Aufschub der Strafe: Begriff und Einordnung
Der Aufschub der Strafe bezeichnet die zeitlich befristete Verschiebung der Vollstreckung einer verhängten Sanktion. Er betrifft nicht die Entscheidung über Schuld oder Strafhöhe, sondern ausschließlich den Zeitpunkt, zu dem eine Strafe angetreten oder fortgesetzt wird. Ziel ist es, in besonderen Lebenslagen oder aus gewichtigen sachlichen Gründen die Verhältnismäßigkeit zu wahren, die Gesundheit zu schützen und einen geordneten Vollzug sicherzustellen.
Anwendungsbereich
Ein Aufschub kann insbesondere bei Freiheitsstrafen, Jugendstrafen oder der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht kommen. Bei Geldstrafen geht es regelmäßig um Zahlungserleichterungen; ein Aufschub im engeren Sinn spielt dort nur eine untergeordnete Rolle. Der Aufschub setzt eine rechtskräftige Entscheidung voraus und bezieht sich auf den Vollstreckungsbeginn oder die Fortsetzung der Vollstreckung.
Gründe für einen Aufschub
Gesundheitliche Gründe
Schwere akute oder behandlungsbedürftige Erkrankungen können einen Aufschub rechtfertigen, wenn die Vollstreckung die Gesundheit ernsthaft gefährden würde oder eine erforderliche Behandlung in der Haft nicht oder nur unzureichend möglich ist. Maßgeblich sind belastbare medizinische Feststellungen, die die vorübergehende Vollzugsuntauglichkeit belegen.
Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung
Während der Schwangerschaft und innerhalb der gesetzlichen Schutzfristen nach der Geburt ist ein Aufschub vorgesehen, um Gesundheit und Kindeswohl zu schützen. Darüber hinaus können Betreuungspflichten gegenüber minderjährigen Kindern oder die Organisation einer verlässlichen Betreuung kurzfristig einen zeitlich begrenzten Aufschub tragen.
Unaufschiebbare Verpflichtungen und existenzielle Belange
Besondere Lebenssituationen wie die geordnete Übergabe eines Betriebs, das Ablegen unmittelbar bevorstehender Prüfungen oder die Sicherstellung der Pflege naher Angehöriger können für kurze Zeiträume einen Aufschub begründen, wenn ohne den Aufschub unverhältnismäßige Nachteile drohen.
Therapie und Resozialisierung
Eine begonnene oder unmittelbar bevorstehende Therapie, insbesondere bei Abhängigkeitserkrankungen, kann zur Zurückstellung der Vollstreckung führen, wenn die Behandlung zeitnah durchgeführt und der Behandlungserfolg nicht durch den Strafantritt gefährdet werden soll. Ziel ist die nachhaltige Stabilisierung und Wiedereingliederung.
Weitere gewichtige Gründe
Ein Aufschub kann auch in Betracht kommen, wenn besondere Sicherheitslagen, außergewöhnliche familiäre Notfälle oder andere erhebliche Gründe vorliegen, die vorübergehend gegen einen sofortigen Vollzug sprechen. Entscheidend ist stets die Abwägung im Einzelfall.
Verfahren und Zuständigkeit
Zuständige Stelle
Über den Aufschub entscheidet in der Regel die Vollstreckungsbehörde. In bestimmten Konstellationen wird ein Gericht tätig, insbesondere wenn gerichtliche Anordnungen oder Überprüfungen erforderlich sind.
Antrag, Prüfung und Nachweise
Der Aufschub wird typischerweise auf Antrag geprüft. Für die Beurteilung sind nachvollziehbare Angaben und geeignete Nachweise maßgeblich, etwa ärztliche Bescheinigungen, Bestätigungen über Betreuungssituationen oder Unterlagen zu unaufschiebbaren Verpflichtungen. Die Entscheidung erfolgt nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls.
Ermessensentscheidung und Kriterien
Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung. Berücksichtigt werden insbesondere die Schwere und Dringlichkeit des geltend gemachten Grundes, die voraussichtliche Dauer des Hinderungsgrundes, das Risiko eines Missbrauchs, Flucht- oder Verdunkelungsgefahren sowie Belange der Allgemeinheit und des Vollzugs.
Bedingungen, Auflagen und Kontrolle
Ein Aufschub kann mit Auflagen verbunden sein, etwa Meldepflichten, Aufenthaltsvorgaben, die Pflicht zur Fortführung einer Behandlung oder zur Vorlage aktueller Nachweise. Die Einhaltung kann kontrolliert werden; Verstöße können zum Widerruf führen.
Dauer, Verlängerung und Beendigung
Aufschübe sind zeitlich befristet und orientieren sich an der notwendigen Dauer des Hinderungsgrundes. Eine Verlängerung kommt in Betracht, wenn die Gründe fortbestehen und erneut belegt werden. Endet der Hinderungsgrund oder werden Auflagen nicht eingehalten, kann der Aufschub beendet oder widerrufen werden.
Rechtsfolgen und Auswirkungen
Wirkung auf die Vollstreckung
Der Aufschub hemmt den Beginn oder die Fortsetzung der Vollstreckung. Die verhängte Strafe bleibt unverändert; es erfolgt keine Erledigung oder Minderung durch den Aufschub selbst.
Anrechnung und Fristen
Zeiten eines Aufschubs werden grundsätzlich nicht auf die Strafzeit angerechnet. Fristen des Vollzugs- und Registerwesens laufen unabhängig von einem Aufschub nach den hierfür geltenden Regeln. Der Aufschub ändert nichts am Bestand der rechtskräftigen Entscheidung.
Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten
Strafaussetzung zur Bewährung
Die Aussetzung zur Bewährung betrifft die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auf Grundlage einer positiven Prognose und ist mit umfassenden Bewährungsauflagen verbunden. Beim Aufschub wird die Vollstreckung dagegen nur vorübergehend verschoben.
Unterbrechung der Vollstreckung
Die Unterbrechung setzt ein, wenn die Vollstreckung bereits begonnen hat und aus nachträglich eingetretenen Gründen vorübergehend ausgesetzt werden muss. Der Aufschub betrifft demgegenüber vor allem den noch nicht begonnenen Vollzug.
Begnadigung und Absehen von Vollstreckung
Gnadenentscheidungen oder ein dauerndes Absehen von Vollstreckung heben die Vollstreckung ganz oder teilweise auf. Der Aufschub ist dagegen stets zeitlich begrenzt und führt nicht zur Erledigung der Strafe.
Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen
Bei Geldstrafen stehen Stundung und Ratenzahlung im Vordergrund. Ein Aufschub im engeren Sinne knüpft bei Geldstrafen selten an; relevant wird er erst, wenn eine Ersatzfreiheitsstrafe droht.
Therapiebedingte Zurückstellung
Die Zurückstellung zur Durchführung einer Therapie ist eine besondere Form der Vollstreckungsverschiebung mit dem Ziel der Behandlung einer Abhängigkeitserkrankung. Sie folgt eigenen Voraussetzungen und Nachweiserfordernissen und ist von einem allgemeinen Aufschub abzugrenzen.
Besonderheiten nach Sanktionsart
Freiheitsstrafe
Bei Freiheitsstrafen ist der Aufschub besonders praxisrelevant. Typische Gründe sind gesundheitliche Hinderungsgründe, Schwangerschaft und Betreuungssituationen. Auflagen und Kontrollen sind üblich.
Ersatzfreiheitsstrafe
Steht eine Ersatzfreiheitsstrafe im Raum, kann der Aufschub genutzt werden, um kurzfristig gewichtige Gründe zu berücksichtigen oder um Zahlungserleichterungen zu ordnen. Der Aufschub ersetzt nicht die Erfüllung der Geldstrafe.
Jugendstrafrecht
Im Jugendbereich werden erzieherische Gesichtspunkte besonders gewichtet. Ein Aufschub kann ermöglicht werden, wenn er dem Erziehungsziel dient oder schulische und berufliche Integrationsprozesse nicht gefährden soll.
Maßregeln
Für Unterbringungen oder sonstige Maßregeln gelten Besonderheiten. Ein Aufschub ist hier nur eingeschränkt möglich, da regelmäßig vorrangige Sicherungs- und Behandlungsbelange bestehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Aufschub der Strafe konkret?
Der Aufschub der Strafe verschiebt den Beginn oder die Fortsetzung der Vollstreckung einer bereits rechtskräftigen Sanktion für eine begrenzte Zeit. Die Strafhöhe und der Schuldspruch bleiben unberührt.
Wer entscheidet über einen Aufschub der Strafe?
In der Regel entscheidet die zuständige Vollstreckungsbehörde. In bestimmten Fällen wird ein Gericht eingebunden, etwa wenn richterliche Anordnungen erforderlich sind oder eine gerichtliche Überprüfung stattfindet.
Welche Gründe werden für einen Aufschub anerkannt?
Anerkannt werden insbesondere schwerwiegende gesundheitliche Gründe, Schwangerschaft und Schutzfristen nach der Geburt, zwingende Betreuungspflichten sowie unaufschiebbare existenzielle Belange. Auch therapiebedingte Konstellationen können eine Zurückstellung rechtfertigen.
Wie lange kann ein Aufschub dauern?
Die Dauer richtet sich nach dem erforderlichen Zeitraum zur Bewältigung des Hinderungsgrundes. Aufschübe sind befristet; Verlängerungen kommen nur in Betracht, wenn die maßgeblichen Gründe fortbestehen und belegt sind.
Wird die Zeit des Aufschubs auf die Strafe angerechnet?
In der Regel wird die Zeit eines Aufschubs nicht auf die Strafzeit angerechnet. Eine Anrechnung kommt nur nach den allgemeinen Regeln in Betracht, wenn die Vollstreckung bereits begonnen hatte und besondere Anrechnungsgründe vorliegen.
Kann ein Aufschub widerrufen werden?
Ein bewilligter Aufschub kann widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen entfallen oder Auflagen nicht eingehalten werden. In diesem Fall wird die Vollstreckung fortgesetzt oder beginnt umgehend.
Gilt der Aufschub auch für Geldstrafen?
Bei Geldstrafen stehen Stundung und Ratenzahlung im Vordergrund. Ein Aufschub im engeren Sinn ist vor allem relevant, wenn eine Ersatzfreiheitsstrafe droht oder angeordnet ist.