Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Vertragsrecht»Außengeschäftsraumvertrag

Außengeschäftsraumvertrag


Definition und rechtliche Einordnung des Außengeschäftsraumvertrags

Ein Außengeschäftsraumvertrag ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilrecht, der insbesondere im Zusammenhang mit Verbraucherschutzbestimmungen von Bedeutung ist. Er bezeichnet einen Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers abgeschlossen wird. Solche Verträge finden regelmäßig im Zusammenhang mit Haustürgeschäften, bei Verkaufsveranstaltungen oder im Rahmen von sogenannten „Kaffeefahrten“ statt und unterliegen besonderen gesetzlichen Vorschriften, die dem Schutz des Verbrauchers dienen.

Die zentrale Regelung zur Definition und den Rechtsfolgen eines Außengeschäftsraumvertrags finden sich insbesondere in §§ 312b ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Gesetzgeber reagierte mit diesen Bestimmungen auf die mögliche Überrumpelungsgefahr, der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen ausgesetzt sein können.


Merkmale des Außengeschäftsraumvertrags

Unternehmer- und Verbrauchereigenschaft

Ein Außengeschäftsraumvertrag muss zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) geschlossen werden. Nach dem deutschen Recht ist ein Unternehmer eine natürliche oder juristische Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Der Verbraucher hingegen handelt zu Zwecken, die überwiegend weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Abschluss außerhalb von Geschäftsräumen

Das charakteristische Merkmal ist der Abschluss des Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen. „Geschäftsräume“ sind nach § 312b Abs. 2 BGB Orte, an denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft oder gewöhnlich ausübt. „Außergeschäftsräume“ im Sinne der Vorschrift sind insbesondere:

  • Orte außerhalb von Geschäftsräumen bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit beider Parteien (z.B. in der Wohnung des Verbrauchers, an dessen Arbeitsplatz, auf öffentlichen Plätzen),
  • Geschäftsräume, die nur vorübergehend, etwa im Rahmen von Verkaufsveranstaltungen oder Messen, genutzt werden,
  • Verträge, die im Rahmen einer Ausflugsfahrt oder Freizeitveranstaltung geschlossen werden, sofern der Unternehmer in der Anbahnung, im Angebot oder in der Verhandlung derartige Vertriebsformen nutzt.

Nicht erfasst sind Verträge, die ausschließlich über Fernkommunikationsmittel (z.B. Internet, Telefon) zustande kommen; diese unterliegen den Vorschriften über Fernabsatzverträge.


Anwendungsbereich und typische Fallkonstellationen

Typische Situationen

Zu den häufigsten Anwendungsfällen eines Außengeschäftsraumvertrags zählen Haustürgeschäfte, Verkaufsgespräche an der Haustür, Präsentationen von Waren und Dienstleistungen im Rahmen von Wohnungsbesuchen oder an bislang nicht als Geschäftsräume eingeordneten temporären Verkaufsstätten, wie etwa Pop-up-Stores oder Hotelveranstaltungen.

Ausschlüsse vom Anwendungsbereich

Nicht von den Schutzvorschriften für Außengeschäftsraumverträge erfasst sind u.a.:

  • Verträge, bei denen der Preis oder das Entgelt nicht mehr als 40 Euro beträgt,
  • Notarielle Beurkundungen,
  • Verträge über Finanzdienstleistungen mit spezifischen Regelungen,
  • Verträge, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers zustande kommen, etwa wenn dieser selbst den Unternehmer außerhalb von Geschäftsräumen kontaktiert und zu sich bittet.

Eine genaue Prüfung des jeweiligen Einzelfalls ist erforderlich, um den Anwendungsbereich festzustellen.


Rechtliche Pflichten des Unternehmers

Informationspflichten

Vor dem Abschluss eines Außengeschäftsraumvertrages ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher umfassend über den Vertragsgegenstand, den Gesamtpreis, die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie die Laufzeit und Kündigungsbedingungen zu informieren (§ 312d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB). Diese vorvertraglichen Informationspflichten dienen der Transparenz und sollen dem Verbraucher eine informierte Entscheidung ermöglichen.

Widerrufsrecht

Das wichtigste Verbraucherschutzrecht im Zusammenhang mit dem Außengeschäftsraumvertrag ist das gesetzlich verankerte Widerrufsrecht (§§ 355, 356 BGB). Der Verbraucher kann den außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag grundsätzlich binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen. Der Unternehmer hat den Verbraucher über dieses Recht zu informieren, einschließlich über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufs.

Weitere Pflichten

Zusätzlich zu den Informationspflichten ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher eine angemessene Vertragsurkunde oder eine Bestätigung des Vertrags sowie eine Widerrufsbelehrung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.


Rechtsfolgen bei Verletzung der Pflichten

Folgen einer unterbliebenen Information

Unterlässt der Unternehmer die ordnungsgemäße Information über das Widerrufsrecht, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Verbraucher kann den Vertrag in solchen Fällen auch noch nach Ablauf der regulären Frist widerrufen – spätestens jedoch zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356 Abs. 3 BGB).

Folgen des Widerrufs

Im Falle eines rechtzeitigen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Unternehmer hat dem Verbraucher sämtliche empfangenen Zahlungen (einschließlich Lieferkosten) unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen zurückzuerstatten. Der Verbraucher muss etwa erhaltene Waren zurückgeben.


Besondere Regelungen und Ausnahmen

Kein Widerrufsrecht in bestimmten Fällen

Das Widerrufsrecht ist gemäß § 312g Abs. 2 BGB in bestimmten Fällen ausgeschlossen, beispielsweise:

  • Bei Verträgen über die Lieferung schnell verderblicher Waren,
  • Bei Verträgen, die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
  • Wenn es sich um versiegelte Waren handelt, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung entfernt wurde,
  • Bei Dienstleistungen, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und der Verbraucher dem ausdrücklich zugestimmt hat.

Vereinbarung von Ausnahmen

Vertragliche Vereinbarungen, die das gesetzliche Widerrufsrecht zum Nachteil des Verbrauchers ausschließen oder einschränken, sind unwirksam (§ 312k BGB). Der gesetzliche Schutzzweck der Vorschriften kann nicht abbedungen werden.


Rechtsfolgen bei Streitfällen

Kommt es zwischen den Vertragsparteien zu Streitigkeiten über das Bestehen eines Außengeschäftsraumvertrags oder die Ausübung des Widerrufsrechts, kann der Verbraucher seine Rechte auch gerichtlich geltend machen. Der Unternehmer trägt in der Regel die Beweislast dafür, dass er die gesetzlichen Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllt und der Verbraucher wirksam über das Widerrufsrecht belehrt wurde.


Bedeutung für den Verbraucherschutz

Die Regelungen über den Außengeschäftsraumvertrag tragen maßgeblich zum Verbraucherschutz bei, indem sie die Überrumpelungsgefahr in besonderen Vertriebssituationen adressieren und dem Verbraucher eine Bedenkzeit mit umfassenden Informationsrechten einräumen. Durch die Etablierung des Widerrufsrechts und klarer Informationspflichten wird eine ausgewogene Gestaltung des Vertragsschlusses gewährleistet.


Literatur und Weblinks

  • §§ 312b ff. BGB
  • Art. 246a EGBGB
  • Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie

Diese Vorschriften bieten einen umfassenden Überblick über die gesetzlichen Anforderungen und Schutzmechanismen rund um den Außengeschäftsraumvertrag im deutschen Zivilrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Widerrufsrechte bestehen bei Außengeschäftsraumverträgen?

Bei Außengeschäftsraumverträgen, also Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, sind insbesondere die Vorschriften der §§ 312b ff. BGB relevant. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB steht grundsätzlich Verbrauchern zu, wenn sie einen Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen mit einem Unternehmer schließen. Verbraucher sind natürliche Personen, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließen, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB). Das Widerrufsrecht beträgt 14 Tage ab Vertragsschluss, sofern der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde. Die Information über das Widerrufsrecht ist zwingende Voraussetzung; bei fehlerhafter oder unterbliebener Belehrung verlängert sich die Widerrufsfrist auf bis zu 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. In bestimmten Fällen, z.B. wenn Dienstleistungen bereits vollständig erbracht wurden und der Verbraucher hiervon Kenntnis hatte, kann das Widerrufsrecht jedoch ausgeschlossen sein.

Welche Formerfordernisse gelten für Außengeschäftsraumverträge?

Für Außengeschäftsraumverträge gelten grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse; sie sind formfrei möglich, falls nicht ausnahmsweise gesetzlich eine Schriftform vorgeschrieben ist (wie etwa bei Ratenkaufverträgen, § 492 BGB). Allerdings verpflichtet das Gesetz den Unternehmer, dem Verbraucher eine Vertragsurkunde oder den Vertragsinhalt auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen (§ 312f BGB). Ferner ist insbesondere die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung in Textform zu übermitteln. Werden diese Informationspflichten missachtet, kann dies zu einer Verlängerung des Widerrufsrechts oder auch zu Schadensersatzansprüchen führen.

Gibt es Ausnahmen vom Widerrufsrecht bei Außengeschäftsraumverträgen?

Das Widerrufsrecht ist bei Außengeschäftsraumverträgen nicht absolut, sondern erfährt in § 312g Abs. 2 BGB zahlreiche Ausnahmen. Es besteht zum Beispiel kein Widerrufsrecht bei Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde, bei versiegelten Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, sofern das Siegel entfernt wurde, sowie bei eigens nach Kundenwunsch angefertigten Waren („maßgeschneiderte“ Produkte). Auch bei dringenden Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgen und bei denen kein zusätzlicher Vertragsabschluss über andere Leistungen stattfand, entfällt das Widerrufsrecht.

Welche Informationspflichten obliegen dem Unternehmer bei Abschluss eines Außengeschäftsraumvertrages?

Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Verbraucher verschiedene, im Detail geregelte Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese ergeben sich insbesondere aus Art. 246a EGBGB. Dazu gehören unter anderem Angaben zu den wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, zum Gesamtpreis, zu Zahlungsmodalitäten, Liefer- und Leistungsbedingungen, zur Laufzeit und Kündigungsfristen sowie zu bestehenden gesetzlichen Gewährleistungsrechten. Die Informationen sind so bereitzustellen, dass der Verbraucher sie vor Vertragsschluss zur Kenntnis nehmen kann, z.B. in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger. Eine unterlassene oder fehlerhafte Information kann das Widerrufsrecht verlängern und ebenfalls abmahnfähig sein.

Wie wirkt sich ein Widerruf auf den geschlossenen Außengeschäftsraumvertrag aus?

Der Widerruf führt dazu, dass die Vertragsparteien nicht mehr an den Vertrag gebunden sind und die bereits empfangenen Leistungen zurückzuerstatten haben (§ 355 Abs. 3 BGB). Der Verbraucher muss bereits erhaltene Waren innerhalb von 14 Tagen nach Widerruf zurücksenden, während der Unternehmer geleistete Zahlungen – einschließlich etwaiger Lieferkosten – spätestens 14 Tage nach Zugang der Widerrufserklärung erstatten muss. Eine Ausnahme gilt für zusätzliche Lieferkosten bei ausdrücklich gewünschten Premiumversandarten. Für einen etwaigen Wertverlust der Ware haftet der Verbraucher nur, wenn dieser Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise nicht notwendig war.

Welche Bedeutung hat die Unterschrift des Verbrauchers auf einem Außengeschäftsraumvertrag?

Eine Unterschrift ist für die Wirksamkeit eines Außengeschäftsraumvertrages grundsätzlich nicht erforderlich, kann aber aus Beweisgründen sinnvoll sein. Bedeutender ist jedoch, ob der Verbraucher bei Vertragsschluss korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Wird dem Verbraucher eine Abschrift des Vertrages ausgehändigt und die Widerrufsbelehrung wirksam übergeben, kann die Unterschrift den Zugang der Belehrung und die Identität des Vertragspartners bestätigen. Fehlt es hingegen an einer ausreichenden Dokumentation oder wurde der Vertrag im Rahmen von Haustürgeschäften geschlossen und die Belehrung unterlassen, kann dies die Beweislast im Streitfall zu Ungunsten des Unternehmers verschieben.

Wie steht es um die Beweislast für das Zustandekommen und die Umstände eines Außengeschäftsraumvertrages?

Die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages und für die Erfüllung der Informationspflichten trägt grundsätzlich der Unternehmer. Er muss nachweisen können, dass der Verbraucher sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Informationen rechtzeitig erhalten hat und insbesondere ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurde. Anderenfalls besteht das Risiko einer verlängerten Widerrufsfrist oder unter Umständen auch eines nichtigen bzw. anfechtbaren Vertrages. Auch beim Nachweis von mündlichen Absprachen oder Übergabe von Vertragsunterlagen empfiehlt sich daher stets eine sorgfältige Dokumentation seitens des Unternehmers.