Bedingte Entlassung: Begriff, Zweck und Einordnung
Die bedingte Entlassung bezeichnet die vorzeitige Entlassung aus einer Freiheitsstrafe unter Auflagen und während einer Bewährungszeit. Die verbleibende Reststrafe wird nicht erlassen, sondern für die Dauer der Bewährungszeit ausgesetzt. Ziel ist die Wiedereingliederung in die Gesellschaft bei gleichzeitiger Wahrung der öffentlichen Sicherheit. Die Entlassung erfolgt nur, wenn eine hinreichend günstige Prognose besteht, dass keine weiteren Straftaten begangen werden und Auflagen eingehalten werden.
Voraussetzungen der bedingten Entlassung
Persönliche und materielle Voraussetzungen
Für eine bedingte Entlassung wird regelmäßig eine Gesamtwürdigung der verurteilten Person vorgenommen. Diese umfasst unter anderem das Verhalten im Vollzug, die Auseinandersetzung mit der Tat, die Teilnahme an Maßnahmen zur Stabilisierung (etwa Arbeit, Ausbildung oder Therapie), das soziale Umfeld sowie die Unterstützungs- und Betreuungsmöglichkeiten nach der Entlassung. Wesentlich ist eine tragfähige positive Prognose zur Legalbewährung.
Zeitliche Voraussetzungen
Eine bedingte Entlassung kommt erst nach Verbüßung eines gesetzlich bestimmten Teils der Strafe in Betracht. Bei lebenslangen Freiheitsstrafen ist eine Mindestverbüßungszeit vorgesehen, bevor eine Prüfung erfolgen kann. Die konkreten Fristen richten sich nach Art und Höhe der Strafe sowie weiteren gesetzlichen Vorgaben.
Verfahren und Entscheidungsträger
Prüfung und Entscheidungsgrundlage
Die Prüfung erfolgt auf Grundlage von Vollzugsberichten, Prognosegutachten, Angaben der Bewährungshilfe, Stellungnahmen der Vollzugsanstalt und weiterer Unterlagen. Maßgeblich ist, ob die Erwartung besteht, dass die verurteilte Person die Auflagen einhält und keine neuen Straftaten begeht. Die Entscheidung ergeht durch das zuständige Gericht oder eine hierfür zuständige Instanz.
Anhörung und Beteiligung
Vor der Entscheidung erfolgt in der Regel eine Anhörung der verurteilten Person. Je nach Konstellation werden die Vollzugsanstalt, die Bewährungshilfe und weitere Stellen beteiligt. Opferinteressen können einbezogen werden, insbesondere wenn Schutzauflagen oder Kontaktverbote in Betracht kommen.
Entscheidung und Begründung
Die Entscheidung wird schriftlich begründet. Bei Ablehnung kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut geprüft werden. Gegen Entscheidungen stehen je nach Verfahrensordnung Rechtsbehelfe zur Verfügung.
Auflagen, Weisungen und Bewährungszeit
Inhalt und Zweck von Auflagen
Auflagen und Weisungen dienen der Stabilisierung der Lebensverhältnisse, der Risikosteuerung und dem Schutz möglicher Betroffener. Sie sind der individuellen Situation angepasst und stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Prognoseentscheidung.
Typische Auflagen und Weisungen
- Meldepflichten bei der Bewährungshilfe oder anderen Stellen
- Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort und Erreichbarkeit
- Kontakt- und Aufenthaltsverbote, etwa gegenüber bestimmten Personen oder Orten
- Teilnahme an Beratungs-, Therapie- oder Trainingsmaßnahmen
- Auflagen zur Arbeitssuche, Ausbildung oder Beschäftigung
- Abstinenz- und Kontrollvereinbarungen bei Suchtproblematiken
- Leistungen zugunsten Geschädigter, soweit rechtlich vorgesehen
Dauer der Bewährungszeit und Kontrolle
Die Bewährungszeit orientiert sich regelmäßig an der Reststrafdauer und ist gesetzlich begrenzt. Die Bewährungshilfe begleitet, unterstützt und überwacht die Einhaltung der Auflagen. Änderungen, Erleichterungen oder Verschärfungen der Auflagen können abhängig vom Verlauf angeordnet werden.
Verstöße und Widerruf
Arten von Verstößen
Verstöße können in der Missachtung von Auflagen, im Abbruch notwendiger Maßnahmen oder im Begehen neuer Straftaten bestehen. Je nach Schwere und Wiederholungsgefahr sind abgestufte Reaktionen möglich.
Reaktionen auf Verstöße
Bei geringfügigen Verstößen kommen Ermahnungen, Auflagenanpassungen oder engmaschigere Kontrollen in Betracht. Bei erheblichen oder wiederholten Verstößen kann der Widerruf der bedingten Entlassung angeordnet werden.
Widerruf und Teilwiderruf
Beim Widerruf wird die Aussetzung der Reststrafe aufgehoben und der Strafvollzug wieder aufgenommen. Möglich sind auch Teilwiderrufe oder Verlängerungen der Bewährungszeit, wenn dies zur Steuerung des Risikos ausreicht und verhältnismäßig ist.
Besondere Konstellationen
Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht sind Erziehungsgedanke und individuelle Förderung besonders gewichtet. Die Prüfung der bedingten Entlassung berücksichtigt Reifegrad, Entwicklungsschritte und spezifische Unterstützungsangebote.
Lebenslange Freiheitsstrafe
Bei lebenslangen Strafen ist die bedingte Entlassung an besondere zeitliche und materielle Voraussetzungen geknüpft. Sie setzt eine besonders sorgfältige Risikoprognose voraus und ist mit engmaschiger Aufsicht verbunden.
Ersatzfreiheitsstrafe und kurze Freiheitsstrafen
Auch bei kürzeren Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen kann eine Aussetzung des Strafrestes unter Bedingungen in Betracht kommen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und eine positive Prognose besteht.
Bedeutung für Opfer und Öffentlichkeit
Berücksichtigung von Schutzinteressen
Schutzinteressen potenziell Betroffener fließen in die Entscheidung ein. Kontakt- und Näherungsverbote sowie weitere Schutzauflagen können angeordnet werden, um Risiken zu minimieren.
Informations- und Beteiligungsaspekte
In bestimmten Fällen bestehen Informationsmöglichkeiten für Betroffene und beteiligte Stellen. Die konkrete Ausgestaltung richtet sich nach den einschlägigen Verfahrensregeln und Datenschutzvorgaben.
Internationale und migrationsrechtliche Bezüge
Auswirkungen auf aufenthaltsrechtliche Fragen
Bei ausländischen Staatsangehörigen können aufenthaltsrechtliche Aspekte bedeutsam sein. Diese können die Entscheidungslage beeinflussen oder Folgeentscheidungen nach sich ziehen, etwa hinsichtlich des Aufenthaltsstatus.
Abgrenzung zu verwandten Instrumenten
Unterschiede zu Vollzugslockerungen und Hafturlaub
Vollzugslockerungen und Hafturlaub finden während des laufenden Vollzugs statt und dienen der Erprobung. Die bedingte Entlassung setzt demgegenüber den Vollzug der Reststrafe aus und verlagert die Kontrolle in die Bewährungssituation.
Absetzung und Aufschub der Vollstreckung
Von der bedingten Entlassung abzugrenzen sind Konstellationen, in denen die Vollstreckung nicht beginnt, ausgesetzt oder aufgeschoben wird, etwa aus gesundheitlichen oder familiären Gründen. Hier steht nicht die Prognose im Vordergrund, sondern ein zeitweiliges Vollstreckungshindernis.
Dokumentation und Nachsteuerung
Begründungspflichten und Transparenz
Entscheidungen zur bedingten Entlassung werden schriftlich dokumentiert. Die Begründung ermöglicht Nachvollziehbarkeit für die Beteiligten und bildet die Grundlage für spätere Überprüfungen.
Dynamik der Auflagen
Auflagen können im Verlauf angepasst werden, wenn sich die Lebensumstände ändern oder sich die Prognose verbessert beziehungsweise verschlechtert. Dabei gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
Häufig gestellte Fragen zur bedingten Entlassung
Wann kommt eine bedingte Entlassung in Betracht?
Sie kommt in Betracht, wenn ein gesetzlich bestimmter Teil der Strafe verbüßt ist und eine positive Legalprognose besteht. Entscheidend sind Verhalten im Vollzug, Stabilität der Lebensverhältnisse und die Erwartung, dass Auflagen eingehalten werden.
Wer entscheidet über die bedingte Entlassung?
Je nach Zuständigkeit entscheidet ein Gericht oder eine hierfür vorgesehene Instanz. Grundlage sind Aktenlage, Stellungnahmen der Vollzugsanstalt, gegebenenfalls Prognosegutachten und die Anhörung der verurteilten Person.
Welche Auflagen sind typisch?
Typisch sind Meldepflichten, Wohnsitzauflagen, Kontakt- und Aufenthaltsverbote, Teilnahme an Therapie- oder Trainingsmaßnahmen, Anforderungen an Arbeit oder Ausbildung sowie Auflagen im Zusammenhang mit Suchtproblematiken.
Wie lange dauert die Bewährungszeit?
Die Bewährungszeit orientiert sich regelmäßig an der Reststrafdauer und ist gesetzlich begrenzt. Innerhalb dieser Zeit wird die Einhaltung der Auflagen überwacht und der Verlauf dokumentiert.
Was passiert bei Verstößen gegen Auflagen?
Je nach Schwere sind abgestufte Maßnahmen möglich: von Ermahnungen und Anpassungen der Auflagen bis hin zum Widerruf der bedingten Entlassung und der Fortsetzung des Strafvollzugs.
Gibt es ein Recht auf bedingte Entlassung?
Ein Anspruch in dem Sinne, dass die Entlassung zwingend zu gewähren wäre, besteht nicht. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung auf gesetzlicher Grundlage, die an Voraussetzungen und eine Prognose geknüpft ist.
Unterscheidet sich die bedingte Entlassung im Jugendstrafrecht?
Ja. Im Jugendstrafrecht stehen Entwicklung und Erziehung stärker im Vordergrund. Die Entscheidung berücksichtigt insbesondere Reife, Lernfortschritte und individuelle Unterstützungsangebote.
Wie werden die Interessen von Opfern berücksichtigt?
Schutzinteressen werden in die Entscheidung einbezogen. Es können Kontaktverbote und weitere Schutzauflagen angeordnet werden. In bestimmten Konstellationen bestehen Informationsmöglichkeiten, die sich nach den Verfahrensregeln richten.