § 265a StGB als lex specialis.

Strafverfahren und Verfolgungspraxis

Strafantragserfordernis

Beförderungserschleichung ist ein sogenanntes „relatives Antragsdelikt“. Das Verfahren wird in der Regel auf Antrag des Beförderungsunternehmens eingeleitet. Nur in Ausnahmefällen wird von Amts wegen verfolgt (z. B. bei besonderem öffentlichen Interesse).

Doppelbestrafung und Einstellung des Verfahrens

Bereits entrichtete erhöhte Beförderungsentgelte schließen ein strafrechtliches Verfahren nicht aus. Gerichte und Staatsanwaltschaften können das Verfahren jedoch einstellen, wenn der entstandene Schaden wieder gutgemacht wurde und keine erheblichen Vorstrafen vorliegen.

Praxisrelevante Aspekte und Kritik

Erheblichkeit und Kriminalisierung

Die Beförderungserschleichung ist regelmäßig Gegenstand öffentlicher Diskussion hinsichtlich der Angemessenheit strafrechtlicher Sanktionierung. Einige Stimmen plädieren für die Entkriminalisierung, da häufig sozial schwache Personen betroffen sind. Demgegenüber steht das wirtschaftliche Interesse der Verkehrsbetriebe an der Abschreckung potenzieller Wiederholungstäter.

Präventive Maßnahmen der Verkehrsunternehmen

Um Beförderungserschleichung vorzubeugen, setzen Verkehrsunternehmen auf verschiedene Maßnahmen wie Kontrollpersonal, technische Sperren (z. B. Zugangsschranken), sowie Sensibilisierungskampagnen für Fahrgäste.

Internationale Aspekte

Vergleichbare Rechtslage in anderen Ländern

Auch in vielen anderen Staaten ist das unbefugte Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geregelt. Der Umgang damit unterscheidet sich hinsichtlich Schwere der Sanktionen deutlich; während manche Länder ausschließlich Bußgelder verhängen, sehen andere ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen vor.

Zusammenfassung

Beförderungserschleichung ist ein in Deutschland durch § 265a StGB unter Strafe gestelltes Delikt, das insbesondere den Schutz der wirtschaftlichen Interessen von Verkehrsanbietern bezweckt. Zu den typischen Erscheinungsformen zählt das „Schwarzfahren“ in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Strafverfolgung ist von verschiedenen verfahrensrechtlichen Besonderheiten geprägt, insbesondere dem Erfordernis eines Strafantrags. Neben strafrechtlichen Konsequenzen können auch zivilrechtliche Forderungen der Verkehrsunternehmen entstehen. Die rechtliche Einordnung, Abgrenzung zu ähnlichen Delikten und die Frage nach der Angemessenheit der Sanktionen werden regelmäßig in Praxis und Fachliteratur diskutiert.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Beförderungserschleichung?

Im deutschen Rechtssystem stellt die Beförderungserschleichung gemäß § 265a StGB (Strafgesetzbuch) eine Straftat dar. Wird eine Person beim Schwarzfahren, also beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrausweis, erwischt, können strafrechtliche Folgen eintreten. Die Strafe kann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren betragen. Zusätzlich kann es zu zivilrechtlichen Forderungen seitens des Verkehrsunternehmens kommen, wie der Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts („erhöhtes Beförderungsentgelt“ gemäß § 9 Abs. 2 Personenbeförderungsgesetz), welches regelmäßig deutlich über dem eigentlichen Fahrpreis liegt. Wiederholungstäter müssen mit einer Verschärfung der Strafzumessung rechnen. Für Minderjährige oder Heranwachsende findet ggf. das Jugendgerichtsgesetz (JGG) Anwendung, das besondere Sanktionsmöglichkeiten vorsieht.

Wird ein einmaliges Schwarzfahren schon strafrechtlich verfolgt?

Grundsätzlich kann bereits der einmalige Verstoß eine Strafbarkeit nach § 265a StGB begründen. Strafverfolgung erfolgt jedoch häufig erst nach mehrmaligen Verstößen, da manche Verkehrsunternehmen beim ersten Mal von einer Anzeige absehen und sich mit dem erhöhten Beförderungsentgelt zufriedengeben. Doch es steht im Ermessen des Verkehrsunternehmens, ob Anzeige erstattet wird, und auch bei einem erstmaligen Vorfall kann ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Eine Bagatellisierung ist daher rechtlich unangebracht. Für den Betroffenen bedeutet jede einzelne Tatbestandserfüllung die Gefahr eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens und die Aufnahme ins Bundeszentralregister, falls es zu einer Verurteilung kommt.

Welche Rolle spielt die Absicht bei der Beförderungserschleichung?

Für eine Strafbarkeit ist Vorsatz erforderlich. Das bedeutet, die Person muss wissentlich und willentlich ohne gültigen Fahrschein gefahren sein, um sich die Beförderungsleistung zu erschleichen. Reine Fahrlässigkeit, wie beispielsweise das versehentliche Nicht-Entwerten des Tickets oder der unbemerkte Aufenthalt in einem Bereich mit Fahrscheinpflicht, reicht nicht aus. Problematisch kann es jedoch werden, wenn nachweisbar ist, dass der Betroffene den Vorsatz nur vorgibt. Konkret wird die Absicht meist aus Indizien abgeleitet, wie etwa dem Versuch, sich vor Fahrkartenkontrollen zu verstecken oder der Nutzung von Tricks (manipulierte Fahrkarten, falsche Angaben gegenüber Kontrolleuren).

Was gilt, wenn das Ticket technisch oder versehentlich nicht entwertet wurde?

In diesen Fällen kann es im Einzelfall auf die beweisbare Absicht ankommen. Liegt ein gültiger Fahrschein vor, der lediglich nicht entwertet wurde, und handelt es sich um ein erstmaliges oder offensichtliches Versehen, wird in der Regel von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen. Das Verkehrsunternehmen kann aber dennoch ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen. Rechtskräftig kann der Vorwurf der Beförderungserschleichung entfallen, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass kein Vorsatz zugrunde lag. Es empfiehlt sich, in solchen Fällen Zeugen zu benennen oder nachvollziehbare Begründungen vorzulegen. Im Zweifel entscheiden die Ermittlungsbehörden, und die Bewertung erfolgt stets anhand der Umstände des Einzelfalls.

Verjährt die Strafverfolgung bei Beförderungserschleichung?

Ja, auch Taten im Zusammenhang mit Beförderungserschleichung unterliegen der Verfolgungsverjährung. Nach § 78 Absatz 3 Nr. 5 StGB beträgt die Verjährungsfrist bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von weniger als fünf Jahren bedroht sind – wozu Beförderungserschleichung gehört -, drei Jahre ab dem Tag der Tat. Nach Ablauf dieser Frist kann die Tat grundsätzlich nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Allerdings können zivilrechtliche Forderungen, etwa das erhöhte Beförderungsentgelt, anderen Fristen unterliegen und davon unberührt bleiben.

Können Ausländer durch Beförderungserschleichung abgeschoben werden?

Beförderungserschleichung allein führt in der Regel nicht zur Abschiebung, kann jedoch bei wiederholter Begehung und entsprechender Straferhöhung eine Rolle im ausländerrechtlichen Kontext spielen. Kommt es zu einer rechtskräftigen Verurteilung und höheren Strafen (beispielsweise zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung), kann dies im Ausländerzentralregister eingetragen werden und Einfluss auf das Aufenthaltsrecht, die Erteilung von Aufenthaltstiteln oder die Einbürgerungsvoraussetzungen haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Ausländerbehörden prüfen jeden Einzelfall individuell.

Was passiert bei Jugendlichen und Heranwachsenden?

Bei Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre) wird das Jugendgerichtsgesetz (JGG) angewendet. Die Sanktionen unterscheiden sich hier von denen des Erwachsenenstrafrechts und setzen vorrangig auf erzieherische Maßnahmen wie Ermahnungen, Auflagen (z.B. Sozialstunden) oder die Weisung, an einem sozialen Training teilzunehmen. Freiheitsentzug ist bei Jugendlichen nur das letzte Mittel. Die Justiz geht gerade bei Ersttätern meist milde vor und kann auch Verfahren einstellen. Trotzdem wird auch im Jugendstrafrecht die Tat im Bundeszentralregister erfasst, was spätere Auswirkungen (z.B. bei der Jobsuche) haben kann.

Welche Möglichkeiten haben Betroffene, gegen eine Anzeige oder ein Ermittlungsverfahren wegen Beförderungserschleichung vorzugehen?

Betroffene können im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine Einlassung abgeben und entlastende Umstände vorbringen, etwa das Vorliegen eines versehentlichen Handelns, ein technisches Problem oder eine Notlage. Es ist empfehlenswert, bereits frühzeitig einen Rechtsanwalt zu konsultieren, um die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu erarbeiten. In vielen Fällen ist auch eine Einstellung des Verfahrens möglich, insbesondere bei Ersttätern oder geringfügigen Verstößen. Gegen einen Strafbefehl oder eine Anklage besteht die Möglichkeit des Einspruchs bzw. der gerichtlichen Klärung. Die Verteidigung sollte immer individuell auf den Tatvorwurf zugeschnitten werden. In Härtefällen kann auch nach § 153 StPO (Strafprozessordnung) eine Verfahrenseinstellung gegen Auflagen erfolgen.