Auflauf (Landfriedensbruch): Begriff, Bedeutung und Einordnung
Der Begriff Auflauf (Landfriedensbruch) bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Form kollektiver Gewalt aus einer größeren Ansammlung von Personen heraus. Geschützt werden der öffentliche Frieden und die Sicherheit der Allgemeinheit vor unfriedlichen Ausschreitungen, die aus einer Menschenmenge entstehen. Erfasst sind gewaltsame Handlungen gegen Personen oder Sachen sowie Bedrohungen mit Gewalt, wenn sie aus der Menge heraus erfolgen und eine erhebliche Störung des öffentlichen Friedens bewirken.
„Auflauf“ hat historisch die Bedeutung einer tumultartigen Ansammlung. Im rechtlichen Kontext ist damit ein unfriedlicher Verlauf gemeint, der über bloße Unruhe hinausgeht und sich durch kollektive, schwer zu kontrollierende Dynamiken auszeichnet.
Voraussetzungen der Strafbarkeit
Menschenmenge und unfriedlicher Verlauf
Voraussetzung ist eine Menschenmenge, also eine Vielzahl von Personen, deren Zusammenwirken aufgrund ihrer Anzahl eine besondere Gefährlichkeit entfaltet. Maßgeblich ist, dass die Menge als Kollektiv agiert und Einzelhandlungen nicht mehr ohne Weiteres kontrollierbar sind. Der Verlauf muss unfriedlich sein; friedliche Ansammlungen sind nicht erfasst.
Gewalttätigkeiten und Bedrohungen
Erforderlich sind Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen mit solchen Gewalttätigkeiten. Gewalt meint dabei körperlich wirkende Zwangseinwirkungen oder zielgerichtete Sachbeschädigungen. Auch das massenhafte, einschüchternde Drohen mit Gewalt kann genügen, wenn es aus der Menge heraus erfolgt.
Beteiligung aus der Menge
Strafbar ist, wer sich aus der Menge an den Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen beteiligt. Das kann durch eigene Gewalthandlungen geschehen oder durch ein Mitwirken, das das gewaltsame Geschehen aus der Menge fördert, etwa durch Koordinieren, Anfeuern, das Heranbringen von Gegenständen oder das Abschirmen von Täterinnen und Tätern. Bloße Anwesenheit reicht nicht aus.
Vorsatz und Verantwortlichkeit
Erforderlich ist ein vorsätzliches Handeln: Die betreffende Person muss die unfriedliche Dynamik erkennen und ihren Tatbeitrag hierzu leisten wollen oder zumindest billigend in Kauf nehmen. Sorgfaltspflichtverletzungen ohne Vorsatz genügen nicht.
Abgrenzungen zu anderen Situationen
Friedliche Versammlung versus Auflauf
Eine friedliche Versammlung, die auf Meinungsbildung oder -äußerung gerichtet ist, bleibt grundsätzlich geschützt. Ein Auflauf (Landfriedensbruch) setzt den Übergang zur Unfriedlichkeit durch Gewalt oder entsprechende Bedrohungen voraus. Die Schwelle ist erreicht, wenn die kollektive Dynamik objektiv einschüchternd wirkt und konkrete Rechtsgüter angegriffen oder gefährdet werden.
Einzelstraftaten ohne Menschenmenge
Einzeltaten wie eine isolierte Sachbeschädigung sind kein Auflauf (Landfriedensbruch), wenn sie nicht aus einer Menschenmenge heraus erfolgen. In solchen Fällen kommen andere Straftatbestände in Betracht.
Öffentlicher und nichtöffentlicher Raum
Der Tatort ist nicht auf Straßen und Plätze beschränkt. Ein Auflauf kann ebenso in Stadien, Einkaufszentren oder anderen allgemein zugänglichen Bereichen entstehen. Entscheidend ist die menschenmengenbedingte Gefährlichkeit und der unfriedliche Verlauf.
Qualifizierte Fälle und erschwerende Umstände
Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen
Das Mitführen oder der Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen kann den Unrechtsgehalt erheblich steigern. Dadurch erhöht sich regelmäßig die Strafandrohung, da die kollektive Eskalationsgefahr besonders ausgeprägt ist.
Rädelsführerschaft und Koordination
Wer aus der Menge heraus anleitet, koordiniert oder die Gewalttaten maßgeblich vorantreibt, kann besonders schwer verantwortlich sein. Solche Leitungs- oder Anstiftungsrollen werden streng bewertet.
Plünderungen, Brände und erhebliche Zerstörungen
Plünderungen, Brandlegungen oder großflächige Zerstörungen sind typische Eskalationsformen, die qualifizierend wirken können, weil sie eine besondere Gemeingefahr und einen hohen Schaden für die Allgemeinheit bedeuten.
Schwere Folgen für Menschen
Schwere Verletzungen oder die konkrete Gefährdung von Leib und Leben innerhalb eines Auflaufs führen ebenfalls zu einer deutlich strengeren Bewertung, da das Schutzgut des öffentlichen Friedens in besonderer Weise betroffen ist.
Rechtsfolgen
Strafrahmen und Eintragung
Die Sanktionen reichen abhängig von Schweregrad und Tatbeitrag von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe. In qualifizierten Fällen sind deutlich höhere Freiheitsstrafen möglich. Verurteilungen können im Register eingetragen werden und langfristige Folgen haben.
Nebenfolgen und Schadensersatz
Neben der Strafe kommen zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Betracht. Bei kollektiven Taten ist auch eine Haftung für gemeinschaftlich verursachte Schäden möglich.
Jugendliche und Heranwachsende
Bei minderjährigen oder heranwachsenden Beteiligten gelten besondere Regelungen, die stärker auf erzieherische Reaktionen und die Persönlichkeit der betroffenen Person abstellen.
Ermittlungen und Beweisfragen
Identifizierung und Tatbeiträge
In der Praxis stützen sich Ermittlungen auf Video- und Fotoauswertungen, Zeugenaussagen und Spuren. Entscheidend ist die Feststellung, wer aus der Menge heraus in welcher Weise zum unfriedlichen Verlauf beigetragen hat.
Kollektive Dynamik und Zurechnung
Bei Massenereignissen spielt die kollektive Dynamik eine zentrale Rolle. Die Zurechnung erfordert eine konkrete Mitwirkung am unfriedlichen Geschehen; eine bloße Anwesenheit am Rand reicht nicht aus.
Abgrenzung bloßer Anwesenheit
Die Grenze verläuft dort, wo Verhalten objektiv das gewaltsame Geschehen aus der Menge heraus fördert oder Teil der kollektiven Gewaltausübung ist. Passivität allein erfüllt den Tatbestand nicht.
Historische und sprachliche Anmerkungen
Zur Bezeichnung „Auflauf“
„Auflauf“ bezeichnet umgangssprachlich eine plötzliche Ansammlung vieler Menschen, häufig mit Unruhe verbunden. Im rechtlichen Kontext wird der Begriff als Kurzbezeichnung für die unfriedliche, gewaltgeprägte Ausprägung solcher Ansammlungen verwendet.
Abgrenzung zum Alltagsgebrauch
Die Bezeichnung „Auflauf“ wird im Alltag uneinheitlich gebraucht und meint gelegentlich auch harmlose Neugieransammlungen. Im strafrechtlichen Sinn ist jedoch erst die unfriedliche, gewaltsame Prägung entscheidend. Eine Verwechslung mit dem gleichlautenden Begriff für ein Backgericht ist begrifflich auszuschließen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ab wann gilt eine Ansammlung als Menschenmenge im Sinne des Auflaufs?
Es gibt keine feste Mindestzahl. Entscheidend ist, dass die Anzahl der Personen so hoch ist, dass aus ihrem Zusammenwirken eine besondere Gefährlichkeit entsteht und das Geschehen nicht mehr ohne Weiteres kontrollierbar ist.
Reicht bloße Anwesenheit aus, um sich strafbar zu machen?
Nein. Erforderlich ist ein Tatbeitrag aus der Menge heraus, etwa durch Gewalthandlungen, Drohungen oder Handlungen, die das unfriedliche Geschehen fördern. Passives Dabeistehen genügt nicht.
Ist ein spontaner Auflauf erfasst, oder muss er geplant sein?
Auch spontane Ansammlungen können erfasst sein. Eine vorherige Planung ist nicht erforderlich, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind und der Verlauf unfriedlich wird.
Worin besteht der Unterschied zwischen einer friedlichen Versammlung und einem Auflauf?
Friedliche Versammlungen sind durch eine auf Meinungsbildung oder -äußerung gerichtete, geordnete Durchführung geprägt. Ein Auflauf liegt vor, wenn aus der Menge heraus Gewalt oder einschüchternde Gewaltandrohungen erfolgen und der öffentliche Frieden dadurch erheblich gestört wird.
Kann ein Auflauf auch in geschlossenen Räumen stattfinden?
Ja. Entscheidend ist nicht der Ort, sondern die Menschenmenge und die unfriedliche, gewaltsame Dynamik.
Welche Umstände führen zu einer verschärften Strafbewertung?
Eine Verschärfung kommt insbesondere bei Mitführen oder Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen, leitender Rolle, Plünderungen, Bränden, großflächigen Zerstörungen oder schweren Folgen für Menschen in Betracht.
Wie wird die Beteiligung einzelner Personen nachgewiesen?
Dies erfolgt regelmäßig durch Auswertung von Bildmaterial, Zeugenaussagen und weitere Indizien. Maßgeblich ist, ob eine Person aus der Menge heraus in relevanter Weise zur Gewaltausübung oder -androhung beigetragen hat.