Baugesetzbuch (BauGB): Bedeutung und Einordnung
Das Baugesetzbuch (BauGB) ist das zentrale Regelwerk für die städtebauliche Entwicklung in Deutschland. Es legt fest, wie Gemeinden Flächen planen, wie Boden für Bauzwecke geordnet wird und wie die Nutzung des Bodens mit öffentlichen und privaten Interessen in Einklang gebracht werden soll. Das BauGB richtet sich vorrangig an Gemeinden, Behörden und Planungsträger, wirkt aber mittelbar auf Eigentümerinnen und Eigentümer, Vorhabenträger, Anwohnerinnen und Anwohner sowie die Allgemeinheit.
Inhaltlich regelt das BauGB insbesondere die Bauleitplanung (Flächennutzungsplan und Bebauungsplan), Verfahren und Beteiligung der Öffentlichkeit, die Erschließung von Baugebieten, städtebauliche Verträge, die Ordnung des Grundeigentums sowie besondere Maßnahmen wie Sanierung und städtebauliche Entwicklung. Es bildet damit den rechtlichen Rahmen, in dem Siedlung, Wohnen, Wirtschaft, Infrastruktur und Freiraum gesteuert werden.
Zielsetzungen und Leitprinzipien
Ordnung der städtebaulichen Entwicklung
Ziel des BauGB ist eine geordnete städtebauliche Entwicklung. Hierzu zählt die räumliche Steuerung von Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Verkehr und Freiraum sowie die Sicherung einer funktionsfähigen, sozial ausgewogenen und gesunden stadt- und ortsräumlichen Struktur.
Gemeinwohl und Ausgleich der Belange
Das BauGB verlangt den gerechten Ausgleich zwischen öffentlichen Belangen (z. B. Versorgungssicherheit, Infrastruktur, Umweltschutz) und privaten Belangen (z. B. Eigentumsnutzung). Planungen müssen nachvollziehbar begründet, transparent vorbereitet und in einer Abwägung aller berührten Belange entschieden werden.
Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt
Nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Klimaanpassung, Ressourcenschonung sowie der Schutz von Natur, Landschaft und Kulturgütern sind integrale Leitlinien. Lärm- und Gesundheitsschutz, emissionsarme Mobilität, sparsame Bodennutzung und Innenentwicklung erhalten besonderes Gewicht.
Systematik und zentrale Instrumente
Bauleitplanung
Flächennutzungsplan
Der Flächennutzungsplan stellt die beabsichtigte Art der Bodennutzung für das gesamte Gemeindegebiet in Grundzügen dar. Er zeigt beispielsweise, wo Wohnbauflächen, gewerbliche Bereiche, Verkehrsflächen, Grünzüge oder Flächen für Versorgung und Gemeinbedarf vorgesehen sind. Er wirkt in erster Linie verwaltungsintern und bereitet verbindliche Festsetzungen vor.
Bebauungsplan und vorhabenbezogener Bebauungsplan
Der Bebauungsplan setzt als Satzung der Gemeinde verbindlich fest, was, wo und wie gebaut werden darf. Er bestimmt unter anderem Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen, Verkehrs- und Grünflächen oder Flächen für Gemeinbedarf. Eine besondere Form ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan, der ein konkret beschriebenes Vorhaben mitsamt Erschließung regelt und durch einen Durchführungsvertrag abgesichert wird.
Satzungen und Steuerungsinstrumente
Veränderungssperre und Zurückstellung
Zur Sicherung laufender Planungen können Gemeinden befristet Bauvorhaben zurückstellen oder Veränderungen sperren. Dadurch wird verhindert, dass Planungsziele durch vorzeitige Einzelmaßnahmen unterlaufen werden.
Erhaltungssatzung und soziale Erhaltung
Mit Erhaltungssatzungen können städtebauliche Eigenarten, Ortsbilder oder die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung geschützt werden. In sozialen Erhaltungsgebieten werden bestimmte Veränderungen genehmigungspflichtig, um Verdrängungstendenzen entgegenzuwirken.
Gestaltungssatzungen und Abgrenzungssatzungen
Gestaltungssatzungen regeln das Erscheinungsbild, etwa Materialien, Dachformen oder Einfriedungen. Abgrenzungssatzungen können Innen- und Außenbereich präzisieren oder bebauten Innenbereich auf angrenzende Flächen einbeziehen.
Städtebauliche Verträge
Gemeinden können mit Vorhabenträgern Verträge schließen, etwa zur Übernahme von Planungs- und Erschließungskosten, zur Herstellung von Ausgleichsmaßnahmen oder zur Bereitstellung von Flächen für Gemeinbedarf. Grundlage ist das Prinzip, dass veranlasste Folgekosten und städtebauliche Ziele transparent und angemessen gesichert werden.
Erschließung
Erschließung umfasst die Herstellung der für die Grundstücksnutzung erforderlichen Anlagen, insbesondere Straßen, Wege, Plätze sowie die Anbindung an Ver- und Entsorgung. Das BauGB ordnet die Verantwortung für Planung, Durchführung und Kostentragung und ermöglicht die Refinanzierung über Beiträge oder vertragliche Regelungen.
Bodenordnung und Bodenpolitik
Umlegung und vereinfachte Umlegung
Umlegungsverfahren ordnen zersplitterte Grundstücke neu, damit Bauflächen sinnvoll nutzbar und öffentliche Flächen bereitgestellt werden. Eigentumsrechte bleiben dabei grundlegend erhalten, Zuschnitte und Lage werden jedoch planungszielgerecht angepasst.
Vorkaufsrecht, Baugebot, Enteignung und Entschädigung
Kommunale Vorkaufsrechte ermöglichen es, Flächen für städtebauliche Zwecke zu sichern. Bau- und Modernisierungsgebote können die Umsetzung von Planungszielen fördern. Enteignungen sind als äußerstes Mittel zugelassen, wenn dies für städtebauliche Aufgaben erforderlich ist und eine angemessene Entschädigung gewährleistet wird.
Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen
In Sanierungsgebieten werden städtebauliche Missstände systematisch behoben, etwa durch Ordnungs- und Baumaßnahmen, Bodenordnung und Beteiligung. Entwicklungsmaßnahmen dienen der zügigen Umsetzung übergeordneter städtebaulicher Ziele in besonderen Gebieten, einschließlich Flächenbereitstellung, Neuordnung und Finanzierung.
Gutachterausschüsse und Wertermittlung
Unabhängige Gutachterausschüsse erheben und analysieren Kaufpreise, ermitteln Bodenrichtwerte und bereiten Wertermittlungsdaten auf. Diese dienen als Grundlage für Bewertungen, Entschädigungen und die transparente Marktbeobachtung.
Verfahren und Beteiligung
Verfahrensschritte der Bauleitplanung
Die Planung durchläuft geregelte Schritte: Aufstellungsbeschluss, frühzeitige Beteiligung, Ausarbeitung eines Entwurfs, öffentliche Auslegung, Stellungnahmen, Abwägung der Belange, Satzungsbeschluss und Bekanntmachung. Für den Flächennutzungsplan ist eine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde vorgesehen; der Bebauungsplan wird als Satzung beschlossen.
Umweltprüfung und Abwägung
Planungen sind mit einer Umweltprüfung zu verbinden, die voraussichtliche Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kultur- und Sachgüter beschreibt und bewertet. Die Ergebnisse fließen in die Abwägung ein, in der alle berührten Belange nachvollziehbar gegeneinander und untereinander gewichtet werden.
Öffentlichkeit und Beteiligungsrechte
Die Öffentlichkeit wird frühzeitig informiert und kann Stellungnahmen abgeben. Behörden und Träger öffentlicher Belange werden beteiligt. Die Ergebnisse der Beteiligung sind zu prüfen und in die Abwägung einzustellen. Die Beteiligung soll Transparenz schaffen und lokale Kenntnisse nutzbar machen.
Rechtsschutz und Kontrolle
Planungsentscheidungen unterliegen der Kontrolle durch Aufsichtsbehörden und können vor Verwaltungsgerichten überprüft werden. Gegenstand sind insbesondere formelle und materielle Anforderungen an Verfahren, Abwägung und Bekanntmachung.
Verhältnis zu anderen Regelwerken
Landesrecht: Bauordnungen und Denkmalschutz
Das BauGB regelt das Planungsrecht. Die Ausführung baulicher Anlagen, Sicherheitsanforderungen, Abstandsflächen und Genehmigungen sind Gegenstand der Bauordnungen der Länder. Denkmalschutz wird landesrechtlich geregelt, ist aber als Belang in der Bauleitplanung zu berücksichtigen.
Fachplanungen und Umweltrecht
Belange des Immissionsschutzes, des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft, der Landwirtschaft, des Verkehrs oder der Energieversorgung werden in die Bauleitplanung integriert. Das BauGB entfaltet keine Vorrangstellung, sondern bindet diese Anforderungen über Beteiligung und Abwägung ein.
Baunutzungsverordnung und Planzeichen
Die Festsetzungen des Bebauungsplans zu Art und Maß der baulichen Nutzung orientieren sich an Vorgaben zur Gebietstypisierung und Nutzungsvielfalt. Einheitliche Planzeichen sichern die Lesbarkeit von Plänen.
Typische Anwendungsfelder
Das BauGB wirkt in zahlreichen Konstellationen: Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete, Nachverdichtung und Umnutzung im Bestand, Steuerung von Einzelhandel und sozialen Infrastrukturen, Sicherung von Grün- und Freiflächen, Integration erneuerbarer Energien und Anpassung an den Klimawandel, Neuordnung zersplitterter Grundstücksverhältnisse sowie Modernisierung und Aufwertung von Quartieren.
Entwicklung und aktuelle Tendenzen
Historischer Abriss
Das heutige BauGB fasst gewachsene Regelungen des Städtebaus in einem Gesetzbuch zusammen. Es entwickelte sich aus früheren Bundesgesetzen zum Städtebau und zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen und wurde mehrfach fortgeschrieben.
Digitalisierung und Verfahrensbeschleunigung
Planungs- und Beteiligungsverfahren werden zunehmend digital unterstützt. Ziel ist eine bessere Zugänglichkeit, mehr Transparenz und beschleunigte Entscheidungsprozesse, ohne die Qualität der Beteiligung und Abwägung zu mindern.
Baulandmobilisierung und soziale Steuerung
Aktuelle Reformen zielen darauf, Bauland schneller bereitzustellen, bezahlbares Wohnen zu stärken, Innenentwicklung zu fördern, klima- und ressourcenschonende Siedlungsstrukturen zu unterstützen und soziale Belange in angespannten Wohnungsmärkten zu sichern.
Häufig gestellte Fragen zum Baugesetzbuch (BauGB)
Was regelt das Baugesetzbuch in der Gemeindeplanung?
Das BauGB regelt die Grundlagen der städtebaulichen Ordnung. Es bestimmt, wie Gemeinden Flächennutzungs- und Bebauungspläne vorbereiten, beschließen und sichern, wie Erschließung erfolgt, welche bodenordnenden Instrumente zur Verfügung stehen und wie öffentliche und private Belange abzuwägen sind.
Worin unterscheidet sich das BauGB von den Bauordnungen der Länder?
Das BauGB steuert die planerische Zulässigkeit von Nutzungen und ordnet die Bodennutzung. Die Bauordnungen regeln die technische Ausführung, Sicherheit, Abstandsflächen, Gestaltung im Detail und das Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben. Beide Ebenen greifen ineinander: Das BauGB setzt den Rahmen, die Bauordnungen regeln die Ausführung.
Welche Funktion haben Flächennutzungsplan und Bebauungsplan?
Der Flächennutzungsplan stellt die beabsichtigte Bodennutzung für das Gemeindegebiet in Grundzügen dar. Der Bebauungsplan trifft verbindliche Festsetzungen für Teilbereiche und legt fest, was zulässig ist. Er bildet die zentrale Grundlage für die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben.
Wie läuft ein Bebauungsplanverfahren ab und welche Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen?
Das Verfahren umfasst Aufstellungsbeschluss, frühzeitige Beteiligung, Entwurf, öffentliche Auslegung, Stellungnahmen, Abwägung, Satzungsbeschluss und Bekanntmachung. Die Öffentlichkeit kann zu Entwürfen Stellung nehmen; diese werden geprüft und in der Abwägung berücksichtigt.
Was beinhaltet die Umweltprüfung im Planverfahren?
Die Umweltprüfung ermittelt und bewertet voraussichtliche Auswirkungen einer Planung auf Schutzgüter wie Mensch, Natur, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft sowie Kultur- und Sachgüter. Die Ergebnisse fließen in Begründung und Abwägung ein und sind dokumentationspflichtig.
Welche Instrumente zur Bodenordnung und Flächenbereitstellung sieht das BauGB vor?
Vorgesehen sind insbesondere Umlegung und vereinfachte Umlegung zur Neuordnung von Grundstücken, Vorkaufsrechte der Gemeinde, Bau- oder Modernisierungsgebote sowie als letztes Mittel Enteignung mit Entschädigung zur Umsetzung städtebaulicher Ziele.
Was sind städtebauliche Verträge und wozu dienen sie?
Städtebauliche Verträge sind Vereinbarungen zwischen Gemeinde und Vorhabenträger zur Sicherung städtebaulicher Ziele, etwa zur Übernahme von Erschließungs- und Folgekosten, zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen oder zur Umsetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans.
Wie werden Bauleitpläne rechtlich überprüft?
Bauleitpläne unterliegen der Kontrolle durch Aufsichtsbehörden und der gerichtlichen Überprüfung. Gegenstand sind Anforderungen an Verfahren, Beteiligung, Abwägung und Bekanntmachung. Fehler können zur Unwirksamkeit führen oder eine Heilung erfordern.