Begriff und Einordnung des Ausgleichsleistungsgesetzes
Das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) ist ein bedeutendes Gesetz der deutschen Rechtsordnung, das nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Rahmen der Regelungen zum Umgang mit Vermögenswerten aus Zeiten der DDR und des Nationalsozialismus geschaffen wurde. Es bildet einen wesentlichen Bestandteil des sogenannten Entschädigungs- und Ausgleichsrechts und regelt Ausgleichsleistungen für bestimmte Vermögensschäden, die auf das Alteigentümervermögen aus dem Zeitraum von 1945 bis 1949 zurückgehen.
Das Gesetz verfolgt das Ziel, betroffene Personen und Rechtsnachfolger in finanzieller Hinsicht zu berücksichtigen, sofern eine natürliche Rückgabe der Vermögenswerte ausgeschlossen wurde, etwa aufgrund von Restitutionsausschluss oder irreversibler Eingriffe in den Eigentumsstatus.
Historische und rechtliche Entstehung
Das Ausgleichsleistungsgesetz trat im Zuge des Einigungsvertrages und der gesamtdeutschen Vermögensregelung nach 1990 in Kraft. Es wurde geschaffen, um Konflikte im Zusammenhang mit der Rückgabe oder Kompensation enteigneter oder verschollener Eigentumswerte abschließend zu regeln. Historisch bezieht es sich insbesondere auf Enteignungen im Rahmen der sogenannten Bodenreform, Industriereform und Entnazifizierungsmaßnahmen in der früheren Sowjetischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg.
Gesetzesgrundlagen
- Einigungsvertrag (Art. 21 und 22)
- Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG)
- Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) vom 27. September 1994
Regelungsinhalte des Ausgleichsleistungsgesetzes
Anspruchsvoraussetzungen
Das Gesetz definiert präzise, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen besteht. Anspruchsberechtigt sind natürliche Personen, deren Vermögen in der sowjetischen Besatzungszone oder der DDR auf der Grundlage von Enteignungen, Verstaatlichungen oder vergleichbaren Maßnahmen endgültig entzogen wurde, und für deren Eigentum eine Rückgabe ausgeschlossen ist.
Auch Rechtsnachfolger solcher Personen sind nach Maßgabe des Gesetzes antragsberechtigt. Voraussetzung ist unter anderem, dass über das Vermögen nicht bereits abschließend entschieden oder auf andere Weise abgegolten wurde.
Ausschlussgründe
Das Ausgleichsleistungsgesetz schließt Ansprüche aus, wenn eine Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz möglich ist. Auch bei Vermögenswerten, die aufgrund richterlicher Entscheidungen oder auf sonstiger Rechtsgrundlage bereits abschließend geregelt sind, entfällt ein Anspruch.
Bestimmte Personengruppen – etwa solche, die selbst an den Entziehungen mitgewirkt haben oder von der Enteignung aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen profitiert haben – sind ebenfalls ausgeschlossen.
Arten der Ausgleichsleistungen
Das Gesetz sieht verschiedene Formen von Ausgleichsmöglichkeiten vor, die in erster Linie in finanzieller Kompensation bestehen. Die Höhe der Ausgleichszahlungen ist in der Regel gesetzlich festgelegt und hängt vom Zeitwert, dem Wert des entzogenen Vermögens sowie von pauschalierten Sätzen ab.
Berechnungsgrundlagen
- Zeitpunkt der Entziehung
- Bewertungsmaßstäbe zum Stichtag
- Sachliche und personelle Voraussetzungen
Feststellung und Bewertung
Speziell geregelte Bewertungsverfahren unter Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten und der wirtschaftlichen Umstände des entzogenen Eigentums sind im Gesetz normiert. Es gibt Tabellenwerte und Festwertregelungen, um ein einheitliches Verfahren zu gewährleisten.
Verfahren
Das Verfahren zur Geltendmachung der Ausgleichsleistungen ist in verschiedenen Verfahrensschritten geregelt. Der Antrag ist in der Regel bei der zuständigen Behörde (in den meisten Fällen das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen oder eine nach Landesrecht zuständige Stelle) zu stellen. Der Nachweis der Anspruchsberechtigung sowie die Darlegung der Tatsachen sind durch Urkunden, Unterlagen oder andere geeignete Nachweismittel zu führen.
Widerspruch und Rechtsweg
Gegen ablehnende oder nur teilweise stattgebende Bescheide sind nach den Vorschriften über die Verwaltungsverfahren Rechtsmittel, insbesondere Widerspruch und gegebenenfalls Klageweg vor den Verwaltungsgerichten, vorgesehen.
Besondere Regelungen und Ausnahmen
Das Ausgleichsleistungsgesetz enthält spezielle Vorschriften für verschiedene Sonderfälle und besondere Gruppen von Vermögenswerten, insbesondere land- und forstwirtschaftliche Flächen, Unternehmen und Betriebsstätten. Weitergehende Kompensationsmöglichkeiten, etwa für kulturell wertvolle Gegenstände, sind ergänzend geregelt.
Für Härtefälle bestehen ergänzende Regelungen, um individuelle Belastungen abzumildern. Besondere Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen oder Härtefallleistungen können im Einzelfall gewährt werden, wenn eine besondere Bedürftigkeit besteht oder der Umfang der vermögensrechtlichen Benachteiligung außergewöhnlich ist.
Bedeutung im Kontext des gesamtdeutschen Vermögensrechts
Die rechtliche Bedeutung des Ausgleichsleistungsgesetzes liegt in seiner Funktion, das historische Unrecht aus der Zeit der sowjetischen Besatzung bzw. der Deutschen Demokratischen Republik im Rahmen des rechtlichen Möglichkeitsrahmens auszugleichen. Aufgrund der Komplexität der Vermögensentziehungen und der häufig problematischen Beweislage ist das Ausgleichsleistungsgesetz einer der zentralen Bausteine bei der Bewältigung der Vermögensfolgen der deutschen Teilung.
Zusammen mit dem Vermögensgesetz, dem Entschädigungs- und Rückerstattungsgesetz sowie anderen flankierenden Gesetzen bildet es das Fundament für die abschließende Bereinigung von vermögensrechtlichen Altfällen im wiedervereinigten Deutschland.
Literatur und weiterführende Regelungen
- BGBl. I 1994, S. 2624 (AusglLeistG in der Fassung vom 27. September 1994)
- Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG)
- Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
- Weitere Erläuterungen finden sich in den amtlichen Begründungen und den Kommentierungen in rechtlichen Fachpublikationen.
Weblinks
- Bundesministerium der Justiz: Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) – aktueller Gesetzestext
- Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) – Informationen zu Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen
Der Begriff Ausgleichsleistungsgesetz ist damit ein zentrales Element zur Regelung von Vermögensansprüchen, die im Kontext der deutschen Geschichte und Wiedervereinigung entstanden sind und deren rechtliche Handhabung weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen hat.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann nach dem Ausgleichsleistungsgesetz Ansprüche geltend machen?
Anspruchsberechtigt nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (Abkürzung: AusglLeistG) sind grundsätzlich natürliche Personen und deren Rechtsnachfolger, denen Vermögenswerte aufgrund rechtlicher oder hoheitlicher Maßnahmen im Gebiet der ehemaligen DDR, Ost-Berlin oder in den ehemals unter Verwaltung der sowjetischen Besatzungsmacht stehenden Ostgebieten entzogen wurden. Dazu zählen insbesondere frühere Eigentümer von Grundstücken, Gebäuden oder Betrieben, denen das Vermögen im Zuge der Bodenreform, Enteignungen zwischen 1945 und 1949 oder durch Verwaltungsakte der DDR nach dem 3. Oktober 1949 entzogen wurde. Auch Erben oder sonstige Rechtsnachfolger, deren Rechtsposition auf den ursprünglichen Eigentümer zurückgeht, sind anspruchsberechtigt. Der begünstigte Personenkreis ist in § 2 Abs. 1 AusglLeistG näher bestimmt, wobei für bestimmte Gruppen eine modifizierte oder auch eingeschränkte Anspruchslage gilt, etwa hinsichtlich Staatsangehörigkeit, ständiger Aufenthalt oder im Falle von juristischen Personen deren rechtliche Existenz vor dem 3. Oktober 1990.
Welche Vermögenswerte fallen unter das Ausgleichsleistungsgesetz?
Das Ausgleichsleistungsgesetz erstreckt sich auf die Entziehung von Eigentum an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, beweglichem Vermögen, Unternehmensanteilen und natürlichen Rohstoffen. Entscheidend ist, dass der Vermögensverlust durch Maßnahmen enteignungsgleicher Wirkung nach dem 8. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden hat und kein Anspruch auf Rückübertragung der Vermögenswerte gemäß den Vorschriften des Vermögensgesetzes besteht. Ausgenommen sind Vermögenswerte, bei denen eine Rückgabe möglich und nicht ausgeschlossen ist. Typische Beispiele umfassen enteignete landwirtschaftliche Flächen, Gewerbeimmobilien, Betriebe, Maschinenpark sowie Wertpapiere und sonstige Sachen, die die wirtschaftliche Basis der Betroffenen dargestellt haben. Nicht umfasst sind Ansprüche auf Wiederherstellung des früheren Zustandes; es wird vielmehr eine Entschädigung in Geld geleistet.
Wie wird die Höhe der Ausgleichsleistung berechnet?
Die Ausgleichsleistung basiert rechtlich auf dem Zeitwert des entzogenen Vermögenswertes zum Zeitpunkt des Entzugs, wobei dieser durch Schätzungen oder Gutachten ermittelt werden kann. Ausgangswert ist in der Regel der Verkehrswert (Marktwert), zu dem möglicherweise Zu- oder Abschläge erfolgen, abhängig von Nutzung, Zustand oder sonstigen wertbeeinflussenden Faktoren. Der so ermittelte Wert wird jedoch nicht vollständig erstattet, sondern über einen im AusglLeistG festgelegten Entschädigungsprozentsatz (40 Prozent für natürliche Personen; abweichend für juristische Personen oder Sonderfälle) berechnet. Zu berücksichtigen sind etwaige Leistungen, die bereits durch andere Vorschriften (z.B. das Lastenausgleichsgesetz) erbracht wurden; diese werden angerechnet. Die genaue Berechnung regelt § 3a des AusglLeistG.
Gibt es Ausschlussfristen für die Antragstellung gemäß Ausgleichsleistungsgesetz?
Ja, das Gesetz sieht bestimmte Ausschlussfristen und Voraussetzungen für die Geltendmachung von Ansprüchen vor. Die Antragsfrist endete grundsätzlich am 31. Dezember 1992, wobei für bestimmte Fallgruppen, beispielsweise bei Kenntnis erst zu einem späteren Zeitpunkt oder Sonderkonstellationen (Wiederaufnahmeverfahren usw.), abweichende Fristen eröffnet waren. Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Antragstellung grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, das Versäumen ist unverschuldet oder ein Härtefall liegt vor. Die Einhaltung der Fristen wurde streng gehandhabt, wobei der Zugang bei der zuständigen Behörde zivilrechtlich nachgewiesen werden musste (§ 30 a AusglLeistG).
Welche Rolle spielen Vorleistungen und Anrechnungen beim Ausgleichsleistungsgesetz?
Vom zu gewährenden Ausgleichsbetrag werden sämtliche bereits gewährten Vorleistungen und Entschädigungen, die im Zusammenhang mit dem Verlust des Vermögenswertes oder im Rahmen anderer Wiedergutmachungsregelungen (z.B. durch das Lastenausgleichsgesetz, Entschädigungsleistungen nach dem Entschädigungsgesetz, Naturalrestitution nach dem Vermögensgesetz) an den Berechtigen oder dessen Rechtsvorgänger erbracht wurden, abgezogen. Dadurch wird eine doppelte Kompensation vermieden, indem Leistungen nach denselben Sachverhalten und Rechtsvorschriften (Kumulation) verhindert werden. Auch Leistungen aus internationalen Abkommen, sofern auf denselben Gegenstand bezogen, werden angerechnet. Die Anrechnung erfolgt wertmäßig und wird von den zuständigen Behörden im Rahmen des Antragsverfahrens geprüft.
Welche Behörden sind für die Umsetzung des Ausgleichsleistungsgesetzes zuständig und welches Verfahren ist zu durchlaufen?
Die Durchführung des Ausgleichsleistungsgesetzes obliegt den jeweiligen Landesämtern zur Regelung offener Vermögensfragen beziehungsweise anderen in den Bundesländern benannten Sonderbehörden. Zuständig ist regelmäßig die Behörde im Bundesland, in dessen Gebiet sich das entzogene Vermögen befindet bzw. befand. Das Antragsverfahren ist verwaltungsrechtlicher Natur und setzt den formgebundenen Antrag auf Ausgleichsleistungen voraus. Nach Antragstellung prüft die Behörde die Anspruchsberechtigung, den nachvollziehbaren Entzugstatbestand, den Wert des enteigneten Vermögens, etwaige Vorleistungen und führt die Berechnung der Ausgleichsleistung durch. Gegen Entscheidungen der Behörde sind Rechtsmittel im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, ggf. Klagen vor den Verwaltungsgerichten, statthaft.
Können Ausgleichsleistungen vererbt oder übertragen werden?
Die Ausgleichsleistungen des AusglLeistG stellen grundsätzlich vererbbares Vermögen dar, sofern zum Zeitpunkt des Erbfalles Ansprüche bereits entstanden oder noch nicht erledigt waren. Erbberechtigt sind die Rechtsnachfolger nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder im Rahmen besonderer Nachlassregeln. Eine Übertragung vor Feststellung der Ansprüche ist nur unter den Bedingungen des bürgerlichen Rechts (Abtretung, Forderungsverkauf) möglich und erfordert die formgerechte Anzeige bei der zuständigen Behörde. Nach Auszahlung erfolgt die Entschädigung entsprechend der Rechtsnachfolge. Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Erbengemeinschaft) wird die Leistung anteilig aufgeteilt. Besondere Regelungen sind zu beachten, wenn Rechte gemeinschaftlich oder juristisch vermittelt wurden.