Begriff und Einordnung
Als Ausbruch aus einer Gefangenenanstalt wird das unbefugte Verlassen eines staatlich gesicherten Gewahrsams verstanden. Erfasst sind insbesondere Einrichtungen des Straf- und Untersuchungshaftvollzugs sowie vergleichbare Formen des Freiheitsentzugs. Der Begriff umfasst sowohl die gewaltsame Überwindung von Sicherungsmaßnahmen als auch das unerlaubte Entweichen während Bewachung, Transport oder Aufenthalt außerhalb der Anstalt im Rahmen bewilligter Lockerungen.
In Deutschland ist die reine Selbstbefreiung einer inhaftierten Person traditionell nicht als eigenständige Straftat ausgestaltet. Diese Einordnung beruht auf dem Gedanken, dass der Drang zur Freiheit menschlich ist und nicht als solcher kriminalisiert werden soll. Strafrechtlich relevant werden jedoch sämtliche Begleit- und Folgetaten, die im Zuge eines Ausbruchs begangen werden, sowie die Beteiligung Dritter, die eine Flucht ermöglichen oder unterstützen.
Rechtliche Bewertung in Deutschland
Eigenflucht der inhaftierten Person
Das bloße Verlassen der Haft ohne weitere Rechtsgutsverletzung führt in Deutschland nicht automatisch zu einer zusätzlichen strafrechtlichen Verfolgung. Strafrechtliche Konsequenzen entstehen erst, wenn bei der Flucht rechtswidrige Handlungen hinzutreten, etwa die Anwendung von Gewalt, Drohungen, Verletzungen von Personen, die Zerstörung oder Beschädigung von Türen, Fenstern, Zäunen oder Fahrzeugen, das Überwinden von Sicherungen mittels gefälschter Dokumente oder das unerlaubte Mitführen und Einsetzen gefährlicher Gegenstände.
Beteiligung Dritter
Die Unterstützung oder Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam durch Außenstehende ist strafbar. Dies betrifft sowohl aktive Befreiungshandlungen (zum Beispiel das Aufbrechen von Sicherungseinrichtungen oder das gewaltsame Abdrängen von Bediensteten) als auch das Verschaffen von Gelegenheit, Werkzeugen oder Fluchtmitteln. Eine Mitwirkung ohne direkte körperliche Anwesenheit kann ebenfalls erfasst sein, wenn sie die Flucht ermöglicht oder erleichtert.
Versuch, Vorbereitung und Gefährlichkeitsmomente
Bei Dritten kann bereits die versuchte Befreiung relevant sein. Das Verwenden oder Mitführen gefährlicher Gegenstände, die Verabredung mit mehreren Beteiligten oder das Vorgehen in einer Menschenmenge können die rechtliche Bewertung verschärfen. Für die eigenflüchtige inhaftierte Person bleibt die reine Flucht ohne weitere Rechtsgutsverletzung demgegenüber nicht strafbewehrt.
Abgrenzungen und verwandte Konstellationen
Entweichen versus Fernbleiben bei Lockerungen
Ein Ausbruch liegt in der Regel auch dann vor, wenn eine Person während der Bewachung entweicht oder wenn Vollzugslockerungen wie Ausgänge, Ausführungen oder Freigänge missbraucht werden. Das bloße Nichtzurückkehren nach gewährter Lockerung ist zwar kein eigenständiger Straftatbestand, zieht aber regelmäßig disziplinarische und vollzugsorganisatorische Konsequenzen nach sich und kann strafbar werden, sobald weitere Rechtsgüter verletzt werden.
Ausbruch aus Polizeigewahrsam und Transport
Auch das Entweichen aus polizeilichem Gewahrsam, aus Vorführ- oder Überstellungssituationen fällt unter den Begriff, wenn amtlicher Freiheitsentzug vorliegt. Die rechtlichen Grundsätze entsprechen im Kern denen des Vollzugs: Die reine Flucht der betroffenen Person ist nicht als eigenständige Straftat ausgestaltet; strafrechtliche Verantwortung entsteht über begleitende Delikte oder die Beteiligung Dritter.
Kollektive Aufstände und Meuterei
Von einem Ausbruch zu unterscheiden sind kollektive Unruhen oder Aufstände innerhalb der Anstalt, bei denen mehrere Personen gemeinsam und mit erheblicher Gewalt gegen Bedienstete oder Sicherungsanlagen vorgehen. Solche Situationen werden eigenständig bewertet und können – je nach Ablauf – eine gesteigerte strafrechtliche Relevanz für die Beteiligten entfalten.
Bestechung, Verleitung und Amtsdelikte
Wird das Verlassen des Gewahrsams durch die Beeinflussung von Bediensteten herbeigeführt, kommen eigenständige Delikte wie Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung oder Amtsmissbrauch in Betracht. Diese sind von der eigentlichen Fluchthandlung abzugrenzen und richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Folgen eines Ausbruchs
Maßnahmen innerhalb des Vollzugs
Nach einer Flucht werden in der Praxis erhöhte Sicherheitsmaßnahmen angeordnet. Hierzu zählen Anhebung der Sicherheitsstufe, engmaschigere Überwachung, Einschränkungen bei Kontakten, Entzug oder Reduzierung von Lockerungen sowie disziplinarische Maßnahmen. Der Vollzugsplan kann angepasst werden. Die bestehende Freiheitsentziehung wird nicht „verlängert“, jedoch können zusätzliche Strafen hinzukommen, wenn im Rahmen des Ausbruchs weitere Straftaten begangen wurden.
Schadensersatz und Kosten
Entstehen durch einen Ausbruch Schäden an Gebäuden, Einrichtungen oder Fahrzeugen, kommen zivilrechtliche Ersatzansprüche in Betracht. Auch Verletzungen von Bediensteten oder Dritten können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen. Die Auferlegung von Kosten für Fahndungs- oder Sucheinsätze gegenüber Einzelpersonen setzt eine besondere gesetzliche Grundlage voraus und ist nicht generell vorgesehen.
Auswirkungen auf Register und Zeugnisse
Die reine Fluchthandlung der inhaftierten Person führt nicht zu einem zusätzlichen Registereintrag. Eintragungsrelevant sind ausschließlich Verurteilungen wegen strafbarer Begleit- oder Folgetaten. Disziplinarmaßnahmen innerhalb der Anstalt werden nicht in behördliche Führungszeugnisse aufgenommen.
Grenzüberschreitende Aspekte
Fluchten mit Grenzbezug können völker- und europaweite Fahndungsmaßnahmen auslösen. Die Rückführung richtet sich nach Auslieferungsrecht und zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. Maßgeblich sind die jeweiligen internationalen und nationalen Zuständigkeits- und Verfahrensregeln.
Verfahrensabläufe nach Ergreifung
Rückführung in den Gewahrsam
Nach der Ergreifung erfolgt die Rückführung in eine zuständige Anstalt oder in polizeilichen Gewahrsam. Hieran schließen sich Identitätsfeststellungen, Dokumentation des Ablaufs und die Sicherung relevanter Beweismittel an. Gegebenenfalls werden getrennte Ermittlungsverfahren zu etwaigen Begleitdelikten eingeleitet.
Disziplinarverfahren im Vollzug
Innerhalb der Anstalt wird regelmäßig ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Dieses dient der Klärung des Sachverhalts aus vollzugsrechtlicher Sicht und kann zu Maßnahmen wie Arrest, Einschränkung von Kontakten, Entzug von Vergünstigungen, Arbeitseinsatzanordnungen oder Verlegungen führen. Grundsätze eines fairen Verfahrens, insbesondere rechtliches Gehör und Dokumentationspflichten, sind zu beachten.
Kriminalpolitischer Kontext
Ausbrüche sind seltene, aber sicherheitsrelevante Ereignisse. Sie wirken sich auf die Ausgestaltung des Vollzugs, die Bewertung von Lockerungen und die Sicherheitsstandards aus. Der Ausgleich zwischen Sicherheitserfordernissen und Resozialisierungszielen spielt eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Prävention fluchtbegünstigender Konstellationen.
Häufig gestellte Fragen
Ist der Ausbruch eines Gefangenen in Deutschland strafbar?
Die reine Selbstbefreiung aus amtlichem Gewahrsam ist in Deutschland nicht als eigenständige Straftat ausgestaltet. Strafbarkeit entsteht jedoch, wenn im Zuge der Flucht weitere Rechtsgüter verletzt werden, beispielsweise durch Gewalt, Drohung, Sachbeschädigung oder Urkundenfälschung.
Welche Straftaten können im Zusammenhang mit einem Ausbruch hinzukommen?
In Betracht kommen insbesondere Körperverletzungsdelikte, Nötigung oder Bedrohung, Sachbeschädigung, Diebstahl oder unbefugte Nutzung von Fahrzeugen, Hausfriedensbruch, Urkundendelikte sowie Verstöße gegen waffenbezogene Vorschriften. Welche Tatbestände verwirklicht sind, hängt vom konkreten Verhalten ab.
Wie wird die Hilfe von außen rechtlich behandelt?
Das Befreien oder Begünstigen einer Person aus amtlichem Gewahrsam ist strafbar. Dies gilt für aktive Befreiungshandlungen ebenso wie für die planende, logistische oder materielle Unterstützung, die eine Flucht ermöglicht oder wesentlich erleichtert.
Hat ein Ausbruch eine Verlängerung der laufenden Haft zur Folge?
Die bestehende Haft wird nicht automatisch verlängert. Zusätzliche Freiheitsstrafen kommen nur in Betracht, wenn im Rahmen des Ausbruchs weitere strafbare Handlungen begangen wurden, die zu einer Verurteilung führen.
Was unterscheidet Ausbruch, Entweichen und Nichtzurückkehren aus Freigang?
Ein Ausbruch bezeichnet das unerlaubte Verlassen einer gesicherten Einrichtung oder die Flucht aus Bewachung. Entweichen umfasst auch das Absetzen während Transporten oder Ausführungen. Das Nichtzurückkehren aus Freigang ist kein eigener Straftatbestand, hat aber vollzugsinterne Konsequenzen und kann strafbar werden, wenn weitere Rechtsgüter verletzt werden.
Welche Folgen drohen innerhalb der Anstalt nach einem Ausbruch?
Typisch sind disziplinarische Maßnahmen, die Anhebung der Sicherheitsstufe, Einschränkungen bei Kontakten und der Entzug von Vollzugslockerungen. Der Vollzugsplan kann angepasst werden; die bisherige Strafe bleibt bestehen.
Müssen Kosten eines Polizeieinsatzes nach einem Ausbruch erstattet werden?
Eine pauschale Kostenerstattung ist nicht vorgesehen. Die Auferlegung von Einsatzkosten setzt eine besondere gesetzliche Grundlage voraus. Unabhängig davon können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche für verursachte Sach- oder Personenschäden entstehen.
Wie wirkt sich ein Ausbruch auf das Führungszeugnis aus?
Die reine Flucht wird nicht eingetragen. Eintragungsrelevant sind nur Verurteilungen wegen im Zusammenhang mit der Flucht begangener Straftaten; disziplinarische Maßnahmen innerhalb der Anstalt erscheinen nicht im Führungszeugnis.