Begriff und Einordnung
Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen bezeichnet das zielgerichtete Beschaffen oder Erkunden besonders geschützter staatlicher Informationen. Gemeint ist die aktive Informationsgewinnung über Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die im Interesse der äußeren Sicherheit eines Staates geheim gehalten werden. Das Auskuntschaften ist ein eigenständiger, schwerwiegender Sicherheitsdeliktbereich und unterscheidet sich von der bloßen Weitergabe bereits bekannter Geheimnisse: Im Mittelpunkt steht das Erforschen und Erlangen des Geheimnisses selbst.
Schutzgut ist die äußere Sicherheit des Staates, also insbesondere die Abwehr von Gefahren, die durch das Bekanntwerden sensibler Informationen für die Verteidigungsfähigkeit, internationale Handlungsfähigkeit oder sicherheitsrelevante Beziehungen entstehen können.
Schutzgut und Gegenstand
Was ist ein Staatsgeheimnis?
Ein Staatsgeheimnis ist eine Information, deren Geheimhaltung staatlich legitimiert ist, weil ihr Bekanntwerden die äußere Sicherheit erheblich gefährden kann. Der Begriff erfasst nicht nur schriftliche Unterlagen, sondern auch mündliche Kenntnisse, technische Verfahren, Standorte, Kapazitäten, Schwachstellen, operative Planungen oder Datenzusammenstellungen. Maßgeblich ist die objektive Geheimhaltungsbedürftigkeit zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen.
Die formale Einstufung als Verschlusssache ist ein starkes Indiz, aber nicht zwingend Voraussetzung. Entscheidend sind die materiellen Kriterien: Inhalt, Bedeutung für die Sicherheit und der Wille der zuständigen Stelle, die Information nur einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich zu machen.
Abgrenzung zu anderen Geheimnissen
Staatsgeheimnisse sind von dienstlichen Vertraulichkeiten oder allgemeinen Amtsgeheimnissen zu unterscheiden. Nicht jedes interne Dokument ist ein Staatsgeheimnis. Auch Unternehmens- oder Betriebsgeheimnisse sind davon zu trennen; sie schützen private Interessen, nicht die äußere Sicherheit. Ebenso genügt bloß politisch sensible Information allein nicht, wenn keine erhebliche Gefährdungsschwelle erreicht wird.
Tathandlungen
Auskuntschaften als Informationsbeschaffung
Auskuntschaften meint das aktive Ermitteln und Erlangen eines Staatsgeheimnisses durch Beobachtung, Nachforschungen, Kontaktanbahnung, technische oder organisatorische Maßnahmen. Erfasst sind etwa das systematische Ausspähen, das Unterlaufen von Zugangssicherungen, das Anwerben von Informanten oder die verdeckte Auswertung von Quellen, um ein zuvor Nichtzugängliches offen zu legen.
Mittel und Methoden
Unerheblich ist grundsätzlich, ob physische, personelle oder digitale Mittel eingesetzt werden: Infiltration, Social Engineering, das Abgreifen von Daten, das Ausnutzen von Sicherheitslücken oder auch die gezielte Zusammenführung an sich harmloser Informationen zu einem sicherheitsrelevanten Gesamtbild können tatbestandsnah sein. Entscheidend ist, dass die Handlung auf die Gewinnung eines Staatsgeheimnisses gerichtet ist und dieses als solches erfasst wird.
Abgrenzung zu Weitergabe und Veröffentlichung
Während das Auskuntschaften auf die Beschaffung gerichtet ist, betreffen andere Delikte die Preisgabe oder Verbreitung eines bereits erlangten Staatsgeheimnisses. Beide Bereiche können sich überschneiden, etwa wenn nach der Beschaffung die Weiterleitung an Dritte erfolgt. Gleichwohl handelt es sich rechtlich um unterschiedliche Verhaltensformen mit eigenen Voraussetzungen.
Subjektive Voraussetzungen
Erforderlich ist Vorsatz hinsichtlich der Geheimqualität und der maßgeblichen Umstände. Wer auskundschaftet, muss wissen oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass es sich um ein Staatsgeheimnis handelt. Von besonderer Bedeutung ist die Zielrichtung: Häufig knüpft die Strafbarkeit daran an, dass die Handlung darauf angelegt ist, eine fremde Macht zu begünstigen oder die äußere Sicherheit des Staates zu beeinträchtigen. Ein klares Vorteils- oder Gefährdungsmoment zugunsten externer Akteure ist dabei typisch.
Täterkreis und Geltungsbereich
Täter kann jede Person sein, unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Amt. Es ist nicht auf Angehörige des öffentlichen Dienstes beschränkt. Das Recht kann auch Handlungen erfassen, die im Ausland begangen werden, wenn sie auf die äußere Sicherheit des betroffenen Staates zielen. Völkerrechtliche Privilegierungen, etwa Immunitäten, bleiben unberührt.
Rechtsfolgen
Das Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen ist mit hohen Freiheitsstrafen bedroht. Bereits der Versuch kann strafbar sein. In bestimmten Konstellationen können auch vorbereitende Handlungen eigenständig verfolgt werden. Daneben kommen Maßnahmen wie Einziehung von Tatmitteln und -erträgen, berufsrechtliche Konsequenzen oder aufenthaltsrechtliche Folgewirkungen in Betracht. Verfahren weisen häufig besondere Geheimschutzanforderungen auf.
Verfahrens- und Geheimschutzbesonderheiten
Ermittlungen werden regelmäßig unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen geführt. Der Umgang mit Beweismitteln kann besonderen Geheimschutzregeln unterliegen; die Öffentlichkeit von Verhandlungen kann eingeschränkt werden, wenn andernfalls die Schutzgüter gefährdet wären. Auch die Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden und internationalen Partnerstellen spielt eine Rolle, wobei der Einsatz nachrichtendienstlicher Erkenntnisse rechtlichen Grenzen unterliegt.
Kollisionsfelder mit Grundrechten und gesellschaftlichen Funktionen
Presse- und Meinungsfreiheit
Medien- und Kommunikationsfreiheiten sind grundlegend, rechtfertigen aber nicht ohne Weiteres das Beschaffen oder Veröffentlichen von Staatsgeheimnissen. Wo ein legitimes Informationsinteresse mit der äußeren Sicherheit kollidiert, erfolgt eine Abwägung im Einzelfall. Die Einstufung als Staatsgeheimnis und die konkrete Gefährdungslage haben dabei erhebliches Gewicht.
Hinweisgeberschutz
Hinweisgeberschutzregelungen dienen der Meldung von Missständen. Der Umgang mit Informationen, die die äußere Sicherheit betreffen, bleibt dennoch streng begrenzt. Der Schutz von Staatsgeheimnissen kann einschlägigen Offenlegungen Grenzen setzen, selbst wenn ein Missstand behauptet wird.
Wissenschaft und Technik
Forschung und Entwicklung können sicherheitsrelevante Inhalte berühren (etwa bei Dual-Use-Technologien). Veröffentlichungen oder Kooperationen mit entsprechender Sensibilität können Berührungspunkte mit Geheimschutzpflichten aufweisen, wenn die äußere Sicherheit betroffen ist.
Abgrenzungen
Dienstgeheimnisse und Verschlusssachen
Nicht jede vertrauliche Dienstinformation ist ein Staatsgeheimnis. Entscheidend ist, ob die Information bei Bekanntwerden die äußere Sicherheit erheblich beeinträchtigen kann. Verschlusssachen mit geringerem Schutzgrad können vorliegen, ohne dass ein Staatsgeheimnis gegeben ist.
Unternehmens- und Betriebsgeheimnisse
Diese schützen private wirtschaftliche Interessen. Sie fallen nur dann in den Bereich der Staatsgeheimnisse, wenn sie zugleich die äußere Sicherheit in erheblichem Maße berühren, was eine Ausnahme darstellt.
Spionage ohne Staatsgeheimnisbezug
Das Ausspähen beliebiger Informationen, die nicht die äußere Sicherheit betreffen, kann andere Straftatbestände erfüllen, fällt jedoch nicht unter das spezifische Auskuntschaften von Staatsgeheimnissen.
Anschauliche Beispiele (abstrakt)
– Eine Person sammelt verdeckt Zugangskennungen zu einem militärischen System, um technische Spezifikationen und Einsatzpläne zu ermitteln, die bislang nur einem engen Kreis zugänglich sind.
– Durch gezielte Anwerbung eines Insiders wird der Standort und die Einsatzbereitschaft sensibler Einrichtungen erschlossen, um diese Informationen an einen fremden Staat weiterzugeben.
– Offene Quellen werden systematisch kombiniert, um eine bisher unbekannte, sicherheitsrelevante Schwachstelle in Schutzinfrastrukturen aufzudecken, deren Veröffentlichung die äußere Sicherheit gefährden könnte.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt ein Staatsgeheimnis vor?
Ein Staatsgeheimnis liegt vor, wenn eine Information aus Gründen der äußeren Sicherheit staatlich geheim gehalten wird und ihr Bekanntwerden diese Sicherheit erheblich beeinträchtigen kann. Die formale Einstufung ist ein Indiz, entscheidend sind Inhalt, Schutzbedürfnis und die Beschränkung des Zugriffs auf einen eng begrenzten Personenkreis.
Macht die Recherche in frei zugänglichen Quellen das Auskuntschaften strafbar?
Der bloße Zugriff auf frei verfügbare Informationen ist für sich genommen regelmäßig unproblematisch. Strafrechtlich relevant kann es werden, wenn durch zielgerichtete Zusammenführung und Auswertung offener Quellen ein bislang geheimes, sicherheitsrelevantes Gesamtbild geschaffen und damit ein Staatsgeheimnis erschlossen wird.
Ist bereits der Versuch des Auskuntschaftens strafbar?
Ja, der Versuch kann strafbar sein. Maßgeblich ist, ob Handlungen begonnen wurden, die unmittelbar auf die Erlangung eines Staatsgeheimnisses gerichtet sind. In besonderen Konstellationen können sogar vorbereitende Handlungen eigenständig erfasst sein.
Wer kann Täter eines Auskuntschaftens sein?
Grundsätzlich jede Person, unabhängig von Staatsangehörigkeit oder dienstlicher Stellung. Auch Handlungen aus dem Ausland können erfasst werden, wenn sie auf die äußere Sicherheit des betroffenen Staates zielen. Völkerrechtliche Immunitäten bleiben vorbehalten.
Welche Rolle spielt die Absicht, eine fremde Macht zu begünstigen?
Sie ist häufig zentral: Wird auskundschaftet, um eine fremde Macht zu unterstützen oder die äußere Sicherheit zu beeinträchtigen, spricht dies für Strafbarkeit. Es genügt, wenn diese Zielrichtung erkannt und in Kauf genommen wird.
Wie verhält sich das zu Pressefreiheit und Hinweisgeberschutz?
Beide gewährleisten wichtige Transparenzfunktionen. Sie schließen jedoch die Strafbarkeit nicht aus, wenn der Umgang mit Informationen ein Staatsgeheimnis betrifft und die äußere Sicherheit erheblich gefährdet würde. Die rechtliche Bewertung erfolgt im Einzelfall.
Worin liegt der Unterschied zur Weitergabe eines Staatsgeheimnisses?
Das Auskuntschaften zielt auf die Beschaffung des Geheimnisses. Die Weitergabe betrifft die Mitteilung oder Verbreitung eines bereits erlangten Staatsgeheimnisses. Beide Verhaltensweisen sind eigenständig geregelt und können nebeneinanderstehen.