Begriff und Bedeutung des Beendeten Versuchs
Der beendete Versuch ist ein zentraler Begriff im deutschen Strafrecht und bezieht sich auf eine bestimmte Phase innerhalb der Versuchsstrafbarkeit. Die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch ist insbesondere für den Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) bedeutend. Der beendete Versuch hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafbarkeit und das weitere strafrechtliche Vorgehen.
Rechtsgrundlagen
Die wichtigsten rechtlichen Regelungen zum beendeten Versuch finden sich im Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere in den §§ 22 bis 24 StGB. Während § 22 StGB den Versuch allgemein definiert, normiert § 24 StGB Voraussetzungen und Konsequenzen eines Rücktritts vom Versuch. Die genaue Abgrenzung zum unbeendeten Versuch ist vor allem für die Anwendung des Rücktrittsprivilegs relevant.
Definition des Beendeten Versuchs
Ein Versuch gilt als beendet, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat alle zur Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlungen vorgenommen hat, sodass der Erfolg entweder bereits eingetreten ist oder aus seiner Sicht ohne weiteres Zutun eintreten wird.
Demgegenüber steht der unbeendete Versuch, bei dem der Täter glaubt, den tatbestandlichen Erfolg nur durch weitere Maßnahmen herbeiführen zu können.
Objektive und subjektive Kriterien
Maßgeblich für die Abgrenzung ist stets die Vorstellung des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung. Es kommt darauf an, ob der Täter „nach seinem Vorstellungsbild“ die Tat als im Wesentlichen vollendet ansieht oder weitere Handlungen für notwendig hält.
Objektives Kriterium:
- Tatsächliche Handlungen und deren Eignung zur Erfolgsherbeiführung.
Subjektives Kriterium:
- Tätervorstellung nach der letzten Ausführungshandlung.
Beispiele
- Schießt eine Person auf eine andere und glaubt, dieser tödliche Schuss werde den Tod herbeiführen, liegt ein beendeter Versuch vor.
- Ist der Täter hingegen der Meinung, das Opfer sei noch nicht tödlich getroffen und müsse weiter angegriffen werden, handelt es sich um einen unbeendeten Versuch.
Bedeutung für den Rücktritt vom Versuch
Das deutsche Strafrecht räumt dem Täter die Möglichkeit ein, freiwillig vom Versuch zurückzutreten. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Rücktritts unterscheiden sich jedoch, je nachdem, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt.
Rücktritt beim unbeendeten Versuch
Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB genügt es, wenn der Täter „die weitere Ausführung der Tat aufgibt“. Der Rücktritt ist in diesem Stadium also vergleichsweise einfach möglich.
Rücktritt beim beendeten Versuch
Beim beendeten Versuch reicht die bloße Aufgabe weiterer Tathandlungen nicht aus. Hier verlangt § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB, dass der Täter „die Vollendung der Tat verhindert“. Die Anforderungen an den Rücktritt sind somit erheblich höher, da der Täter aktiv werden und die Schadensherbeiführung verhindern muss.
Praktische Bedeutung
Die Unterscheidung ist oft entscheidend für die Strafbarkeit des Täters und für den Umfang seiner Strafmilderung oder strafbefreienden Wirkung des Rücktritts.
Dogmatische Einordnung
Der beendete Versuch ist Bestandteil der Versuchsstrafbarkeit, die bereits die Strafwürdigkeit der Tathandlung vor Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs normiert. Er entspringt dem Bestreben, strafbare Handlungen frühzeitig zu erfassen, erlaubt aber durch Rücktrittsmöglichkeiten eine Korrektur, wenn der Täter rechtzeitig Abstand von der Tat nimmt.
Verhältnis zum unbeendeten Versuch
Dogmatisch wird die Grenze zum beendeten Versuch anhand der Tätervorstellung gezogen. Die Einordnung kann kompliziert sein, etwa in Fällen, in denen objektiv noch nicht alle Tathandlungen abgeschlossen sind, der Täter aber subjektiv von der bevorstehenden Vollendung ausgeht.
Streitfragen und Meinungsstreit
In der Literatur und Rechtsprechung bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit die Tätervorstellung reichen muss und ob bereits bloß grob fahrlässige Fehleinschätzungen einen unbeendeten oder beendeten Versuch begründen können.
Systematik und Abgrenzung
Die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch ist im Rahmen der Versuchsstrafbarkeit systematisch von großer Bedeutung. Sie wird in der praktischen Anwendung häufig bei Delikten mit mehraktigem Tatbestand oder bei unechten Unterlassungsdelikten problematisch.
Relevanz für verschiedene Deliktskategorien
Bei echten Unterlassungsdelikten (Handlungen, die durch Unterlassen begangen werden) und mehraktigen Delikten (z. B. Raub, Erpressung) sind die Grenzen zwischen beendeten und unbeendeten Versuch oft differenziert zu beurteilen.
Rechtsprechung zum beendeten Versuch
Die Rechtsprechung, insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH), hat die Voraussetzungen und Grenzen des beendeten Versuchs in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Zentrale Aspekte sind dabei das Rücktrittsverhalten, die Tätervorstellung und der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Verhinderung der Tatvollendung und Täterhandlung im Rahmen des Rücktritts.
Typische Fallkonstellationen
- Der Täter glaubt, durch bereits ausgeführte Handlungen sei der Erfolg sicher.
- Der Täter verlässt den Tatort in der Annahme, alles Nötige sei getan.
Zusammenfassung
Der beendete Versuch bezeichnet jene Situation, in der der Täter aus seiner Sicht alles zur Tatvollendung Erforderliche getan hat und das weitere Eintreten des Erfolgs nicht mehr aktiv beeinflusst. Für die Strafbarkeit und insbesondere für die Rücktrittsoption nach § 24 StGB ist diese Unterscheidung von erheblicher Bedeutung. Die Beurteilung erfolgt im Wesentlichen nach dem Tatbild und der subjektiven Tätervorstellung. Die korrekte Einordnung ist in der Strafverteidigung und bei der gerichtlichen Beweiswürdigung von erheblicher Relevanz und bildet einen Eckpfeiler der deutschen Versuchsstrafbarkeit.
Siehe auch:
Häufig gestellte Fragen
Wann ist ein Versuch im rechtlichen Sinne beendet?
Ein Versuch gilt im strafrechtlichen Sinn dann als beendet, wenn der Täter nach seiner Vorstellung alles getan hat, was aus seiner Sicht zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendig war. Maßgeblich ist dabei nicht der objektive Sachverhalt, sondern der subjektive Eindruck des Täters, dass zur Vollendung der Tat keine weiteren Handlungen mehr erforderlich sind. Ein beendeter Versuch liegt nur vor, wenn der Täter glaubt, der Erfolg werde entweder unmittelbar oder nach Ablauf einer gewissen Zeit ohne weiteres Zutun eintreten. Ausreichend ist, wenn der Täter irrtümlich annimmt, bereits einen Erfolgseintritt bewirkt zu haben, selbst wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist. Die rechtliche Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch ist insbesondere für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 StGB relevant, da dieser bei einem beendeten Versuch eine höhere Schwelle an Bedingungen voraussetzt (nämlich die Verhinderung der Vollendung durch ernsthaftes Bemühen).
Welche Bedeutung hat der beendete Versuch für den strafbefreienden Rücktritt nach § 24 StGB?
Die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch ist ausschlaggebend dafür, welche Anforderungen an einen strafbefreienden Rücktritt gestellt werden. Bei einem unbeendeten Versuch reicht es, dass der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB). Beim beendeten Versuch hingegen verlangt das Gesetz, dass der Täter den Erfolg der Tat verhindert (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB). Der Rücktritt vom beendeten Versuch verlangt demnach ein aktives Gegensteuern gegen den drohenden Erfolgseintritt, etwa durch Rückgabe gestohlener Ware oder durch Alarmierung von Hilfe, sodass ohne das Eingreifen des Täters die Tat vollendet worden wäre. Zudem genügt bloßes Nichtstun oder Untätigkeit nicht; der Täter muss sich ernsthaft und freiwillig bemühen, die Tatvollendung zu verhindern.
Wie wird im Zweifel bestimmt, ob ein Versuch beendet oder unbeendet ist?
Ob ein Versuch beendet oder unbeendet ist, wird nach der sogenannten „Vorstellungsherrschaft“ des Täters beurteilt, also danach, was der Täter subjektiv für notwendig erachtet, um die Tat zu vollenden. Im Zweifelsfall sind dabei alle Umstände, insbesondere die Handlungen und Äußerungen des Täters sowie der Verlauf der Tatausführung zu gewichten. Die Rechtsprechung stellt auf eine umfassende Würdigung aus Sicht eines objektiven Dritten an, der sich in die subjektive Lage des Täters hineinversetzt. Sind die Vorstellungen des Täters nicht eindeutig dokumentiert, ist zugunsten des Täters von einem unbeendeten Versuch auszugehen. Dies folgt aus dem strafrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“.
Kann ein Versuch, der zunächst beendet war, nachträglich wieder zum unbeendeten Versuch werden?
Grundsätzlich ist maßgeblich der Zeitpunkt, zu dem der Täter subjektiv glaubt, zur Herbeiführung des Erfolges alles Erforderliche getan zu haben. Haben sich jedoch nach diesem Zeitpunkt die Vorstellungen des Täters über den Kausalverlauf oder über die Taterreichung geändert, kann ausnahmsweise der „beendete“ Versuch zu einem „unbeendeten“ Versuch „zurückentwickeln“. Zum Beispiel, wenn der Täter später erkennt, dass sein Handeln nicht ausreichend war, um den angestrebten Erfolg herbeizuführen, und daher weitere Handlungen für erforderlich hält. Entscheidend ist hierbei jedoch, dass eine solche „Rückentwicklung“ nur anerkannt wird, wenn sich die Vorstellung des Täters tatsächlich in der Realität nachträglich ändert und dies nachweisbar ist.
Ist die Einteilung in beendeten und unbeendeten Versuch auch für andere Rechtsfolgen von Bedeutung?
Die Differenzierung zwischen beendeten und unbeendeten Versuch ist vor allem für die Bedingungen des strafbefreienden Rücktritts wesentlich. Für die Strafbarkeit oder das Maß der Strafe nach allgemeinem deutschen Strafrecht spielt diese Unterscheidung ansonsten keine eigene Rolle. Insbesondere die Regelungen der Bestrafung des Versuchs (§ 23 StGB) differenzieren nicht nach beendeten oder unbeendeten Versuch; das Unterscheidungskriterium wird nahezu ausschließlich im Rahmen von § 24 StGB herangezogen. Dennoch kann die Einteilung Bedeutung im Rahmen der Strafzumessung oder bei der Bewertung des Rücktrittsverhaltens spielen.
Wie wirken sich Irrtümer des Täters über die Erfolgsherbeiführung auf die Bewertung des Versuchs aus?
Subjektive Irrtümer des Täters hinsichtlich der Erfolgseintritts sind für die Bewertung, ob ein Versuch beendet oder unbeendet ist, von ausschlaggebender Bedeutung. Glaubt der Täter irrtümlich, alle notwendigen Schritte unternommen zu haben, spricht dies für einen beendeten Versuch, auch wenn objektiv noch weitere Ausführungshandlungen erforderlich wären. Umgekehrt liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter irrig glaubt, er müsse noch weitere Handlungen unternehmen, obwohl objektiv schon alles für die Tatvollendung getan wurde. Die Bewertung richtet sich immer nach dem inneren Vorstellungsbild des Täters zum maßgeblichen Zeitpunkt – Fehler in der Wahrnehmung oder Fehleinschätzungen sind also maßgebliche Faktoren der rechtlichen Bewertung.
Wie ist die Rechtslage bei mehreren Tätern (Mittäterschaft) im Hinblick auf den beendeten Versuch?
Bei Mittätern wird das Merkmal des beendeten oder unbeendeten Versuchs grundsätzlich für jeden Beteiligten individuell bestimmt, nach Maßgabe seiner eigenen subjektiven Vorstellungen. Das bedeutet, dass innerhalb einer Tat mehrere Beteiligte hinsichtlich ihres Rücktritts unterschiedlich behandelt werden können: Während ein Täter bereits alles für die Tatvollendung getan zu haben glaubt (also ein beendeter Versuch vorliegt), mag ein anderer noch Ausführungshandlungen für erforderlich halten (unbeendeter Versuch). Die jeweiligen Anforderungen an einen strafbefreienden Rücktritt greifen daher individuell und sind in Bezug auf jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen.