Aufforderung zu Straftaten: Bedeutung, Einordnung und Abgrenzung
Die Aufforderung zu Straftaten bezeichnet das gezielte Hinwirken darauf, dass andere Personen eine rechtswidrige Tat begehen. Kennzeichnend ist der Appell-Charakter: Es wird nicht nur eine Meinung geäußert oder ein Geschehen bewertet, sondern aktiv dazu aufgerufen, eine Straftat zu verwirklichen. Die Strafbarkeit knüpft dabei in der Regel an die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und die Beeinträchtigung des Vertrauens in die Rechtsordnung an, unabhängig davon, ob der aufgerufene Rechtsverstoß tatsächlich geschieht.
Kernelemente
- Aufforderungscharakter: Eine an andere gerichtete, ernst gemeinte Anregung oder ein Appell, eine Straftat zu begehen.
- Adressatenkreis: Regelmäßig ist ein öffentliches oder breites Publikum angesprochen; die Ansprache kann aber auch an eine unbestimmte große Gruppe gerichtet sein.
- Bezug auf eine Straftat: Der Aufruf muss auf ein Verhalten zielen, das als Straftat eingestuft ist, nicht nur auf eine Ordnungswidrigkeit.
- Vorsatz: Die Äußernde oder der Äußernde muss zumindest billigend in Kauf nehmen, dass andere den Aufruf als solche Handlungsaufforderung verstehen und entsprechend handeln.
- Verbreitungsform: Mündlich, schriftlich, bildlich oder über digitale Medien – entscheidend ist die inhaltliche Aufforderung, nicht das Medium.
Abgrenzung zu verwandten Phänomenen
Abgrenzung zur Anstiftung
Die Anstiftung zielt darauf ab, eine bestimmte Person zur Begehung einer konkret umrissenen Straftat zu bestimmen. Die Aufforderung zu Straftaten richtet sich demgegenüber typischerweise an die Allgemeinheit oder einen unbestimmten Personenkreis und erfasst auch allgemeine Aufrufe. Kommt es zur Tatbegehung durch die aufgerufenen Personen, greifen strengere Regeln der Beteiligung an der Haupttat.
Abgrenzung zur Billigung oder Belohnung von Straftaten
Die Billigung oder Belohnung liegt vor, wenn bereits begangene Straftaten gelobt, gerechtfertigt oder belohnt werden. Eine Aufforderung ist demgegenüber zukunftsbezogen und drängt auf die Begehung neuer Taten.
Abgrenzung zu volksverhetzenden Inhalten
Volksverhetzende Äußerungen richten sich gegen bestimmte Gruppen und zielen auf die Aufstachelung zu Hass oder Gewalt. Eine Aufforderung zu Straftaten kann sich mit solchen Inhalten überschneiden, ist aber eigenständig zu betrachten: Maßgeblich ist der konkrete Aufruf zu einem strafbaren Verhalten.
Abgrenzung zu Ordnungswidrigkeiten
Aufrufe zu bloßen Regelverstößen ohne Strafcharakter (etwa Verwaltungsübertretungen) sind nicht erfasst. Erforderlich ist ein Aufruf zu einer Handlung, die als Straftat gilt.
Schutzrichtung und rechtlicher Hintergrund
Die Normen zur Aufforderung zu Straftaten schützen die öffentliche Sicherheit und das Vertrauen in die Geltung der Rechtsordnung. Bereits der öffentliche Appell, Straftaten zu begehen, kann ein Klima erzeugen, das Rechtsbrüche begünstigt. Deshalb setzt die Sanktionierung bereits bei der Gefährdung an und knüpft nicht erst an den Erfolg an.
Reichweite und Erscheinungsformen
Öffentlichkeitsbezug
Öffentlich ist eine Aufforderung insbesondere dann, wenn sie sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen richtet oder ohne kontrollierte Zugangsbeschränkungen verbreitet wird, etwa auf Plätzen, in Versammlungen, in Medien oder über allgemein zugängliche Online-Plattformen. Auch eine Verbreitung in größeren Gruppen kann den Öffentlichkeitsbezug begründen.
Digitale und analoge Verbreitungswege
Die Form der Verbreitung ist unerheblich. Erfasst sind Reden, Plakate, Flugblätter, Druckwerke sowie Beiträge in sozialen Netzwerken, Livestreams, Foren, Messengern mit größeren Gruppen, Podcasts, Videos oder Kommentaren. Entscheidend ist, dass die Aussage als Aufruf verstanden werden kann.
Inhaltliche Bestimmtheit
Die Aufforderung muss hinreichend konkret sein, um als Appell zur Begehung einer Straftat erkennbar zu sein. Vage Sympathiebekundungen, bloße Empörung oder reine Berichterstattung ohne Handlungsappell genügen hierfür nicht. Überspitzte Formulierungen können je nach Kontext dennoch als Aufforderung verstanden werden, wenn sie als ernsthafte Handlungsanweisung wirken.
Subjektive Voraussetzungen
Erforderlich ist mindestens das billige Inkaufnehmen, dass andere den Aufruf als Aufforderung zur Begehung einer Straftat verstehen und sich daran orientieren. Ein ernst gemeinter Wille zur Herbeiführung einer Tat ist nicht zwingend erforderlich; maßgeblich ist, dass die Äußerung erkennbar auf das Auslösen rechtswidrigen Verhaltens abzielt. Motive wie politische Überzeugungen, Provokation oder Wut ändern an dieser Bewertung grundsätzlich nichts.
Grundrechte und deren Grenzen
Meinungsfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sowie Pressefreiheit sind zentrale Schutzgüter. Sie finden ihre Grenzen dort, wo Aufrufe zu Straftaten beginnen. Bei der Beurteilung wird der Gesamtzusammenhang herangezogen: Ton, Adressatenkreis, Ernsthaftigkeit, Einbettung in Bericht oder Kommentar, Distanzierungen und die Wirkung auf Dritte.
Satire, Kunst und Ironie
Ironische, satirische oder künstlerische Überspitzungen sind nicht per se erfasst. Entscheidend ist, ob ein objektiver Beobachter die Aussage als ernsthaften Aufruf zu einer Straftat versteht. Mehrdeutige Äußerungen werden im Kontext bewertet.
Zitate und Berichterstattung
Die Wiedergabe fremder Aufrufe in Berichten, Kommentaren oder Analysen kann zulässig sein, wenn sie erkennbar dokumentierend oder kritisch erfolgt. Wird die fremde Aufforderung jedoch übernommen oder verstärkt, kann dies eigene Verantwortlichkeit begründen. Die Abgrenzung erfolgt anhand von Inhalt, Zweck und Darstellung.
Kontextprüfung
Im Einzelfall wird geprüft, wie die Äußerung nach Wortlaut, Gesamteindruck und konkreter Situation wirkt. Entscheidend ist nicht die subjektive Selbsteinschätzung der Äußernden, sondern die objektive Verständlichkeit und die zu erwartende Wirkung auf Dritte.
Rechtsfolgen
Strafbarkeit unabhängig vom Erfolg
Die Strafbarkeit setzt regelmäßig nicht voraus, dass die aufgerufene Straftat tatsächlich begangen wird. Bereits die ernsthafte Aufforderung kann geahndet werden.
Mögliche Sanktionen
In Betracht kommen Geld- oder Freiheitsstrafen. Zusätzlich können Maßnahmen wie Einziehung von Medieninhalten, Beschlagnahmen oder Löschanordnungen gegenüber veröffentlichten Inhalten in Betracht kommen.
Verhältnis zu Beteiligungsdelikten
Führt der Aufruf zur tatsächlichen Tatbegehung, kann eine Bewertung nach strengeren Beteiligungsregeln erfolgen. In solchen Konstellationen kann die Aufforderung hinter der Verantwortlichkeit für die Haupttat zurücktreten oder in einem Konkurrenzverhältnis stehen.
Beteiligung und Verantwortlichkeit
Individuelle und kollektive Verantwortung
Verantwortlich ist, wer die Aufforderung tätigt oder verbreitet. Das gilt auch für Personen, die fremde Aufrufe gezielt weiterverbreiten und sich deren Inhalt zu eigen machen. Veranstaltende oder Moderierende können je nach Einfluss und Beitrag zur Verbreitung ebenfalls in den Blick geraten.
Plattformen und Hosting
Betreiber von Plattformen unterliegen gesonderten Rahmenbedingungen. Zwar zielen strafrechtliche Vorwürfe vorrangig auf die eigentlichen Äußernden, flankierend können sich Pflichten zur Entfernung oder Unterlassung sowie aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergeben.
Territorialität und grenzüberschreitende Sachverhalte
Bei Internetveröffentlichungen ist relevant, ob ein Inlandsbezug besteht, etwa durch Abrufbarkeit, Zielrichtung oder Auswirkungen. In grenzüberschreitenden Fällen kommen Zuständigkeits- und Koordinationsfragen hinzu. Maßgeblich ist, wo die Wirkung eintritt und an welches Publikum sich der Aufruf richtet.
Beispielhafte Konstellationen
- Ein öffentliches Posting, das zu gewalttätigen Angriffen auf Sachen oder Personen aufruft, kann eine Aufforderung zu Straftaten darstellen.
- Ein Flugblatt, das dazu anhält, eine Behörde mit gezielten Sachbeschädigungen zu „blockieren“, kann erfasst sein.
- Ein nüchterner Bericht über Straftaten mit kritischer Einordnung ist anders zu bewerten als ein Appell, ähnliche Taten zu begehen.
- Eine zugespitzte Satire kann zulässig sein, wenn erkennbar keine ernsthafte Handlungsaufforderung vorliegt; dies hängt jedoch stark vom Kontext ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Aufforderung zu Straftaten“ im Kern?
Es handelt sich um einen an andere gerichteten Appell, eine rechtswidrige Tat zu begehen. Der Schwerpunkt liegt auf dem ernsthaften Handlungsaufruf, nicht auf bloßer Meinungsäußerung oder Berichterstattung.
Muss die Straftat tatsächlich begangen werden?
Nein. Die Verantwortlichkeit kann bereits durch die ernsthafte Aufforderung entstehen, unabhängig davon, ob jemand der Aufforderung folgt.
Wann gilt eine Aufforderung als „öffentlich“?
Öffentlich ist eine Aufforderung, wenn sie sich an eine unbestimmte oder breite Gruppe richtet oder über allgemein zugängliche Kanäle verbreitet wird, etwa auf Plätzen, in Medien oder über soziale Netzwerke ohne Zugangsbeschränkung.
Ist eine Aufforderung in geschlossenen Chats erfasst?
In kleinen, klar abgegrenzten Gruppen fehlt regelmäßig die Öffentlichkeit. Bei großen, leicht durchlässigen oder massenhaft frequentierten Gruppen kann ein Öffentlichkeitsbezug vorliegen. Maßgeblich sind Größe, Zugänglichkeit und Reichweite.
Worin liegt der Unterschied zur Anstiftung?
Die Anstiftung zielt auf das Bestimmen einer konkreten Person zu einer bestimmten Tat. Die Aufforderung richtet sich typischerweise an die Allgemeinheit oder einen großen Personenkreis und verlangt keinen konkreten Tatentschluss einer bestimmten Person.
Welche Rolle spielt die Meinungsfreiheit?
Meinungsfreiheit schützt auch zugespitzte Kritik. Sie endet dort, wo ernsthaft zu Straftaten aufgerufen wird. Die Bewertung erfolgt im Gesamtzusammenhang von Wortlaut, Ton, Zielgruppe und Wirkung.
Sind satirische oder ironische Aussagen erfasst?
Nicht jede Übertreibung ist erfasst. Entscheidend ist, ob ein objektiver Beobachter die Äußerung als ernsthaften Handlungsaufruf versteht. Kontext, Einbettung und Erkennbarkeit von Satire sind maßgeblich.