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Ausschlagung der Erbschaft


Begriff und Bedeutung der Ausschlagung der Erbschaft

Die Ausschlagung der Erbschaft bezeichnet einen im deutschen Erbrecht vorgesehenen Gestaltungsakt, mit dem eine als Erbin oder Erbe berufene Person die Annahme der Erbschaft ablehnt. Diese Möglichkeit ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ausdrücklich geregelt und dient insbesondere dem Schutz vor einer Haftung für Nachlassverbindlichkeiten. Durch die Ausschlagung wird die Erbschaft so behandelt, als wäre sie nie angefallen; die gesetzliche oder testamentarische Erbfolge setzt sich mit den nachfolgenden Berufenen fort.

Rechtsgrundlagen

Zentrale Vorschriften im BGB

Die Ausschlagung der Erbschaft ist in den §§ 1942-1957 BGB normiert. Hierbei regeln die einschlägigen Paragrafen insbesondere die Voraussetzungen, das Verfahren, die Fristen sowie die Rechtsfolgen der Ausschlagung.

§ 1942 BGB – Recht zur Ausschlagung

Gemäß § 1942 Absatz 1 BGB steht jedem berufenen Erben das Recht zu, die Erbschaft auszuschlagen.

§§ 1944, 1945 BGB – Ausschlagungsfrist und Verfahren

Nach § 1944 Absatz 1 BGB beträgt die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft regelmäßig sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 1944 Absatz 2 BGB mit der Kenntnis vom Anfall und vom Grund der Berufung. Die Ausschlagung ist gegenüber dem Nachlassgericht form- und fristgerecht zu erklären (§ 1945 BGB).

§ 1953 BGB – Wirkungen der Ausschlagung

Schlägt ein Erbe die Erbschaft wirksam aus, gilt er als nicht erbberechtigt.

Voraussetzungen der Ausschlagung

Erbanfall

Das Ausschlagungsrecht setzt voraus, dass die betreffende Person durch Gesetz, Verfügung von Todes wegen (insbesondere Testament oder Erbvertrag) tatsächlich zur Erbin oder zum Erben berufen ist. Die Kenntnis hiervon sowie von dem zugrunde liegenden Berufungsgrund markiert den Beginn der Ausschlagungsfrist.

Ausschlagungsfähigkeit

Ausschlagungsfähig sind prinzipiell alle natürlichen und juristischen Personen, jedoch können beschränkt geschäftsfähige oder geschäftsunfähige Personen die Ausschlagung nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen vornehmen, insbesondere unter Einbeziehung gesetzlicher Vertreter und gegebenenfalls mit Genehmigung des Familiengerichts.

Ablauf und Formen der Ausschlagung

Ausschlagungserklärung

Die Ausschlagung bedarf der Form einer zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abgegebenen Erklärung (§ 1945 BGB). Die schriftliche Übersendung ohne Beglaubigung genügt hierfür nicht.

Fristsetzung

Die Ausschlagung ist grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen zu erklären. Sind ausländische Nachlassbeteiligte involviert oder liegt der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Ausland, so verlängert sich die Frist auf sechs Monate (§ 1944 Absatz 3 BGB).

Versäumung der Frist

Nach Ablauf der Ausschlagungsfrist gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). Die Versäumung der Frist kann nur durch Anfechtung der Annahme oder einer irrtümlich unterlassenen Ausschlagung (§§ 119 ff., 1954 BGB) korrigiert werden.

Motive und Folgen der Ausschlagung

Haftungsvermeidung

Ein wesentliches Motiv für die Ausschlagung der Erbschaft ist die Haftungsvermeidung für etwaige Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere bei Überschuldung oder Unübersichtlichkeit der Vermögensverhältnisse des Erblassers.

Rechtsfolgen

Mit der wirksamen Ausschlagung fällt die Erbschaft dem nächsten zur Berufung gelangenden Erben an, häufig sind dies Ersatzerben oder nachrangig Berufene. Die ausschlagende Person verliert sämtliche Rechte und Pflichten, die sich aus dem Erbfall ergeben hätten.

Auswirkungen auf Pflichtteilsanspruch

Wer die Erbschaft ausschlägt, kann unter bestimmten Voraussetzungen dennoch Pflichtteilsansprüche geltend machen, sofern er dazu berechtigt ist.

Besondere Konstellationen

Ausschlagung durch Minderjährige

Minderjährige benötigen stets die Mitwirkung ihrer gesetzlichen Vertreter. Zusätzlich ist in der Regel die Genehmigung des Familiengerichts einzuholen, es sei denn, das Kind wird durch die Ausschlagung lediglich von einer Überschuldung verschont (§ 1643 BGB).

Gemeinschaftliche Erbschaft

In Fällen der Erbengemeinschaft kann jedes Mitglied getrennt ausschlagen, was die Zusammensetzung der Erben und die Verteilung des Nachlasses maßgeblich beeinflusst.

Bedingte Ausschlagung

Eine bedingte oder befristete Ausschlagung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Ausschlagung muss unbedingt und unwiderruflich erfolgen. Eine vorsorgliche Ausschlagung „für den Fall der Überschuldung“ ist rechtlich nicht wirksam.

Ausschlagung der Erbschaft im internationalen Kontext

Bei Erbfällen mit Auslandsbezug, beispielsweise wenn sich der Nachlass im Ausland befindet oder ausländische Staatsangehörige beteiligt sind, können abweichende Vorschriften Anwendung finden. Nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) sind außerdem spezifische Zuständigkeits- und Formvorschriften zu beachten.

Rücknahme und Anfechtung der Ausschlagung

Eine einmal wirksam erklärte Ausschlagung kann grundsätzlich nicht widerrufen werden. Sie ist jedoch gemäß § 1954 BGB unter bestimmten Voraussetzungen anfechtbar, etwa bei Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses oder wenn die Ausschlagung unter Drohung erfolgte. Die Anfechtung ist wiederum fristgebunden.

Kosten und Gebühren

Für die Erklärung der Ausschlagung fallen Gebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) an. Die Höhe richtet sich in der Regel nach dem Nachlasswert.


Zusammenfassung:
Die Ausschlagung der Erbschaft ist ein rechtlich bedeutsames Instrument des deutschen Erbrechts, das es ermöglicht, sich vor unerwünschten wirtschaftlichen Folgen und Haftungsrisiken aus einer Erbenposition zu schützen. Angesichts komplexer Fristen, Formerfordernisse und Folgen ist bei Unsicherheiten eine gründliche Prüfung der individuellen Situation im Zusammenhang mit der Nachlasssituation ratsam, um irreversible Rechtsnachteile zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen gelten bei der Ausschlagung einer Erbschaft?

Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft beträgt nach deutschem Recht grundsätzlich sechs Wochen (§ 1944 BGB). Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung zum Erben Kenntnis erlangt. Bei gesetzlicher Erbfolge ist dies regelmäßig der Zeitpunkt der amtlichen Benachrichtigung durch das Nachlassgericht. Bei testamentarischer Erbfolge beginnt die Frist ebenfalls mit der Kenntniserlangung, oft durch die Testamentseröffnung beim Nachlassgericht. Sollte sich der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland aufhalten oder hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf sechs Monate. Wird die Frist versäumt, gilt die Erbschaft als angenommen, auch dann, wenn der Erbe davon keine Kenntnis hatte oder die Annahme nicht ausdrücklich erklärt wurde. Eine nachträgliche Ausschlagung ist dann nur noch unter engen Voraussetzungen über eine Anfechtung möglich.

Wie und wo muss die Ausschlagung erklärt werden?

Die Ausschlagung einer Erbschaft muss gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht erklärt werden, das in der Regel am letzten Wohnsitz des Erblassers liegt. Die Erklärung hat entweder persönlich zur Niederschrift beim Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form durch einen Notar zu erfolgen (§ 1945 BGB). Eine schriftliche Mitteilung ohne notarielle oder gerichtliche Beglaubigung ist unwirksam. Die Erklärung muss eindeutig und ausdrücklich sein, bedingte oder befristete Ausschlagungen sind gesetzlich nicht zulässig. Werden die Formvorschriften nicht eingehalten, ist die Ausschlagung unwirksam und die Erbschaft gilt als angenommen.

Was passiert, wenn mehrere Erben ausschlagen?

Schlagen mehrere Erben die Erbschaft aus, so fällt der Nachlass gemäß der gesetzlichen Erbfolge an die jeweils nachrückenden Erben. In der Praxis kann dies zu einer „Kettenausschlagung“ führen, bei der nacheinander verschiedene Erben ihre Berufung ausschlagen, bis schließlich der gesetzliche Auffang- oder Ersatzerbe den Nachlass erwirbt. Zur Vermeidung von Unsicherheiten oder ungewollten Erbeinsetzungen empfiehlt sich vor Ausschlagungen eine genaue Prüfung der Erbenreihenfolge und potenzieller Nachrücker. Minderjährige oder unter Betreuung stehende Erben, die betroffen sind, benötigen gegebenenfalls die Genehmigung des Familiengerichts zur Ausschlagung. Schlagen alle zur Erbschaft Berufenen aus, fällt die Erbschaft dem Staat zu.

Kann eine bereits erklärte Ausschlagung widerrufen oder angefochten werden?

Eine einmal erklärte und damit wirksam gewordene Ausschlagung ist grundsätzlich unwiderruflich. Dennoch besteht die Möglichkeit, die Erklärung unter bestimmten Voraussetzungen anzufechten. Die häufigsten Anfechtungsgründe sind Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, etwa die Überschuldung des Nachlasses oder ein Inhaltsirrtum bezüglich der Ausschlagungserklärung (§§ 119, 1954 BGB). Die Anfechtung ist innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes beim Nachlassgericht zu erklären. Im Regelfall führt eine erfolgreiche Anfechtung dazu, dass der Erbe die ursprüngliche Erbenstellung zurückerhält.

Welche Rechtsfolgen hat die Ausschlagung der Erbschaft?

Mit der wirksamen Ausschlagung einer Erbschaft verliert der Ausschlagende rückwirkend seinen Erbenstatus. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Rechte und Pflichten, die mit der Erbenstellung verbunden sind, nicht an ihn übergehen. Der betreffende Erbe wird behandelt, als ob er zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 BGB). Die Erbschaft fällt an den nächsten nachrückenden gesetzlichen oder testamentarischen Erben. Bereits vorgenommene Verfügungen über Nachlassgegenstände durch den Ausschlagenden sind grundsätzlich unwirksam. Im Falle einer Ausschlagung besteht zudem kein Anspruch auf einen Pflichtteil, wenn die Ausschlagung zur Erhaltung eines Pflichtteilsrechts aus besonderen Umständen erfolgte (z.B. Pflichtteilsbeschränkung).

Welche Auswirkungen hat die Ausschlagung auf die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten?

Durch die rechtzeitige und formwirksame Ausschlagung einer Erbschaft wird der Erbe vollständig von der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten befreit. Der Nachlass fällt automatisch den nachrückenden Erben zu, die wiederum in den Kreis der potenziellen Haftenden eintreten. Eine bereits übernommene Haftung – beispielsweise durch eigenständige Verwaltung oder Verfügungen über Nachlassgegenstände vor der Ausschlagung – kann allerdings unter Umständen als schlüssige Annahme der Erbschaft gewertet werden, die eine Ausschlagung ausschließt. Das Risiko, für Schulden des Erblassers aufkommen zu müssen, kann also durch fristgerechte und formwirksame Ausschlagung vermieden werden.

Was ist zu beachten, wenn Minderjährige oder Betreute die Erbschaft ausschlagen möchten?

Soll ein Minderjähriger oder ein unter Betreuung stehender Erwachsener eine Erbschaft ausschlagen, ist die Zustimmung des jeweiligen gesetzlichen Vertreters erforderlich. Darüber hinaus bedarf die Ausschlagung in der Regel einer familiengerichtlichen Genehmigung (§ 1643 BGB). Dies dient dem besonderen Schutz des Betroffenen und stellt sicher, dass keine nachteiligen Entscheidungen ohne gerichtliche Kontrolle erfolgen. Die Frist zur Ausschlagung beginnt für minderjährige oder betreute Erben erst mit der Kenntniserlangung durch den gesetzlichen Vertreter oder Betreuer. Eine nicht genehmigte oder formwidrige Ausschlagung ist unwirksam.