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Baugewerbe


Begriff und rechtliche Einordnung des Baugewerbes

Das Baugewerbe bezeichnet in Deutschland den gesamten Wirtschaftssektor, der sich mit der Errichtung, Änderung, Instandhaltung, Modernisierung, Sanierung und dem Rückbau von baulichen Anlagen befasst. Es ist einer der zentralen Bereiche des deutschen Wirtschaftsrechts und umfasst zahlreiche Aktivitäten von der Planung über die Ausführung bis hin zur Fertigstellung von Bauwerken. Die rechtliche Behandlung des Baugewerbes ist stark durch eine Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und technischen Regelwerken geprägt.

Abgrenzung und Definition

Begriffliche Basis

Rechtlich wird das Baugewerbe regelmäßig unterteilt in das Bauhauptgewerbe und das Ausbaugewerbe. Das Bauhauptgewerbe beinhaltet insbesondere Tätigkeiten im Hoch- und Tiefbau, während das Ausbaugewerbe sich auf ergänzende Arbeiten wie Elektroinstallation, Maler-, Schreiner-, oder Fliesenlegerarbeiten erstreckt. Die exakte Definition stützt sich unter anderem auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) sowie auf gesetzliche Festlegungen im Handels-, Steuer- und Arbeitsrecht.

Wesentliche Merkmale

Kernmerkmal des Baugewerbes ist die Schaffung oder Veränderung von unbeweglichen Sachen, insbesondere an Grundstücken, Gebäuden, Bauwerken oder baulichen Anlagen. Tätigkeiten rein dienstleistender Art ohne Bezug zu baulichen Anlagen sind hiervon abzugrenzen.

Gesetzliche Regelungen

Gewerbeordnung (GewO) und Handwerksrecht

Das Baugewerbe unterliegt den Bestimmungen der Gewerbeordnung (GewO) sowie dem Handwerksrecht, insbesondere der Handwerksordnung (HwO). Gemäß § 1 HwO sind zahlreiche Bauleistungen als zulassungspflichtige Handwerke eingestuft. Somit ist in vielen Tätigkeitsfeldern ein Eintrag in die Handwerksrolle zwingend erforderlich. Die Eintragung setzt entsprechende Qualifikationen und Nachweise voraus.

Bauvertragsrecht und Werkvertragsrecht

Das deutsche Bauvertragsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt (§§ 631 ff. BGB). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts (2018) wurden spezifische Regelungen für Bauverträge (§§ 650a ff. BGB), Verbraucherbauverträge sowie Architekten- und Ingenieurverträge eingeführt. Diese Normen regeln unter anderem Vertragspflichten, Abschlagszahlungen, Sicherheitsleistungen, Abnahme und Gewährleistung bei Baumängeln.

Besonderheiten im Bauvertragsrecht

Das Bauvertragsrecht enthält spezielle Vorschriften über die Anpassung des Vertrags bei nachträglichen Änderungen, Regelungen zur Kündigung aus wichtigem Grund, als auch umfangreiche Schutzbestimmungen für Verbraucher. Zudem ist das Baugewerbe regelmäßig von Sicherungsinstrumenten wie der Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 650e BGB) und dem Nachunternehmerpfandrecht betroffen.

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B)

Im Baugewerbe hat die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) eine zentrale Bedeutung, insbesondere bei öffentlichen Bauvorhaben. Die VOB/B enthält spezielle Regelungen für Bauverträge, die teils von den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften abweichen. Sie wird oftmals im Wege der vertraglichen Einbeziehung auch bei privaten Bauvorhaben angewandt.

Arbeitsrechtliche Vorschriften

Tariftreue und Mindestlöhne

Das Baugewerbe unterliegt nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und dem Mindestlohngesetz strengen Regelungen zu Mindestarbeitsbedingungen und Mindestlöhnen. Dazu zählen auch sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen zur SOKA-BAU (Sozialkasse der Bauwirtschaft).

Arbeitszeit und Baustellensicherheit

Arbeitszeiten, Arbeitsschutz sowie Baustellensicherheit sind durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), die Baustellenverordnung (BaustellV) sowie durch die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften geregelt. Besonderes Augenmerk liegt auf der Gefährdungsbeurteilung, dem Gesundheitsschutz sowie der Qualifikation der Beschäftigten.

Umwelt-, Planungs- und Baurecht

Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht

Bauvorhaben bedürfen regelmäßig einer baurechtlichen Genehmigung gemäß den Landesbauordnungen und dem Baugesetzbuch (BauGB). Das Bauplanungsrecht regelt, ob und in welchem Umfang eine Bebauung eines Grundstücks zulässig ist (Bebauungspläne, Flächennutzungspläne). Das Bauordnungsrecht legt die technischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen an die Ausführung von Bauvorhaben fest.

Umweltrechtliche Aspekte

Das Baugewerbe ist von einer Vielzahl umweltrechtlicher Regelungen betroffen, insbesondere im Hinblick auf Immissionsschutz, Bodenschutz, Abfallrecht und Gewässerschutz. Relevante Gesetze sind unter anderem das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sowie das Wasserhaushaltsgesetz (WHG).

Steuerrechtliche Behandlung

Das Baugewerbe unterliegt zahlreichen steuerrechtlichen Vorschriften. Von besonderer Bedeutung sind die Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b UStG), die Bauabzugssteuer gemäß § 48 EStG sowie Besonderheiten bei der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuerbefreiung von bestimmten Umsätzen.

Wettbewerbs- und Kartellrecht

Das Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB) spielt im Baugewerbe eine wichtige Rolle. Vergaberechtliche Vorschriften stellen sicher, dass öffentliche Aufträge transparent, diskriminierungsfrei und wettbewerbsoffen vergeben werden. Kartellrechtliche Vorschriften verhindern Preisabsprachen und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen von Bauunternehmen.

Baugewerbe im internationalen Kontext

Die grenzüberschreitende Tätigkeit von Bauunternehmen unterliegt den Vorschriften der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt. Die Anerkennung von Qualifikationen, Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen und Meldepflichten nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz sind dabei besonders zu beachten.

Zusammenfassung

Das Baugewerbe ist ein rechtlich hochregulierter Wirtschaftsbereich, der von einer Vielzahl gesetzlicher Normen und technischer Regelwerke durchdrungen ist. Die rechtlichen Rahmenbedingungen erfassen gewerberechtliche, arbeitsrechtliche, steuerrechtliche, bau- und umweltrechtliche sowie wettbewerbsrechtliche Aspekte. Aufgrund der Komplexität ist die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeit im Baugewerbe unabdingbar.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt ein Bauvertrag nach deutschem Recht als wirksam abgeschlossen?

Ein Bauvertrag gilt nach deutschem Recht gemäß § 650a BGB als wirksam abgeschlossen, wenn sich die Parteien – typischerweise der Bauherr und das Bauunternehmen – über die wesentlichen Vertragspunkte einig sind. Dazu zählen insbesondere der zu errichtende oder zu verändernde Baugegenstand, die zu erbringenden Leistungen, der Vergütungsanspruch sowie der Fertigstellungstermin. Die Schriftform ist zwar gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, wird jedoch zur Beweissicherung dringend empfohlen. Der Vertrag kann sowohl als Einheitsvertrag als auch als Einheitspreisvertrag ausgestaltet sein. Ergänzend sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), wie etwa die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B), häufig Vertragsbestandteil. Unklare oder offene Punkte im Vertrag können sich nachteilig auf die Wirksamkeit auswirken, etwa wenn der Leistungsumfang nicht ausreichend bestimmt ist. Mündlich geschlossene Bauverträge sind grundsätzlich rechtswirksam, bergen jedoch hohe Risiken für spätere Nachweisschwierigkeiten und Streitigkeiten.

Welche rechtlichen Pflichten treffen den Bauunternehmer während der Bauausführung?

Der Bauunternehmer ist verpflichtet, das Werk gemäß den anerkannten Regeln der Technik sowie den vertraglichen Vereinbarungen und geltenden Bauvorschriften auszuführen (§ 633 BGB). Er muss die Baustelle ordnungsgemäß einrichten und sichern, für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften sorgen und auf mögliche Gefahrenquellen hinweisen. Darüber hinaus ist er zur Fortschrittskontrolle und Koordination der einzelnen Gewerke verpflichtet und muss auf Abweichungen von der Planung oder etwaige Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit der Bauleistungen oder Mängel der Baustoffe unverzüglich hinweisen (§ 4 Abs. 3 VOB/B). Versäumt der Bauunternehmer diese Anzeigepflichten oder begeht er Planungs-, Ausführungs- oder Überwachungsfehler, haftet er für die daraus resultierenden Schäden und kann zur Nachbesserung oder Schadensersatz verpflichtet werden.

Welche Rechte stehen dem Bauherrn im Falle von Baumängeln zu?

Stellt der Bauherr nach Abnahme des Bauwerks Mängel fest, stehen ihm nach §§ 634 ff. BGB verschiedene Rechte zu: In erster Linie hat er einen Anspruch auf Nacherfüllung, das heißt auf Mängelbeseitigung oder – falls dies fehlschlägt oder unzumutbar ist – auf Ersatzlieferung oder Neuherstellung. Erst wenn zwei erfolglose Nacherfüllungsversuche gescheitert sind oder der Bauunternehmer die Mängelbeseitigung verweigert, ist der Bauherr berechtigt, Minderung zu verlangen oder – bei erheblichen Mängeln – vom Vertrag zurückzutreten. Daneben besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mangelfolgeschäden. Etwaige Mängel müssen vom Bauherrn rechtzeitig angezeigt werden („Mängelrüge“). Die Gewährleistungsfrist beträgt regelmäßig fünf Jahre ab Abnahme des Werks (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB), bei Verträgen nach VOB/B grundsätzlich vier Jahre (§ 13 Abs. 4 VOB/B), sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde.

Wann beginnt und endet die Verjährungsfrist für Mängelansprüche im Baugewerbe?

Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt mit der Abnahme des Bauwerks (§ 634a Abs. 2 BGB). Ab diesem Zeitpunkt läuft die reguläre Verjährungsfrist von fünf Jahren, sofern es sich um eine werkvertragliche Bauleistung handelt, die in die Bauwerke dauerhaft eingebracht wurde. Für andere Werkleistungen (z. B. Wartungsarbeiten) beträgt die Verjährungsfrist lediglich zwei Jahre. Bei VOB/B-Verträgen kann die Frist durch Individualvereinbarung auf bis zu zwei Jahre verkürzt oder auf vier Jahre verlängert werden. Die Verjährung kann durch Anerkenntnis der Mängel oder durch Verhandlungen zwischen Bauherrn und Bauunternehmer gehemmt oder unterbrochen werden (§§ 203, 212 BGB).

Welche rechtlichen Folgen hat eine Bauverzögerung?

Kommt es zu Bauverzögerungen, haftet der Bauunternehmer grundsätzlich für die daraus resultierenden Schäden, wenn er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 BGB). Voraussetzung ist, dass dem Bauunternehmer eine angemessene Nachfrist gesetzt wurde und er sich in Verzug befindet. Der Bauherr hat im Verzugsfall das Recht, Verzugszinsen sowie weitere Verzugsschäden (zum Beispiel Mietmehrkosten für Ersatzunterkünfte oder entgangene Mieteinnahmen) geltend zu machen (§ 288 BGB). Daneben kann im Vertrag eine Vertragsstrafe (Konventionalstrafe) vereinbart werden, die bei Überschreitung eines vereinbarten Fertigstellungstermins greift. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe muss in der Regel spätestens bei der Abnahme schriftlich vorbehalten werden (§ 11 Abs. 4 VOB/B).

Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Abnahme eines Bauwerks?

Die Abnahme ist ein zentraler rechtlicher Akt im Bauvertragsrecht (§ 640 BGB). Sie markiert den Zeitpunkt, ab dem die Gefahr auf den Bauherrn übergeht, die Vergütung fällig wird und die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt. Der Bauherr ist verpflichtet, das fertiggestellte Werk abzunehmen, sofern keine wesentlichen Mängel vorliegen. Die Abnahme kann ausdrücklich (durch förmliche Erklärung) oder konkludent (durch Ingebrauchnahme) erfolgen. Verweigert der Bauherr die Abnahme zu Unrecht, kann der Bauunternehmer eine fiktive Abnahme herbeiführen, etwa indem er dem Bauherrn eine angemessene Frist zur Abnahme setzt und danach das Werk als abgenommen gilt (§ 640 Abs. 2 BGB). Im Rahmen einer Abnahme sollten etwaige Mängel protokolliert und Vorbehalte (z. B. wegen Vertragsstrafe) explizit erklärt werden.

Welche Besonderheiten gelten für die Kündigung von Bauverträgen?

Der Bauvertrag kann sowohl vom Bauherrn als auch vom Bauunternehmer unter bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden. Das ordentliche Kündigungsrecht des Bauherrn nach § 648 BGB erlaubt diesem, den Vertrag jederzeit bis zur Vollendung des Werks zu kündigen. In diesem Fall ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen oder anderweitigem Erwerb zu verlangen. Daneben gibt es das außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 648a BGB), z. B. bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen. Beide Parteien können das Vertragsverhältnis wegen Unzumutbarkeit oder beharrlicher Vertragsverstöße kündigen. Die Kündigung ist stets schriftlich zu erklären; im Falle der außerordentlichen Kündigung ist zudem der Kündigungsgrund im Detail anzugeben. Nach der Kündigung besteht eine Pflicht zur gemeinsamen Bestandsaufnahme und gegebenenfalls zur Rückgabe des Baugrundstücks und etwaiger Unterlagen.