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Bedingte Strafaussetzung

Begriff und Zweck der bedingten Strafaussetzung

Die bedingte Strafaussetzung, häufig als „Bewährung“ bezeichnet, ist eine gerichtliche Entscheidung, nach der eine verhängte Freiheitsstrafe unter bestimmten Bedingungen nicht sofort vollstreckt wird. Die Strafe bleibt bestehen, ihre Vollstreckung wird jedoch für eine festgelegte Zeit ausgesetzt. Gelingt die Bewährungszeit ohne gravierende Verstöße, wird die Strafe nicht vollstreckt. Die Verurteilung als solche bleibt bestehen.

Ziel der bedingten Strafaussetzung ist es, erneute Straftaten zu verhindern und die verantwortliche Person in ein straffreies Leben zu führen. Sie verbindet die Anerkennung von Schuld und Strafe mit der Chance, sich im Alltag unter geregelten Bedingungen zu bewähren.

  • Resozialisierung: Unterstützung einer straffreien Lebensführung im sozialen Umfeld.
  • Spezialprävention: Vermeidung erneuter Straftaten durch Auflagen, Weisungen und Kontrolle.
  • Verhältnismäßigkeit: Vollstreckung der Strafe wird nur dann vermieden, wenn dies verantwortbar ist.

Anwendungsbereich

Freiheitsstrafe

Die bedingte Strafaussetzung bezieht sich in der Regel auf Freiheitsstrafen geringeren Umfangs. Typischerweise kommt sie bei kürzeren Strafen in Betracht. Maßgeblich ist, ob die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung verantwortet werden kann.

Jugendstrafrecht

Auch im Jugendstrafrecht existiert die Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung. Sie ist auf Erziehung und Unterstützung ausgerichtet und knüpft an Vorschriften an, die speziell auf junge Menschen zugeschnitten sind.

Geldstrafe und andere Sanktionen

Geldstrafen werden grundsätzlich nicht zur Bewährung ausgesetzt, da sie nicht in Haft umzuwandeln sind, solange die Geldstrafe bezahlt wird. Andere Maßnahmen (zum Beispiel Maßregeln der Besserung und Sicherung) folgen eigenen Regeln und werden nicht als bedingte Strafaussetzung im engeren Sinne verstanden.

Voraussetzungen der bedingten Strafaussetzung

Positive Sozialprognose

Entscheidend ist, ob künftig mit straffreiem Verhalten gerechnet werden kann. Berücksichtigt werden Persönlichkeit, Lebensumstände, Vorleben, Verhalten nach der Tat, Einsicht, Schadenswiedergutmachung und Unterstützungsstrukturen im sozialen Umfeld.

Bewertung von Tat und Schuld

Die Schwere der Tat und der Grad der Schuld werden in die Abwägung einbezogen. Je schwerer Tat und Schuld wiegen, desto höhere Anforderungen werden an die Prognose gestellt.

Weitere Gesichtspunkte

  • Vortaten und Vorbewährungen
  • Berufliche und familiäre Einbindung
  • Bereits begonnene Hilfs- oder Therapien
  • Wiedergutmachungsbemühungen

Entscheidungsverfahren

Zeitpunkt der Entscheidung

Die Entscheidung über die bedingte Strafaussetzung wird regelmäßig im Urteil getroffen. Daneben gibt es die Möglichkeit einer späteren bedingten Aussetzung des noch nicht verbüßten Strafrestes während des Vollzugs (siehe unten „Strafrestaussetzung“).

Begründung und Rechtsmittel

Die Entscheidung wird begründet. Gegen ablehnende oder widerrufende Entscheidungen können rechtliche Schritte vorgesehen sein. Welche Rechtsbehelfe in Betracht kommen, hängt vom Stadium des Verfahrens ab.

Inhalt der Bewährung

Bewährungszeit

Die Bewährungszeit wird im Urteil festgelegt. Bei Erwachsenen liegt sie in der Regel zwischen zwei und fünf Jahren. Sie kann unter bestimmten Umständen verlängert oder verkürzt werden.

Auflagen

Auflagen dienen vor allem dem Ausgleich von Tatfolgen oder dem Beitrag zur Gemeinschaft. Häufige Auflagen sind Wiedergutmachung gegenüber Geschädigten, Zahlungen an gemeinnützige Einrichtungen oder die Staatskasse sowie die Erfüllung bestimmter Leistungen.

Weisungen

Weisungen steuern das Verhalten während der Bewährungszeit. Dazu können gehören: Teilnahme an Beratungen oder Behandlungen, Abstinenz von Alkohol oder Drogen, Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort, Kontaktverbote, Meldeauflagen und die regelmäßige Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe.

Bewährungshilfe

Die Bewährungshilfe unterstützt und überwacht die Einhaltung von Auflagen und Weisungen. Sie ist Ansprechpartner für das Gericht und die verurteilte Person. Eine fördernde Zusammenarbeit kann Teil der positiven Prognose sein.

Verhalten während der Bewährungszeit und Folgen von Verstößen

Widerruf

Kommt es zu einer erneuten Straftat oder zu erheblichen sowie nachhaltigen Verstößen gegen Auflagen oder Weisungen, kann die Aussetzung widerrufen werden. Dann wird die ursprünglich ausgesetzte Freiheitsstrafe vollstreckt.

Verwarnung, Anpassung und Verlängerung

Statt eines Widerrufs kann das Gericht auch mildere Maßnahmen ergreifen: Verwarnung, Ergänzung oder Verschärfung von Auflagen und Weisungen sowie Verlängerung der Bewährungszeit. Welche Reaktion angemessen ist, richtet sich nach Schwere und Umständen des Verstoßes.

Erfolgreicher Abschluss

Verläuft die Bewährungszeit ohne gravierende Verstöße, wird die Aussetzung abschließend aufrechterhalten. Die ausgesetzte Freiheitsstrafe wird dann nicht vollstreckt. Die Verurteilung bleibt als solche bestehen.

Strafrestaussetzung (bedingte Entlassung)

Die Strafrestaussetzung betrifft die bedingte Entlassung aus einer bereits begonnenen Freiheitsstrafe: Nach Verbüßung eines Teils der Strafe kann der noch offene Rest zur Bewährung ausgesetzt werden. Hier gelten besondere Voraussetzungen, die unter anderem die Entwicklung im Vollzug, das Verhalten und die Perspektiven nach der Entlassung betreffen.

Voraussetzungen und Bewertung

Eine günstige Prognose für die Zukunft ist zentral. Berücksichtigt werden insbesondere das Vollzugsverhalten, absolvierte Maßnahmen, Unterstützung im sozialen Umfeld, berufliche Perspektiven und die Sicherung des Lebensunterhalts. Bei sehr langen oder besonders schweren Strafen sind die Anforderungen regelmäßig erhöht.

Inhalt der Restbewährung

Auch bei der Strafrestaussetzung wird eine Bewährungszeit festgelegt, verbunden mit Auflagen, Weisungen und Bewährungshilfe. Ein Verstoß kann zum Widerruf führen und die erneute Vollstreckung des Strafrestes nach sich ziehen.

Registereinträge und Nebenfolgen

Die Verurteilung wird in der Regel in einschlägige Register eingetragen. Ob und wie lange die Eintragung in einem Führungszeugnis erscheint, hängt von Art und Höhe der Strafe sowie von etwaigen weiteren Eintragungen ab. Die bedingte Strafaussetzung ändert nichts daran, dass eine Verurteilung vorliegt; sie betrifft die Vollstreckung der Strafe.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Abgrenzung zur Verfahrenseinstellung

Die bedingte Strafaussetzung setzt eine Verurteilung voraus. Sie unterscheidet sich damit von einer Verfahrenseinstellung, bei der keine Verurteilung erfolgt.

Keine automatische Anwendung

Es besteht kein Automatismus. Ob eine bedingte Strafaussetzung in Betracht kommt, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere von Tat, Schuld, Persönlichkeit, Lebensumständen und Prognose.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „zur Bewährung ausgesetzt“ konkret?

Die verhängte Freiheitsstrafe wird nicht sofort vollstreckt. Die betroffene Person bleibt auf freiem Fuß, muss aber während einer festgelegten Bewährungszeit Auflagen und Weisungen befolgen. Bei erfolgreichem Verlauf wird die Strafe nicht vollstreckt; die Verurteilung bleibt bestehen.

Für welche Strafen kommt die bedingte Strafaussetzung typischerweise in Betracht?

Sie betrifft in der Regel Freiheitsstrafen geringeren Umfangs. Maßgeblich ist, ob eine günstige Prognose besteht und die Vollstreckung zur Bewährung verantwortet werden kann. Geldstrafen werden üblicherweise nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Wie lange dauert die Bewährungszeit?

Bei Erwachsenen liegt die Bewährungszeit meist zwischen zwei und fünf Jahren. Sie kann verlängert, verkürzt oder nachträglich angepasst werden, wenn sich dies als erforderlich erweist.

Welche Auflagen und Weisungen sind möglich?

Häufig sind Wiedergutmachungsleistungen, Geldauflagen zugunsten gemeinnütziger Zwecke, Teilnahme an Beratungs- oder Therapieangeboten, Kontakt- oder Aufenthaltsregelungen, Abstinenzvorgaben, Meldepflichten und regelmäßige Kontakte zur Bewährungshilfe.

Was passiert bei einem Verstoß gegen Auflagen oder Weisungen?

Je nach Schwere und Umständen kommen Verwarnung, Anpassung der Weisungen, Verlängerung der Bewährungszeit oder der Widerruf der Aussetzung in Betracht. Bei erneuter Straftat steigt das Risiko eines Widerrufs deutlich.

Wird eine erfolgreiche Bewährung im Register gelöscht oder im Führungszeugnis nicht erwähnt?

Die Verurteilung bleibt bestehen und wird grundsätzlich in Register eingetragen. Ob und wie lange sie in einem Führungszeugnis erscheint, richtet sich nach allgemeinen Regeln, insbesondere Art und Höhe der Strafe sowie etwaigen Voreinträgen.

Worin besteht der Unterschied zwischen bedingter Strafaussetzung und Strafrestaussetzung?

Die bedingte Strafaussetzung erfolgt regelmäßig mit dem Urteil und verhindert zunächst die Vollstreckung der Strafe. Die Strafrestaussetzung betrifft die bedingte Entlassung aus einer bereits angetretenen Freiheitsstrafe nach Verbüßung eines Teils.

Besteht ein Anspruch auf Bewährung?

Ein Anspruch besteht nicht. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts und setzt insbesondere eine günstige Prognose sowie die Verantwortbarkeit der Aussetzung voraus.