Begriff und Definition des kommunalen Ausländerwahlrechts
Das kommunale Ausländerwahlrecht bezeichnet die rechtliche Möglichkeit für ausländische Staatsangehörige, an Kommunalwahlen in einem bestimmten Staat oder Bundesland teilzunehmen bzw. dort gewählt zu werden. Es stellt eine Ausnahme zum allgemeinen Grundsatz dar, wonach das aktive und passive Wahlrecht grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes gebunden ist. Im Rahmen des kommunalen Ausländerwahlrechts erhalten bestimmte ausländische Bevölkerungsgruppen, insbesondere Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, Beteiligungsrechte auf Ebene der Gemeinden und Kreise.
Historische Entwicklung und europarechtlicher Rahmen
Entwicklung in Deutschland
Das Thema kommunales Ausländerwahlrecht hat in der Bundesrepublik Deutschland eine wechselhafte Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierten in einzelnen Bundesländern kurzfristig Regelungen, die auch Nichtdeutschen das kommunale Wahlrecht einräumten. Diese Bestimmungen wurden jedoch durch das Grundgesetz abgelöst, das das Wahlrecht auf Bundes- und Landesebene explizit an die deutsche Staatsangehörigkeit koppelte (Art. 116, Art. 28 GG).
Einfluss des Europarechts
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht 1992 wurde das Recht auf kommunale Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union rechtlich abgesichert. Artikel 20 und Artikel 22 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) räumen allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen ein. Die Umsetzung dieses europarechtlichen Gebots in das deutsche Recht erfolgte durch das Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und anderer Vorschriften vom 25. Mai 1995.
Rechtsgrundlagen des kommunalen Ausländerwahlrechts
Normative Verankerung im Grundgesetz
Das Grundgesetz regelt das Wahlrecht auf Landes- und Bundesebene in Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 28 Abs. 1 Satz 2. Nach herrschender Rechtsauffassung ist das kommunale Wahlrecht grundsätzlich auf Deutsche beschränkt, es sei denn, supranationale oder internationale Regelungen gebieten Abweichungen (beispielsweise für Unionsbürgerinnen und -bürger). Der Versuch einzelner Bundesländer, das Wahlrecht auf kommunaler Ebene auch auf Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde durch das Bundesverfassungsgericht mehrfach untersagt (vgl. BVerfGE 83, 37, 60).
Umsetzung im deutschen Kommunalwahlrecht
Das Kommunalwahlrecht ist Länderkompetenz und im jeweiligen Kommunalwahlgesetz bzw. den Gemeindeordnungen der Länder geregelt. Das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene wird, neben deutschen Staatsangehörigen, Unionsbürgerinnen und -bürgern gewährt, die in der jeweiligen Gebietskörperschaft ihren Wohnsitz haben. Die Einzelheiten – etwa zu Wahlmodalitäten, Wahlaltersgrenzen oder den notwendigen Aufenthaltszeiten – können im Detail von Bundesland zu Bundesland variieren.
Beispielhafte gesetzliche Regelungen
- Nordrhein-Westfalen: § 13 Abs. 1 Kommunalwahlgesetz Nordrhein-Westfalen (KWahlG NRW) gemäß AEUV für Unionsbürger/innen.
- Bayern: Art. 1, 2 KWahlR (Kommunales Wahlrecht für Unionsbürger/innen explizit normiert).
Ein universelles kommunales Wahlrecht für alle ausländischen Staatsangehörigen (also auch Drittstaatsangehörige) besteht in Deutschland nicht.
Voraussetzungen des kommunalen Ausländerwahlrechts
Aktives und passives Wahlrecht
Das aktive Wahlrecht ermöglicht es, an den Kommunalwahlen als Wähler/in teilzunehmen, das passive Wahlrecht hingegen, sich selbst zur Wahl aufstellen zu lassen und Mandate zu übernehmen. In beiden Fällen müssen Unionsbürger/innen bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Besitz einer Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats
- Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Lebensmittelpunkt in der betreffenden Gemeinde oder Stadt
- Mindestalter (dem deutschen Kommunalwahlrecht entsprechend, meist 16 oder 18 Jahre)
- Keine Aberkennung des Wahlrechts gemäß länderspezifischer Ausschlussgründe (z. B. strafgerichtliche Verurteilung)
Eintragung ins Wählerverzeichnis
Um an Wahlen teilnehmen zu können, müssen sich Unionsbürger/innen in das kommunale Wählerverzeichnis ihrer Wohngemeinde eintragen lassen. In der Regel erfolgt eine automatische Aufnahme, sofern ein Wohnsitz angemeldet ist und alle Voraussetzungen erfüllt werden.
Umfang, Grenzen und rechtspolitische Diskussionen
Begrenzung auf EU-Bürgerinnen und -Bürger
Das kommunale Ausländerwahlrecht ist derzeit in Deutschland ausschließlich auf die Angehörigen der Staaten der Europäischen Union beschränkt. Drittstaatsangehörigen bleibt das kommunale Wahlrecht verwehrt. Die Hauptbegründung hierfür liegt in der Auslegung der Verfassungsbindung an den Begriff „Deutscher“ im Sinne des Grundgesetzes. Die Einführung eines allgemeinen Ausländerwahlrechts auf kommunaler Ebene scheiterte bislang an verfassungsrechtlichen Hürden und dem Fehlen eines entsprechenden gesetzlichen Rahmens.
Rechtspolitische Debatte
Die Ausweitung des kommunalen Wahlrechts auf Drittstaatsangehörige wird in der Politik, in der Wissenschaft sowie in zivilgesellschaftlichen Organisationen kontrovers diskutiert. Befürworter argumentieren, dass die dauerhafte Ansässigkeit und die Betroffenheit von kommunalen Entscheidungen eine umfassende politische Partizipation rechtfertigen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Gegner verweisen auf die Bindung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft und fürchten eine Aushöhlung des Staatsvolkesbegriffs. Änderungen in diesem Bereich bedürften nach derzeitiger Rechtslage einer Grundgesetzänderung.
Internationaler Vergleich des kommunalen Ausländerwahlrechts
Regelungen innerhalb der Europäischen Union
In zahlreichen EU-Mitgliedstaaten besteht – entsprechend der EU-Vorgaben – das kommunale Wahlrecht für Unionsbürger/innen. In einigen Ländern geht das kommunale Ausländerwahlrecht darüber hinaus und bezieht auch Drittstaatsangehörige ein (z. B. Schweden, Dänemark und Belgien unter bestimmten Bedingungen).
Nationale Besonderheiten
Die Voraussetzungen, unter denen Ausländerinnen und Ausländer zur Kommunalwahl zugelassen werden, unterscheiden sich erheblich. Sie reichen von Mindestaufenthaltszeiten über Integrationsnachweise bis hin zur vollständigen Gleichstellung mit Inländerinnen und Inländern bei Wahlen.
Zusammenfassung und aktuelle Entwicklungen
Das kommunale Ausländerwahlrecht stellt eine Sonderregelung im Wahlrechtssystem dar, die bislang im Wesentlichen auf Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union beschränkt ist. In Deutschland basiert das Wahlrecht für Unionsbürger/innen auf Europarecht und ist in den Kommunalwahlgesetzen der Bundesländer verankert. Die Diskussion um eine Erweiterung auf Drittstaatsangehörige hält weiter an, scheitert jedoch an den derzeitigen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Das kommunale Ausländerwahlrecht bleibt somit ein dynamischer, politisch und rechtlich stark diskutierter Bereich der deutschen Demokratie und des Ausländerrechts.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach deutschem Recht beim kommunalen Ausländerwahlrecht wahlberechtigt?
Das kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland ist detailliert geregelt, vor allem im Hinblick auf Staatsangehörigkeit und Wohnsitz. Wahlberechtigt sind in Deutschland gemäß § 12 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes (KWG) bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen regelmäßig alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger), sofern sie seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz im Wahlgebiet haben. Diese Regelung basiert auf Art. 28 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie Art. 40 der EU-Grundrechtecharta, die Unionsbürgern das Recht garantiert, in dem EU-Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes aktiv und passiv an den Kommunalwahlen teilzunehmen. Diese gesetzliche Grundlage schließt allerdings Drittstaatsangehörige – also Personen ohne EU-Staatsangehörigkeit – aus dem kommunalen Wahlrecht aus. Ausnahmen hiervon bestehen nicht, auch nicht auf Landesebene, da bereits frühere Versuche, ein umfassenderes Kommunalwahlrecht einzuführen, vom Bundesverfassungsgericht mit Hinweis auf Art. 28 GG (Demokratieprinzip und Staatsvolk) für verfassungswidrig erklärt wurden.
Können Drittstaatsangehörige auf kommunaler Ebene das Wahlrecht erhalten?
Für Drittstaatsangehörige, also Personen, die weder deutsche noch die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Mitgliedsstaates besitzen, ist nach aktueller Rechtslage in Deutschland ein kommunales Wahlrecht ausgeschlossen. Dies wurde unter anderem 1990 sowie in früheren Urteilen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 83, 371 ff.) bestätigt, das klarstellte, dass gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG das Wahlrecht auf Ebene der Länder, Kreise und Gemeinden grundsätzlich nur Deutschen bzw. nach Maßgabe des Europarechts auch Unionsbürgern zukommen kann. Änderungen dieser restriktiven Regelung wären ausschließlich durch eine Grundgesetzänderung möglich, die aktuell politisch nicht absehbar ist. Auch internationale Verpflichtungen, beispielsweise aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), begründen kein entsprechendes Recht auf kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige.
Welche Pflichten und Voraussetzungen sind mit dem kommunalen Wahlrecht für EU-Ausländer verbunden?
Unionsbürger, die ihr kommunales Wahlrecht ausüben möchten, müssen wie deutsche Staatsangehörige volljährig (also mindestens 18 Jahre alt) sein und seit mindestens drei Monaten im entsprechenden Wahlgebiet ihren Wohnsitz angemeldet haben (§ 12 KWG, kommunale Wahlgesetze der Länder). Zudem dürfen sie nicht aufgrund von straf- oder zivilrechtlichen Entscheidungen vom Wahlrecht ausgeschlossen sein (z.B. Verlust des Wahlrechts durch Gerichtsentscheidung). Um aktiv an der Wahl teilzunehmen, bedarf es darüber hinaus der Eintragung ins örtliche Wählerverzeichnis, die in der Regel automatisch erfolgt, es sei denn, der Wahlberechtigte widerspricht oder erfüllt objektiv nicht die Erfordernisse. Zur passiven Wahl (also als Kandidat) gelten weitgehend die gleichen Regelungen, wobei auch die Mitgliedschaft in einem EU-Mitgliedstaat Voraussetzung bleibt.
Wie ist die Umsetzung des kommunalen Ausländerwahlrechts rechtlich geregelt?
Die rechtliche Ausgestaltung des kommunalen Ausländerwahlrechts beruht in Deutschland auf dem Zusammenspiel von Bundesrecht, Europarecht und Landesrecht. Die maßgeblichen Vorgaben werden durch Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG und die darauf aufbauenden landesrechtlichen Kommunalwahlgesetze konkretisiert. Die entsprechende EU-Richtlinie 94/80/EG vom 19. Dezember 1994 regelt die praktischen Einzelheiten zur Wahrnehmung des aktiven und passiven Wahlrechts der EU-Bürger bei Kommunalwahlen und ist durch nationale Gesetzgebung umgesetzt worden. Es existieren zudem Ausführungsvorschriften und Verwaltungsvorschriften zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs und zur Wahrung der Beteiligungsrechte der EU-Bürger.
Welche Besonderheiten bestehen für Deutsche, die im Ausland leben, hinsichtlich kommunalen Wahlrechts?
Deutsche, die im Ausland leben und keinen Wohnsitz mehr in einer deutschen Gemeinde haben, sind in aller Regel vom kommunalen Wahlrecht ausgeschlossen. Voraussetzung für die Wahlteilnahme bleibt grundsätzlich ein aktueller und fortdauernder Wohnsitz im konkreten Wahlgebiet. Im Gegensatz zu Bundes- oder Europawahlen, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen auch Auslandsdeutsche wählen können, ist das Wahlrecht auf kommunaler Ebene strikt an den Wohnsitz innerhalb Deutschlands gebunden. Eine Ausnahme hiervon besteht nicht.
Welche Rechtsmittel bestehen bei Verletzungen des kommunalen Ausländerwahlrechts?
Werden Wahlberechtigte bei der Ausübung ihres kommunalen Wahlrechts unrechtmäßig beschränkt oder ausgeschlossen, stehen ihnen verschiedene verwaltungsrechtliche Rechtsmittel offen. In der Regel ist zunächst Widerspruch bei der zuständigen Wahlbehörde gegen die Nichtaufnahme ins Wählerverzeichnis oder die Ablehnung eines Wahlvorschlags einzureichen. Bleibt der Widerspruch erfolglos, kann anschließend vor den Verwaltungsgerichten Klage erhoben werden. Die Verwaltungsgerichte prüfen dann die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses oder der anderweitigen Maßnahme. Zusätzlich besteht nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens noch die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, sofern Grundrechtsverletzungen geltend gemacht werden.