Begriff und rechtliche Definition des Aufhebungstestaments
Das Aufhebungstestament ist ein Begriff aus dem deutschen Erbrecht und bezeichnet eine letztwillige Verfügung, mit der eine zuvor getroffene testamentarische Verfügung aufgehoben wird. Hierbei handelt es sich um einen spezialisierten Unterfall des Testaments, dessen Hauptzweck darin liegt, eine oder mehrere bestehende letztwillige Verfügungen – insbesondere Testamente oder Erbverträge – ganz oder teilweise aufzuheben. Das Aufhebungstestament kann mit oder ohne Neuregelung der Erbfolge errichtet werden und stellt, wie jede letztwillige Verfügung, eine einseitige Willenserklärung des Erblassers dar.
Gesetzliche Grundlagen
Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Die Aufhebung eines Testaments richtet sich maßgeblich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere nach §§ 2254 ff. BGB. § 2254 BGB regelt, dass ein Testament durch Errichtung eines neuen Testaments aufgehoben werden kann. Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, ob das neue Testament ausdrücklich auf die Aufhebung Bezug nimmt oder ob sich die Aufhebung lediglich aus dem Inhalt des neuen Testaments ergibt. Eine ausdrückliche Widerrufserklärung im Sinne eines Aufhebungstestaments ist jedoch die klarste Form der Aufhebung.
Unterschied zu anderen Widerrufsformen
Im Gegensatz zu anderen Widerrufsmöglichkeiten wie der Vernichtung des Testaments (§ 2255 BGB) oder dem Widerrufserklärung gegenüber einem Notar (§ 2256 BGB), kennzeichnet sich das Aufhebungstestament durch seine formelle Errichtung einer neuen letztwilligen Verfügung, die gezielt die Aufhebung älterer Verfügungen anordnet.
Formvorschriften und Wirksamkeitsvoraussetzungen
Form des Aufhebungstestaments
Das Aufhebungstestament unterliegt denselben Formvorschriften wie andere Testamente. Es kann entweder eigenhändig (§ 2247 BGB) oder in notarieller Form (§ 2232 BGB) errichtet werden. Das bedeutet, das Testament muss entweder vom Erblasser vollständig handschriftlich geschrieben und unterschrieben sein oder es muss von einem Notar beurkundet werden.
Inhaltliche Anforderungen
Der Inhalt des Aufhebungstestaments muss ausreichend bestimmt sein, um erkennen zu lassen, inwieweit bestehende Testamente aufgehoben werden sollen. Eine explizite Bezeichnung des aufzuhebenden Testaments (beispielsweise mit Datum oder Inhalt) ist empfehlenswert, jedoch nicht zwingend erforderlich, sofern der Aufhebungswille eindeutig festgestellt werden kann.
Teilweise Aufhebung
Das Aufhebungstestament kann auch lediglich bestimmte Verfügungen eines früheren Testaments aufheben, während andere Regelungen fortbestehen. Eine solche partielle Aufhebung muss im Aufhebungstestament deutlich zum Ausdruck kommen.
Wirkungen des Aufhebungstestsments
Erbrechtliche Wirkung
Die Rechtsfolge der Errichtung eines Aufhebungstestaments ist das Erlöschen der darin bezeichneten letztwilligen Verfügungen ab dem Zeitpunkt der Errichtung. Mit dem Tod des Erblassers entfaltet das Aufhebungstestament als letzte wirksame Verfügung die maßgebende Wirkung für die Erbfolge, sofern nicht später ein weiteres Testament errichtet oder die Erbfolge erneut geändert wird.
Verhältnis zu späteren Verfügungen
Wird nach dem Aufhebungstestament ein weiteres Testament errichtet, so gilt grundsätzlich die jüngste Verfügung, sofern nicht das jüngste Testament unwirksam ist oder selbst wiederum aufgehoben wird. Das Prinzip der „Testierfreiheit“ des Erblassers erlaubt es, die eigene Erbfolge jederzeit und wiederholt neu festzulegen oder bestehende Testamente durch Aufhebungstestament zu widerrufen.
Sonderfälle und Besonderheiten
Widerruf von Erbverträgen
Besonderheiten bestehen bei der Aufhebung von Erbverträgen. Ein solcher kann nach § 2290 BGB grundsätzlich nur durch notariell beurkundete Vereinbarung beider Vertragsparteien aufgehoben werden. Einseitige Aufhebungserklärungen in Form eines Aufhebungstestaments sind bei Erbverträgen grundsätzlich nicht wirksam, soweit bindend verfügt wurde.
Gemeinschaftliche Testamente
Bei gemeinschaftlichen Testamenten, etwa Ehegattentestamenten, unterliegt die Aufhebung einer besonderen Bindungswirkung (§§ 2265 ff. BGB). Eine Aufhebung ist hier häufig nur gemeinsam oder nach dem Tod des anderen Ehegatten innerhalb enger gesetzlicher Grenzen möglich.
Internationale Bezüge
Bei internationalen Sachverhalten, etwa wenn der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt oder Vermögen im Ausland belegen ist, können die Form- und Inhaltsvorschriften für Aufhebungstestamente abweichen. Hier kommt unter Umständen Art. 27 ff. EGBGB oder die EU-Erbrechtsverordnung zur Anwendung.
Abgrenzung zu anderen Widerrufsformen
Das Aufhebungstestament ist von anderen Arten des Widerrufs abzugrenzen:
- Vernichtung des Testaments: Die bewusste Vernichtung (Zerstörung) eines Testaments hebt dieses gemäß § 2255 BGB auf, vorausgesetzt, der Erblasser wollte mit der Vernichtung seinen Widerrufswillen kundtun.
- Widerrufserklärung gegenüber einem Notar: Nach § 2256 BGB kann der Widerruf eines öffentlichen Testaments ausdrücklich gegenüber einem Notar erklärt werden.
- Neues widersprechendes Testament: Nach § 2258 BGB hebt ein neues, widersprechendes Testament das bestehende auf, auch wenn keine ausdrückliche Aufhebung erfolgt.
Das gezielt als Aufhebungstestament errichtete Dokument bietet aber die größte Klarheit hinsichtlich des Widerrufswillens.
Praktische Hinweise zur Errichtung eines Aufhebungstestaments
Für die Praxis empfiehlt sich bei der Errichtung eines Aufhebungstestaments eine möglichst präzise Bezeichnung des aufzuhebenden Testaments, das Datum der vorherigen Verfügung sowie eine eindeutige Willensäußerung zum Widerruf. Die Berücksichtigung sämtlicher bislang errichteten eigenhändigen wie notariellen Testamente schafft rechtliche Klarheit und verhindert Unklarheiten bezüglich der Wirksamkeit früherer Verfügungen.
Zusammenfassung
Das Aufhebungstestament ist ein effektives und gesetzlich anerkanntes Instrument zur Aufhebung einer oder mehrerer bestehender letztwilligen Verfügungen. Unter Beachtung der gesetzlichen Formvorschriften können Erblasser ihre erbrechtlichen Verfügungen auf diesem Wege klar und verbindlich widerrufen. Die präzise Einhaltung formaler und inhaltlicher Anforderungen stellt sicher, dass das Aufhebungstestament im Erbfall die gewünschte Wirkung entfaltet und zur Klarheit der Erbfolge beiträgt.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist zur Aufhebung eines Testaments berechtigt?
Zur Aufhebung eines Testaments ist grundsätzlich nur der Erblasser selbst berechtigt, das heißt die Person, die das Testament errichtet hat. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein eigenhändiges oder ein notariell beurkundetes Testament handelt. Nach dem Tod des Erblassers kann niemand mehr wirksam das Testament aufheben oder abändern; etwaige Versuche Dritter sind rechtlich unwirksam. Bei gemeinschaftlichen Testamenten, etwa dem sogenannten Berliner Testament, sind besondere Vorschriften zu beachten: Solange beide Ehegatten oder Lebenspartner leben, kann das gemeinschaftliche Testament in der Regel nur gemeinsam aufgehoben werden, wobei im Falle des eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments auch ein Widerruf möglich ist, der dem anderen Ehegatten notariell zuzugehen hat. Eine einseitige Aufhebung durch einen der Partner ist nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig, die insbesondere den Schutz des anderen Ehegatten vor überraschenden Alleingängen sicherstellen sollen. Nach dem Tod eines Ehegatten ist eine Änderung des gemeinschaftlichen Testaments nur noch unter engen Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen, möglich.
Welche Formvorschriften sind bei der Aufhebung eines Testaments zu beachten?
Die Formvorschriften zur Aufhebung eines Testaments richten sich nach der Art des aufgehobenen Testaments. Ein eigenhändiges Testament kann durch eine eigenhändige, ausdrücklich widerrufende Erklärung oder durch Vernichtung der Urkunde aufgehoben werden (§ 2255 BGB). Die Widerrufserklärung muss vollständig handschriftlich niedergeschrieben und unterschrieben werden. Bei einem notariellen Testament erfolgt der Widerruf entweder durch Errichtung eines neuen Testaments, durch notarielle Widerrufserklärung oder durch Vernichtung der Urschrift des notariellen Testaments beim Notar. Die bloße Absicht oder ein mündlicher Widerruf reicht zur wirksamen Aufhebung niemals aus. Wichtig ist zudem, dass bei einem gemeinschaftlichen Testament besondere Formen, beispielsweise der notarielle Zugang beim Widerruf zu Lebzeiten, zu beachten sind.
Was passiert, wenn mehrere Testamente mit unterschiedlichen Regelungen vorliegen?
Liegen mehrere Testamente des Erblassers mit unterschiedlichen Regelungen vor, gilt grundsätzlich das sogenannte zeitlich jüngere Testament (§ 2258 Abs. 1 BGB). Das zuletzt errichtete Testament hebt das frühere auf, soweit die Verfügungen miteinander in Widerspruch stehen. Es ist jedoch zu prüfen, ob das spätere Testament das frühere tatsächlich komplett aufheben will oder ob es lediglich eine partielle Änderung bezweckt; die Testamente sind dann in ihrem Zusammenspiel auszulegen. Bestehen keine Widersprüche, können sich die Anordnungen ergänzen. Im Streitfall liegt die Auslegung und Entscheidung beim Nachlassgericht. Ist die Absicht der vollständigen oder teilweisen Aufhebung nicht eindeutig erkennbar, kann es zu rechtlichen Unsicherheiten kommen, weshalb im Testament möglichst klare Formulierungen hinsichtlich der Aufhebung und/oder Ergänzung früherer Testamente gewählt werden sollten.
Welche rechtlichen Folgen hat die unwirksame Aufhebung eines Testaments?
Wird ein Testament nicht wirksam aufgehoben – zum Beispiel wegen Nichtbeachtung der notwendigen Form oder mangelnder Testierfähigkeit zum Zeitpunkt des Widerrufs – bleibt das ursprüngliche Testament weiter gültig. Eine nicht formgerechte Widerrufserklärung, beispielsweise eine nur mündlich erklärte oder nicht (vollständig) eigenhändig geschriebene und unterschriebene Widerrufsurkunde, hat rechtlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Testaments. Auch eine Vernichtung eines bloßen Entwurfs oder einer Kopie des Testaments reicht für eine Aufhebung nicht aus; es muss die Originalurkunde betroffen sein. Im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments kann eine fehlende Information oder Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Notarform zur Unwirksamkeit des Widerrufs führen. Relevant ist dies für die spätere Nachlassverteilung, da durch die Aufhebung nicht rechtswirksam beseitigte Testamente vom Nachlassgericht weiterhin als maßgeblich herangezogen werden.
Können Erben oder andere Dritte ein Testament nach dem Tod des Erblassers aufheben?
Erben oder sonstige Dritte sind nach dem Tod des Erblassers nicht befugt, ein Testament aufzuheben oder zu widerrufen. Das Testament bleibt mit dem Tod des Erblassers grundsätzlich in der zuletzt wirksam errichteten Fassung verbindlich. Änderungen oder die Beseitigung des Testaments durch Erben oder Dritte entfalten keine rechtliche Wirkung. Lediglich im Wege der Anfechtung können Erben ggf. die Unwirksamkeit eines Testaments geltend machen, etwa wenn sie sich auf bestimmte Anfechtungsgründe wie Irrtum, Täuschung oder Drohung berufen können (§§ 2078 ff. BGB). Ob und mit welcher Frist eine solche Anfechtung zulässig ist, richtet sich nach strengen gesetzlichen Vorgaben. Eine schlichte Aufhebung oder Vernichtung des Testaments durch Erben ohne Beachtung dieser Vorschriften ist nichtig.
Was geschieht, wenn das aufgehobene Testament das einzige Testament war?
Wird ein Testament wirksam aufgehoben und liegt kein weiteres, gültiges Testament vor, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Das bedeutet, dass die Erbfolge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt wird (§ 1924 ff. BGB). Es werden in erster Linie die Abkömmlinge, sodann die Eltern und deren Nachkommen sowie weitere gesetzliche Erben berufen. Die vom aufgehobenen Testament abweichenden letztwilligen Verfügungen werden durch die gesetzlichen Regelungen ersetzt. Eine Ausnahme besteht, wenn gleichzeitig mit der Aufhebung ein neues Testament oder ein Erbvertrag errichtet wird. In diesem Fall bestimmen die neuen testamentarischen Verfügungen die Nachlassregelung.
Wie kann die Aufhebung eines Testaments im Nachlassverfahren nachgewiesen werden?
Im Rahmen des Nachlassverfahrens muss die Aufhebung eines Testaments durch entsprechende Nachweise belegt werden. Dies kann beispielsweise durch Vorlage der widerrufenden eigenhändigen Erklärung, eines notariellen Protokolls über den Widerruf oder durch Vorlage des vernichteten oder entwerteten Testaments erfolgen. Insbesondere bei der Vernichtung eines eigenhändigen Testaments durch den Erblasser selbst ist es oft schwierig, den Aufhebungswillen gerichtsfest nachzuweisen. Beweisprobleme entstehen, wenn behauptet wird, der Erblasser habe das Testament vernichtet oder es sei verlorengegangen. In diesen Fällen kann das Nachlassgericht Beweise erheben und Zeugen vernehmen. Bestehen Zweifel hinsichtlich der Aufhebung oder des Widerrufs, kann dies zu langwierigen und komplexen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Deshalb ist es empfehlenswert, bei Aufhebung eines Testaments stets auf eine eindeutige und nachweisbare Dokumentation zu achten.