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Bankruptcy

Begriff und Einordnung von Bankruptcy

Bankruptcy bezeichnet ein förmliches, gerichtlich überwachtes Entschuldungs- oder Sanierungsverfahren. Es dient dazu, die Gesamtheit der Gläubiger koordiniert zu befriedigen und dem zahlungsunfähigen oder überschuldeten Schuldner geordneten Zugang zu einem Neuanfang zu eröffnen. Während „Insolvenz“ im deutschsprachigen Raum häufig den finanziellen Zustand (Zahlungsunfähigkeit) und das darauf folgende Verfahren meint, bezeichnet „Bankruptcy“ im angloamerikanischen Kontext in erster Linie das gerichtliche Verfahren selbst. Das Konzept umfasst sowohl die Abwicklung (Liquidation) als auch die Neuordnung (Reorganisation) von Vermögen und Verbindlichkeiten.

Grundprinzipien

Gesamtvollstreckung und Gläubigergleichbehandlung

Bankruptcy bündelt Einzelzwangsvollstreckungen in einem Kollektivverfahren. Ziel ist eine geordnete, rechtssichere Verteilung des Schuldnervermögens nach festgelegten Prioritäten, um eine gleichmäßige Behandlung der Gläubiger zu erreichen.

Automatischer Vollstreckungsstopp

Mit Verfahrenseröffnung tritt regelmäßig ein automatischer Stopp von Vollstreckungsmaßnahmen in Kraft. Er untersagt Gläubigern, individuell zu vollstrecken, und stabilisiert die Situation, damit das Gericht und die Verfahrensorgane das Vermögen sichern und verwerten oder eine Reorganisation strukturieren können.

Insolvenzmasse und Entschuldung

Zur Insolvenzmasse gehört grundsätzlich das verwertbare Vermögen des Schuldners. Nach Abschluss können bestimmte Schulden erlassen werden (Discharge). Dadurch wird der wirtschaftliche Neuanfang ermöglicht, wobei gesetzliche Ausnahmen bestehen.

Verfahrensarten

Liquidation

In Liquidationsverfahren wird nicht notwendiges Vermögen verwertet und der Erlös nach einer festgelegten Rangordnung verteilt. Ein Treuhänder (Trustee) verwaltet und realisiert die Masse. Bestimmte Vermögensgegenstände können ausgenommen sein (Exemptions), um ein soziales Existenzminimum zu sichern.

Reorganisation

In Reorganisationsverfahren bleibt der Schuldner häufig unter gerichtlicher Aufsicht geschäftsfähig (Debtor-in-Possession). Ein Plan ordnet Verbindlichkeiten neu, kann Laufzeiten strecken, Forderungen reduzieren oder in Eigenkapital umwandeln. Die Bestätigung des Plans durch das Gericht bindet die betroffenen Gläubiger nach gesetzlich vorgesehenen Mehrheiten und Voraussetzungen.

Verbraucherpläne

Für Privatpersonen existieren Modelle mit mehrjährigen Zahlungsplänen. Ein Teil des Einkommens wird an die Gläubiger verteilt; nach Planerfüllung kann eine Entschuldung erfolgen.

Vergleich zu kontinentaleuropäischen Verfahren

In vielen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bestehen funktional vergleichbare Verfahren (Regelinsolvenz, Eigenverwaltung, Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen, Restschuldbefreiung). Der Schwerpunkt liegt jeweils unterschiedlich auf Sanierung oder Abwicklung; die Begriffe und institutionellen Rollen weichen ab.

Beteiligte und ihre Rollen

Schuldner

Reicht Unterlagen und Offenlegungen ein, erfüllt Mitwirkungspflichten und beachtet Verfügungsbeschränkungen. Bei Reorganisation übernimmt der Schuldner häufig die operative Fortführung unter Aufsicht.

Gläubiger

Melden Forderungen an, üben Stimmrechte in relevanten Klassen aus und überwachen das Verfahren. Ein Gläubigerausschuss kann eingesetzt werden, um kollektive Interessen zu bündeln.

Gericht

Eröffnet, überwacht und entscheidet über zentrale Anträge, bestätigt Pläne und klärt Streitfragen zur Masse, zu Forderungen und zu Anfechtungen.

Treuhänder/Verwalter

Verwaltet die Masse, prüft Forderungen, verfolgt Anfechtungsansprüche und verteilt Erlöse. In Reorganisationen kann diese Rolle zugunsten des Schuldners als Debtor-in-Possession reduziert sein.

Ablauf und typische Verfahrensschritte

Antragstellung

Das Verfahren kann freiwillig durch den Schuldner oder unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Gläubigerantrag eröffnet werden. Mit Einreichung der Vermögens- und Schuldenverzeichnisse wird die Ausgangslage rechtlich fixiert.

Gläubigerversammlung

Nach Eröffnung findet eine erste Versammlung statt, in der Auskünfte erteilt, die Masse erörtert und organisatorische Fragen geklärt werden.

Forderungsanmeldung und -prüfung

Gläubiger melden ihre Ansprüche an. Die Verfahrensorgane prüfen Bestehen, Höhe, Rang und Sicherheiten.

Verwertung oder Reorganisation

Je nach Verfahrensart erfolgt die geordnete Verwertung der Masse oder die Ausarbeitung eines Reorganisationsplans mit anschließender Bestätigung.

Verteilung und Verfahrensbeendigung

Nach Abschluss der Verwertung bzw. Planerfüllung werden Erlöse verteilt. Gegebenenfalls wird eine Entschuldung ausgesprochen und das Verfahren beendet.

Wirkungen auf Rechtsverhältnisse

Laufende Verträge

Schwebende Verträge können je nach Rechtssystem fortgeführt (Übernahme) oder beendet (Ablehnung) werden. Dadurch lassen sich belastende Verpflichtungen beenden oder strategisch wichtige Verträge sichern.

Arbeitsverhältnisse

Arbeitsverträge unterliegen besonderen Schutzregeln. Ausstehende Löhne können bevorrechtigt sein; Fortführung oder Abwicklung richtet sich nach der Verfahrensstrategie und gesetzlichen Vorgaben.

Sicherheiten

Gesicherte Gläubiger haben Absonderungsrechte an bestimmten Vermögenswerten. Die Verwertung unterliegt jedoch den Regeln des Verfahrens; in Reorganisationen kann eine Anpassung der Rechte im Plan vorgesehen sein.

Aufrechnung und Netting

Aufrechnungen können zulässig sein, unterliegen jedoch häufig zeitlichen oder materiellen Einschränkungen. Finanzielle Netting-Vereinbarungen werden vielerorts besonders behandelt.

Anfechtung von Rechtshandlungen

Unmittelbar vor dem Verfahren liegende Benachteiligungen der Gläubiger, etwa bevorzugte Zahlungen oder unentgeltliche Verfügungen, können angefochten und rückgängig gemacht werden.

Entschuldung (Discharge) und Ausnahmen

Die Entschuldung bewirkt, dass der Schuldner für bestimmte vor Verfahrenseröffnung entstandene Forderungen nicht mehr persönlich haftet. Typische Ausnahmen betreffen etwa Unterhaltsansprüche, bestimmte Steuerschulden, Geldstrafen, deliktsbedingte Forderungen und in vielen Rechtsordnungen Bildungsdarlehen, sofern keine besonderen Härtefallvoraussetzungen vorliegen. Ein Verstoß gegen Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten kann zur Versagung oder zum Widerruf der Entschuldung führen.

Rangfolge und Verteilung

Die Verteilung folgt einer gesetzlich festgelegten Reihenfolge. Regelmäßig gehen Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten vor, gefolgt von gesicherten Gläubigern, bevorrechtigten ungesicherten Forderungen und nachrangigen Ansprüchen. Eigenkapital erhält erst nach vollständiger Befriedigung aller Gläubiger einen Überschuss.

Vermögensschutz und Ausnahmen (Exemptions)

Zum Schutz eines Mindestniveaus an Lebensgrundlagen können bestimmte Gegenstände aus der Masse ausgenommen sein, etwa Teile des Hausrats, berufsnotwendige Werkzeuge oder Altersvorsorgeansprüche. Umfang und Voraussetzungen variieren je nach Rechtsordnung.

Grenzüberschreitende Bezüge

Bei internationalen Sachverhalten stellen sich Fragen der Zuständigkeit, des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen (COMI), der Anerkennung ausländischer Verfahren und der Koordination paralleler Verfahren. Viele Staaten orientieren sich an kooperationsfreundlichen Standards, um doppelte Verwertungen und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.

Pflichten, Offenlegung und Sanktionen

Der Schuldner ist zu umfassender, wahrheitsgemäßer Offenlegung verpflichtet. Pflichtverletzungen, Verschleierung oder Benachteiligung der Gläubiger können zivil- und strafrechtliche Folgen haben, einschließlich der Versagung der Entschuldung.

Folgen nach Verfahrensende

Nach Abschluss bestimmen die Entschuldung, die Planerfüllung und die vertragliche Neuordnung die weitere Rechtslage. Kreditauskünfte können das Verfahren über einen begrenzten Zeitraum ausweisen. Wiederaufnahmen oder Folgeanträge unterliegen häufig Sperrfristen und besonderen Voraussetzungen.

Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

„Insolvency“ bezeichnet vielfach den finanziellen Zustand, während „Bankruptcy“ das Verfahren meint. „Receivership“ betrifft die Verwaltung bestimmter Vermögenswerte zugunsten von Gläubigern, ohne notwendig ein Gesamtverfahren einzuleiten. „Winding up“ bezieht sich auf die Abwicklung von Gesellschaften, kann aber je nach Rechtsordnung andere Akzente setzen. „Assignment for the benefit of creditors“ ist eine außergerichtliche Übertragung des Vermögens an einen Treuhänder zur Verwertung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Bankruptcy

Worin unterscheidet sich Bankruptcy von Insolvency?

Insolvency beschreibt häufig den Zustand der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Bankruptcy bezeichnet das gerichtliche Verfahren zur Abwicklung oder Sanierung. Beide Begriffe hängen zusammen, sind aber nicht deckungsgleich.

Was bedeutet der automatische Vollstreckungsstopp in der Bankruptcy?

Er bewirkt, dass individuelle Vollstreckungs- und Sicherungsmaßnahmen gegen den Schuldner grundsätzlich ausgesetzt werden. Dadurch wird Zeit geschaffen, die Masse zu sichern und das Verfahren geordnet durchzuführen.

Welche Schulden sind typischerweise von der Entschuldung ausgenommen?

Häufig ausgenommen sind Unterhaltsverpflichtungen, bestimmte Steuern, Geldstrafen, deliktisch begründete Forderungen sowie in vielen Rechtsordnungen Bildungsdarlehen, sofern keine besonderen Härtefallvoraussetzungen erfüllt sind.

Wie werden gesicherte Gläubiger im Verfahren behandelt?

Gesicherte Gläubiger haben vorrangige Rechte an der Verwertung der belasteten Sicherungsgüter. Ihre Befriedigung erfolgt grundsätzlich aus dem Sicherungsgut, kann aber in Reorganisationsplänen angepasst werden, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Welche Rolle spielen Trustee und Debtor-in-Possession?

Der Trustee verwaltet in Liquidationen die Masse, verwertet Vermögen und verteilt Erlöse. In Reorganisationen verbleibt die Verwaltung oft beim Schuldner als Debtor-in-Possession, unter Aufsicht des Gerichts und mit festgelegten Kontrollmechanismen.

Kann ein Unternehmen während der Bankruptcy weiterarbeiten?

Ja, im Rahmen von Reorganisationsverfahren kann der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden. Ziel ist die Stabilisierung und Neuordnung, sofern dies den Gläubigerinteressen dient und die rechtlichen Voraussetzungen eingehalten sind.

Wie werden bestehende Verträge in der Bankruptcy behandelt?

Schwebende Verträge können übernommen und fortgeführt oder abgelehnt und beendet werden. Die Entscheidung richtet sich nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und den gesetzlichen Regeln des jeweiligen Verfahrens.

Wie wirkt sich das Verfahren auf die Kreditwürdigkeit aus?

Ein abgeschlossenes Verfahren wird regelmäßig für eine bestimmte Zeit in Kreditauskünften geführt und kann die Kreditwürdigkeit beeinträchtigen. Die Auswirkungen nehmen mit der Zeit ab und hängen von der individuellen wirtschaftlichen Entwicklung ab.