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Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen


Begriff und Bedeutung: Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen

Das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen bezeichnet den rechtswidrigen Erwerb von Informationen, die als Staatsgeheimnisse eingestuft sind, durch unbefugte Personen oder Gruppen. Die Thematik ist insbesondere im Kontext der Staatssicherheit, Spionageabwehr und dem Schutz von Verschlusssachen von erheblicher Bedeutung und bildet einen massiven Eingriffstatbestand in das Sicherheitsinteresse des Staates. In Deutschland wird das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen strafrechtlich geregelt und sanktioniert.


Rechtliche Grundlagen

Staatsgeheimnisse im Sinne des Strafgesetzbuches

Staatsgeheimnisse gemäß § 93 Strafgesetzbuch (StGB) sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und bei deren Offenbarung an einen fremden Staat oder eine fremde Organisation geeignet wären, die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Die konkrete Einordnung einer Information als Staatsgeheimnis ist regelmäßig Gegenstand behördlicher oder gerichtlicher Feststellungen.

Strafbarkeit nach § 94 StGB – Landesverrat

Das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen ist im deutschen Recht insbesondere im § 94 StGB (Landesverrat) geregelt. Wer ein Staatsgeheimnis auskundschaftet, ist bereits dann strafbar, wenn er sich aktiv bemüht, Informationen zu gewinnen, die als Staatsgeheimnisse klassifiziert sind, unabhängig davon, ob er sie tatsächlich erhält oder weitergibt. Zu den Tathandlungen zählen unter anderem das Beschaffen, Erforschen oder Weitergeben von Informationen, die für die Sicherheit der Bundesrepublik von hoher Bedeutung sind.

Neben dem Landesverrat existieren weitere einschlägige Straftatbestände, wie etwa das Offenbaren von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB) oder das Ausspähen von Geheimnissen (§ 202a StGB).


Tathandlungen und Deliktsformen

Kundschaften und Auskuntschaften

Das Kundschaften oder Auskuntschaften bezieht sich auf das gezielte Erforschen beziehungsweise Ermitteln von geheimhaltungsbedürftigen staatlichen Informationen. Dazu kann das unerlaubte Eindringen in gesicherte Bereiche, das Ausspähen elektronischer Kommunikationswege, das Abhören von Gesprächen oder die Gewinnung von Informationen mittels Überredung, Bestechung oder Täuschung gehören.

Versuch und Vollendung

Schon der Versuch des Auskundschaftens ist nach § 94 Abs. 2 StGB strafbar. Für eine Strafbarkeit genügt es, dass der Täter sich zur Verschaffung eines Staatsgeheimnisses ernsthaft bemüht, ohne dass das Auskundschaften tatsächlich erfolgreich abgeschlossen werden muss.

Tatmotivation und Täterkreis

Das Gesetz erfasst jede Person, die Handlungsvoraussetzungen erfüllt, unabhängig davon, ob sie für einen fremden Staat, eine ausländische Organisation oder privat motiviert handelt.


Rechtsfolge und Strafmaß

Strafrahmen

Für das Auskuntschaften eines Staatsgeheimnisses sieht § 94 StGB eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe reichen. Minder schwere Fälle sind gemäß § 94 Abs. 3 StGB mit Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren bedroht.

Mögliche Nebenfolgen

Zusätzlich zu den Hauptstrafen können Nebenstrafen und Maßregeln der Sicherung und Besserung verhängt werden, beispielsweise Berufsverbote oder die Einziehung von Tatmitteln.


Abgrenzungen zu anderen Delikten

Spionage (§ 99 StGB)

Während das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen vor allem auf den Schutz der Bundesrepublik Deutschland abzielt, umfasst Spionage im Sinne von § 99 StGB das heimliche Beschaffen von Staatsgeheimnissen zugunsten eines fremden Staates.

Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB)

Das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen, die zum privaten oder beruflichen Geheimnisschutz stehen, ist nach § 203 StGB strafbar, greift aber weniger tief in Staatsinteressen ein und stellt daher ein minder schweres Delikt dar.


Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Ermittlung und Strafverfolgung

Die Ermittlung und Verfolgung von Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen obliegt in der Regel spezialisierten Ermittlungsbehörden, wie dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesanwaltschaft. Die Verfahren sind durch eine hohe Geheimhaltungsstufe geprägt, um Rückschlüsse auf Staatsgeheimnisse oder den Stand der Ermittlungen zu vermeiden.

Schutzmechanismen für Geheimnisträger

Personen, die zum Kreis der Geheimnisträger zählen und von einem Auskuntschaften betroffen sind, unterliegen umfangreichen Verschwiegenheitspflichten. Bei drohender Offenbarung besteht das Recht, die Aussage zu verweigern oder deren Inhalte zu verschlüsseln.


Bedeutung für die Staatspraxis

Das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen stellt eine zentrale Herausforderung für die nationale Sicherheit und die Integrität staatlicher Institutionen dar. Die fortschreitende Digitalisierung erhöht die Bedeutung von Cyberabwehr und die Notwendigkeit, sensible Informationen wirksam vor Kenntnisnahme durch unbefugte Dritte zu schützen. Die rechtliche Handhabung ist darauf angelegt, sowohl präventiv als auch repressiv auf Handlungen zu reagieren, die geeignet sind, staatsgefährdendes Wissen zugänglich zu machen.


Internationale Bezüge

Da Staatsgeheimnisse regelmäßig nicht nur nationale, sondern auch völkerrechtliche Beziehungen berühren, findet das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen eine vergleichbare strafrechtliche Relevanz. Internationale Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen von Nachrichtendiensten und Strafverfolgung, spielt eine wichtige Rolle beim Schutz solcher Informationen.


Literaturhinweise und weiterführende Normen

  • StGB: §§ 93 ff. (insbesondere §§ 94, 95)
  • GG: Art. 97 (Schutz der Information und Staatswohl)
  • Verschlusssachenanweisung (VSA)
  • Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz)

Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die strafrechtliche Einordnung, die Verfahrensmechanismen und die praktische Bedeutung des Begriffs Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen im deutschen Recht und berücksichtigt darüber hinaus auch internationale Gesichtspunkte sowie aktuelle Herausforderungen durch Digitalisierung und Vernetzung.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt ein rechtliches Interesse an einer Auskunft über ein Staatsgeheimnis vor?

Ein rechtliches Interesse an der Auskunft bezüglich eines Staatsgeheimnisses setzt voraus, dass die anfragende Person ein berechtigtes, durch Normen des öffentlichen Rechts oder Privatrechts schutzwürdiges Interesse an der Kenntnis des jeweiligen Geheimnisses darlegen kann. Dieses Interesse muss dabei über bloße Neugier oder ein allgemeines Informationsinteresse hinausgehen und konkret benannt werden. Häufig kommt es vor, dass Parteien im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder im Zusammenhang mit der Durchsetzung oder Abwehr rechtlicher Ansprüche ein solches Interesse geltend machen. Allerdings ist der Maßstab hier besonders streng: Wegen der entgegenstehenden Interessen der Bundesrepublik Deutschland an der Geheimhaltung werden Auskünfte meist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erteilt, zum Beispiel wenn eine gerichtliche Anordnung im Wege der Akteneinsicht vorliegt und eine Abwägung zugunsten des Informationsinteresses ausfällt.

Welche rechtlichen Schranken gelten bei der Offenlegung von Staatsgeheimnissen?

Die entscheidenden rechtlichen Schranken bei der Auskunftserteilung über Staatsgeheimnisse ergeben sich aus dem Strafgesetzbuch (§ 93 ff. StGB), dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz), sowie aus spezialgesetzlichen Geheimschutzregelungen wie dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) und dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG). Die Offenlegung ist grundsätzlich untersagt, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche Befugnis – etwa durch eine richterliche Entscheidung – oder eine spezifische Ermächtigungsgrundlage vor. Darüber hinaus sind Beteiligte stets zur Verschwiegenheit verpflichtet und können bei unbefugter Offenbarung strafrechtlich verfolgt werden.

Wer entscheidet im Einzelfall über die Herausgabe oder Verweigerung einer Auskunft?

Die Entscheidung über die Herausgabe oder Verweigerung liegt im Regelfall bei der zuständigen staatlichen Stelle, die das betreffende Staatsgeheimnis verwaltet – dies können beispielsweise Ministerien, Nachrichtendienste oder militärische Stellen sein. Auf rechtliche Anträge (z. B. Akteneinsicht im Prozess) geprüft wird, ob überwiegende öffentliche Interessen an der Geheimhaltung gegenüber privaten Interessen überwiegen. Kommt es zu einem Konflikt, ist oftmals eine gerichtliche Prüfung – meist durch ein Verwaltungsgericht – vorgesehen, die im Zuge einer Abwägung zwischen Rechtsschutz und Geheimschutz erfolgt.

Gibt es Ausnahmen, in denen trotzdem Auskunft erteilt werden muss?

Ja, solche Ausnahmen sind aber sehr eng definiert. Eine Auskunft kann beispielsweise dann erteilt werden, wenn eine gerichtliche oder parlamentarische Kontrolle zwingend datiert ist und keine überwiegenden Staatsinteressen entgegenstehen. Auch im Rahmen von Untersuchungs- oder Untersuchungsausschüssen – etwa nach Art. 44 GG – kann eine Offenlegung erforderlich sein, hierbei werden jedoch regelmäßig Schutzvorkehrungen wie Geheimschutzstellen und Geheimhaltungsstufen eingerichtet, um den Schutz der Informationen zu gewährleisten.

Welche Rechtsfolgen drohen im Falle einer unberechtigten Auskunftserteilung?

Eine unberechtigte Auskunftserteilung über ein Staatsgeheimnis stellt in aller Regel eine strafbare Handlung dar und kann gemäß §§ 93 ff. StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Bei besonders schwerwiegendem Geheimnisverrat kommen auch höhere Strafen in Betracht. Darüber hinaus drohen dienstrechtliche Konsequenzen wie Entfernung aus dem Dienst, Beamtenentlassung oder Disziplinarmaßnahmen. Betroffene Personen können zudem zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, falls durch die Offenbarung ein Schaden entstand.

Welche Rolle spielen Verschlusssachenstufen bei Auskunftsentscheidungen?

Verschlusssachenstufen (z.B. „VS-Nur für den Dienstgebrauch“, „VS-Vertraulich“, „VS-Geheim“, „VS-Streng Geheim“) dienen der graduellen Einstufung von Informationen nach ihrer Schutzbedürftigkeit. Je höher die Einstufung, desto restriktiver wird die Auskunft behandelt. Bei höchsten Stufen („VS-Streng Geheim“) ist eine Auskunft i.d.R. ausgeschlossen, sofern nicht absolute rechtliche Ausnahmen bestehen. Richtern sowie bestimmten parlamentarischen Stellen können unter strengen Auflagen Auskünfte erteilt werden, wobei stets Personal mit entsprechender Sicherheitsüberprüfung eingesetzt wird.

Wie läuft das gerichtliche Verfahren zur Offenlegung eines Staatsgeheimnisses ab?

Fordert ein Gericht oder ein Untersuchungsausschuss Einblick in ein Staatsgeheimnis, wird zunächst die zuständige Stelle angehört, die abwägt, ob und in welchem Umfang Geheimschutzinteressen einer Offenlegung entgegenstehen. Das Gericht kann Sachverständige hinzuziehen und, falls erforderlich, eine geheimer Sitzung anordnen. Soweit möglich, werden Alternativen wie Schwärzung sensibler Passagen, Erstellung einer Zusammenfassung oder mündliche, nichtöffentliche Statements bevorzugt. Am Ende entscheidet das Gericht nach sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung der einschlägigen Geheimschutzgesetze, ob und wie weit eine Offenlegung zulässig ist.