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Außensteuergesetz


Begriff und Zweck des Außensteuergesetzes

Das Außensteuergesetz (AStG) ist ein zentrales Regelwerk des deutschen Steuerrechts. Es regelt die steuerlichen Konsequenzen von grenzüberschreitenden Sachverhalten, insbesondere mit Bezug auf natürliche Personen und Gesellschaften, die ihren Wohnsitz oder Sitz außerhalb Deutschlands haben oder internationale Geschäftstätigkeiten entfalten. Das AStG wurde 1972 eingeführt und seither mehrfach novelliert. Ziel des Gesetzes ist die Sicherstellung der deutschen Steuerbasis bei Sachverhalten mit Auslandsbezug und die Verhinderung von Steuerumgehungen und unerwünschten Gestaltungen, wie der Verlagerung von Einkommen in Niedrigsteuerländer.

Anwendungsbereich und Geltungsbereich

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Das Außensteuergesetz gilt insbesondere für unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die Beziehung zu Auslandssachverhalten haben. Es ist sowohl auf natürliche Personen als auch auf Kapital- und Personenhandelsgesellschaften sowie andere Körperschaften anwendbar.

Territorialer Geltungsbereich

Der Anwendungsbereich umfasst alle steuerrelevanten Sachverhalte mit Auslandsberührung, vor allem bei Geschäftsbeziehungen in sogenannte Niedrigsteuerländer, bei Verlagerung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts und bei Beteiligungsstrukturen mit Auslandsgesellschaften.

Wichtige Regelungsinhalte des Außensteuergesetzes

Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG)

Eine zentrale Bestimmung des Außenteuergesetzes ist die sogenannte Wegzugsbesteuerung. Verlegt eine natürliche Person, die an einer Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt ist, ihren Wohnsitz aus Deutschland ins Ausland, werden die stillen Reserven in den Anteilen fingiert als realisiert betrachtet. Es kommt zur Besteuerung so, als wären die Anteile verkauft worden. Dies soll verhindern, dass Wertsteigerungen, die während der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland entstanden sind, der deutschen Besteuerung entzogen werden.

Betroffene Beteiligungen und Voraussetzungen

Die Regelung betrifft natürliche Personen, die zumindest zu 1 % innerhalb der letzten fünf Jahre an einer Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Liegt einer der im Gesetz aufgeführten Ausnahmetatbestände vor, kann ein Antrag auf Stundung der Steuer angeboten werden.

Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG)

Die Hinzurechnungsbesteuerung ist eine zentrale Regelung, um Einkünfte ausländischer (insbesondere in Niedrigsteuerländern ansässiger) Gesellschaften beim inländischen Anteilseigner der Besteuerung zu unterwerfen. Ziel ist es, die Verlagerung von passiven Einkünften in Staaten mit niedriger Steuerbelastung zu verhindern.

Voraussetzungen der Hinzurechnung

  • Beherrschende Beteiligung: Mindestens 50 % der Anteile (allein oder gemeinsam mit verbundenen Personen) müssen direkt oder indirekt gehalten werden.
  • Niedrige Besteuerung: Die Gesellschaft ist in einem Staat ansässig, dessen Besteuerung unter 25 % liegt.
  • Passive Einkünfte: Die ausländische Gesellschaft erzielt passive Einkünfte im Sinne des Gesetzes, beispielsweise Zinsen, Lizenzeinnahmen oder Dividenden.

Umfang der Hinzurechnung

Sind die Voraussetzungen erfüllt, werden die passiven Einkünfte anteilig dem inländischen Anteilseigner zugerechnet, als ob sie direkt bezogen worden wären (unabhängig von tatsächlicher Ausschüttung).

Zwischengesellschaften und Treaty Override (§ 8 AStG; § 20 AStG)

Die Regelungen zu sog. Zwischengesellschaften verhindern, dass über Ketten ausländischer Gesellschaften die Entstehung einer Hinzurechnungsbesteuerung umgangen werden kann. § 20 AStG (Treaty Override) stellt klar, dass bestimmte Regelungen des AStG Vorrang vor abweichenden Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen haben.

Erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 AStG)

Personen, die nach einem Wegzug ins Ausland dennoch wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland unterhalten, können der sog. erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Diese Vorschrift soll den Entzug der Steuerpflicht durch Wegzug verhindern, wenn weiterhin eine starke wirtschaftliche Beziehung zu Deutschland besteht.

Bedeutung für die Steuerplanung und internationale Gesellschaftsstrukturen

Das AStG stellt zahlreiche Anforderungen an die steuerliche Behandlung von Auslandssachverhalten. Besonders für international tätige Unternehmen und Investoren sind das Risiko der Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Wegzugsbesteuerung im Falle eines Wohnsitzwechsels bedeutend. Die Vorschriften setzen umfassende Mitwirkungs- und Meldepflichten voraus und wirken sich auf die Gestaltungsspielräume bei internationalen Strukturen aus.

Vermeidung von Gestaltungen

Das AStG sieht insbesondere durch die Festlegung von Niedrigsteuerländern und die Definition passiver Tätigkeiten vor, dass bestimmte „Steueroasen-Gestaltungen“ unterbunden werden.

Dokumentations- und Nachweispflichten

Durch die dokumentationspflichtigen Verrechnungspreise (§ 1 AStG) müssen internationale Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen angemessen bepreist und umfassend dokumentiert werden. Diese Regeln dienen dazu, Gewinnverlagerungen in das Ausland zu vermeiden und die steuerliche Erfassung der Erträge in Deutschland sicherzustellen.

Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht

Das Außensteuergesetz steht in einem engen Zusammenhang mit internationalen Abkommen, insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). In bestimmten Fällen durchbricht das AStG DBA-Regelungen, etwa durch die Hinzurechnungsbesteuerung (§ 20 AStG, Treaty Override). Auch das Recht der Europäischen Union, insbesondere die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit, setzt dem AStG Grenzen. Bestimmungen des AStG wurden daher immer wieder durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs beeinflusst und angepasst.

Gesetzliche Entwicklung und Reformen

Seit Inkrafttreten 1972 hat das Außensteuergesetz mehrere Reformen erfahren. Wichtige Änderungen resultieren aus Anpassungen an nationales und internationales Steuerrecht, EU-rechtliche Entwicklungen sowie aus dem BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD, das auf die Bekämpfung von Gewinnverkürzung und -verlagerung abzielt.

Reformen 2021 und 2022

Mit den Reformen der Jahre 2021 und 2022 wurden u. a. der Niedrigsteuersatz für passive Zwischengesellschaften angepasst sowie Stundungs- und Entstrickungsregelungen bei der Wegzugsbesteuerung modifiziert.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Gesetzestext des Außensteuergesetzes (AStG)
  • Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum AStG
  • Kommentare und Gesetzesmaterialien zum internationalen Steuerrecht
  • Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Auslegung des AStG

Zusammenfassung

Das Außensteuergesetz dient dem Schutz der deutschen Steuerbasis bei internationalen Sachverhalten. Mit Regelungen zur Wegzugs- und Hinzurechnungsbesteuerung, zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht sowie zu Dokumentationspflichten stellt es ein entscheidendes Instrument zur Verhinderung von Steuervermeidungsstrukturen und zur Sicherstellung der Besteuerung von im Ausland erzielten Einkünften dar. Internationale Entwicklungen und Rechtsprechung beeinflussen seine Anwendung fortlaufend und machen eine kontinuierliche Rechtsfortbildung erforderlich.

Häufig gestellte Fragen

Wann greift die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz?

Die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7-14 AStG greift, wenn inländische Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt sind und die Einkünfte dieser Gesellschaft bestimmten als niedrig besteuert geltenden Einkunftsarten zugeordnet werden können. Entscheidend ist hierbei, dass die Einkünfte passiv sind (beispielsweise Zinsen, Dividenden, Lizenzeinnahmen, Vermietung und Verpachtung oder Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Vermögenswerte) und der Steuersatz im Sitzstaat der Gesellschaft unter 25 % liegt. Bestimmte Ausnahmen, wie die sogenannten Motive- und Börsenklauseln, können zur Nichtanwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führen. Maßgebend ist stets eine detaillierte Analyse der Gesellschaftsstruktur und der jeweiligen ausländischen Besteuerung.

Wie wird die Niedrigbesteuerung nach dem Außensteuergesetz ermittelt?

Eine Niedrigbesteuerung im Sinne des AStG liegt vor, wenn die von der ausländischen Gesellschaft tatsächlich entrichtete Steuerbelastung auf deren Einkünfte im Ausland weniger als 25 % beträgt. Der maßgebliche Steuersatz ist dabei der effektive Steuersatz nach der ausländischen Steuerrechtslage, das heißt, es wird auf die tatsächlich geleistete Steuer im Verhältnis zum gesamten zu versteuernden Einkommen abgestellt. Forschungs- und entwicklungsspezifische oder andere begünstigte Steuersätze sind ebenfalls zu berücksichtigen. Um die Berechnung rechtlich korrekt auszuführen, ist es häufig notwendig, eine Vergleichsrechnung aufzustellen, bei der begünstigte und standardmäßige ausländische Unternehmensstrukturen analysiert werden.

Welche Bedeutung hat das Beherrschungskriterium im Außensteuergesetz?

Das Beherrschungskriterium beschreibt, ab welchem Maß eine deutsche Person bzw. Personengruppe als beherrschend im Sinne des AStG gilt. Eine Beherrschung liegt vor, wenn eine inländische natürliche Person, eine Körperschaft oder eine Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar gesellschaftsrechtlich zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Auch eine Mehrheit der Stimmrechte oder ein entsprechender Einfluss aufgrund spezieller gesellschaftsvertraglicher Regelungen kann als Beherrschung ausgelegt werden. Das Gesetz sieht eine Konsolidierung der Beteiligungen über nahestehende Personen und verbundene Unternehmen vor, weshalb eine genaue rechtliche Prüfung der Beteiligungsverhältnisse erforderlich ist.

Welche Ausnahmen von der Hinzurechnungsbesteuerung existieren nach dem Außensteuergesetz?

Das Außensteuergesetz enthält verschiedene Ausnahmetatbestände, die eine Hinzurechnungsbesteuerung ausschließen können. Dazu zählen insbesondere die „Aktivitätsklausel“ (§ 8 Abs. 1-2 AStG) für bestimmte aktive Einkünfte wie etwa aus einer produktiven gewerblichen Tätigkeit oder aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Auch die sogenannte „Börsenklausel“ (§ 8 Abs. 8 AStG) für Gesellschaften, deren Anteile an einer anerkannten Börse gehandelt werden, stellt eine Ausnahme dar. Darüber hinaus sind besondere Regelungen für EU/EWR-Gesellschaften zu beachten. Diese Ausnahmen müssen allerdings jeweils nachgewiesen werden; eine pauschale Freistellung ist nicht vorgesehen.

Wie werden Zwischeneinkünfte im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung festgestellt?

Zwischeneinkünfte sind Einkünfte aus bestimmten passiven Tätigkeiten, die einer Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Nach dem AStG ist die ausländische Gesellschaft grundsätzlich verpflichtet, eine Gewinnermittlung nach deutschen steuerlichen Grundsätzen zu erstellen. Die entsprechenden passiven Einkünfte werden dann festgestellt und dem inländischen Anteilseigner anteilig zugerechnet. Zwischeneinkünfte sind insbesondere Erträge aus Kapitalvermögen, Vermietung, Verpachtung oder Rechteüberlassung sowie bestimmte Gewinne aus Handelsgeschäften und Dienstleistungen. Die exakte Zuordnung und Berechnung dieser Einkünfte sowie die erforderlichen Nachweis- und Dokumentationspflichten sind detailliert gesetzlich geregelt und erfordern oftmals eine umfassende Prüfung der relevanten Geschäftsunterlagen.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für Steuerpflichtige im Rahmen des Außensteuergesetzes?

Steuerpflichtige, die nach dem AStG von einer Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein könnten, sind verpflichtet, umfangreiche Mitwirkungs- und Nachweispflichten zu erfüllen. Dazu gehören die vollständige Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse und der gesellschaftsrechtlichen Strukturen sowie die Vorlage detaillierter Jahresabschlüsse und weiterer finanzrelevanter Unterlagen der ausländischen Gesellschaft. Diese Unterlagen sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu übermitteln und müssen den deutschen steuerlichen Grundsätzen entsprechen. Bei Verstößen gegen diese Mitwirkungspflichten drohen Schätzungen der Einkünfte und erhebliche steuerliche Nachteile.

Inwieweit findet das Außensteuergesetz auf EU/EWR-Gesellschaften Anwendung?

Das AStG findet grundsätzlich auch Anwendung auf Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im EU-/EWR-Ausland. Es gibt jedoch spezielle Ausnahmen und Erleichterungen im Sinne der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit. Voraussetzung für eine Ausnahme ist, dass die inländische Gesellschaft nachweist, dass die ausländische Gesellschaft einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und innerhalb der EU/EWR ansässig ist. Die Beweislast trägt in diesen Fällen der Steuerpflichtige. Sollten jedoch Gestaltungsmissbräuche zur Umgehung der deutschen Besteuerung erkennbar sein, wird das Gesetz auch auf EU-/EWR-Fälle strikt angewandt. Die Prüfung erfolgt im Einzelfall unter Würdigung aller wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände.