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Außerordentliche Einkünfte

Außerordentliche Einkünfte: Begriff und Einordnung

Außerordentliche Einkünfte sind besondere Einnahmen, die ihrer Art nach nicht regelmäßig entstehen und sich deutlich von den laufenden, wiederkehrenden Einkünften unterscheiden. Sie treten typischerweise einmalig oder selten auf, führen häufig zu einer Konzentration von Einkommen in einem einzelnen Jahr und können dadurch die Steuerprogression spürbar erhöhen. Zur Abmilderung dieser Wirkung sieht das Einkommensteuerrecht für bestimmte, gesetzlich umschriebene Fallgruppen eine Tarifbegünstigung vor.

Zweck und Systematik

Ziel der Begünstigung

Die steuerliche Begünstigung außerordentlicher Einkünfte soll die durch Einmalzahlungen ausgelösten Progressionssprünge mindern. Da das Steuersystem an die Leistungsfähigkeit im Veranlagungszeitraum anknüpft, können gebündelte Einnahmen ein verzerrtes Bild erzeugen. Die Begünstigung glättet diese Sondereffekte.

Einbindung in das Tarifsystem

Die Vergünstigung erfolgt tariflich, typischerweise über eine rechnerische Verteilung der außerordentlichen Einkünfte auf mehrere Jahre (bekannt als Fünftelregelung). Sie verändert nicht die Bemessungsgrundlage an sich, sondern beeinflusst die Anwendung des Steuertarifs, um die Progressionswirkung zu dämpfen.

Tatbestände, die regelmäßig als außerordentlich gelten

Entschädigungen (Abfindungen)

Entschädigungen sind Ersatzleistungen, die wirtschaftlich an die Stelle entgehender oder entgangener Einkünfte treten. Ein typisches Beispiel ist eine Abfindung anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Voraussetzung für die Begünstigung ist regelmäßig, dass die Zahlung eine atypische Zusammenballung darstellt und nicht bloß eine reguläre, laufende Vergütung ersetzt.

Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten

Hierzu zählen Einnahmen, die für eine Tätigkeit gezahlt werden, die sich über mehr als zwölf Monate erstreckt und mehr als einen Veranlagungszeitraum umfasst. Wird eine solche Leistung in einer Summe oder konzentriert in einem Jahr vergütet (etwa eine gesammelte Erfolgsbeteiligung über mehrere Jahre), kann die Begünstigung in Betracht kommen.

Veräußerungsgewinne im betrieblichen Bereich

Gewinne aus der Veräußerung eines ganzen Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils sowie entsprechende Vorgänge in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft und selbständige Arbeit gelten regelmäßig als außerordentliche Einkünfte. Hintergrund ist die Einmaligkeit der Transaktion und die dadurch bedingte Einkünftekonzentration.

Aufgabegewinne

Ahnlich wie bei der Veräußerung gilt auch die endgültige Aufgabe einer betrieblichen Tätigkeit als außerordentlicher Vorgang. Der daraus resultierende Aufgabegewinn kann tarifbegünstigt sein.

Weitere Konstellationen

  • Vergütungen, die aufgrund gerichtlicher oder außergerichtlicher Einigung rückwirkend mehrere Jahre betreffen und in einem Jahr zufließen.
  • Einmalige Vergleichszahlungen, die nicht den Charakter laufender Entgelte haben.

Voraussetzungen und Abgrenzung

Außerordentlichkeit und Zusammenballung

Kennzeichnend ist die atypische Einmaligkeit und die zeitliche Verdichtung der Einnahmen in einem Jahr. Erfolgt die Auszahlung dagegen über mehrere Jahre in gleichmäßigen oder typisch wiederkehrenden Raten, spricht dies gegen einen außerordentlichen Charakter.

Mehrjährigkeit

Bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten ist entscheidend, dass der zugrundeliegende Leistungszeitraum insgesamt mehr als zwölf Monate umfasst und sich über mindestens zwei Veranlagungsjahre erstreckt. Eine bloß verspätete Zahlung für ein einzelnes Jahr reicht hierfür in der Regel nicht aus.

Keine regelmäßigen, laufenden Bezüge

Laufende Gehälter, laufende Tantiemen, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie regelmäßig gewährte Boni gelten nicht als außerordentliche Einkünfte, auch wenn sie in einem Jahr erhöht ausfallen.

Ausgeschlossene Fälle

  • Umschichtungen innerhalb privater Vermögenssphäre, die eigenständig anderen steuerlichen Regeln unterliegen.
  • Wiederkehrende Zahlungen, die ihrer Struktur nach periodisch anfallen.
  • Gestaltungen, bei denen laufende Einkünfte lediglich formal in Einmalbeträge umgewandelt werden, ohne dass ein außerordentlicher Anlass vorliegt.

Steuerliche Rechtsfolgen

Tarifermäßigung nach Fünftelregelung

Rechenschritte in Grundzügen

  • Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ohne den außerordentlichen Betrag.
  • Vergleichsweise Hinzurechnung eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte und Ermittlung der hierdurch entstehenden Mehrsteuer.
  • Multiplikation dieser Mehrsteuer mit fünf. Das Ergebnis wird der Steuer auf das laufende Einkommen zugerechnet.

Auf diese Weise wird die Progressionswirkung so behandelt, als wäre der Einmalbetrag rechnerisch auf fünf Jahre verteilt.

Wirkung und Grenzen

  • Die Entlastung hängt von der Höhe der übrigen Einkünfte, dem Tarif und der Größe des Einmalbetrags ab.
  • Liegt keine Zusammenballung vor oder handelt es sich um laufende Bezüge, scheidet die Begünstigung aus.
  • Werden außerordentliche Einkünfte auf mehrere Jahre verteilt gezahlt, kann die Vergünstigung ganz oder teilweise entfallen.

Zeitpunkt der Besteuerung

Im Bereich nichtselbständiger Arbeit kommt es regelmäßig auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Im betrieblichen Bereich ist für Veräußerungs- und Aufgabegewinne maßgeblich, wann der Gewinn realisiert wird. Die zeitliche Zuordnung beeinflusst, ob eine Zusammenballung im jeweiligen Jahr vorliegt.

Zusammentreffen mehrerer außerordentlicher Einkünfte

Treffen mehrere begünstigungsfähige Beträge in einem Jahr zusammen, werden sie für die tarifliche Berechnung zusammengerechnet. Das kann die Entlastungswirkung relativieren oder verstärken, abhängig von der Gesamtsituation.

Verfahrensaspekte

Nachweise und Dokumentation

  • Verträge, Aufhebungsvereinbarungen, Vergleichsprotokolle und Zahlungsnachweise dienen der Einordnung als außerordentliche Einkünfte.
  • Bei mehrjährigen Tätigkeiten sind Unterlagen zum Leistungszeitraum und dessen Dauer bedeutsam.

Lohnsteuerabzug und Veranlagung

Bei Entschädigungen aus Arbeitsverhältnissen kann die Begünstigung unter bestimmten Voraussetzungen bereits im Lohnsteuerabzug berücksichtigt werden. Eine abschließende Prüfung erfolgt in der Regel im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.

Abgrenzungen zu verwandten Begriffen

Abgrenzung zu außergewöhnlichen Belastungen

Außerordentliche Einkünfte sind Einnahmen, die steuerlich begünstigt sein können. Außergewöhnliche Belastungen sind demgegenüber besondere Ausgaben, die die Steuerlast mindern können. Beide Begriffe betreffen unterschiedliche Seiten der steuerlichen Leistungsfähigkeit.

Verhältnis zu Kapitalerträgen

Kapitalerträge unterliegen regelmäßig einer gesonderten Besteuerungssystematik. Sie gelten nicht per se als außerordentliche Einkünfte, auch wenn sie in einzelnen Jahren höher ausfallen.

Beispiele

  • Eine einmalige Abfindung nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die das künftig entfallende Gehalt ersetzt.
  • Eine Einmalvergütung für ein Projekt, das sich über zwei Jahre erstreckt hat, ausgezahlt in einem Betrag.
  • Der Gewinn aus der Veräußerung eines gesamten Betriebs oder eines Teilbetriebs.
  • Der Aufgabegewinn bei endgültiger Einstellung einer freiberuflichen Tätigkeit und Verwertung des Betriebsvermögens.
  • Eine gerichtliche Vergleichszahlung, die Arbeitslohn mehrerer Jahre bündelt und in einem Jahr zufließt.

Häufig gestellte Fragen

Was sind außerordentliche Einkünfte in einfachen Worten?

Es handelt sich um besondere, nicht regelmäßig anfallende Einnahmen wie Abfindungen, mehrjährige Vergütungen oder Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs. Sie sind typischerweise einmalig oder selten und konzentrieren sich auf ein Jahr.

Warum gibt es für außerordentliche Einkünfte eine steuerliche Begünstigung?

Einmalzahlungen können die Steuerprogression stark erhöhen. Die Begünstigung soll diesen Effekt abmildern, indem sie die Einkünfte rechnerisch auf mehrere Jahre verteilt.

Zählt eine Abfindung immer als außerordentliche Einkünfte?

Nicht zwingend. Entscheidend ist, ob sie wirtschaftlich entgehende Einkünfte ersetzt und in einem Jahr zusammengeballt zufließt. Regelmäßig gezahlte oder auf mehrere Jahre verteilte Beträge sprechen gegen die Einordnung als außerordentlich.

Welche Voraussetzungen gelten bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten?

Der Leistungszeitraum muss mehr als zwölf Monate umfassen und sich über mindestens zwei Veranlagungsjahre erstrecken. Zudem muss die Vergütung in einem Jahr konzentriert zufließen, damit eine Begünstigung in Betracht kommt.

Sind Gewinne aus dem Verkauf eines Unternehmens außerordentliche Einkünfte?

Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils gelten regelmäßig als außerordentlich, da sie einmalig sind und Einkommen in einem Jahr bündeln.

Wie funktioniert die Fünftelregelung in Grundzügen?

Für die Steuerberechnung wird ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte zum übrigen Einkommen hinzugerechnet, die dadurch entstehende Mehrsteuer ermittelt und anschließend verfünffacht. Dadurch wird die Progressionswirkung geglättet.

Was spricht gegen die Anerkennung als außerordentliche Einkünfte?

Gegen die Anerkennung sprechen insbesondere regelmäßige, laufende Zahlungen, bloß verspätete Einmalzahlungen für nur ein Jahr oder eine Verteilung der Zahlung auf mehrere Jahre ohne außergewöhnlichen Anlass.

Werden mehrere außerordentliche Einkünfte in einem Jahr gemeinsam betrachtet?

Ja. Treffen mehrere begünstigungsfähige Beträge in einem Jahr zusammen, werden sie für die tarifliche Begünstigung insgesamt berücksichtigt, was die Wirkung der Entlastung beeinflussen kann.