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Außerordentliches Testament


Definition und Begriffserklärung: Außerordentliches Testament

Ein außerordentliches Testament ist eine Sonderform des Testaments im deutschen Erbrecht, welche unter besonderen, meist außergewöhnlichen Umständen errichtet werden kann. Diese Testamentsart dient der Sicherstellung des letzten Willens einer Person für den Fall, dass die gewöhnlichen Errichtungsformen aufgrund von Gefahrensituationen, Krankheit oder sonstigen unvorhergesehenen Umständen nicht eingehalten werden können. Die außerordentlichen Testamente werden in den §§ 2249-2252 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt und stellen gegenüber dem ordentlichen Testament (eigenhändiges oder öffentliches Testament) eine Ausnahme dar.


Gesetzliche Grundlagen und Rechtsquellen

Überblick zu den einschlägigen Vorschriften

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen finden sich in den §§ 2249 bis 2252 BGB:

  • § 2249 BGB: Nottestament vor dem Bürgermeister
  • § 2250 BGB: Nottestament vor drei Zeugen
  • § 2251 BGB: Seetestament
  • § 2252 BGB: Unwirksamwerden des außerordentlichen Testaments

Diese Vorschriften legen fest, unter welchen Umständen, in welcher Form und mit welchen Beteiligten ein außerordentliches Testament errichtet werden kann.


Arten der außerordentlichen Testamente

Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249 BGB)

Das Nottestament vor dem Bürgermeister ist möglich, wenn der Erblasser sich in akuter Todesgefahr befindet und die Errichtung eines Testaments vor einem Notar unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Der Bürgermeister oder ein vom Bürgermeister bestellter Stellvertreter nimmt das Testament in Anwesenheit von zwei Zeugen auf und beurkundet dieses. Hierdurch wird eine schnelle und rechtssichere Testamentsform geschaffen, um dem Willen des Erblassers kurzfristig Geltung zu verschaffen.

Voraussetzungen:

  • Akute Gefahr für Leben oder Gesundheit des Erblassers
  • Unmöglichkeit oder erhebliche Erschwernis der Errichtung eines Testaments vor dem Notar
  • Niederschrift in Anwesenheit von zwei Zeugen

Nottestament vor drei Zeugen (§ 2250 BGB)

Das Nottestament vor drei Zeugen ist als letzte Möglichkeit vorgesehen, falls auch ein Bürgermeister oder Notar nicht erreichbar ist. Hierbei erklärt der Erblasser seinen letzten Willen vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen. Einer der Zeugen verfasst eine Niederschrift, die von allen unterschrieben werden muss.

Voraussetzungen:

  • Akute Notsituation (insbesondere Todesgefahr)
  • Weder Notar noch Bürgermeister sind erreichbar
  • Erblasser erklärt seinen letzten Willen mündlich vor drei Zeugen
  • Zeitnahe schriftliche Festhaltung und Unterzeichnung des Willens durch die Zeugen

Seetestament (§ 2251 BGB)

Ein Seetestament kann ausschließlich durch Personen errichtet werden, die sich auf einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffs außerhalb eines inländischen Hafens befinden. Diese Form ist notwendig, wenn ein Notar nicht erreichbar ist und die Lebensgefahr des Erblassers konkret besteht.

Voraussetzungen:

  • Aufenthalt auf See außerhalb eines deutschen Hafens
  • Fahrlässigkeit der Herstellung eines Testaments vor Notar oder Bürgermeister
  • Errichtung vor drei Zeugen unter Beachtung formeller Anforderungen

Formvorschriften und Errichtungsmodalitäten

Formale Anforderungen

Für die Wirksamkeit eines außerordentlichen Testaments bestehen folgende Vorgaben:

  • Mündliche Erklärung des letzten Willens des Erblassers
  • Gleichzeitige Anwesenheit von mehreren Zeugen, deren Zahl je nach Testamentsform variiert
  • Anfertigung einer Niederschrift über den erklärten Willen, Verlesung dieser und anschließende Unterzeichnung durch die Zeugen beziehungsweise den Bürgermeister

Zeugenausschluss und Befangenheit

Nicht als Zeugen zugelassen sind Personen, die durch das Testament selbst oder durch Unterrichtung begünstigt werden sollen, sowie deren Ehegatten, Partner oder enge Familienangehörige. Dies soll Interessenkonflikte und Manipulation verhindern.


Rechtsfolgen, Wirksamkeit und Anfechtbarkeit

Vorläufige und zeitlich beschränkte Gültigkeit

Außerordentliche Testamente gelten nur für eine begrenzte Zeit. Wird der Erblasser nach dem Abklingen der Notsituation wieder zeugungs-, schreib- oder reisefähig, verlieren diese Testamente gemäß § 2252 BGB nach drei Monaten ihre Wirksamkeit. Dient die Testamentsform insbesondere dem Schutz des vermuteten letzten Willens in akuten Notlagen.

Anfechtung und Widerruf

Außerordentliche Testamente können ebenso wie ordentliche Testamente angefochten oder widerrufen werden. Die allgemeinen Anfechtungsgründe gemäß § 2078 BGB (Irrtum, Drohung, Täuschung) sind auch hier anwendbar.


Bedeutung im Erbrecht und praktische Relevanz

Funktion und Schutzzweck

Außerordentliche Testamente sichern die Testierfreiheit auch in außergewöhnlichen Gefahrensituationen ab. Sie verhindern, dass die letztwillige Verfügung einer Person aufgrund unvorhergesehener Umstände nicht rechtswirksam dokumentiert werden kann. Gleichwohl ist ihnen eine nur vorübergehende Wirkung eigen, die mit dem Wegfall der Notsituation wieder endet.

Unterschied zum ordentlichen Testament

Während ein ordentliches Testament regelmäßig formstrenger (handschriftlich, notariell) errichtet werden muss, erlauben die Nottestamente flexible und situationsadaptive Regelungen. Sie dienen damit dem Schutz praktischer Bedürfnisse in Extremsituationen, ohne jedoch langfristig das gewöhnliche Testament zu ersetzen.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 2247-2252 (Testamentsformen)
  • Palandt, BGB-Kommentar, Testamentsrecht
  • MüKo-BGB, Kommentar zum Erbrecht

Zusammenfassung

Das außerordentliche Testament nach deutschem Recht ist eine hochspezialisierte Form der letztwilligen Verfügung, die speziell für außergewöhnliche, außeralltägliche Umstände konzipiert wurde. Geregelt in den §§ 2249 bis 2252 BGB, gewährleistet diese Testamentsart die Geltendmachung des letzten Willens auch bei akuter Lebensgefahr, Reisen auf See oder unter sonstigen Notständen, wobei strenge zeitliche, personelle und formelle Vorgaben die Rechtssicherheit und den Schutz vor Missbrauch sichern. Die Möglichkeit zur Errichtung eines außerordentlichen Testaments sichert damit ein hohes Maß an Flexibilität und Schutz im Erbrecht.

Häufig gestellte Fragen

In welchen außergewöhnlichen Situationen ist ein außerordentliches Testament zulässig?

Ein außerordentliches Testament darf gemäß den §§ 2249 bis 2251 BGB nur dann errichtet werden, wenn sich der Erblasser in einer Notlage befindet, die eine Errichtung eines Testaments in der regulären Form (etwa als eigenhändiges oder notarielles Testament) unmöglich oder erheblich erschwert. Solche Notsituationen können beispielsweise Bestehen, wenn der Erblasser durch Krankheit, Kriegsgefahr, Auslandsaufenthalt, Naturkatastrophen oder ähnlichen Umständen psychisch sowie physisch daran gehindert ist, ein Testament auf gewöhnliche Weise zu verfassen. Zu den Not-Testamenten zählen das Bürgermeistertestament (§ 2249 BGB), das Dreizeugentestament (§ 2250 BGB) und das Seetestament (§ 2251 BGB). Jede dieser Formen setzt voraus, dass die Notsituation nachgewiesen und die formellen Anforderungen eingehalten werden. Das Gesetz verlangt zudem, dass die Umstände, die zur außerordentlichen Form berechtigen, bei Niederschrift und Errichtung bestehen.

Wer muss bei der Errichtung eines außerordentlichen Testaments anwesend sein?

Die Anwesenheits-Erfordernisse hängen von der konkreten Form des außerordentlichen Testaments ab. Beim Bürgermeistertestament etwa, das nur bei unmittelbarer Todesgefahr errichtet werden kann, muss der Bürgermeister oder ein anderer hierzu befugter Amtsträger sowie zwei Zeugen zugegen sein. Beim Dreizeugentestament hingegen ist kein Amtsträger notwendig, jedoch müssen drei Zeugen gleichzeitig anwesend sein und aktiv an der Willenserklärung des Erblassers teilhaben. Die Zeugen müssen volljährig, geschäftsfähig und dürfen nicht im Testament bedacht werden oder Angehörige des Erblassers sein (§ 2270 BGB). Im Falle eines Seetestaments, das auf Seeschiffen errichtet wird, müssen der Kapitän oder sein Stellvertreter und zwei Zeugen anwesend sein. Die Anwesenheiten der vorgeschriebenen Personen sind zwingende Wirksamkeitsvoraussetzungen, deren Fehlen zur Nichtigkeit des Testaments führt.

Welche Formerfordernisse müssen bei außerordentlichen Testamenten beachtet werden?

Die Formvorgaben eines außerordentlichen Testaments sind streng und gesetzlich abschließend geregelt. Der letztwillige Wille des Erblassers muss mündlich oder schriftlich erklärt und von den Zeugen sowie der beurkundenden Person unmittelbar wahrgenommen werden. Das Testament ist nach Diktat des Erblassers zu verschriftlichen und von allen Anwesenden zusammen zu unterschreiben. Weiterhin muss die Niederschrift der Testamentsverfügung den Ort, das Datum und die anwesenden Zeugen vermerken; auch die die Notsituation begründenden Umstände sollten festgehalten werden. Bei Abweichungen oder Formfehlern ist das außerordentliche Testament unwirksam (§ 125 BGB analog). Zudem haben alle Beteiligten die Pflicht, den letzten Willen nach Formvorschrift möglichst schnell an das Nachlassgericht weiterzuleiten (§ 2259 BGB).

Wie lange bleibt ein außerordentliches Testament wirksam?

Ein außerordentliches Testament besitzt eine begrenzte Geltungsdauer. Gemäß § 2252 BGB verliert es seine Wirksamkeit, wenn der Erblasser drei Monate nach Wegfall der Notsituation noch lebt und in der Lage ist, ein Testament in gewöhnlicher Form zu errichten. Die Dreimonatsfrist dient dem Schutz des Erblassers vor dauerhaft bindenden Regelungen, die unter Ausnahmesituationen getroffen wurden. Erleidet der Erblasser zwischenzeitlich wieder eine Notsituation, beginnt die Frist erneut zu laufen. Stirbt der Erblasser vor Ablauf der Drei-Monats-Frist, bleibt das außerordentliche Testament voll wirksam.

Was passiert, wenn mehrere Testamente vorhanden sind?

Sollten verschiedene Testamente vorliegen – etwa ein ordnungsgemäßes handschriftliches und ein später errichtetes außerordentliches Testament -, so gilt grundsätzlich das jüngere Testament, sofern es formgültig errichtet ist und keine Widerrufserklärung oder Unwirksamkeitsgründe entgegenstehen. Die allgemeinen Regelungen über die Testamentsauslegung und das Verhältnis mehrerer Verfügungen untereinander (§§ 2258 ff. BGB) sind auch bei der Koexistenz eines außerordentlichen Testaments zu berücksichtigen. Ein außerordentliches Testament kann jederzeit vom Erblasser durch ein neues Testament in ordentlicher oder außerordentlicher Form widerrufen werden.

Müssen die Zeugen besondere Voraussetzungen erfüllen?

Ja, die Zeugen bei außerordentlichen Testamenten müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um als solche fungieren zu dürfen. Sie müssen volljährig (mindestens 18 Jahre alt) und voll geschäftsfähig sein. Sie dürfen weder im Testament selbst bedacht noch mit dem Erblasser verwandt oder verschwägert sein (§ 2270 BGB). Zudem müssen sie in der Lage sein, das Testiergeschehen geistig zu erfassen und die Verfügungen auch tatsächlichen bestätigen zu können. Zeugen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, führen zur Unwirksamkeit des Testaments, da ihre Mitwirkung eine zentrale Schutzfunktion für den letzten Willen des Erblassers darstellt.

Welche besonderen Nachweispflichten bestehen nach dem Tod des Erblassers?

Nach dem Tod des Erblassers muss das außerordentliche Testament dem zuständigen Nachlassgericht unverzüglich eingereicht werden (§ 2259 BGB). Die Zeugen sowie die beurkundende Person sind verpflichtet, beim Gericht die Notsituation und die Testierfähigkeit des Erblassers zu bezeugen. Je nach Einzelfall kann das Gericht weitere Nachweise fordern, insbesondere zur Plausibilität der Notsituation und zur Funktionsfähigkeit der Testierwillenserklärung. Die Beweislast liegt bei denjenigen, die sich auf die Wirksamkeit des außerordentlichen Testaments berufen. Fehlen diese Nachweise, kann die Eröffnung und Berücksichtigung des Testaments scheitern.