Begriff und rechtliche Grundstrukturen des Baugesetzbuchs (BauGB)
Das Baugesetzbuch (BauGB) ist das zentrale Gesetz des deutschen Städtebaurechts. Es regelt die rechtlichen Grundlagen der baulichen und sonstigen Nutzung von Grundstücken in Deutschland und bildet die wichtigste gesetzliche Grundlage für die städtebauliche Entwicklung, Ordnung und Sicherung. Die Vorschriften des BauGB dienen insbesondere einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, einer dem Allgemeinwohl dienenden städtebaulichen Ordnung sowie dem Schutz natürlicher Lebensgrundlagen.
Das BauGB trat am 1. Juli 1987 in Kraft und löste das bis dahin geltende Bundesbaugesetz (BBauG) ab. Seitdem ist es mehrfach novelliert und an aktuelle gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Anforderungen angepasst worden.
Systematik und Aufbau des Baugesetzbuchs
Das Baugesetzbuch gliedert sich in fünf Teile, denen zahlreiche Paragraphen zugeordnet sind. Das Gesetz beinhaltet sowohl die Gesetzestexte selbst als auch mehrere integrierte Regelwerke, wie die Baunutzungsverordnung (BauNVO) oder die Planzeichenverordnung.
Teil 1: Allgemeine Vorschriften (§§ 1 – 4a BauGB)
Teil 1 enthält die grundlegenden Bestimmungen über die Ziele, Aufgaben und Grundsätze des Städtebaus. Hierbei werden die Grundsäulen der städtebaulichen Entwicklung, wie Nachhaltigkeit, soziale Integration und Umweltverträglichkeit, festgelegt.
§ 1 BauGB – Aufgaben, Ziele und Grundsätze der Bauleitplanung
§ 1 BauGB definiert u.a. die Anforderungen an die Bauleitplanung, wie
- sozialgerechte Bodennutzung,
- Berücksichtigung der Umweltbelange,
- Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse,
- Förderung erneuerbarer Energien.
Dieses Normgefüge ist Ausdruck der normativen Steuerung der Bodennutzung im öffentlichen Interesse.
Teil 2: Bauleitplanung (§§ 5 – 36 BauGB)
Der zweite Teil regelt ausführlich die Bauleitplanung, die das zentrale Steuerungsinstrument der Bodenordnung und Stadtentwicklung bildet. Darunter fallen insbesondere:
Flächennutzungsplan und Bebauungsplan
- Flächennutzungsplan (§§ 5 – 7 BauGB): Der Flächennutzungsplan stellt die städtebauliche Planung auf gesamtstädtischer Ebene dar.
- Bebauungsplan (§§ 8 – 10 BauGB): Der Bebauungsplan ist ein verbindlicher Bauleitplan, der auf der Ebene der Gemeinde die Nutzungsart und das Maß der baulichen Nutzung für einzelne Flächen konkret regelt.
Verfahren zur Bauleitplanung
Der Prozess der Bauleitplanung ist detailliert normiert und umfasst:
- Einleitungsverfahren,
- Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 BauGB),
- Beteiligung der Behörden (§ 4 BauGB),
- Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB),
- Satzungsbeschluss (§ 10 BauGB).
Rechtswirkungen der Bauleitplanung
Die Bauleitpläne entfalten steuernde Wirkung auf die spätere Zulässigkeit von Bauvorhaben (§ 30 ff. BauGB) und sind Grundlage für weitere bauplanungsrechtliche Entscheidungen.
Teil 3: Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 – 38 BauGB)
Dieser Teil regelt die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben, also insbesondere von Bauprojekten und Nutzungsänderungen. Grundsätzlich differenziert das BauGB zwischen
- dem sogenannten unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB),
- dem beplanten Bereich (Geltungsbereich eines Bebauungsplans, § 30 BauGB),
- und dem Außenbereich (§ 35 BauGB).
Bauvorhaben im beplanten Innenbereich (§ 30 BauGB)
Hier sind Vorhaben grundsätzlich zulässig, wenn sie den Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans nicht widersprechen.
Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB)
Im unbeplanten Innenbereich sind Vorhaben zulässig, wenn sie sich nach Art und Maß der Nutzung, Bauweise und Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.
Außenbereichsschutz (§ 35 BauGB)
Im Außenbereich sind Bauprojekte grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es handelt sich um privilegierte Vorhaben, wie etwa landwirtschaftliche Betriebe.
Teil 4: Enteignung, Grunderwerb und Bodenordnung (§§ 39 – 153 BauGB)
Im vierten Teil werden die Regelungen zur Enteignung und Bodenordnung getroffen, einschließlich Grundstückszwangserwerb und Umlegungsverfahren.
Enteignungsvoraussetzungen (§§ 85 – 122 BauGB)
Enteignungen dürfen grundsätzlich nur zum Wohl der Allgemeinheit und bei Vorliegen eines Bebauungsplanes erfolgen. Die betroffenen Eigentümer erhalten eine Entschädigung (§ 95 BauGB).
Umlegung (§§ 45 – 84 BauGB)
Das Umlegungsverfahren ermöglicht die Neuordnung zersplitterter Grundstücksverhältnisse, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu fördern.
Teil 5: Sonstige und Übergangsbestimmungen (§§ 154 – 246d BauGB)
Abschließend regelt das BauGB noch Themen wie Städtebauförderungsrecht (§§ 136 ff. BauGB), Erhaltungssatzungen (§ 172 BauGB), die Sicherung von Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf und verschiedene Übergangsregelungen.
Bedeutung des Baugesetzbuchs für die Praxis der Stadtentwicklung
Das BauGB ist das grundlegende Steuerungsinstrument für die Entwicklung urbaner und ländlicher Gebiete. Es gewährt den Kommunen erhebliche Planungshoheit, gibt zugleich aber auch verbindliche normative Leitlinien und Verfahrensvorgaben für die Beteiligung der Öffentlichkeit und Betroffener vor. Das Gesetz ist eng verzahnt mit weiteren Vorschriften, wie der Baunutzungsverordnung (BauNVO) oder der Landesbauordnung (LBO), und findet sich an den Schnittstellen zum Naturschutzrecht, Umweltrecht und Denkmalschutz.
Planungsrechtliche und umweltrechtliche Aspekte
Infolge jüngerer Novellen nimmt der Umweltschutz eine zentrale Rolle im BauGB ein. Die Pflicht zur Umweltprüfung, die Berücksichtigung der Ressourcenschonung, die Förderung des Klimaschutzes und die nachhaltige Nachverdichtung urbaner Räume sind gesetzlich fest verankert.
Weiterführende Regelungsbereiche und Rechtsfolgen
Das BauGB enthält zahlreiche Detailregelungen, u. a. zu:
- Sanierungsrecht in städtischen Entwicklungsgebieten,
- Städtebaulichen Verträgen (§ 11 BauGB) zwischen Kommune und Bauwilligen,
- Sicherung von Baudenkmälern und Gestaltungssatzungen.
Verstöße gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften können zu Untersagungen, Beseitigungsanordnungen oder Rückbauverpflichtungen führen.
Zusammenfassung
Das Baugesetzbuch (BauGB) stellt das zentrale Gesetzbuch zur Sicherung einer planvollen, nachhaltigen und rechtssicheren Stadtentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Als Grundlage für Flächennutzungs- und Bebauungspläne, für die Einordnung und Steuerung von Bauvorhaben sowie für die Ordnung der Grundstücksverhältnisse ist das BauGB das maßgebliche Instrument der kommunalen Bauplanung.
Literaturhinweis:
Weitergehende Informationen bieten die amtlichen Gesetzestexte, die Baunutzungsverordnung (BauNVO), Kommentare sowie einschlägige Veröffentlichungen zu Bauplanungsrecht und Städtebaurecht.
Häufig gestellte Fragen
Welche Bedeutung hat der Flächennutzungsplan im rechtlichen Gefüge des BauGB?
Der Flächennutzungsplan (FNP) ist als vorbereitender Bauleitplan ein zentrales Instrument der Bauleitplanung gemäß §§ 5 ff. BauGB. Rechtlich entfaltet der FNP keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Bürgern, sondern bindet in erster Linie die Gemeinde selbst sowie andere öffentliche Planungsträger. Der FNP stellt die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung einer Gemeinde für das gesamte Gemeindegebiet in ihren Grundzügen dar. Er bildet die konzeptionelle Grundlage für Bebauungspläne und dient anderen Planungsträgern (z.B. Fachplanern für Verkehr oder Umwelt) als Vorgabe. Im Rahmen der § 34 und § 35 BauGB (Bauen im Innen- und Außenbereich) kann der FNP jedoch „indizielle Wirkung“ entfalten, insbesondere wenn es darum geht, ob eine Gebietsart als „im Zusammenhang bebaut“ oder als „Außenbereich“ anzusehen ist. Zudem besitzt der FNP Bindungswirkung für nachgelagerte Planungen und Abstimmungsprozesse gemäß § 7 BauGB.
Welche Form der Beteiligung sieht das BauGB im Bauleitplanverfahren zwingend vor?
Das BauGB normiert in den §§ 3 und 4 verpflichtende Formen der Öffentlichkeits- sowie der Behördenbeteiligung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens (sowohl beim Flächennutzungsplan als auch beim Bebauungsplan). Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 BauGB verpflichtet die Gemeinde dazu, die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele, Zwecke und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung zu unterrichten und zur Äußerung Gelegenheit zu geben. Im förmlichen Verfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB erfolgt eine öffentliche Auslegung des Planentwurfs für die Dauer eines Monats; Einwendungen können innerhalb dieser Frist vorgebracht werden. Parallel sind nach § 4 BauGB relevante Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange zu beteiligen, deren Belange durch die Planung berührt werden könnten. Die Gemeinde hat die eingehenden Stellungnahmen zu prüfen und in ihren Abwägungsprozess einzustellen.
In welchem Umfang kann im Anwendungsbereich des § 34 BauGB von einer Bauleitplanung abgesehen werden?
Der § 34 BauGB regelt das sogenannte „Bauen im unbeplanten Innenbereich“, also im Zusammenhang bebauten Ortsteil ohne bestehenden Bebauungsplan. Hier ist eine Bauleitplanung grundsätzlich nicht erforderlich, weil die Zulässigkeit von Vorhaben sich unmittelbar nach den Kriterien des § 34 BauGB beurteilt. Das Vorhaben muss sich sowohl nach Art als auch nach Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Gleichwohl kann die Gemeinde von ihrem Planungsrecht Gebrauch machen und durch einen Bebauungsplan steuern, sofern städtebauliche Gründe dies erfordern. Fehlt jedoch eine ausdrückliche Planung, so bleibt der § 34 BauGB als Auffangtatbestand maßgeblich.
Welche Regelungen trifft das BauGB hinsichtlich des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft im Rahmen der Bauleitplanung?
Das BauGB sieht im Rahmen der Bauleitplanung besondere Anforderungen an den Umweltschutz, insbesondere an den Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft, vor. Nach § 1a Abs. 2-4 BauGB ist bei der Aufstellung von Bauleitplänen der Grundsatz zu beachten, dass mit der Durchführung der Planung verbundene Eingriffe in Natur und Landschaft zu vermeiden oder – wenn das nicht möglich ist – zu mildern oder durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren sind. Die Kompensation muss grundsätzlich fachlich fundiert erfolgen; es findet eine Verknüpfung mit dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 13 ff. BNatSchG) statt, insbesondere durch das sogenannte Ökokonto oder andere naturschutzrechtlich anerkannte Maßnahmen. Die Abwägungspflicht der Gemeinde bezieht dabei sowohl Umweltbelange als auch Erfordernisse von Naturschutz und Landschaftspflege ein.
Unter welchen Voraussetzungen ist die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach dem BauGB möglich?
Der sogenannte vorhabenbezogene Bebauungsplan ist in § 12 BauGB geregelt. Er kann aufgestellt werden, wenn ein im Grundsatz vorhabenbezogener Ansatz besteht, d. h. ein konkretes Bauvorhaben (Vorhabensträger, Vorhaben und Erschließung) geplant ist und die Realisierung auf der Grundlage einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung (Durchführungsvertrag) zwischen Gemeinde und Vorhabenträger gesichert werden kann. Das Verfahren verlangt wie beim regulären Bebauungsplan eine förmliche Beschlussfassung, Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden im Sinne der §§ 3, 4 BauGB sowie eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB. Die Festsetzungen des Plans beschränken sich i. d. R. auf das konkrete Vorhaben sowie ggf. den erforderlichen Erschließungsbereich; nach Durchführung gilt er als erledigt. Die rechtliche Zulässigkeit setzt die Übernahme der Erschließungs- und ggf. Kompensationsmaßnahmen durch den Vorhabenträger voraus.
Inwiefern regelt das BauGB die Voraussetzungen und das Verfahren der Enteignung zugunsten städtebaulicher Belange?
Die Enteignung nach BauGB ist in §§ 85 ff. BauGB geregelt. Sie dient ausschließlich dazu, die im BauGB geregelten öffentlich-rechtlichen Ziele und Belange der städtebaulichen Ordnung oder Entwicklung zu verwirklichen und darf nur durchgeführt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert und andere Mittel, namentlich ein freihändiger Erwerb, aussichtslos oder nicht zumutbar sind. Die Enteignung ist ein förmlicher Verwaltungsakt, der durch die jeweilige Enteignungsbehörde zu erlassen ist. Vor Erlass sind Anhörung, umfassende rechtliche Prüfung und konkrete Feststellung des Enteignungszwecks erforderlich, ebenso wie die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach Maßgabe der §§ 93 ff. BauGB. Sie ist stets ultima ratio und unterliegt strenger gerichtlicher Kontrolle.
Welche Bedeutung besitzt die „Erhaltungssatzung“ gemäß § 172 BauGB aus rechtlicher Sicht?
Die Erhaltungssatzung ist ein städtebauliches Instrument, das gemäß § 172 BauGB von Gemeinden erlassen werden kann, um besondere Gebiete vor nachteiligen Veränderungen zu schützen. Sie dient insbesondere der Sicherung der städtebaulichen Gestalt, der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder der Erhaltung von Gebieten mit besonderem städtebaulichen Charakter. Rechtlich führt sie zu einem Genehmigungsvorbehalt für bauliche Veränderungen; Maßnahmen wie der Abriss, die Änderung oder die Nutzungsänderung von Gebäuden stehen unter einem speziellen Genehmigungsvorbehalt. Die Gemeinde ist verpflichtet, im Rahmen der Ermessensentscheidung die Erhaltungsgründe sorgfältig zu prüfen und mit den privaten Belangen des Eigentümers abzuwägen. Die Satzung ist satzungsrechtlich ortsüblich bekanntzumachen und kann Gegenstand von Rechtsmittelverfahren sein.