Begriff und Einordnung: Was sind Bedingungen der Strafbarkeit?
Bedingungen der Strafbarkeit sind die rechtlichen Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Verhalten mit Strafe belegt werden kann. Sie bilden das Gerüst, das aus einem tatsächlichen Geschehen eine strafbare Handlung macht. Ohne das Zusammenspiel dieser Bedingungen kommt es zu keiner wirksamen staatlichen Ahndung, selbst wenn ein Verhalten als gesellschaftlich missbilligenswert erscheint.
Die Bedingungen der Strafbarkeit sind mehrstufig aufgebaut. Zunächst wird geprüft, ob das Verhalten unter einen Straftatbestand fällt, dann ob es rechtswidrig ist und schließlich, ob die handelnde Person dafür persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Hinzu treten weitere, teils tatbezogene, teils personenbezogene und teils verfahrensbezogene Anforderungen.
Grundstruktur: Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld
Tatbestand
Der Tatbestand beschreibt die Merkmale, die ein Verhalten erfüllen muss, um als strafbare Handlung in Betracht zu kommen. Dazu gehört neben einem menschlichen Verhalten auch dessen Zurechnung zur Person, die Kausalität für einen Erfolg (soweit erforderlich) und die innere Seite, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, je nachdem, was die jeweilige Straftat voraussetzt.
Rechtswidrigkeit
Ist der Tatbestand erfüllt, wird geprüft, ob ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, der das Verhalten trotz Tatbestandsmäßigkeit erlaubt erscheinen lässt. Fehlt ein solcher Rechtfertigungsgrund, gilt die Handlung als rechtswidrig.
Schuld
Schuld bedeutet persönliche Vorwerfbarkeit. Es wird untersucht, ob die handelnde Person in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen und entsprechend zu handeln. Dazu zählen insbesondere die Fähigkeit zur Steuerung des eigenen Verhaltens sowie das Fehlen von Entschuldigungsgründen.
Zusätzliche Anforderungen und Abgrenzungen
Objektive Bedingungen der Strafbarkeit
Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind zusätzliche Voraussetzungen, die unabhängig von Wissen und Wollen der handelnden Person erfüllt sein müssen. Sie stehen außerhalb des eigentlichen Unrechts- und Schuldvorwurfs und betreffen häufig äußere Umstände, die das Unrecht der Tat in einen strafwürdigen Rahmen stellen. Ob die handelnde Person diese Bedingungen kennt oder nicht, ist für ihre Verwirklichung grundsätzlich ohne Bedeutung.
Persönliche Merkmale und besondere Tätereigenschaften
Manche Straftatbestände knüpfen an besondere Eigenschaften der handelnden Person an, etwa an eine Funktion oder Stellung. Solche persönlichen Merkmale können darüber entscheiden, ob eine Person Täterin oder Teilnehmer ist oder ob ein Verhalten überhaupt unter einen Straftatbestand fällt. Sie wirken teils als Tatbestandsmerkmal, teils als besondere Voraussetzung für die Strafbarkeit.
Strafmündigkeit und Zurechnungsfähigkeit
Strafbarkeit setzt ein Mindestalter sowie die Fähigkeit voraus, das Unrecht der Tat einsehen und nach dieser Einsicht handeln zu können. Unterhalb eines bestimmten Alters greift das allgemeine Strafrecht nicht; bei erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit kommen besondere Beurteilungen in Betracht. Diese Voraussetzungen sind eigenständige Prüfungsstufen neben Tatbestand und Rechtswidrigkeit.
Versuch, Rücktritt und Teilnahme
Auch der Versuch eines Delikts kann strafbar sein. Dabei können bestimmte zusätzliche Bedingungen anders gewichtet sein als beim vollendeten Delikt. Ein Rücktritt vom Versuch kann die Strafbarkeit entfallen lassen. Bei Beteiligung mehrerer Personen ist zu unterscheiden zwischen Täterschaft und Teilnahme; persönliche Voraussetzungen können sich auf die Beteiligungsform auswirken.
Strafausschließungs-, Strafaufhebungs- und Strafmilderungsgründe
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe
Rechtfertigungsgründe lassen eine an sich tatbestandsmäßige Handlung erlaubt erscheinen, sodass sie nicht rechtswidrig ist. Entschuldigungsgründe lassen das Unrecht bestehen, nehmen der handelnden Person jedoch die persönliche Vorwerfbarkeit. Beide Kategorien führen dazu, dass keine Strafe verhängt wird.
Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe
Strafausschließungsgründe verhindern die Bestrafung trotz rechtswidriger und schuldhafter Tat, etwa aufgrund besonderer persönlicher oder sachlicher Umstände. Strafaufhebungsgründe führen dazu, dass eine bereits eingetretene Strafbarkeit nachträglich entfällt. Diese Institute stehen neben der Grundstruktur von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld und wirken als zusätzliche Schranke der Bestrafung.
Abgrenzung zu verfahrensrechtlichen Voraussetzungen
Strafverfolgungsvoraussetzungen
Neben den materiell-rechtlichen Bedingungen existieren verfahrensrechtliche Voraussetzungen, damit eine Tat verfolgt werden kann. Dazu gehören insbesondere Erklärungen von Betroffenen oder zuständigen Stellen, ohne die eine Verfolgung nicht eingeleitet werden darf. Solche Anforderungen betreffen die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden tätig werden dürfen; sie sind keine materiellen Bedingungen der Strafbarkeit.
Prozesshindernisse
Prozesshindernisse verhindern die Durchführung oder Fortsetzung eines Strafverfahrens, obwohl die materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen könnten. Typische Beispiele sind Zeitablauf oder bereits erfolgte rechtskräftige Entscheidung. Diese Hindernisse liegen außerhalb der materiellen Prüfung und betreffen allein die Verfolgbarkeit.
Irrtum und Nachweis
Irrtum über objektive Bedingungen der Strafbarkeit
Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind vom inneren Vorstellungsbild der handelnden Person unabhängig. Ein Irrtum über deren Vorliegen wirkt sich daher grundsätzlich nicht in gleicher Weise aus wie ein Irrtum über Tatbestandsmerkmale. Maßgeblich ist, ob die Bedingung objektiv eingetreten ist.
Beweislast und Feststellbarkeit
Alle Voraussetzungen der Strafbarkeit müssen im Verfahren festgestellt werden. Dies betrifft nicht nur die Tatbestandsmerkmale, sondern auch die zusätzlichen Bedingungen und das Fehlen von Strafausschließungsgründen. Gelingt die Feststellung nicht, kommt es zu keiner Bestrafung.
Bedeutung im System des Strafrechts
Die Bedingungen der Strafbarkeit gewährleisten, dass Strafe nur in den Fällen verhängt wird, die das Recht als strafwürdig einstuft. Sie schützen vor ungerechtfertigter Ahndung, sichern Vorhersehbarkeit und begrenzen staatliche Eingriffe. Ihre systematische Unterscheidung hilft bei der Bewertung komplexer Sachverhalte, insbesondere bei Beteiligung mehrerer Personen, beim Versuch und bei besonderen persönlichen Voraussetzungen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Bedingungen der Strafbarkeit“ in einfachen Worten?
Es handelt sich um alle Voraussetzungen, die zusammen erfüllt sein müssen, damit ein Verhalten mit Strafe belegt werden kann. Dazu gehören die Erfüllung eines Straftatbestands, das Fehlen einer Rechtfertigung, persönliche Vorwerfbarkeit sowie zusätzliche, teils tat- oder personenbezogene Anforderungen.
Wie unterscheiden sich objektive Bedingungen der Strafbarkeit von Tatbestandsmerkmalen?
Tatbestandsmerkmale beschreiben das Unrecht der Handlung selbst, einschließlich des inneren Willens. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind zusätzliche, von Wissen und Wollen unabhängige Umstände, die die Strafbarkeit ergänzend begrenzen. Sie stehen neben Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld.
Ist ein Strafantrag eine Bedingung der Strafbarkeit?
Ein Strafantrag ist typischerweise eine Voraussetzung dafür, dass die Strafverfolgungsbehörden tätig werden dürfen. Er betrifft die Verfolgbarkeit und nicht die materielle Strafbarkeit. Fehlt der Antrag, kann das Verfahren grundsätzlich nicht geführt werden, selbst wenn die übrigen materiellen Voraussetzungen vorliegen.
Welche Rolle spielt das Alter der handelnden Person?
Strafbarkeit setzt ein Mindestalter voraus. Unterhalb dieser Schwelle findet das allgemeine Strafrecht keine Anwendung. Darüber hinaus ist die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und entsprechend zu handeln, für die persönliche Vorwerfbarkeit maßgeblich.
Spielt es eine Rolle, ob die handelnde Person eine objektive Bedingung kennt?
Für objektive Bedingungen der Strafbarkeit kommt es grundsätzlich nicht auf das Wissen der handelnden Person an. Entscheidend ist, ob die Bedingung objektiv vorliegt. Das unterscheidet sie von Tatbestandsmerkmalen, bei denen je nach Delikt Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich sein kann.
Wie verhalten sich Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- und Strafausschließungsgründe zueinander?
Rechtfertigungsgründe lassen die Handlung erlaubt erscheinen und nehmen die Rechtswidrigkeit. Entschuldigungsgründe lassen zwar das Unrecht bestehen, nehmen jedoch die persönliche Vorwerfbarkeit. Strafausschließungsgründe verhindern die Bestrafung trotz festgestellter Rechtswidrigkeit und Schuld aufgrund besonderer Umstände.
Welche Bedeutung haben die Bedingungen der Strafbarkeit beim Versuch?
Der Versuch kann strafbar sein, auch wenn einzelne zusätzliche Bedingungen, die für die Vollendung maßgeblich sind, objektiv nicht vorliegen. Gleichzeitig kann ein Rücktritt vom Versuch dazu führen, dass eine Bestrafung entfällt. Die Bewertung folgt eigenen Regeln, die sich von der Vollendung unterscheiden.
Was passiert, wenn eine Bedingung später entfällt oder erst nachträglich eintritt?
Ob eine Bedingung erfüllt ist, wird im Ergebnis anhand der maßgeblichen Umstände beurteilt. Fehlt eine notwendige Bedingung, kommt es zu keiner Bestrafung wegen einer vollendeten Tat. In Betracht kommen können jedoch andere rechtliche Bewertungen, etwa zum Versuch oder zu verfahrensrechtlichen Folgen.