Begriff und Grundlagen der Baustellenverordnung
Die Baustellenverordnung (abgekürzt: BaubV, offiziell: Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen) ist eine bundesweit geltende Rechtsverordnung im deutschen Arbeitsschutzrecht. Sie regelt die Mindestanforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen und wurde zur Umsetzung europäischer Richtlinien erlassen. Ziel der Verordnung ist es, Gefährdungen und Unfallrisiken für Beschäftigte auf Baustellen zu minimieren sowie die Koordination aller am Bau Beteiligten sicherzustellen.
Rechtliche Einordnung und gesetzliche Grundlagen
Die Baustellenverordnung ist eine auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) erlassene eigenständige Rechtsverordnung. Die Verordnung basiert insbesondere auf § 18 Abs. 1 ArbSchG, der den Erlass von Verordnungen zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Bundesministerien ermöglicht.
Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 92/57/EWG (EG-Baustellenrichtlinie), die Mindestvorschriften für Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen innerhalb der Europäischen Union festlegt.
Geltungsbereich
Die Baustellenverordnung gilt für sämtliche Baustellen, unabhängig von ihrer Größe oder Dauer der Bauarbeiten. Als Baustellen im Sinne der Verordnung gelten temporäre oder mobile Arbeitsplätze, an denen Bauarbeiten nach Anhang I der Baustellenverordnung durchgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise:
- Neubau, Instandhaltung, Umbau und Abriss von Bauwerken
- Einbau, Instandsetzung oder Abbruch von technischen Anlagen
Der Geltungsbereich erfasst sowohl gewerbliche als auch öffentliche sowie teilweise private Bauvorhaben, sofern Beschäftigte im Sinne des Arbeitsschutzes tätig werden.
Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten
Bauherrenpflichten
Der Bauherr trägt gemäß § 2 Abs. 1 Baustellenverordnung die grundlegende Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften auf der Baustelle. Zu seinen Pflichten gehören vor allem:
- Bestellung eines geeigneten Koordinators für Sicherheit und Gesundheitsschutz (sog. SiGeKo), sofern mehrere Arbeitgeber gleichzeitig oder nacheinander auf der Baustelle tätig sind (§ 3 BaustellV)
- Organisation und Umsetzung von Maßnahmen zur Gefährdungsminimierung
- Sicherstellung der Zusammenarbeit aller Auftragnehmer in Bezug auf Sicherheits- und Gesundheitsschutz
Der Bauherr kann seine Pflichten auf einen externen Dritten übertragen, bleibt aber weiterhin für die ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich.
Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz (SiGeKo)
Laut Verordnung ist bei Baustellen mit mehreren Arbeitgebern zwingend ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator einzusetzen. Zu seinen Aufgaben zählen insbesondere:
- Ausarbeitung und Aktualisierung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans (SiGe-Plan)
- Durchführung von Unterweisungen und Sicherheitsbegehungen
- Koordination der Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmen bezüglich Arbeitsschutzmaßnahmen
- Überwachung der Einhaltung spezifischer Schutzmaßnahmen insbesondere bei gefährlichen Tätigkeiten
Zentrale Instrumente der Baustellenverordnung
Vorankündigung
Bei bestimmten Bauprojekten ist laut § 2 Abs. 2 Baustellenverordnung vor Beginn der Arbeiten eine Vorankündigung an die zuständige Behörde zu senden. Dies ist erforderlich, wenn:
- die voraussichtliche Dauer der Bauarbeiten mehr als 30 Arbeitstage mit mehr als 20 Beschäftigten gleichzeitig überschreitet,
- oder der geplante Umfang der Arbeiten insgesamt mehr als 500 Personentage beträgt.
Die Vorankündigung muss vor Baubeginn erfolgen und während der gesamten Bauzeit auf der Baustelle aktuell gehalten werden.
Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan)
Der SiGe-Plan ist nach § 3 Abs. 2 Baustellenverordnung zu erstellen, wenn auf der Baustelle mehrere Arbeitgeber tätig werden oder Tätigkeiten mit besonderen Gefährdungen ausgeführt werden. Der SiGe-Plan enthält insbesondere:
- Angaben zu den Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten
- Vorgaben für die Zusammenarbeit und Koordination
- Maßnahmen gegen Gefährdungen durch Dritte oder die Allgemeinheit
Unterlage für spätere Arbeiten
Zusätzlich ist eine Unterlage für spätere Arbeiten am Bauwerk zu erstellen, die sicherheitsrelevante Informationen für Wartungs-, Instandsetzungs- und Umbauarbeiten enthält. Dies dient einer nachhaltigen Berücksichtigung des Arbeitsschutzes.
Pflichten der Arbeitgeber und sonstigen Verantwortlichen
Arbeitgeber, die Beschäftigte auf Baustellen einsetzen, sind verpflichtet, die Vorgaben der Baustellenverordnung umzusetzen. Hierzu zählen insbesondere:
- Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG
- Umsetzung der baustellenspezifischen Maßnahmen des SiGe-Plans
- regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten über spezifische Gefahren und Schutzmaßnahmen
Auch Selbständige, die auf Baustellen tätig sind, haben Arbeitsschutzbestimmungen zu beachten, sofern sie mit anderen Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander arbeiten.
Besondere Regelungen und Sanktionen
Zusammenarbeit und Unterrichtung
Die Verordnung legt besonderen Wert auf die Zusammenarbeit sämtlicher Arbeitgeber sowie auf die Information und Unterrichtung der Beschäftigten. Es müssen kooperative Maßnahmen getroffen werden, um gegenseitige Gefährdungen zu vermeiden.
Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder
Verstöße gegen die Bestimmungen der Baustellenverordnung können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden und in Bußgeldern resultieren. Maßgeblich sind hier insbesondere Nichtanzeige von Bauvorhaben, Verzicht auf einen erforderlichen SiGe-Plan oder Unterlassung der Koordination.
Verhältnis zu weiteren Rechtsvorschriften
Die Baustellenverordnung ist im Zusammenspiel mit weiteren Regelwerken des Arbeitsschutzes zu beachten, darunter insbesondere:
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
- Unfallverhütungsvorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
Die Verordnung stellt Mindestanforderungen dar; weitergehende Vorschriften können im Einzelfall zu berücksichtigen sein.
Literatur und Weblinks
- Text der Baustellenverordnung auf gesetze-im-internet.de
- Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Arbeitsschutz auf Baustellen
- DGUV: Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen
Hinweis: Die Informationen in diesem Beitrag dienen der allgemeinen Erläuterung und ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Häufig gestellte Fragen
Wer trägt die rechtlichen Pflichten gemäß Baustellenverordnung?
Die rechtlichen Pflichten gemäß der Baustellenverordnung (BaustellV) liegen hauptsächlich beim Bauherrn und den von ihm beauftragten Dritten, wie z. B. Projektsteuerern oder SiGe-Koordinatoren. Der Bauherr ist verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten auf einer Baustelle zu treffen (§ 3 BaustellV). Konkret bedeutet dies, dass der Bauherr dafür Sorge zu tragen hat, dass vor Beginn der Bauarbeiten eine Vorankündigung an die zuständige Behörde erfolgt, ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) erstellt wird – sofern dies für die Baustelle gesetzlich vorgeschrieben ist – und ein geeigneter Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz ernannt wird. Die Pflichten können an Dritte übertragen werden, dies enthebt den Bauherrn allerdings nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortung, da er auch dann weiterhin Kontrollpflichten und Überwachungspflichten hat. Gerichte und Aufsichtsbehörden legen dabei einen strengen Maßstab an die Einhaltung dieser Pflichten; bei Verstößen drohen sowohl Bußgelder nach dem Arbeitsschutzgesetz als auch zivilrechtliche Haftungen, etwa bei Arbeitsunfällen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Missachtung der Baustellenverordnung?
Die Nichtbeachtung der Vorschriften der Baustellenverordnung kann eine Vielzahl rechtlicher Konsequenzen nach sich ziehen. Zum einen drohen ordnungsrechtliche Maßnahmen, wie Bußgelder nach § 25 ArbSchG, falls insbesondere Anzeige-, Mitteilungs- oder Dokumentationspflichten verletzt werden. Zum anderen können sich strafrechtliche Sanktionen ergeben, wenn die Missachtung der Vorschriften zu einer Gefährdung von Leib und Leben führt, etwa bei einem Arbeitsunfall mit Personenschaden. Außerdem kann ein Verstoß gegen die BaustellV zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen, insbesondere bei Schadensersatzansprüchen von Geschädigten. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die zuständige Behörde die Baustelle sogar ganz oder teilweise stilllegen und weitere Anordnungen zur Gefahrenabwehr treffen. Dies unterstreicht die hohe rechtliche Verantwortung, die dem Bauherrn und den weiteren Pflichtenträgern zukommt.
Welche Rolle spielt der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) im Rahmen der rechtlichen Vorgaben?
Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) ist ein zentrales Element der Baustellenverordnung und wird gemäß § 3 Abs. 2 und 3 BaustellV bei Baustellen mit besonders gefährlichen Arbeiten oder bei Baustellen mit mehreren Arbeitgebern erforderlich. Der SiGe-Plan ist rechtlich bindend und muss alle auf der Baustelle vorhandenen Gefährdungen, die sich durch das Zusammentreffen mehrerer Arbeitgeber oder durch gefährliche Arbeiten ergeben können, detailliert erfassen und Maßnahmen zu deren Vermeidung vorschreiben. Die rechtliche Verantwortung für die Erstellung, Fortschreibung und Umsetzung dieses Plans liegt beim Bauherrn beziehungsweise dem von ihm bestellten Koordinator. Der SiGe-Plan dient zudem als Beweismittel dafür, dass der Bauherr seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist. Fehlt ein SiGe-Plan, obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist, stellt dies einen gravierenden Rechtsverstoß dar, der erhebliche haftungs- und bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Wie ist die Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators rechtlich geregelt?
Die Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators (SiGeKo) ist bei Baustellen, auf denen Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, gemäß § 3 Abs. 1 BaustellV zwingend vorgeschrieben. Der Bauherr hat dabei die rechtliche Pflicht, einen geeigneten Koordinator zu bestimmen, dessen Qualifikation und Fachkenntnis nachgewiesen sein müssen. Der Koordinator übernimmt eine Vielzahl koordinierender und überwachender Tätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften. Im Falle der Nichtbestellung eines Koordinators kann der Bauherr mit Bußgeldern belegt werden und setzt sich zudem etwaigen zivilrechtlichen Haftungsrisiken aus, insbesondere wenn die fehlende Koordination ursächlich für Unfälle oder Schäden auf der Baustelle ist. Wichtig ist hierbei, dass die Erfüllung der Koordinatorenpflichten dokumentiert wird, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nachweisen zu können.
Wie werden die Pflichten aus der Baustellenverordnung überwacht und durchgesetzt?
Die Überwachung und Durchsetzung der Pflichten aus der Baustellenverordnung obliegt den staatlichen Arbeitsschutzbehörden (wie Gewerbeaufsichtsämtern und Ämtern für Arbeitsschutz) sowie den Berufsgenossenschaften. Diese Institutionen sind befugt, Baustellen zu betreten, Kontrollen durchzuführen, die Einhaltung der Vorschriften zu überprüfen und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anzuordnen. Bei festgestellten Mängeln können sie Bußgelder verhängen, die Einstellung bestimmter Arbeiten anordnen oder im Extremfall die gesamte Baustelle stilllegen. Die Einhaltung der Baustellenverordnung wird zudem oftmals im Rahmen von Ermittlungen nach Arbeitsunfällen geprüft. Arbeitgeber und Bauherren sind darüber hinaus verpflichtet, die behördlichen Anordnungen unverzüglich umzusetzen; Verstöße gegen behördliche Anordnungen können strafrechtlich verfolgt werden.
Welche Fristen und Meldepflichten sind nach der Baustellenverordnung zu beachten?
Die Baustellenverordnung sieht spezielle Fristen und Meldepflichten vor. Besonders wichtig ist hier die sogenannte Vorankündigung gemäß § 2 BaustellV, die spätestens zwei Wochen vor Einrichtung der Baustelle schriftlich an die zuständige Regierungsbehörde zu schicken ist, sofern bestimmte Größen- und Beschäftigungsgrenzen erreicht werden (z. B. mehr als 20 Beschäftigte oder eine voraussichtliche Baustellendauer von mehr als 30 Arbeitstagen). Auch müssen Änderungen und Anpassungen im Bauablauf, die den Arbeitsschutz betreffen, unverzüglich nachgemeldet werden. Sofern ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erforderlich ist, muss dieser ebenfalls vor Beginn der Arbeiten verfügbar und auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Das Versäumen dieser Fristen und die unterlassene Meldung werden als Ordnungswidrigkeit gewertet und können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.