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Aussageverweigerung


Begriff und Bedeutung der Aussageverweigerung

Die Aussageverweigerung bezeichnet im deutschen Recht die Weigerung einer Person, in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren Angaben zu einem Sachverhalt zu machen. Dieser Ausdruck umfasst insbesondere das Recht, als Zeuge, Beschuldigter oder Partei keine Aussage zu tätigen und dient dem Schutz bestimmter Interessen, wie etwa dem Schutz gegen Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) oder dem Schutz nahestehender Personen.

Aussageverweigerung ist ein rechtsstaatliches Instrument und durch verschiedene Rechtsvorschriften sowohl in der Strafprozessordnung (StPO), der Zivilprozessordnung (ZPO) als auch in weiteren Vorschriften ausdrücklich normiert.


Aussageverweigerung im Strafverfahren

Das Schweigerecht des Beschuldigten

Der Beschuldigte im Strafverfahren ist grundlegend nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen. Dieses sogenannte Schweigerecht findet sich in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO und § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO. Für den Beschuldigten besteht keine Pflicht zur Mitwirkung an seiner eigenen Überführung. Die Aussageverweigerung erstreckt sich nicht nur auf die Hauptverhandlung, sondern auch auf das gesamte Ermittlungsverfahren und etwaige Vernehmungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

Belehrungspflicht

Vor jeder ersten Vernehmung ist der Beschuldigte ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihm das Recht zusteht, zu schweigen. Unterbleibt diese Belehrung, kann dies zu einem Beweisverwertungsverbot führen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht

Personen, die als Zeugen geladen werden, können unter bestimmten Voraussetzungen die Aussage ebenfalls verweigern.

Persönliche Zeugnisverweigerungsrechte

Nach §§ 52-53c StPO sind bestimmte Personen berechtigt, das Zeugnis zu verweigern. Hierzu zählen u. a.:

  • Verlobte, Ehegatten und Lebenspartner des Beschuldigten (§ 52 StPO)
  • Angehörige ersten und zweiten Grades (§ 52 StPO)
  • Geistliche, Verteidiger, Ärzte, Psychotherapeuten u.a. wegen Schweigepflichtsverhältnissen (§ 53 StPO)

Das Zeugnisverweigerungsrecht dient dem Schutz privater und beruflicher Verhältnisse.

Sachliche Zeugnisverweigerungsrechte

Ferner erlaubt § 55 StPO Zeugen, die Aussage zu verweigern, wenn sie sich selbst oder Angehörige der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würden. Auch hier greift das Selbstbelastungsverbot.


Aussageverweigerung im Zivilverfahren

Partei und Zeugen im Zivilprozess

Im Zivilprozess gilt ein wesentlich strengeres Regime. Grundsätzlich besteht eine Pflicht zur Wahrheit und zur Aussage. Allerdings stehen auch hier einzelnen Beteiligten bestimmte Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsverweigerungsrechte nach §§ 383 ff. ZPO zu.

Zeugnisverweigerung

Die Regelungen zur Zeugnisverweigerung orientieren sich an den familiären, ehelichen oder berufsbezogenen Verhältnissen, ähnlich wie im Strafprozess. Schutzinteressen müssen hier jedoch gegen das Interesse an der Sachverhaltsaufklärung abgewogen werden.

Auskunftsverweigerungsrechte

Zeugen dürfen nach § 384 ZPO die Auskunft über Fragen verweigern, wenn sie sich selbst oder Angehörige der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würden. Außerdem greift ein Auskunftsverweigerungsrecht bei der Wahrung von Berufsgeheimnissen oder bei drohenden wirtschaftlichen Nachteilen.


Aussageverweigerung im Verwaltungsverfahren und anderen Verfahrensarten

Auch im Verwaltungsverfahren sieht das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in § 26 Abs. 2 vor, dass Zeugen die Aussage u.a. verweigern können, wenn sie sich oder nahe Angehörige belasten könnten, oder bestimmte Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen.


Grenzen und Folgen der Aussageverweigerung

Keine Verpflichtung zur Falschaussage

Personen, die berechtigt sind, die Aussage zu verweigern, sind dennoch verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen, sofern sie sich zur Zeugenaussage entschließen. Eine Falschaussage ist strafbar (§ 153 StGB Falsche uneidliche Aussage, § 154 StGB Meineid).

Aussageerzwingung und Zwänge

Eine unberechtigte Aussageverweigerung kann im Zivilverfahren mit Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft sanktioniert werden (§ 390 ZPO). Im Strafprozess können bei unentschuldigtem Fernbleiben Ersatzzwangshaft und Ordnungsgelder verhängt werden (§ 51 StPO). Ein Zwang zu einer bestimmten Aussage besteht jedoch nie.


Aussageverweigerung und Beweisverwertungsverbote

Wird eine Person nicht ordnungsgemäß über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt und trifft sie dennoch eine belastende Aussage, können daraus Beweisverwertungsverbote resultieren. Dies kann entscheidenden Einfluss auf den Verfahrensausgang haben.


Internationale Bezüge

Das Aussageverweigerungsrecht ist in vielen Rechtsordnungen durch das allgemeine Recht auf ein faires Verfahren und auf den Schutz vor Selbstbelastung anerkannt. Es findet sich unter anderem in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention wieder.


Zusammenfassung

Die Aussageverweigerung ist ein zentrales Schutzrecht in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren. Sie schützt persönliche Lebensbereiche, sichert Verfahrensrechte und verhindert Nachteile aufgrund von Aussagen gegenüber staatlichen Stellen. Die Details und Einschränkungen richten sich nach dem jeweiligen Verfahrensrecht und müssen im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein Aussageverweigerungsrecht im Strafverfahren?

Das Aussageverweigerungsrecht ist im deutschen Strafprozessrecht insbesondere in den §§ 52 bis 55 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Ein solches Recht besteht vor allem für Angehörige des Beschuldigten (§ 52 StPO), darunter fallen u.a. Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner und bestimmte verwandtschaftlich nahestehende Personen. Darüber hinaus kann jede Person, die sich durch eine Aussage selbst belasten würde, nach § 55 StPO die Aussage verweigern, um nicht Gefahr zu laufen, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Das Recht kann sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung ausgeübt werden. Die Verfahrensbeteiligten sind über dieses Recht zu belehren. Eine Verletzung der Belehrungspflicht kann dazu führen, dass die Aussage nicht verwertet werden darf.

Kann ich mein Aussageverweigerungsrecht auch noch während einer Vernehmung geltend machen?

Das Aussageverweigerungsrecht kann jederzeit im Verlauf eines Strafverfahrens ausgeübt werden. Die betroffene Person ist nicht verpflichtet, gleich zu Beginn der Vernehmung eine Entscheidung zu treffen. Selbst wenn bereits Angaben zur Sache gemacht wurden, kann in jedem Stadium das Recht zur Aussageverweigerung in Anspruch genommen werden, auch nach bereits erfolgten Teilantworten. Bereits gemachte Aussagen bleiben jedoch grundsätzlich Bestandteil der Akte, sofern sie nicht aufgrund eines Belehrungsfehlers unverwertbar sind. Ein vollständiges nachträgliches „Zurückziehen“ der Aussage ist somit in der Regel nicht möglich.

Welche Folgen hat es, wenn ich als Zeuge von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache?

Wenn ein Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, darf er zu den entsprechenden Fragen nicht gezwungen werden und darf wegen der Verweigerung weder bestraft noch anderweitig benachteiligt werden. Die Weigerung, auszusagen, wird im Protokoll vermerkt und kann dazu führen, dass das Gericht etwaigen Beweisnotständen anders begegnen muss, zum Beispiel durch die Würdigung anderer Beweismittel. Allerdings kann sich die Entscheidung zur Verweigerung der Aussage auf den Prozessverlauf und den Nachweis bestimmter Tatsachen auswirken, insbesondere wenn wenige andere Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Verweigerung ist stets zulässig, sofern ein gesetzlicher Verweigerungsgrund vorliegt.

Besteht eine Pflicht zur Aussage trotz Aussageverweigerungsrecht?

Liegt ein gesetzlicher Grund für die Aussageverweigerung vor, gibt es keine Pflicht zur Aussage. Die betroffene Person muss weder auf gerichtlichen, noch auf polizeilichen Druck aussagen und hat das Recht, jede Antwort zu verweigern, die unter den Schutzbereich des Verweigerungsrechtes fällt. Falsche oder unvollständige Angaben trotz Aussageverweigerungsrechts können aber rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise wenn dennoch ausgesagt wird und die Aussage falsch ist (Strafbarkeit wegen Falschaussage). Ohne bestehenden Verweigerungsgrund kann ein Zeuge verpflichtet werden, auszusagen, ansonsten drohen Ordnungsmittel.

Kann ich das Aussageverweigerungsrecht in zivilrechtlichen Verfahren ebenfalls geltend machen?

Das Aussageverweigerungsrecht existiert auch im Zivilprozess (insbesondere § 384 ZPO), allerdings mit etwas anderen Voraussetzungen als im Strafverfahren. Auch hier können Zeugen in bestimmten Konstellationen die Aussage verweigern, zum Beispiel bei drohender Selbstbelastung oder bei Familienangehörigen der Parteien. Die Vorschriften zur Aussageverweigerung unterscheiden sich jedoch im Detail von den Bestimmungen des Strafprozesses, weshalb stets auf das jeweilige Verfahren abzustellen ist.

Muss ein Rechtsanwalt über das Aussageverweigerungsrecht belehren?

Im Strafverfahren besteht grundsätzlich eine Belehrungspflicht durch die jeweiligen Behörden (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht), bevor ein Zeuge vernommen wird. Ein Rechtsanwalt, der einen Zeugen vertritt, ist ebenfalls verpflichtet, diesen auf das Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen und ihn ausführlich über die Bedeutung und Reichweite dieses Rechtes zu informieren. Der Anwalt berät den Zeugen, ob und in welchem Umfang das Schweigerecht ausgeübt werden sollte und prüft, ob ein Verweigerungsrecht tatsächlich besteht.

Welche Konsequenzen drohen bei Missbrauch des Aussageverweigerungsrechts?

Ein „Missbrauch“ des Aussageverweigerungsrechts ist rechtlich nicht einfach feststellbar, da das Recht zur Aussageverweigerung ein elementares Verfahrensrecht ist. Die bewusste Verweigerung der Aussage ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes ist durch den Richter zu ahnden, etwa durch Verhängung eines Ordnungsgeldes oder sogar Ordnungshaft. Wird hingegen ein berechtigter Verweigerungsgrund vorgeschoben, der tatsächlich nicht vorliegt, so kann dies rechtlich überprüft und gegebenenfalls sanktioniert werden. Wichtig ist jedoch, dass die Inanspruchnahme eines tatsächlich bestehenden Aussageverweigerungsrechts keinen Nachteil zur Folge haben darf und auch nicht als solche „bestraft“ werden kann.