Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Aufstachelung zum Hass

Aufstachelung zum Hass


Begriff und Bedeutung der Aufstachelung zum Hass

Die Aufstachelung zum Hass bezeichnet ein strafbares Verhalten, das darauf abzielt, Hass, Feindseligkeit oder Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen hervorzuheben sowie andere zur Missachtung oder Abwertung zu animieren. In zahlreichen Staaten ist die Aufstachelung zum Hass Gegenstand spezifischer Strafvorschriften, insbesondere zur Bekämpfung von Diskriminierung, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Sie zählt zu den Straftaten, die den sozialen Frieden und den demokratischen Rechtsstaat schützen sollen.

Historische Entwicklung

Die gesetzliche Regelung der Aufstachelung zum Hass ist eine Reaktion auf historische Missstände, insbesondere den Missbrauch von Propaganda und Hetze. Besonders nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus wurde ein verstärktes Augenmerk auf die Verhinderung von Volksverhetzung und Hasspropaganda gelegt. Hieraus resultieren heute in vielen Ländern umfassende strafrechtliche Schutzbestimmungen.

Gesetzliche Ausgestaltung in Deutschland

Strafgesetzbuch (StGB) § 130 Volksverhetzung

In Deutschland ist die Aufstachelung zum Hass insbesondere in § 130 Strafgesetzbuch (StGB) unter dem Titel „Volksverhetzung“ geregelt. Der Tatbestand lautet in Auszügen:

„Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er diese beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe bestraft.“

Tatbestandsmerkmale

  1. Tathandlung

Die Tathandlung besteht in der Aufstachelung zum Hass oder der Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen, alternativ in einer menschenverachtenden Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung.

  1. Adressatenkreis

Schutzobjekt sind Gruppen aufgrund Nationalität, „Rasse“, Religion, ethnischer Herkunft oder Teile der Bevölkerung.

  1. Gefahr für öffentlichen Frieden

Die Handlungen müssen nach objektiver Betrachtung geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.

  1. Öffentlichkeitserfordernis

Die Tathandlung muss öffentlich oder in einer Art und Weise begangen werden, die geeignet ist, an eine breite Öffentlichkeit zu gelangen (z. B. über Medien, Internet, Versammlungen).

Strafdrohung und Rechtsfolgen

Die Strafen für die Aufstachelung zum Hass gemäß § 130 StGB liegen im Regelfall zwischen Geldstrafe und bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren. Die Verurteilung zieht regelmäßig Nebenfolgen wie die Einziehung von Schriften oder Veröffentlichungsverbot nach sich.

Europarechtliche Vorgaben und internationale Aspekte

Europäische Union

Die „Rahmenbeschluss über die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (2008/913/JI) verpflichtet die Mitgliedsstaaten, „öffentliche Anstiftung zu Gewalt oder Hass“ strafrechtlich zu erfassen. Hierdurch werden die nationalen Rechtsordnungen harmonisiert und Mindeststandards gesetzt, insbesondere im Hinblick auf rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Hassrede.

Menschenrechtlicher Schutz

Internationale Übereinkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) verpflichten die Vertragsstaaten, Mechanismen gegen Hasspropaganda und Aufstachelung zu entwickeln, wobei die Meinungsfreiheit (insbesondere nach Art. 10 EMRK) stets mit bedacht werden muss.

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Unterschied zur Beleidigung und üblen Nachrede

Während die Beleidigung (§ 185 StGB) auf die Kränkung der Ehre einzelner Personen abzielt, richtet sich die Aufstachelung zum Hass gegen Gruppen oder Teilgruppen der Bevölkerung und hat eine breitere Wirkung auf Gesellschaft und öffentlichen Frieden.

Propagandadelikte

Häufig überschneidet sich die Aufstachelung zum Hass mit sogenannten Propagandadelikten, etwa dem Verbot der Verbreitung verfassungswidriger Propagandamittel (§ 86 StGB).

Volksverhetzung und Hasskriminalität

Aufstachelung zum Hass ist ein zentraler Bestandteil der sogenannten Hasskriminalität, die nach polizeilichen Definitionen in vielen Staaten gesondert statistisch erfasst und verfolgt wird.

Schutz von Meinungsfreiheit und Schrankenziehung

Ein wesentliches Spannungsfeld in der Bewertung der Aufstachelung zum Hass bildet das Verhältnis zur Meinungsfreiheit. Grundrechte wie die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Grundgesetz) stehen unter dem Vorbehalt des Schutzes der persönlichen Ehre, der öffentlichen Ordnung und anderer Rechtsgüter. Die Rechtsprechung betont regelmäßig, dass Kritik, auch in scharfem Ton, grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, nicht jedoch das gezielte Verbreiten von Hass und Feindseligkeit gegen geschützte Gruppen.

Verfahren und Beweisfragen

Verfahren wegen Volksverhetzung werden von Amts wegen verfolgt. Die Ermittlung gestaltet sich mitunter schwierig, insbesondere bei Tatbegehung im Internet. Moderne Techniken zur Ermittlung von Urhebern digitaler Hassrede werden zunehmend eingesetzt.

Beweislast und Meinungsfreiheit

Vor Gericht ist zu prüfen, ob tatsächlich die Schwelle zur Aufstachelung zum Hass überschritten wurde oder ob gegebenenfalls eine von der Verfassung geschützte Meinungsäußerung vorliegt. Die Einzelfallbewertung erfordert eine sorgfältige Abwägung aller Umstände.

Gesellschaftliche und präventive Aspekte

Die strafrechtliche Verfolgung von Aufstachelung zum Hass dient nicht nur dem Schutz der betroffenen Gruppen, sondern hat auch eine gesamtgesellschaftliche Funktion im Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Zahlreiche Initiativen und Programme bearbeiten dieses Thema im Rahmen von Prävention und Bewusstseinsbildung.

Zusammenfassung

Die Aufstachelung zum Hass stellt einen schwerwiegenden Angriff auf soziale Integration und gesellschaftlichen Frieden dar. Der Gesetzgeber hat ihr einen eigenständigen, umfassenden Straftatbestand gewidmet, der Variable wie Öffentlichkeit, Motivation, Wirkung und das Verhältnis zur Meinungsfreiheit berücksichtigt und sanktioniert. Sie steht im Fokus des internationalen und deutschen Rechts und dient dem Schutz der Würde und Gleichheit aller Menschen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine strafbare Aufstachelung zum Hass gemäß deutschem Recht vorliegen?

Um gemäß deutschem Strafrecht wegen Aufstachelung zum Hass belangt zu werden, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 StGB (Strafgesetzbuch, „Volksverhetzung“) erfüllt sein. Zentrale Voraussetzung ist, dass öffentlich oder in einer für eine Vielzahl von Menschen zugänglichen Weise zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe aufgestachelt wird. Weiterhin genügt es, wenn gegen diese Gruppen zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wird. Die Handlung muss geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Der Straftatbestand schützt dabei nicht nur Einzelpersonen, sondern explizit ganze Gruppen aufgrund der genannten Merkmale. Neben den klassischen mündlichen oder schriftlichen Äußerungen können auch andere Ausdrucksformen, etwa Bilder oder Videos, erfasst werden. Zudem kann eine Aufstachelung auch über das Internet, durch Rundfunk oder mittels sozialer Medien erfolgen, sofern die Öffentlichkeit der Handlung gegeben ist.

Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen Aufstachelung zum Hass?

Die Strafandrohung variiert je nach Schwere und Ausprägung der Tat. In einfachen Fällen ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Besonders schwere Fälle – wie die Veröffentlichung von Aufrufen zu Gewalt oder die Begehung der Tat durch Leitungspersonen – können auch mit höheren Freiheitsstrafen geahndet werden. In minder schweren Fällen kann ein Rahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren gelten. Zusätzlich kann das Gericht Nebenstrafen aussprechen, beispielsweise ein Verbot, bestimmte Tätigkeiten auszuüben oder an Versammlungen teilzunehmen. Besonders bei wiederholter oder systematischer Tatbegehung können die strafrechtlichen Folgen schwerwiegend sein.

Sind auch Äußerungen im Internet von der Strafbarkeit umfasst?

Ja, Äußerungen im Internet – beispielsweise über soziale Netzwerke, Foren, Blogs oder Kommentarspalten – sind nach § 130 StGB ausdrücklich umfasst, sofern sie öffentlich gemacht werden oder einer großen Zahl von Menschen zugänglich sind. Die Gerichte werten die Veröffentlichung im Internet in der Regel als geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, da potenziell Millionen Menschen als Empfänger der Botschaft in Betracht kommen. Auch die Anonymität des Internets befreit den Täter nicht von strafrechtlicher Verantwortung; Ermittlungsbehörden können IP-Adressen und andere personenbezogene Daten erheben, um die Täter zu identifizieren und strafrechtlich zu verfolgen.

Wie wird zwischen Meinungsfreiheit und strafbarer Aufstachelung zum Hass abgegrenzt?

Der Schutz der Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz (Art. 5 GG) fest verankert. Die Meinungsfreiheit findet jedoch ihre verfassungsrechtlichen Grenzen unter anderem dort, wo die Strafgesetze greifen. Eine strafbare Aufstachelung zum Hass ist nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt, wenn sie gezielt darauf abzielt, Hass gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu schüren, zu Gewalt aufzufordern oder den öffentlichen Frieden zu gefährden. Die Gerichte nehmen stets eine sorgfältige Abwägung vor, bevor Äußerungen als strafbare Volksverhetzung eingeordnet werden. Die bloße Kritik an gesellschaftlichen Zuständen oder politischen Gruppen fällt in der Regel weiterhin unter den Schutz der Meinungsfreiheit, sofern keine gezielte Aufstachelung erfolgt.

Können auch Handlungen ohne ausdrückliche Worte als Aufstachelung zum Hass gewertet werden?

Ja, nach deutschem Strafrecht können nicht nur sprachliche Äußerungen, sondern auch symbolische Handlungen oder Darstellungen, die Hass schüren, den Tatbestand der Aufstachelung zum Hass erfüllen. Dazu zählen beispielsweise das Verbreiten von Hasssymbolen, Gesten oder Bildern, die eindeutig auf eine Herabwürdigung oder Aufruf zu Hass gegen eine bestimmte Gruppe abzielen. Ob eine Handlung als Aufstachelung zum Hass zu werten ist, hängt hierbei vom Kontext, der Intention und der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit ab.

Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe für Wissenschaft, Kunst oder Berichterstattung?

§ 130 StGB sieht für die Bereiche Wissenschaft, Forschung, Lehre, Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder ähnliche Zwecke eingeschränkte Ausnahmen vor. Solange solche Darstellungen und Äußerungen nicht in einer Weise erfolgen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören oder gezielt Hass zu schüren, finden die Strafvorschriften keine Anwendung. Ein Beispiel wäre die historische oder schulische Aufarbeitung von Hass-Ideologien im Rahmen eines Workshops oder einer wissenschaftlichen Arbeit. Die Schutzklauseln gelten jedoch nicht, wenn unter dem Deckmantel dieser Tätigkeiten tatsächlich zur Aufstachelung zum Hass missbraucht wird.

Wie lange kann eine strafbare Handlung nach § 130 StGB verfolgt werden (Verjährung)?

Die Verfolgungsverjährung für Straftaten nach § 130 StGB beträgt grundsätzlich fünf Jahre gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, sofern keine schwereren Tatbestände mit höherem Strafmaß vorliegen. Das bedeutet, dass eine strafbare Aufstachelung zum Hass in der Regel binnen fünf Jahren nach der Tat angezeigt und verfolgt werden muss, damit keine Verjährung eintritt. In Einzelfällen, insbesondere wenn die Tat im Zusammenhang mit weiteren Straftaten steht oder als besonders schwer eingestuft wird, können längere Verjährungsfristen greifen.