Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Aufforderung zu Straftaten

Aufforderung zu Straftaten


Begriff und Bedeutung der Aufforderung zu Straftaten

Die Aufforderung zu Straftaten ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht und bezeichnet das Veranlassen oder Ermutigen einer oder mehrerer Personen zu einer rechtswidrigen Handlung, die einen Straftatbestand erfüllt. Dieses Delikt richtet sich vor allem gegen den öffentlichen Frieden und kann als eigenständige Straftat geahndet werden. Sie ist im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und weist zahlreiche rechtliche Besonderheiten hinsichtlich Tatbestand, Rechtsfolgen und Abgrenzung zu anderen Delikten auf.


Gesetzliche Grundlagen

§ 111 StGB – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten

Die zentrale Vorschrift ist § 111 des Strafgesetzbuches (StGB), der die öffentliche Aufforderung zu Straftaten unter Strafe stellt.

Wortlaut des § 111 Absatz 1 StGB:
„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (Artikel 11 Absatz 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft. Die Strafe ist der angedrohten Strafe für die volle Tat zu entnehmen, kann aber nach § 49 Absatz 1 gemildert werden.“

Voraussetzungen nach § 111 StGB

  1. Öffentliche Aufforderung:

Die Aufforderung muss öffentlich oder in einer Versammlung erfolgen oder durch das Verbreiten von Schriften. Öffentlich ist eine Handlung, wenn sie einer unbestimmten Anzahl von Personen (allgemein zugänglich) zur Kenntnis gebracht wird.

  1. Aufforderungscharakter:

Die Äußerung muss einen bestimmten, hinreichend konkretisierten Anreiz zu einer Straftat darstellen. Es genügt jedoch bereits das Versprechen, die Aufforderung sei ernst gemeint und geeignet, Handlungsanreize zu schaffen.

  1. Straftatbezug:

Die adressierte Tat muss objektiv einen Straftatbestand erfüllen. Die Verwirklichung der aufgeforderten Tat ist nicht erforderlich.

  1. Vorsatz:

Der Handelnde muss mit Vorsatz handeln, insbesondere darauf abzielen, dass andere zur Tatbegehung motiviert werden.

Rechtsfolgen

Die Strafandrohung richtet sich grundsätzlich nach der angestrebten Straftat. Es kann jedoch eine Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB erfolgen. Die Aufforderung bleibt auch dann strafbar, wenn die angeregte Straftat nicht tatsächlich verwirklicht wird.


Abgrenzung zu ähnlichen Delikten

Anstiftung (§ 26 StGB)

Im Unterschied zur Aufforderung zu Straftaten setzt die Anstiftung voraus, dass ein anderer zur rechtswidrigen Tat bestimmt und die Tat auch tatsächlich begangen wird. Die Aufforderung ist dagegen bereits dann vollendet, wenn der Täter zur Begehung auffordert, unabhängig vom späteren Erfolg.

Versuch der Anstiftung (§ 30 StGB)

Der erfolglose Versuch einer Anstiftung zu einem Verbrechen ist gemäß § 30 StGB strafbar. Hierbei besteht der Unterschied darin, dass bei einer öffentlichen Aufforderung der Adressatenkreis unbestimmt ist und die Aufforderung als Angriff auf den öffentlichen Frieden angesehen wird.

Aufruf zu Ordnungswidrigkeiten

Die Vorschrift des § 111 StGB ist explizit auf Straftaten beschränkt. Die Aufforderung zu Ordnungswidrigkeiten bleibt unbeachtet und ist nicht strafbar.


Tatmodalitäten und Erscheinungsformen

Öffentlicher Charakter der Aufforderung

Die Strafbarkeit setzt voraus, dass die Aufforderung in einer Weise erfolgt, die den öffentlichen Frieden stören kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Äußerung zur Störung des Gemeinschaftslebens geeignet ist. Die Verbreitung über Medien und das Internet fällt regelmäßig unter die öffentliche Aufforderung.

Begehungsformen

  • Mündlich: Direkte Ansprache einer Menschenmenge, etwa bei Demonstrationen.
  • Schriftlich: Flugblätter, Plakate, Zeitungsannoncen.
  • Digital: Verbreitung über soziale Netzwerke, Foren, Messenger-Dienste.

Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss mit Vorsatz handeln, das heißt, er muss wissen und wollen, dass seine Aufforderung zu einer Tat animiert und dass diese öffentlich oder in einer Versammlung bzw. durch Schriften erfolgt. Bedingter Vorsatz genügt.


Strafzumessung und Strafbarkeit

Die Sanktion bemisst sich nach dem angestrebten Delikt. Zielt die Aufforderung auf eine Straftat mit hohem Strafmaß (z.B. ein Verbrechen), so orientiert sich auch die Strafe an diesem. Gleichzeitig sieht das Gesetz die Möglichkeit einer Strafmilderung vor, da die eigentliche Straftat nur angeregt, nicht aber verwirklicht wurde.


Verfassungsrechtliche Aspekte

Meinungsfreiheit, Art. 5 GG

Die Vorschrift wird im Rahmen der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, eingeschränkt. Allerdings ist die Aufforderung zu Straftaten keine von Art. 5 GG geschützte Meinungsäußerung, sofern sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Öffentliches Interesse und Schutzgüter

Ziel des § 111 StGB ist insbesondere der Schutz des öffentlichen Friedens vor kollektiven Angriffen auf zentrale Rechtsgüter.


Verhältnis zu Auslandstatbeständen und Kollisionsnormen

Das deutsche Strafrecht ist auf Aufforderungen anwendbar, wenn sie im Inland vorgenommen werden oder auf das Inland zielen (§§ 3, 9 StGB). Bei Auslandstaten oder internationaler Telekommunikation kommt es auf die konkrete Tatort- und Handlungsortfeststellung an.


Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Aufruf über soziale Medien: Die Aufforderung in sozialen Netzwerken wird regelmäßig als öffentlich qualifiziert.
  • Flugblattaktionen: Das Verteilen schriftlicher Aufforderungen in der Öffentlichkeit erfüllt den Tatbestand.
  • Grenzfälle: Satirische oder ironisch gemeinte Aussagen können je nach Kontext und Verständlichkeit unterschiedlich bewertet werden.

Fazit und Zusammenfassung

Die Aufforderung zu Straftaten stellt einen eigenständigen Straftatbestand im deutschen Strafrecht dar, der dem Schutz des öffentlichen Friedens dient. Maßgeblich ist die öffentliche, zur Tat animierende Aufforderung, unabhängig davon, ob die Tat anschließend begangen wird. Die Regelung umfasst juristische, gesellschaftliche und verfassungsrechtliche Aspekte und ist insbesondere bei Massenkommunikation und digitaler Verbreitung von großer praktischer Bedeutung. Damit stellt § 111 StGB ein zentrales Instrument zur Abwehr und Prävention kollektiver Rechtsgutsverletzungen dar.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine Aufforderung zu Straftaten im rechtlichen Sinne vor?

Eine Aufforderung zu Straftaten liegt im rechtlichen Sinne dann vor, wenn eine Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften dazu aufgefordert wird, eine rechtswidrige Tat, die ein Vergehen oder Verbrechen darstellt, zu begehen. Maßgeblich ist dabei nach deutschem Recht insbesondere § 111 StGB. Die Aufforderung muss sich konkret auf die Anstiftung zu einer bestimmten Straftat oder zu einer Vielzahl von Straftaten beziehen, wobei eine abstrakte oder allgemeine Empfehlung zur Gesetzesübertretung oftmals nicht ausreicht. Sie muss in einer Form erfolgen, die für Dritte wahrnehmbar ist, sodass ein Gefährdungspotential in Bezug auf die öffentliche Sicherheit entsteht. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei zwischen Aufforderungen, die lediglich das Risiko der Tatbegehung erhöhen, und solchen, bei denen eine unmittelbare Gefahr droht. Die Strafbarkeit ist daher auch losgelöst davon zu bewerten, ob der Adressat der Aufforderung tatsächlich zur Tat geschritten ist.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Aufforderung zu Straftaten und einer Anstiftung?

Rechtlich ist zwischen der Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB und der Anstiftung nach § 26 StGB zu unterscheiden. Eine Anstiftung verlangt als Teilnahmeform an einer Straftat, dass der Täter einen anderen zu einer konkreten rechtswidrigen Tat vorsätzlich bestimmt und diese Tat auch tatsächlich begangen wird. Herzstück der Anstiftung ist die individuelle Einflussnahme auf eine Person, die zum Tatentschluss geführt wird. Demgegenüber stellt die Aufforderung zu Straftaten ein eigenständiges Gefährdungsdelikt dar, das bereits durch die öffentliche Aufforderung an eine unbestimmte Vielzahl von Personen – und ohne konkrete Tatbegehung – verwirklicht wird. Die Motivation zur Tatbegehung der Adressaten ist daher für die Strafbarkeit irrelevant.

Wer kann Täter einer Aufforderung zu Straftaten sein?

Grundsätzlich kann jeder, der öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zu einer Straftat auffordert, Täter dieses Delikts sein. Das gilt unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Beruf des Auffordernden, wobei unter Umständen die Strafmündigkeit zu beachten ist (§ 19 StGB: Schuldunfähigkeit des Kindes unter 14 Jahren). Auch juristische Personen können sich wegen Aufforderung zu Straftaten nicht selbst strafbar machen, allerdings können deren Repräsentanten oder Verantwortliche als natürliche Personen in Anspruch genommen werden, wenn sie z. B. im Namen des Unternehmens Schriften mit strafbarem Inhalt veröffentlichen. In spezifischen Fällen sind auch Mittäter- oder Teilnehmerkonstellationen möglich, etwa bei gemeinsamer Autorenschaft.

Muss die aufgeforderte Straftat tatsächlich begangen werden, damit eine Strafbarkeit entsteht?

Die tatsächliche Ausführung der aufgeforderten Straftat ist keine Voraussetzung für die Strafbarkeit der Aufforderung selbst. Die Strafbarkeit greift bereits, wenn die tatbestandsmäßige Handlung – also die öffentliche, versammlungs- oder schriftliche Aufforderung – vorgenommen wurde. Dies ergibt sich aus dem Charakter des Delikts als abstraktes Gefährdungsdelikt. Maßgeblich ist, dass durch die Aufforderung ein Risiko für die Rechtsordnung geschaffen wird. Auch eine lediglich versuchte Aufforderung kann strafbar sein, wenn etwa das Verbreiten von Schriften verhindert wird, nachdem bereits eine konkrete Handlung vorgenommen wurde.

Wie wird die Öffentlichkeit im Kontext der Aufforderung zu Straftaten rechtlich definiert?

Für den Tatbestand der Aufforderung zu Straftaten ist „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 111 StGB weit zu verstehen. Öffentlich handelt, wer die Aufforderung in einer Weise ausspricht oder verbreitet, dass sie einem größeren, individuell nicht abgrenzbaren Personenkreis zugänglich ist. Dies ist beispielsweise bei Reden auf öffentlichen Plätzen, in Medien oder sozialen Netzwerken der Fall. Eine Versammlung im strafrechtlichen Sinne ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen zur gemeinsamen Meinungsbildung oder -äußerung. Auch das Verbreiten von Schriften umfasst alle Formen der Veröffentlichung, etwa durch Flugblätter, Zeitungen oder Internetveröffentlichungen. Entscheidend ist immer, dass die Aufforderung über den privaten Bereich hinaus reicht.

Welche Strafen sieht das Strafgesetzbuch für die Aufforderung zu Straftaten vor?

Das Strafmaß für die Aufforderung zu Straftaten richtet sich nach dem § 111 StGB. Danach ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe möglich. Das genaue Strafmaß hängt dabei von der Schwere der aufgeforderten Straftat ab, von der Intensität der Aufforderung, von den persönlichen und situativen Umständen des Täters sowie davon, ob es sich um einen Erst- oder Wiederholungstäter handelt. Schwerwiegende Folgen der Aufforderung oder eine besonders aggressive Vorgehensweise können ebenso straferschwerend wirken wie die Begehung in leitender oder verantwortlicher Position.

Inwieweit ist eine Aufforderung zu Straftaten von der Meinungsfreiheit gedeckt?

Grundsätzlich ist die Meinungsfreiheit durch das Grundgesetz (Art. 5 GG) geschützt. Allerdings findet dieser Schutz dort seine Grenze, wo das Strafrecht greift. Dies gilt insbesondere für Aufforderungen zu Straftaten, da diese die öffentliche Sicherheit gefährden können. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass die Aufforderung zu konkreten Rechtsverstößen nicht mehr von der Meinungsfreiheit umfasst ist. Im Konfliktfall findet daher eine Abwägung zwischen dem Schutzgut der öffentlichen Ordnung und der Meinungsfreiheit statt, häufig zugunsten des erstgenannten Rechtsgutes.