Begriffsbestimmung und rechtlicher Status des Auszubildenden
Ein Auszubildender ist eine Person, die im Rahmen eines besonderen Ausbildungsverhältnisses (Berufsausbildungsvertrag) auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO) praktische und theoretische Kenntnisse in einem anerkannten Ausbildungsberuf erwirbt. Auszubildende nehmen damit formal eine Doppelrolle ein: Sie sind gleichzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts und Lernende im Sinne des Berufsbildungsrechts.
Rechtsgrundlagen
Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Das zentrale Regelwerk für das Ausbildungsverhältnis außerhalb des Handwerks ist das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Es definiert den Begriff des Auszubildenden in § 13 und regelt unter anderem die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Auszubildenden und Ausbildenden, die Form und den Inhalt des Berufsausbildungsvertrags sowie den Ablauf der Berufsausbildung.
Handwerksordnung (HwO)
Für handwerkliche Ausbildungsberufe regelt die Handwerksordnung (HwO) ergänzend die rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung sowie das Verhältnis zwischen Ausbildendem und Auszubildendem.
Sonderregelungen
In bestimmten Bereichen gelten zusätzliche Vorschriften, wie etwa das Krankenpflegegesetz oder das Pflegeberufegesetz für Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen.
Zustandekommen des Ausbildungsverhältnisses
Abschluss des Berufsausbildungsvertrags
Der Berufsausbildungsvertrag ist das Fundament des Ausbildungsverhältnisses. Er wird gemäß § 10 BBiG schriftlich abgeschlossen und regelt mindestens:
- Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung,
- Beginn und Dauer der Ausbildung,
- Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte,
- Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit,
- Dauer der Probezeit,
- Zahlung und Höhe der Ausbildungsvergütung,
- Dauer des Urlaubs,
- Voraussetzungen zur Kündigung.
Erst mit Abschluss dieses Vertrags und dem Eintrag in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der zuständigen Stelle (z.B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) wird die rechtliche Stellung des Auszubildenden begründet.
Probezeit
Die Probezeit gemäß § 20 BBiG beträgt mindestens einen Monat und höchstens vier Monate. Während dieser Zeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von beiden Seiten beendet werden.
Rechte des Auszubildenden
Anspruch auf Ausbildung
Der wesentliche Anspruch des Auszubildenden besteht darin, entsprechend dem Ausbildungsziel praktisch und theoretisch ausgebildet zu werden. Der Ausbildende ist verpflichtet, die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen (berufliche Handlungsfähigkeit) nach dem Ausbildungsrahmenplan zu vermitteln.
Ausbildungsvergütung
Auszubildende haben einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung, deren Höhe mindestens den Vorgaben nach § 17 BBiG entsprechen muss (Mindestvergütung). Zuschläge, Sachleistungen oder Sonderzahlungen sind klar zu regeln.
Urlaub
Ihnen steht ein gesetzlicher Urlaubsanspruch zu. Dieser richtet sich nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (für Minderjährige) oder dem Bundesurlaubsgesetz (für Volljährige).
Zeugnisanspruch
Nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses besteht gemäß § 16 BBiG Anspruch auf ein schriftliches Ausbildungszeugnis, das mindestens Angaben über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über erworbene Fertigkeiten und Kenntnisse enthält.
Beschäftigungsschutz und Berufsschulpflicht
Während des Ausbildungsverhältnisses gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Zudem sind Auszubildende verpflichtet, die Berufsschule regelmäßig zu besuchen (§ 15 BBiG).
Pflichten des Auszubildenden
Lernpflicht
Die zentrale Pflicht des Auszubildenden besteht darin, aktiv zu lernen und die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen. Zu den weiteren Pflichten zählen:
- Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen,
- Befolgung von Weisungen, die die Ausbildung betreffen,
- Wahrung von Betriebsgeheimnissen,
- Sorgfältiger Umgang mit Arbeitsmitteln.
Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
Das Ausbildungsverhältnis endet grundsätzlich mit Bestehen der Abschlussprüfung (§ 21 BBiG). Daneben ist die vorzeitige Beendigung durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung möglich.
Ordentliche Kündigung
Während der Probezeit ist die ordentliche Kündigung ohne Angabe von Gründen jederzeit möglich. Nach der Probezeit darf das Ausbildungsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden.
Fristlose Kündigung
Sie ist von beiden Seiten aus wichtigem Grund möglich (§ 22 BBiG). Beispiele sind schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl oder beharrliche Arbeitsverweigerung.
Automatisches Ende
Mit dem Bestehen der Abschlussprüfung endet das Ausbildungsverhältnis automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Auszubildender im Sozialversicherungsrecht
Auszubildende sind grundsätzlich in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert, unabhängig von der Höhe ihrer Ausbildungsvergütung. Dazu zählen die Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung.
Besonderheiten bei minderjährigen Auszubildenden
Minderjährige Auszubildende genießen besonderen rechtlichen Schutz, insbesondere nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Dieses regelt unter anderem:
- Arbeits- und Ruhezeiten,
- Verbot bestimmter gefährlicher Arbeiten,
- Erweiterte Vorschriften zum Gesundheitsschutz,
- Besondere Regelungen für Pausen und Urlaub.
Gleichstellung und Diskriminierungsverbot
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Auszubildende vor Benachteiligungen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität, sowohl im Bewerbungsverfahren als auch während des Ausbildungsverhältnisses.
Auszubildende und Arbeitnehmerstatus
Obwohl Auszubildende Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb aufweisen, ist ihr Arbeitsverhältnis vornehmlich auf den Lern- und Ausbildungszweck und nicht auf die Arbeitsleistung gerichtet. Darin unterscheiden sie sich maßgeblich von klassischen Arbeitnehmern.
Mitbestimmungsrechte und betriebliche Interessenvertretung
Auszubildende sind im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wahlberechtigt und wählbar für den Betriebsrat- oder Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV). Sie haben damit ein aktives Mitbestimmungsrecht im Ausbildungsbetrieb.
Fazit
Der Begriff des Auszubildenden ist rechtlich vielschichtig ausgestaltet und umfasst arbeitsrechtliche, berufsbildungsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche sowie jugend- und datenschutzrechtliche Aspekte. Die zahlreichen gesetzlichen Regelungen dienen dem Schutz und der Förderung von Auszubildenden während der gesamten Dauer ihres Ausbildungsverhältnisses und sichern ihnen eine hochwertige berufliche Qualifizierung.
Dieser Artikel stellt eine umfassende und detaillierte Darstellung des Begriffs Auszubildender in rechtlicher Hinsicht dar und berücksichtigt dabei alle relevanten Aspekte der deutschen Rechtsordnung.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange darf die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit eines Auszubildenden gemäß dem Jugendarbeitsschutzgesetz und dem Berufsbildungsgesetz betragen?
Für Auszubildende, die noch nicht volljährig sind, regelt das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) die zulässige Arbeitszeit. Grundsätzlich dürfen Jugendliche maximal acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich arbeiten. Ausnahmsweise darf die tägliche Arbeitszeit auf achteinhalb Stunden verlängert werden, wenn dafür an anderen Tagen derselben Woche die Arbeitszeit entsprechend verkürzt wird. Zudem muss die Berufsschulzeit auf die Arbeitszeit angerechnet werden: Ein Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden zählt als voller Arbeitstag. Für volljährige Auszubildende gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), demnach dürfen maximal acht Stunden pro Tag und 48 Stunden in der Woche gearbeitet werden. Eine Ausdehnung auf bis zu zehn Stunden am Tag ist erlaubt, sofern innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Schnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Welche Rechte und Pflichten haben Auszubildende im Ausbildungsverhältnis rechtlich gesehen?
Auszubildende haben nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und den jeweiligen Ausbildungsverträgen umfassende Rechte und Pflichten. Zu ihren Hauptpflichten zählt die gewissenhafte Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben im Rahmen der Ausbildung sowie die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte. Auszubildende sind verpflichtet, vertrauliche Betriebsangelegenheiten zu wahren und den Weisungen der Ausbilder Folge zu leisten, solange diese der Ausbildung dienen. Rechte sind insbesondere der Anspruch auf eine angemessene Vergütung, auf eine fachliche Ausbildung nach dem Ausbildungsrahmenplan, auf kostenfreie Bereitstellung von Ausbildungsmitteln, auf Ausstellung eines Zeugnisses und auf die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeit- und Urlaubsbestimmungen. Zudem genießen Auszubildende einen besonderen Kündigungsschutz und dürfen während der Ausbildung nicht mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigt werden.
Ist eine Probezeit im Ausbildungsverhältnis gesetzlich vorgeschrieben, und welche Regelungen gelten hierfür?
Ja, nach § 20 BBiG ist im Ausbildungsvertrag zwingend eine Probezeit festzulegen. Diese muss mindestens einen Monat und höchstens vier Monate betragen. Während der Probezeit können beide Parteien, also sowohl der Auszubildende als auch der Ausbildende, das Ausbildungsverhältnis ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen kündigen. Die Probezeit dient dazu, festzustellen, ob der Auszubildende für den gewählten Beruf geeignet ist und ob das Ausbildungsverhältnis für beide Seiten passt. Nach Ablauf der Probezeit gelten strengere Kündigungsvorschriften nach dem BBiG.
Unter welchen Voraussetzungen dürfen Mehrarbeiten oder Überstunden bei Auszubildenden angeordnet werden?
Grundsätzlich ist bei Auszubildenden die Anordnung von Überstunden nur in Ausnahmefällen zulässig. Bei minderjährigen Auszubildenden ist dies besonders streng: Überstunden sind nur dann erlaubt, wenn sie zur Erreichung des Ausbildungsziels unmittelbar notwendig sind und die gesetzlich geregelte Höchstarbeitszeit nicht überschritten wird. Jede über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeit ist nur zulässig, wenn ein Ausgleich in Freizeit oder eine entsprechende Vergütung erfolgt. Für volljährige Auszubildende gilt das Arbeitszeitgesetz; Überstunden sind nur zulässig, wenn sie betrieblich notwendig und durch Freizeit oder Vergütung ausgeglichen werden. Auch hier darf die zulässige Höchstarbeitszeit nicht dauerhaft überschritten werden. Überstunden dürfen niemals zu Lasten der Berufsschulzeiten gehen.
Wie gestaltet sich der Urlaubsanspruch eines Auszubildenden aus gesetzlicher Sicht?
Der gesetzliche Urlaubsanspruch richtet sich bei minderjährigen Auszubildenden nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz. Je nach Alter am 1. Januar des Kalenderjahres ergeben sich folgende Mindesturlaubstage: Unter 16 Jahren mindestens 30 Werktage, unter 17 Jahren mindestens 27 Werktage und unter 18 Jahren mindestens 25 Werktage. Bei volljährigen Auszubildenden greift das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), das einen Mindestjahresurlaub von 24 Werktagen (bei einer Sechstagewoche) vorschreibt. Viele Tarifverträge oder Ausbildungsverträge gewähren jedoch einen höheren Urlaubsanspruch. Der Urlaub soll grundsätzlich während der Berufsschulferien genommen werden. Eine Anrechnung von Berufsschultagen als Urlaub ist unzulässig. Die Gewährung des Urlaubs muss rechtzeitig und vollständig erfolgen, eine Übertragung oder Abgeltung ist nur in Ausnahmefällen gesetzlich zulässig.
Welche Regelungen gelten für die Vergütung eines Auszubildenden?
Gemäß § 17 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Seit dem 1. Januar 2020 gilt zudem eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung, die jährlich ansteigt und sich nach dem Ausbildungsbeginn richtet. Für das erste Ausbildungsjahr ist eine feste Bruttosumme gesetzlich vorgeschrieben, die jedoch durch einschlägige Tarifverträge auch überschritten werden kann. Die Vergütung muss mit fortschreitendem Ausbildungsjahr ansteigen. Sie ist spätestens am letzten Arbeitstag des Monats fällig. Wird die Ausbildung wegen Krankheit, Berufsschulunterricht, Kurzarbeit oder anderen anerkannten Gründen unterbrochen, ist die Vergütung bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen. Sachleistungen können auf die Vergütung nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen angerechnet werden.
Unter welchen Umständen kann das Ausbildungsverhältnis rechtlich wirksam gekündigt werden?
Nach der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis gemäß § 22 BBiG von beiden Parteien nur aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein solcher Grund liegt beispielsweise bei schweren Pflichtverletzungen oder Vertrauensverlust vor. Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Auszubildende kann außerdem mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Eine ordentliche Kündigung durch den Ausbildenden nach der Probezeit ist grundsätzlich ausgeschlossen, sodass der Auszubildende einen besonderen Kündigungsschutz genießt. Vor jeder Kündigung sollte eine Beratung bei der zuständigen Kammer oder einem Rechtsbeistand erfolgen, um Fehler zu vermeiden.