Ausschreibung im Strafprozess
Die Ausschreibung im Strafprozess ist ein bedeutender Begriff der deutschen Strafprozessordnung (StPO), der verschiedene Maßnahmen zur Fahndung nach Personen oder Sachen umfasst. Die Ausschreibung dient der Auffindung, Festnahme oder Sicherstellung von Personen oder Gegenständen, die für das Strafverfahren von Relevanz sind. Sie wird von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der Staatsanwaltschaft, angeordnet und umgesetzt. Die rechtliche Grundlage und der Ablauf der Ausschreibung im Strafprozess sind detailliert geregelt und nehmen eine zentrale Stellung bei der effektiven Strafverfolgung ein.
Rechtliche Grundlagen
Gesetzliche Regelung
Die gesetzlichen Bestimmungen zur Ausschreibung im Strafprozess finden sich insbesondere in der Strafprozessordnung (StPO) sowie ergänzend in weiteren einschlägigen Rechtsvorschriften, wie zum Beispiel dem Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) und dem Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG). Zentrale Vorschriften sind §§ 131 – 132 StPO sowie weitere Normen, die sich auf bestimmte Formen der Ausschreibung beziehen, etwa zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung.
Anordnungsbefugnis und Zuständigkeit
Ausschreibungen können im Strafprozess sowohl von Gerichten als auch von Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden angeordnet werden. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Verfahrensstand sowie nach der Bedeutung des konkreten Einzelfalles. In dringenden Fällen sind auch Eilentscheidungen möglich, wobei nachträglich die gerichtliche Genehmigung eingeholt wird.
Arten der Ausschreibung
Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung
Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (auch „Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung”) hat zum Ziel, den aktuellen Aufenthaltsort einer Person festzustellen, die für eine strafprozessuale Maßnahme benötigt wird, zum Beispiel für eine zeugenschaftliche Vernehmung oder eine Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Diese Person muss nicht zwangsläufig der Tatverdächtige selbst sein.
Ausschreibung zur Festnahme
Die Ausschreibung zur Festnahme dient dem Zweck, eine Person zum Zweck der Vollstreckung eines Haftbefehls oder zur Durchführung sonstiger Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Sie erfolgt regelmäßig auf richterliche Anordnung, kann in bestimmten Situationen aber auch durch Staatsanwaltschaft oder Polizei initiiert werden, wenn Gefahr im Verzug vorliegt. Grundlage ist in der Regel § 131 StPO.
Ausschreibung zur Sicherstellung und Beschlagnahme von Sachen
Neben Personen können auch Sachen im Strafverfahren ausgeschrieben werden, um deren Auffindung, Sicherstellung oder Beschlagnahme zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem Beweismittel, deren Verbleib unbekannt ist oder deren Herausgabe verweigert wird.
Internationale Ausschreibung
Im Zeitalter globaler Mobilität gewinnt die internationale Ausschreibung an Bedeutung. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen wie die Veranlassung einer sogenannten Interpol-Fahndung (beispielsweise Ausschreibung zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung). Rechtsgrundlage sind nationale sowie völkerrechtliche Regelungen (wie die Europäische Ermittlungsanordnung und internationale Übereinkommen).
Ablauf und Durchführung der Ausschreibung
Aufnahme in polizeiliche Informationssysteme
Nach der Anordnung erfolgt die Ausschreibung in zentralen polizeilichen Datenbanken, insbesondere dem Informationssystem der Polizei (INPOL), teilweise aber auch im Schengener Informationssystem (SIS), sofern es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt. Dort werden die persönlichen Daten, relevante Hinweise zum Sachverhalt sowie ggf. weitere Fahndungsmerkmale gespeichert.
Veröffentlichung und Bekanntgabe
Je nach Art und Umfang kann die Ausschreibung sowohl intern (also behördenübergreifend) als auch extern erfolgen, etwa durch öffentliche Bekanntmachung (beispielsweise Fahndungsaufrufe oder „Öffentlichkeitsfahndung”). Eine öffentliche Ausschreibung ist aus datenschutzrechtlichen Gründen jedoch nur zulässig, wenn der Zweck nicht anders erreicht werden kann und das öffentliche Interesse dies überwiegt.
Vollzug und Rechtsfolgen
Wird die ausgeschriebene Person oder Sache gefunden, so erfolgt der Vollzug der jeweiligen prozessualen Maßnahme – etwa Festnahme, Vorführung vor den Richter oder Sicherstellung. Die ausschreibende Behörde ist unverzüglich zu informieren, um das weitere Vorgehen zu steuern.
Rechtsschutz und Datenschutz
Rechtsweg
Betroffene Personen, gegen die eine Ausschreibung zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung ergangen ist, haben die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Maßnahme zu suchen. Gegen die Ausschreibung kann – abhängig vom Einzelfall – Beschwerde gemäß § 304 StPO eingelegt werden.
Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte
Die Ausschreibung personenbezogener Daten unterliegt den strengen Vorgaben des Datenschutzes, insbesondere dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und spezifischen Vorschriften für den Polizeibereich. Unrechtmäßige oder nicht mehr erforderliche Ausschreibungen sind unverzüglich zu löschen. Betroffene haben gegebenenfalls einen Anspruch auf Auskunft und Löschung.
Bedeutung der Ausschreibung im Strafprozess
Die Ausschreibung ist ein zentrales Ermittlungs- und Fahndungsinstrument im Strafprozess. Sie ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden, effektiv nach Personen oder Sachen zu suchen, die für den Verfahrensfortschritt unerlässlich sind. Gleichzeitig stellt die Ausschreibung einen gewichtigen Eingriff in die Grundrechte dar und ist daher besonders rechtlich und praktisch sensibel.
Literaturhinweise
- Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, Kommentar
- Löwe-Rosenberg, StPO, Kommentar
- KK-StPO, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung
Weblinks
Häufig gestellte Fragen
Wann wird eine Ausschreibung im Strafprozess angeordnet?
Die Ausschreibung zur Fahndung wird im Strafprozess immer dann angeordnet, wenn der Aufenthaltsort einer Person, die für das Verfahren von Bedeutung ist, unbekannt und ihre Ermittlung auf anderem Wege nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Gesetzliche Grundlage bieten insbesondere die §§ 131, 131a StPO, die regeln, dass eine solche Ausschreibung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft angeordnet wird, wenn der Zweck der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung es verlangt. In der Praxis betrifft dies vor allem Beschuldigte, Angeklagte, Zeugen, Sachverständige oder auch verurteilte Personen, deren Festnahme oder Vorführung erforderlich ist, beispielsweise für eine Hauptverhandlung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Zu unterscheiden sind hierbei die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung, die öffentliche Ausschreibung zur Festnahme und die internationale Ausschreibung mittels Rechtshilfe. Der Beschluss zur Ausschreibung muss zeitlich und inhaltlich begrenzt werden und bedarf grundsätzlich einer gerichtlichen Anordnung, sofern keine Gefahr im Verzug vorliegt.
Wer ist berechtigt, eine Ausschreibung im Strafprozess zu veranlassen?
Im deutschen Strafprozess sind grundsätzlich die Strafverfolgungsbehörden, namentlich Staatsanwaltschaft und Gericht, zur Anordnung einer Ausschreibung berechtigt. Die Polizei als Ermittlungsbehörde kann nur dann ohne vorherige richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung aktiv werden, wenn Gefahr im Verzug besteht. In solchen Fällen ist die Anordnung unverzüglich nachzuholen. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten oder bei Delikten von geringer Schwere ist die Ausschreibung nicht statthaft, weil das Verhältnismäßigkeitsprinzip stets zu wahren ist und Grundrechtseingriffe wie Fahndungsmaßnahmen nur bei erheblichem öffentlichen Interesse zulässig sind.
Welche Formen der Ausschreibung im Strafprozess existieren?
Die Strafprozessordnung unterscheidet mehrere Formen der Ausschreibung: Die Aufenthaltsermittlung gemäß § 131 StPO dient der Feststellung des aktuellen Aufenthaltsorts einer betroffenen Person ohne sofortige Festnahmeabsicht. Die Ausschreibung zur Festnahme nach § 131a StPO hat das Ziel, eine Person, in der Regel mit Haftbefehl, im gesamten Bundesgebiet zur Festnahme auszuschreiben. Darüber hinaus gibt es die internationale Fahndung, etwa im Rahmen des Schengener Informationssystems (SIS II) oder durch Interpol, wenn der Verdächtige sich ins Ausland abgesetzt haben könnte. Darüber hinaus bestehen Sondersachverhalte wie sachbezogene Ausschreibungen zur Sicherstellung von Beweismaterial oder Tatbeute.
Wie erfolgt die praktische Umsetzung einer Ausschreibung im Strafverfahren?
Nach Anordnung werden die personenbezogenen Daten und relevante Hinweise an die Polizei, Zollbehörden oder Grenzschutzstellen weitergeleitet und in entsprechenden (zumeist zentralen) Fahndungssystemen wie INPOL national oder SIS II international eingespeist. Die ausgeschriebene Person wird so bei polizeilichen Maßnahmen wie Verkehrskontrollen, Grenzübertritten oder sonstigen Überprüfungen erkannt und gegebenenfalls festgenommen. Die Ausschreibungsmaßnahme ist in den Ermittlungsakten zu dokumentieren. Bei internationalen Ausschreibungen ist die Zusammenarbeit über das Bundeskriminalamt als nationale Zentralstelle erforderlich, wobei die rechtlichen Voraussetzungen exakter Prüfung unterliegen.
Wie lange gilt eine Ausschreibung im Strafprozess und wie wird sie beendet?
Die Dauer der Ausschreibung ist in der Anordnung zu bestimmen und hängt vom Zweck ab: Sie bleibt grundsätzlich bis zur Erreichung des Fahndungsziels, also der Feststellung des Aufenthaltsorts, der Festnahme oder der Vorführung vor Gericht, bestehen. Wird der Zweck der Maßnahme erreicht oder liegen keine Voraussetzungen mehr vor, ist die Ausschreibung umgehend zu löschen. Die Behörde, die die Ausschreibung veranlasst hat, ist verpflichtet, regelmäßige Überprüfungen durchzuführen, ob die Maßnahme weiter erforderlich ist. Zudem kann die ausgeschriebene Person unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Überprüfung der Fahndungsmaßnahme beantragen.
Kann sich eine Ausschreibung im Strafprozess auch auf Dritte beziehen?
In seltenen Fällen können Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung auch Personen betreffen, die nicht direkt Beschuldigte des Strafverfahrens sind, wie Zeugen, Sachverständige oder Personen, die als wichtige Auskunftspersonen für das Verfahren gelten und beispielsweise einer Ladung zum Gericht nicht nachgekommen sind. Hier ist stets eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit geboten, da der Eingriff in Grundrechte erheblich ist und nicht das Ziel der Strafverfolgung im engeren Sinne, sondern die Aufklärung des Sachverhalts verfolgt wird.
Welche Rechtsmittel stehen gegen eine Ausschreibung zur Verfügung?
Betroffene können gegen die Anordnung einer Ausschreibung Rechtsschutz beantragen. Dies erfolgt meist durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 S. 2 StPO oder bei offensichtlichen Rechtsverstößen durch eine Beschwerde (§§ 304 ff. StPO). Im Fall einer internationalen Ausschreibung können zusätzlich europäische oder internationale Rechtsmittel in Betracht kommen, etwa eine Beschwerde bei der Europäischen Datenschutzaufsicht oder die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Möglichkeit des Rechtsschutzes ist besonders bedeutsam, da die Maßnahme erhebliche Auswirkungen für die Betroffenen haben kann – von Reisebeschränkungen bis zur temporären Festnahme und Eintragung in internationale Fahndungsdatenbanken.