Begriff und rechtliche Einordnung von Außertariflichen Angestellten
Definition
Außertarifliche Angestellte (AT-Angestellte) sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, jedoch aufgrund der Höhe ihres Arbeitsentgelts oder der Art ihrer Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereichs eines firmenbezogenen oder allgemeinverbindlichen Tarifvertrags beschäftigt werden. Anders als tariflich vergütete Beschäftigte fallen sie nicht unter die tariflichen Bestimmungen bezüglich Vergütung und teilweise auch nicht unter deren weitere Arbeitsbedingungen.
Abgrenzung zu anderen Arbeitnehmergruppen
Die Abgrenzung zu leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) oder zu tariflich Angestellten ist bedeutsam. AT-Angestellte nehmen in der betrieblichen Hierarchie i. d. R. gehobene, aber keine leitende Funktion mit speziellen betrieblichen Entscheidungsbefugnissen ein. Leitende Angestellte im rechtlichen Sinn unterliegen wiederum gesonderten Regelungen, etwa hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen.
Voraussetzungen für die Eingruppierung als Außertariflicher Angestellter
Tarifsystematische Einordnung
Tarifverträge enthalten üblicherweise abschließende Vergütungsgruppen einschließlich spezieller Obergruppen (z. B. „höchste Tarifgruppe“). AT-Angestellte sind Beschäftigte, deren Vergütung und/oder Tätigkeit sich außerhalb dieser tariflich abschließend geregelten Gruppen bewegt, wobei vorrangig folgende Tatbestände zur Anwendung kommen:
- Überschreitung der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe bzw. deren Endstufe (Regelungslücke im Tarifvertrag)
- Tätigkeiten, für die im Tarifvertrag keine Beschreibung oder Bewertung vorgesehen ist
Tarifbindung und Arbeitsvertrag
Ein Außen-Tarif-Verhältnis ist typischerweise gegeben, wenn das betreffende Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar und zwingend dem Tarifvertrag unterfällt. Dennoch können durch einzelvertragliche Gestaltung (AT-Vertrag) Regelungen vereinbart werden, die an den Tarifvertrag anknüpfen, diesen aber hinsichtlich Vergütung und Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeitszeit, Urlaub) modifizieren oder überschreiten.
In der Praxis ist die Vereinbarung der „AT-Eigenschaft“ im Arbeitsvertrag explizit notwendig. Eine bloße Gehaltsüberschreitung reicht nicht aus, sofern der Tarifvertrag für höhere Gehälter eine Öffnungsklausel vorsieht.
Gesetzlicher Rahmen
Für AT-Angestellte gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sowie weiterer arbeitsrechtlicher Vorschriften. Eine Sonderstellung wie für leitende Angestellte existiert nicht.
Rechtsfolgen der Außertariflichen Stellung
Vergütung
Die Höhe der Vergütung für AT-Angestellte wird einzelvertraglich ausgehandelt und orientiert sich häufig an der jeweils höchsten tariflichen Entgeltgruppe zuzüglich eines AT-Zuschlags (üblich sind ca. 10 bis 20 % über der höchsten Tarifvergütung). Eine gesetzliche Vorgabe existiert nicht, jedoch kann eine zu niedrige Eingruppierung im Einzelfall zur Aushöhlung von Mindestarbeitsbedingungen führen, weshalb im Einzelfall kollektivrechtliche Vorgaben (bspw. Mindestlohn) beachtet werden müssen.
Arbeitszeitregelungen
Für AT-Angestellte gilt grundsätzlich das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es ist jedoch zulässig, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Freiheiten (in Grenzen des ArbZG) von tariflichen Arbeitszeitregelungen abzuweichen und z. B. eine höhere wöchentliche Arbeitszeit zu vereinbaren. Auch die Überstundenvergütung ist regelmäßig einzelvertraglich geregelt; häufig sind Überstunden mit dem Arbeitsentgelt abgegolten.
Urlaub und weitere Arbeitsbedingungen
Falls die tariflichen Urlaubsregelungen nicht mehr unmittelbar anwendbar sind, ist der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) maßgeblich. AT-Angestellte erhalten in der Praxis meist einen dem Tarifurlaub entsprechenden oder übersteigenden Urlaubsanspruch, der arbeitsvertraglich festgelegt wird.
Weitere arbeitsrechtliche Bedingungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Sonderzahlungen sind ebenfalls individualvertraglich zu vereinbaren und orientieren sich vielfach an den entsprechenden tariflichen Standards.
Mitbestimmung und kollektives Arbeitsrecht
Betriebsverfassungsrechtlicher Status
Anders als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG nehmen AT-Angestellte weiterhin an der Betriebsverfassung teil. Sie wählen und können in die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) gewählt werden. Auch das Kollektivrecht, etwa im Rahmen von Betriebsvereinbarungen, bleibt uneingeschränkt anwendbar.
Gewerkschaftliche Vertretung und Tarifbindung
Die Möglichkeit, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein und gewerkschaftliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, bleibt AT-Angestellten erhalten. Gleichwohl sind tarifvertragliche Rechte und Pflichten für sie nur dann relevant, sofern der Arbeitgeber tarifgebunden ist und der Geltungsbereich eines Tarifvertrags sonst einschlägig wäre. Oftmals existieren spezifische AT-Rahmenbedingungen, die auf tariflicher Ebene geregelt sind.
Rechtsprechung und Entwicklungen
Gerichtsentscheidungen
Die Abgrenzung und Definition der AT-Eigenschaft basiert maßgeblich auf der Auslegung der einschlägigen Tarifverträge und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, vor allem der Arbeitsgerichte. Dabei stellt die Rechtsprechung auf die tatsächliche Übertariflichkeit der Tätigkeit und des Entgelts sowie auf die im Betrieb gelebte Praxis ab. Uneinheitlichkeiten in den Tarifwerken führen in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten, weshalb die arbeitsvertragliche Klarstellung große Bedeutung hat.
Veränderte Praxis durch Digitalisierung und moderne Arbeitswelt
Die Klassifikation und Rolle von AT-Angestellten unterliegt fortlaufenden Veränderungen. Durch die Digitalisierung, die Zunahme von Projektarbeit und flacheren Hierarchien entstehen neue Tätigkeitsprofile, deren tarifliche Einordnung erschwert werden kann. Hieraus resultiert eine weiter zunehmende Bedeutung von individuellen Arbeitsbedingungen, die über den Tarifvertrag hinausgehen.
Zusammenfassung
Außertarifliche Angestellte sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Vergütung und ggf. auch deren Tätigkeit außerhalb der abschließenden Regelungen eines Tarifvertrags liegen. Für sie gelten die allgemeinen gesetzlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, und ihre Rechte und Pflichten werden maßgeblich durch ihren individuellen Arbeitsvertrag geprägt. Besonderheiten bestehen insbesondere in der Vergütung, Arbeitszeitgestaltung, Urlaub und weiteren individuellen Arbeitsbedingungen. Die Mitbestimmungsrechte und weitere kollektivrechtliche Regelungen bleiben, anders als bei leitenden Angestellten, für AT-Angestellte uneingeschränkt anwendbar. Die genaue Ausgestaltung ergibt sich dabei aus dem Zusammenspiel von Tarifvertrag, Gesetz und individueller Vereinbarung.
Häufig gestellte Fragen
Besteht für außertarifliche Angestellte ein Anspruch auf Überstundenvergütung?
Außertarifliche Angestellte (AT-Angestellte) nehmen eine Zwischenstellung zwischen tariflich vergüteten Arbeitnehmern und leitenden Angestellten ein. Rechtlich gesehen gilt grundsätzlich, dass AT-Angestellte aufgrund ihrer besonderen Stellung nicht automatisch zum Gehaltsempfänger für geleistete Überstunden werden. Ob ein legaler Anspruch auf Überstundenvergütung besteht, richtet sich maßgeblich nach dem individuellen Arbeitsvertrag bzw. nach betrieblichen Vereinbarungen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist grundsätzlich auch auf AT-Angestellte anwendbar, sodass die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf, ausdehnbar auf zehn Stunden, wenn ein entsprechender Zeitausgleich innerhalb von sechs Monaten erfolgt. Eine Pflicht zur gesonderten Vergütung von Überstunden besteht jedoch nur dann, wenn dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder sich aus einer betrieblichen Übung ergibt. In Ermangelung einer solchen vertraglichen Regelung kann eine Vergütungspflicht für Überstunden nach § 612 Abs. 1 BGB entstehen, wenn die Überstunden nicht durch das Gehalt abgegolten sind und eine Vergütung den Umständen nach erwartet werden kann. Häufig enthalten AT-Arbeitsverträge eine Klausel, wonach mit dem monatlichen Gehalt sämtliche anfallenden Überstunden abgegolten sind. Die Wirksamkeit solcher Abgeltungsklauseln wird – insbesondere bei überdurchschnittlich vielen Überstunden – durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überprüft.
Wie erfolgt die Eingruppierung außertariflicher Angestellter rechtlich?
Die rechtliche Grundlage für die Einstufung als außertariflicher Angestellter ist in erster Linie das Verhältnis zwischen dem Gehalt des Beschäftigten und den tariflichen Vergütungsgruppen zu sehen. AT-Angestellte erhalten in der Regel eine Vergütung oberhalb der höchsten tariflichen Gruppe. Die genaue Höhe, ab der eine AT-Einstufung als angemessen gilt, ist tarifvertraglich nicht exakt definiert und wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich interpretiert. Eine Orientierung gibt häufig die Grenze von mindestens 5-10% über dem höchsten Tarifgehalt. Formell sind AT-Angestellte durch eine einzelvertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag bestimmt, in der sowohl die außertarifliche Vergütung als auch abweichende Arbeitsbedingungen festgehalten werden. Es ist jedoch zu beachten, dass AT-Angestellte rechtlich weiterhin Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts bleiben und somit grundsätzlich Anspruch auf Anwendung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften haben, es sei denn, spezielle Reglungen (z. B. Ausnahmebestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes für leitende Angestellte) greifen.
Haben außertarifliche Angestellte Anspruch auf Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld?
Ein gesetzlicher Anspruch auf Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld besteht für außertarifliche Angestellte nicht automatisch, da solche Zahlungen regelmäßig auf tarifvertraglichen oder betrieblichen Vereinbarungen beruhen. Relevant wird hier wiederum der individuelle Arbeitsvertrag: Besteht eine explizite Regelung zu Sonderzahlungen, so ist diese rechtlich bindend. Fehlt eine solche Vereinbarung, können AT-Angestellte im Regelfall weder einen allgemeinen branchenüblichen noch einen gesetzlichen Anspruch darauf geltend machen. Eine Ausnahme kann sich jedoch durch betriebliche Übung oder Gleichbehandlung ergeben, wenn der Arbeitgeber wiederholt und vorbehaltlos allen Beschäftigten – einschließlich AT-Angestellten – entsprechende Zahlungen gewährt hat. Dann kann ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf diese Sonderleistungen entstehen. Streitigkeiten über den Anspruch auf Sonderzahlungen werden häufig vor den Arbeitsgerichten ausgetragen, wobei die vertraglichen und betrieblichen Formulierungen von entscheidender Bedeutung sind.
Sind außertarifliche Angestellte im Betriebsrat wählbar und wahlberechtigt?
Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind AT-Angestellte grundsätzlich sowohl aktiv wie auch passiv bei Betriebsratswahlen beteiligt, da sie keine leitenden Angestellten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 5 Abs. 3 BetrVG) sind. Die aktive wie passive Wahlberechtigung besteht folglich, solange keine typischen leitenden Funktionen (z.B. selbständige Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern) ausgeübt werden. In Einzelfällen kann es jedoch zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, insbesondere wenn Tätigkeiten mit erheblichem Handlungsspielraum oder Sondervollmachten einhergehen. In Zweifelsfällen erfolgt eine Einzelfallprüfung durch die Wahlvorstände oder im Streitfall durch das Arbeitsgericht.
Welche arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzvorschriften gelten für außertarifliche Angestellte?
Für AT-Angestellte gelten im Wesentlichen die gleichen Kündigungsschutzvorschriften wie für tarifliche Arbeitnehmer, sofern keine leitende Angestelltenstellung im engeren Sinne vorliegt. Das bedeutet, dass das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bei entsprechender Betriebsgröße (mehr als zehn Arbeitnehmer) und Wartezeit Anwendung findet. AT-Angestellte genießen damit Schutz vor ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen unter denselben Voraussetzungen wie andere Mitarbeiter. Besondere Schutzvorschriften, z. B. für Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsratsmitglieder, gelten ebenfalls unabhängig von der AT-Stellung. Allerdings bestehen abweichende Regelungen, soweit der Arbeitsvertrag Sonderregelungen vorsieht oder eine AT-Vergütung mit Abfindungsregelungen bei Kündigung ausgestattet ist. Auch das Thema Freistellung während der Kündigungsfrist kann individuell vertraglich vereinbart werden und ist nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln.
Ist für außertarifliche Angestellte die Arbeitszeit gesetzlich geregelt?
Grundsätzlich gilt für außertarifliche Angestellte das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), sodass die üblichen gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen auch für sie Anwendung finden. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn es sich beim AT-Angestellten um eine leitende Führungskraft im Sinne des § 18 ArbZG handelt – nur dann entfällt die Geltung von Arbeitszeitvorschriften. Für alle anderen AT-Beschäftigten gilt: Die tägliche Arbeitszeit darf grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten und kann nur bei Zeitausgleich auf zehn Stunden verlängert werden. Bereitschaftsdienste, Rufbereitschaft sowie Ruhezeiten sind ebenfalls zu beachten. Vertraglich darf zugunsten des Arbeitnehmers, nicht jedoch zu dessen Nachteil vom Gesetz abgewichen werden. Verstöße gegen die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen ziehen potentielle Bußgelder und arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber nach sich.
Wie ist der Urlaubsanspruch für außertarifliche Angestellte geregelt?
Rechtlich betrachtet haben AT-Angestellte mindestens Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), der bei einer Fünftagewoche derzeit 20 Werktage beträgt. Häufig gewähren Arbeitgeber AT-Angestellten jedoch einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden vertraglichen Urlaubsanspruch, der explizit im Arbeitsvertrag geregelt sein muss. Fehlen tarifliche Vorgaben, kommt es ausschließlich auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen oder betriebliche Praxis an. Von Bedeutung ist, dass AT-Angestellte keinen schlechteren Urlaubsanspruch als vergleichbare andere Arbeitnehmer haben dürfen (arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz). Besondere Regelungen können sich aus individuellen Verträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben; eine Abweichung vom Mindesturlaub nach unten wäre jedoch unzulässig. Bei Streitigkeiten über die Urlaubsansprüche ist stets der Arbeitsvertrag und die betriebliche Übung heranzuziehen.