Legal Wiki

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Aufstachelung zum Angriffskrieg

Aufstachelung zum Angriffskrieg

Begriff und Einordnung: Aufstachelung zum Angriffskrieg

Unter Aufstachelung zum Angriffskrieg versteht man das gezielte öffentliche Hinwirken darauf, dass ein Staat einen völkerrechtswidrigen militärischen Angriff beginnt oder unterstützt. Gemeint sind Handlungen, die über eine allgemeine politische Meinungsäußerung hinausgehen und andere dazu anreizen, einen Angriffskrieg vorzubereiten, zu beginnen oder zu fördern. Geschützt werden die Friedensordnung der Staatenwelt und der öffentliche Friede im Innern.

Angriffskrieg und seine Abgrenzung

Ein Angriffskrieg ist die völkerrechtswidrige Anwendung militärischer Gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates. Nicht erfasst sind legitime Verteidigungsmaßnahmen gegen einen bewaffneten Angriff und militärische Einsätze, die auf einem Mandat eines kollektiven Sicherheitssystems beruhen. Die Bewertung richtet sich maßgeblich nach dem Gewaltverbot der internationalen Ordnung und seinen eng umgrenzten Ausnahmen.

Schutzrichtung

Die Aufstachelung zum Angriffskrieg verletzt zwei Ebenen: nach außen die internationale Friedensordnung, nach innen den öffentlichen Frieden und das Vertrauen in eine auf Gewaltverzicht beruhende Außenpolitik. Sie zielt auf eine besonders gravierende Form staatlicher Gewaltanwendung und ist daher mit hohen Anforderungen an den Unrechtsgehalt verbunden.

Historische Entwicklung und heutige Verortung

Die Ächtung des Angriffskriegs ist eine Lehre aus den Weltkriegen und seit Jahrzehnten fest in der internationalen Friedensordnung verankert. In Deutschland existierte die Aufstachelung zum Angriffskrieg historisch als eigener Straftatbestand. Gesetzliche Reformen haben die Materie in den vergangenen Jahren neu geordnet und an das moderne Völkerstrafrecht sowie an allgemeine Regeln zur öffentlichen Aufforderung zu schweren Gewalttaten und zur Friedensgefährdung angebunden. Heute wird das Thema sowohl durch Regeln mit Bezug zum Verbrechen der Aggression als auch durch Normen zum Schutz des öffentlichen Friedens und zur Bekämpfung von Gewaltpropaganda erfasst.

Reformleitlinien

Die Neuausrichtung folgt drei Linien: die stärkere Einbettung in das Völkerstrafrecht, die Präzisierung der Anforderungen an öffentliche Aufrufe und Propaganda sowie die Anpassung an digitale Kommunikationsformen. Die frühere, eigenständige Ausgestaltung ist thereby in einen systematisch breiteren Rahmen überführt worden.

Tatbestandliche Kernelemente

Was bedeutet „Aufstacheln“?

Aufstacheln meint das bewusste, auf Beeinflussung angelegte Fördern einer Entscheidung anderer, die auf die Durchführung oder Unterstützung eines Angriffskriegs gerichtet ist. Erforderlich ist eine kommunikative Handlung – etwa ein ausdrücklicher Aufruf, eine propagandistische Kampagne oder die gezielte Verbreitung entsprechender Inhalte – mit der Tendenz, Zustimmung zu wecken und Handlungen zugunsten eines Angriffskriegs hervorzurufen.

Öffentlichkeitsbezug und Kommunikationswege

Regelmäßig vorausgesetzt wird ein Öffentlichkeitsbezug: die Äußerung muss einem unbestimmten Personenkreis zugänglich sein, zum Beispiel durch Reden, Versammlungen, Presse, Rundfunk, audiovisuelle Medien, soziale Netzwerke oder Messengerdienste, sofern Inhalte massenhaft weitergegeben werden. Auch symbolische Handlungen und Bildsprache können erfasst sein, wenn sie als Aufforderung erkennbar sind.

Subjektive Seite

Gefordert wird zumindest Vorsatz hinsichtlich der eigenen Einflussnahme zugunsten eines Angriffskriegs. Er umfasst das Bewusstsein, einen völkerrechtswidrigen Angriff zu fördern, sowie den Willen oder die billigende Inkaufnahme, dass die angesprochenen Adressaten entsprechende Schritte gutheißen oder unterstützen. Je direkter und konkreter der Aufruf, desto eher tritt die Strafbarkeit in den Vordergrund.

Eignung zur Friedensgefährdung

Kommunikative Akte werden typischerweise danach bewertet, ob sie geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören oder die Gefahr einer völkerrechtswidrigen Gewaltanwendung zu erhöhen. Maßgeblich ist nicht allein der Wortlaut, sondern auch der Kontext: Adressatenkreis, Zeitpunkt, politische Lage, begleitende Tathandlungen und Reichweite der Verbreitung.

Teilnahme und Mitwirkung

Neben unmittelbaren Aufrufen können Beteiligungsformen wie Anstiftung, Beihilfe oder das gemeinschaftliche Organisieren von Propaganda erfasst sein. Wer Dritten bewusst Plattformen, technische Infrastruktur oder Ressourcen zur Aufstachelung bereitstellt, kann unter bestimmten Voraussetzungen mitverantwortlich sein.

Verhältnis zum internationalen Recht

Gewaltverbot und Aggressionsverbrechen

Das Gewaltverbot ist ein Grundpfeiler der internationalen Ordnung. Das Verbrechen der Aggression stellt die Verantwortlichkeit maßgeblicher Entscheidungsträger für die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung eines Angriffshandlungsakts in den Mittelpunkt. Nationale Regelungen zur Aufstachelung schließen hieran an, indem sie propagandistische Vorfeldhandlungen adressieren, die den Boden für Aggression bereiten.

Zuständigkeit und Zusammenarbeit

Die Ahndung kann national erfolgen; in schwerwiegenden Konstellationen kommen internationale Mechanismen in Betracht. Nationales und internationales Vorgehen ergänzen sich, typischerweise nach dem Prinzip, dass vorrangig der Staat tätig wird, der effektiv ermitteln und verfolgen kann. Internationale Kooperation, Rechtshilfe und Beweissicherung über Grenzen hinweg sind bei transnationaler Verbreitung zentral.

Abgrenzungen zu anderen strafbaren Kommunikationen

Öffentliche Aufforderung zu Gewalttaten

Wer allgemein zu schweren Gewalttaten aufruft, ohne den spezifischen Bezug zu einem Angriffskrieg, kann unter gesonderte Normen fallen. Die Aufstachelung zum Angriffskrieg setzt demgegenüber den Bezug zu einem völkerrechtswidrigen zwischenstaatlichen Angriff voraus.

Verherrlichung vs. Aufforderung

Nicht jede Verherrlichung militärischer Gewalt ist bereits ein Aufruf. Erforderlich ist eine kommunikative Qualität, die erkennbar darauf zielt, einen Angriffskrieg zu befördern. Historische oder politische Debatten sind davon abzugrenzen, solange sie nicht in eine konkrete Aufforderung oder befürwortende Einflussnahme umschlagen.

Propaganda für Kriegsverbrechen

Inhalte, die auf die Begehung von Kriegsverbrechen oder anderen schweren Völkerrechtsverbrechen drängen, können eigenständig bedeutsam sein. Die Aufstachelung zum Angriffskrieg betrifft demgegenüber das Vorgeschehen: den völkerrechtswidrigen Angriff als solchen.

Strafverfolgung und Beweise

Ermittlungsfokus

Ermittlungen konzentrieren sich auf den Inhalt, die Verbreitungswege und den Adressatenkreis der Kommunikation sowie auf begleitende organisatorische Maßnahmen. Digitale Forensik, Metadaten, Archivierungen von Online-Inhalten und Kontextmaterial (etwa Redemanuskripte, interne Abstimmungen) spielen eine große Rolle.

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Da Aufstachelung häufig über globale Plattformen erfolgt, stellen sich Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Vollstreckung. Entscheidend sind Anknüpfungspunkte wie Tatort, Erfolgsort, Aufenthalt der Beteiligten und die Betroffenheit inländischer Rechtsgüter.

Amtsträger und Immunitäten

Bei staatlichen Funktionsträgern können Immunitätsfragen auftreten. Diese sind komplex und orientieren sich an der Stellung der Person, dem Zusammenhang mit amtlichen Funktionen und dem Verhältnis zwischen nationalen und internationalen Zuständigkeiten.

Sanktionierung und Rechtsfolgen

Auf die Aufstachelung zum Angriffskrieg reagieren die Rechtsordnungen mit spürbaren Sanktionen. Im Vordergrund steht Freiheitsstrafe; flankierend kommen Maßnahmen wie die Einziehung einschlägiger Propagandamittel, Beschlagnahmen und öffentlich-rechtliche Auflagen in Betracht. Bei juristischen Personen können aufsichtsrechtliche oder sanktionsrechtliche Folgen anknüpfen. In Einzelfällen treten berufs-, medien- oder aufenthaltsrechtliche Konsequenzen hinzu.

Meinungsfreiheit und ihre Schranken

Politische Rede genießt besonderen Schutz. Dieser endet dort, wo die Grenze zu konkreten Aufforderungen zur völkerrechtswidrigen Gewaltanwendung überschritten wird. Für die rechtliche Bewertung ist eine sorgfältige Abwägung maßgeblich: Inhalt, Form, Tonalität, Konkretheit des Aufrufs, zeitliche Nähe zu möglichen Tathandlungen, die Autorität des Sprechers und die Gefahrenprognose fließen ein.

Typische Konstellationen

Politische Kommunikation

Aufstachelnde Inhalte können in Reden, Manifesten oder Kampagnen auftreten, die gezielt auf Unterstützung für einen völkerrechtswidrigen Angriff hinwirken, etwa durch Normalisierung, moralische Rechtfertigungsnarrative und das Schaffen einer „Kriegsnotwendigkeit“.

Digitale Verbreitung

Soziale Netzwerke, Video- und Messenger-Plattformen ermöglichen eine schnelle, transnationale Verbreitung. Koordinierte Desinformation, Botnetze und Microtargeting können die Eignung zur Friedensgefährdung erhöhen.

Verdeckte Einflussnahme

Staatliche oder staatsnahe Akteure können über Dritte oder scheinbar unabhängige Kanäle aufstachelnde Inhalte platzieren. Die Zurechnung richtet sich nach tatsächlicher Einflussnahme, Finanzierung und organisatorischer Verflechtung.

Internationale Perspektiven

Viele Staaten kennen strafrechtliche Regelungen gegen die Propaganda für Angriffskriege oder die öffentliche Aufforderung zu völkerrechtswidriger Gewalt. Unterschiede bestehen bei der Reichweite des Begriffs „Angriffskrieg“, den Anforderungen an die Öffentlichkeit, der Schwelle zur Strafbarkeit und beim Verhältnis zur Meinungsfreiheit. Gemeinsamer Kern ist die Ächtung der Förderung zwischenstaatlicher Aggression.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Aufstachelung zum Angriffskrieg“ konkret?

Gemeint ist das gezielte öffentliche Einwirken auf andere, um Zustimmung, Vorbereitung oder Unterstützung für einen völkerrechtswidrigen militärischen Angriff eines Staates zu bewirken. Es geht um Kommunikation mit Anreiz- oder Aufforderungscharakter, nicht um bloße Berichterstattung.

Ist schon die Befürwortung militärischer Gewalt strafbar?

Nicht jede Befürwortung militärischer Gewalt erfüllt den Tatbestand. Erforderlich ist der spezifische Bezug auf einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und eine kommunikative Qualität, die als Aufruf oder gezielte Förderung zu verstehen ist. Konkretheit, Kontext und Gefährdungspotenzial sind maßgeblich.

Spielt es eine Rolle, ob tatsächlich ein Krieg ausgelöst wird?

Die Strafbarkeit knüpft an die aufstachelnde Handlung an. Ein tatsächlicher Kriegsausbruch ist keine Voraussetzung. Allerdings beeinflusst die reale Nähe zu entsprechenden Ereignissen die Bewertung von Eignung und Gefährlichkeit.

Wie wird „Angriffskrieg“ abgegrenzt?

Abzugrenzen ist der völkerrechtswidrige Angriff von legitimierter Gewaltanwendung, insbesondere Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff sowie Einsätze auf Grundlage eines kollektiven Sicherheitsmandats. Maßgeblich sind das Gewaltverbot und seine eng umgrenzten Ausnahmen.

Welche Rolle spielt die Meinungsfreiheit?

Politische Rede ist geschützt, stößt jedoch an Grenzen, wenn zu völkerrechtswidriger Gewalt aufgerufen oder diese gezielt gefördert wird. Die rechtliche Beurteilung erfolgt durch Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Friedensschutz unter Berücksichtigung von Inhalt und Kontext.

Können auch Handlungen im Ausland erfasst sein?

Ja, insbesondere wenn ein inländischer Bezug besteht, etwa durch Wirkungen oder Verbreitung im Inland, durch Beteiligte mit Inlandsbezug oder durch den Schutz inländischer Rechtsgüter. Zuständigkeits- und Rechtshilfefragen sind in grenzüberschreitenden Fällen prägend.

Wie unterscheidet sich die heutige von der früheren Rechtslage?

Historisch war die Aufstachelung zum Angriffskrieg als eigenständiger Tatbestand ausgestaltet. Reformen haben die Materie stärker an das Völkerstrafrecht und allgemeine Regeln zur öffentlichen Aufforderung zu Gewalt sowie zum Schutz des öffentlichen Friedens angebunden.

Welche Beweise sind typisch?

Relevante Beweise sind Redemitschnitte, Veröffentlichungen, Social-Media-Inhalte, Metadaten, Kommunikationsverläufe, organisatorische Absprachen und Reichweitenanalysen. Entscheidend sind Inhalt, Verbreitungsgrad und die Einbettung in den politischen Kontext.