Asylverfahrensgesetz – Rechtliche Grundlagen und Bedeutung
Das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) war ein zentrales Gesetz im deutschen Asylrecht, das die Durchführung und den Ablauf des Asylverfahrens regelte. Das Asylverfahrensgesetz trat am 1. Januar 1982 in Kraft und wurde im August 2015 durch das Asylgesetz (AsylG) abgelöst. Die häufig synonym verwendeten Begriffe beziehen sich heute meist auf das Asylgesetz, der historische und rechtliche Kontext des Asylverfahrensgesetzes bleibt jedoch weiterhin von großer Bedeutung für das Asylrecht in Deutschland.
Rechtsgeschichtliche Entwicklung
Einführung und Zielsetzung
Das Asylverfahrensgesetz wurde mit dem Ziel eingeführt, das Asylverfahren zu vereinheitlichen und rechtssicher zu gestalten. Es setzte die Vorgaben des Grundrechts auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) um und regelte insbesondere das Verfahren für die Beantragung und Prüfung von Asylanträgen.
Übergang zum Asylgesetz
Mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 wurde das Asylverfahrensgesetz zum 24. Oktober 2015 in das sogenannte Asylgesetz überführt. Die inhaltlichen Grundlagen und viele Strukturen blieben erhalten, zahlreiche Begriffsänderungen sowie inhaltliche Anpassungen trugen jedoch neuen politischen und rechtlichen Herausforderungen Rechnung.
Inhaltliche Schwerpunkte des Asylverfahrensgesetzes
Regelung des Asylverfahrens (§§ 1-14 AsylVfG)
Das Asylverfahrensgesetz regelte insbesondere folgende Aspekte des Verfahrens:
- Antragsstellung: Der erstmalige schriftliche oder mündliche Asylantrag bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
- Verfahrensablauf: Untersuchung des Antrags in einem Verwaltungsverfahren durch das BAMF, Anhörung des Asylsuchenden, Prüfung der Identität und Herkunft.
- Dublin-Verfahren: Zuständigkeitsklärung bei Antragsstellung in mehreren EU-Staaten (Dublin-III-Verordnung).
- Mitwirkungspflichten: Verpflichtung der Antragstellenden zur Mitwirkung, z. B. bei der Identitätsaufklärung.
- Vorübergehende Aufenthaltsgestattung: Rechtsstellung während der Dauer des Asylverfahrens.
- Entscheidung und Rechtsmittel: Rechtsfolgen des BAMF-Bescheids und Möglichkeiten der Klage vor den Verwaltungsgerichten.
Rechtsfolgen einer Entscheidung (§§ 31-38 AsylVfG)
Das Asylverfahrensgesetz unterschied verschiedene Schutzformen und Entscheidungsarten des BAMF:
- Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
- Subsidiärer Schutz
- Abschiebungsverbote
- Ablehnung als offensichtlich unbegründet
- Ablehnung als unbegründet
Jede Entscheidung zog eigene aufenthaltsrechtliche und verwaltungsrechtliche Konsequenzen nach sich. Bei Ablehnung waren Möglichkeiten des Rechtsschutzes durch Klage und einstweiligen Rechtsschutz eröffnet.
Dublin-Verfahren und Zuständigkeitsprüfung
Das Asylverfahrensgesetz verwies auf die Geltung der europäischen Dublin-Verordnungen, insbesondere der Regelungen zur Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen, sofern ein Antragsteller zuvor in einem Drittstaat der EU registriert worden war.
Aufenthaltsrechtliche Regelungen
Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung während des laufenden Asylverfahrens sowie die Aufenthaltsbeendigung nach bestandskräftiger Ablehnung wurden im Asylverfahrensgesetz umfassend geregelt. Es enthielt besondere Vorschriften über Wohnsitzauflagen, Arbeitsmarktzugang und Sozialleistungen für Asylsuchende.
Verfahrensrechtliche und prozessuale Besonderheiten
Verwaltungsverfahren und Anhörung
Das Asylverfahren nach Asylverfahrensgesetz wurde als besonderes Verwaltungsverfahren durchgeführt. Eine zentrale Rolle nahm die persönliche Anhörung des Asylantragstellers ein. Hier wurden Fluchtgründe, Identitätsnachweise und Gefährdungen soweit möglich erörtert und protokolliert.
Gerichtliche Überprüfung
Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bestand die Möglichkeit, gegen Entscheidungen des BAMF Rechtsmittel (Klage zum Verwaltungsgericht) einzulegen. Streitigkeiten über den Ausgang des Verfahrens wurden vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen; in bestimmten Fällen gab es aufschiebende Wirkung der Klage.
Eilverfahren
Bei Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ wurde dem Antrag eine besonders kurze Klagefrist eingeräumt, und Eilverfahren sahen eine im Vergleich beschleunigte Bearbeitung vor.
Bedeutung für das heutige Asylrecht
Auch nach der Ablösung durch das Asylgesetz (AsylG) hat das Asylverfahrensgesetz weiterhin Relevanz:
- Übergangsregelungen und Altfälle: Entscheidungen, die vor Inkrafttreten des Asylgesetzes getroffen wurden, richten sich weiterhin nach dem Asylverfahrensgesetz.
- Entwicklung des Asylrechts: Zahlreiche gerichtliche Entscheidungen und Kommentierungen beziehen sich auf Regelungen des Asylverfahrensgesetzes, insbesondere im Kontext der Rechtsfortbildung.
Wesentliche Vorschriften und Verweise
Die wesentlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Grundlagen aus dem Asylverfahrensgesetz sind heute nahezu identisch im Asylgesetz (AsylG) geregelt (insbesondere §§ 12ff. AsylG). Wichtige weitere Rechtsquellen im Kontext des Asylverfahrens waren und sind das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sowie einschlägige EU-Verordnungen und die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).
Literatur und Weiterführende Hinweise
Das Asylverfahrensgesetz wurde und wird in zahlreichen Kommentaren und Handbüchern zum Asylrecht ausführlich besprochen. Die systematische Einordnung im Kontext verfassungs-, unions- und völkerrechtlicher Vorgaben bildet bis heute einen wichtigen Bestandteil der wissenschaftlichen und praktischen Aufarbeitung des deutschen Asylrechts.
Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich auf die Rechtslage zum Asylverfahrensgesetz sowie seine Fortentwicklung zum Asylgesetz und bietet eine strukturierte Übersicht der wichtigsten Aspekte, Regelungen und Auswirkungen auf das deutsche Asylverfahren.
Häufig gestellte Fragen
Welche Fristen sind im Asylverfahrensgesetz bei der Antragstellung und im weiteren Verfahren zu beachten?
Im Asylverfahrensgesetz (offiziell Asylgesetz – AsylG) sind verschiedene Fristen geregelt, die sowohl für die antragstellenden Personen als auch für die Behörden bindend sind. Nach Ankunft in Deutschland besteht grundsätzlich die Verpflichtung, den Asylantrag „unverzüglich“ zu stellen (§ 13 AsylG), spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach der Zuweisung zu einer Aufnahmeeinrichtung (§ 22 Abs. 1 S. 1 AsylG). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss nach Stellung des Asylantrags das persönliche Gespräch, die sogenannte Anhörung, nach Möglichkeit innerhalb von zwei Wochen durchführen (§ 24 Abs. 1 AsylG). Nach Abschluss der Anhörung sollte das BAMF die Entscheidung im Regelfall binnen sechs Monaten treffen (§ 24 Abs. 2 S. 2 AsylG). Werden die Antragsstellenden gemäß der Dublin-III-Verordnung in einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt, gilt eine Frist von sechs Monaten bzw. – in Haftfällen – von maximal zwölf Monaten für die Überstellung (§ 29 AsylG i.V.m. Art. 29 Dublin-III-VO). Bei der Ablehnung des Asylantrags besteht eine Klagefrist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung für eine normale Ablehnung („einfacher Ablehnungsbescheid“) und lediglich eine Woche bei einer sogenannten „offensichtlichen Unbegründetheit“ (§ 74 AsylG). Zudem gelten besondere Fristen für Nachweise, Stellungnahmen und Beschleunigungstatbestände, die im Verfahren berücksichtigt werden müssen.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Asylsuchende während des Asylverfahrens laut Asylverfahrensgesetz?
Während des Asylverfahrens haben Antragstellerinnen und Antragsteller nach AsylG verschiedene Rechte und Pflichten. Sie sind verpflichtet, persönlich beim Bundesamt zu erscheinen und an der Anhörung teilzunehmen (§ 23 AsylG), sämtliche relevanten Dokumente und Nachweise vorzulegen (§ 15 Abs. 1 AsylG) und einen schriftlichen oder mündlichen Asylantrag zu stellen (§ 14 AsylG). Zur Mitwirkungspflicht gehört auch, das BAMF wahrheitsgemäß über Reisedaten, Identität und Fluchtgründe zu informieren (§ 15 Abs. 2 AsylG). Rechte ergeben sich unter anderem hinsichtlich des Anspruchs auf Unterkunft und Verpflegung in einer Aufnahmeeinrichtung (§ 44 AsylG), die Möglichkeit, rechtliches Gehör zu erhalten und Akteneinsicht zu beantragen, sowie das Recht, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen (§ 25 AsylG). Während des Verfahrens besteht grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland, bis das Asylverfahren einschließlich eventueller Klageverfahren beendet ist (§ 55 AsylG). Außerdem genießen Asylbewerber ein Abschiebungsverbot während der Bearbeitung des Antrags, es sei denn, es handelt sich um sichere Drittstaaten oder besondere Ausschlussgründe (§ 34a AsylG).
Wie regelt das Asylverfahrensgesetz den Ablauf und die Durchführung der Anhörung beim BAMF?
Die Anhörung ist das zentrale Element des Asylverfahrens, das detailliert im AsylG (§ 25 AsylG) geregelt ist. Sie findet in der Regel in der für die betreffende Person zuständigen Außenstelle des BAMF statt. Während der Anhörung hat der Antragsteller ausführlich Gelegenheit, seinen Fluchtweg, die Fluchtgründe sowie alle individuellen Umstände mitzuteilen, die zur Antragstellung geführt haben. Es besteht die Verpflichtung, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Die Anhörung muss in einer Sprache erfolgen, die der Antragsteller versteht; hierfür werden qualifizierte Dolmetscher herangezogen. Die Aussagen werden protokolliert, das Protokoll wird dem Antragsteller zur Prüfung und Unterschrift vorgelegt. Es besteht das Recht, einen Rechtsanwalt oder sonstigen Beistand zur Anhörung mitzubringen. Das Protokoll der Anhörung ist ein entscheidendes Dokument bei der Verfahrensentscheidung. Sollten neue Umstände nach der Anhörung auftreten, ist der Antragsteller verpflichtet, diese dem Bundesamt unverzüglich mitzuteilen (§ 25 Abs. 3 AsylG). Auch die Befragung von Zeugen ist im Rahmen der Anhörung möglich. Die Anhörung dient dazu, die Glaubhaftigkeit der Schilderungen festzustellen und bildet die Grundlage für die behördliche Entscheidung.
Was ist unter der sogenannten „Wohnsitzauflage“ im Asylverfahrensgesetz zu verstehen und wie wird diese rechtlich umgesetzt?
Die Wohnsitzauflage (§ 12a AsylG) ist eine im Asylverfahrensgesetz geregelte Verpflichtung und bedeutet, dass sich Asylsuchende grundsätzlich innerhalb eines bestimmten Gebiets – in der Regel jenes, in das sie zugewiesen wurden – aufzuhalten haben. Die genaue regionale Bindung erfolgt oft an das Gebiet eines Bundeslandes oder eines festgelegten Kreises und dient unter anderem der Steuerung der Verteilung sowie der Sicherstellung der Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte. Ein Verlassen dieses Gebiets ist grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn, die zuständige Ausländerbehörde erteilt eine entsprechende Ausnahmegenehmigung. Verstöße können ordnungsrechtlich oder sogar strafrechtlich geahndet werden (§ 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG i.V.m. § 56 AsylG). Die Wohnsitzauflage endet grundsätzlich mit dem Ablauf der verpflichtenden Aufenthaltszeit in der Aufnahmeeinrichtung beziehungsweise, sobald der Asylantrag rechtskräftig abgeschlossen ist.
Wie werden wiederholte oder Folgeanträge im Sinne des Asylverfahrensgesetzes behandelt?
Das Asylverfahrensgesetz unterscheidet zwischen Erst- und Folgeanträgen. Folgeanträge (§ 71 AsylG) sind Anträge, die nach einer rechtskräftigen Ablehnung eines ersten Asylantrags gestellt werden. Folgeanträge können nur dann zu einem neuen Verfahren führen, wenn durch neue Beweismittel oder geänderte Umstände (insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel, die im ersten Verfahren nicht vorlagen und nicht geltend gemacht werden konnten) glaubhaft gemacht wird, dass dem Antragsteller erneut eine Verfolgung oder erhebliche Gefahr droht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft zunächst, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens erfüllt sind; geschieht das nicht, wird der Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung eines erneuten Folgeantrags besteht in der Regel nicht, es sei denn, das Gericht ordnet diese im Rahmen eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausdrücklich an. Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens kann auch nach § 51 VwVfG im Sinne von Wiederaufgreifensgründen erfolgen. Für Folgeanträge gelten zum Teil abweichende Regelungen bezüglich der Unterbringung und der Mitwirkungspflichten.
Wie regelt das Asylverfahrensgesetz das Akteneinsichtsrecht und den Beistand für den Asylsuchenden während des Verfahrens?
Das Recht auf Akteneinsicht ist im Asylverfahrensgesetz (§ 29 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 17 AsylG) sowie flankierend durch das Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt. Demnach haben Asylsuchende oder ihr rechtlicher Beistand das Recht, die vollständigen Verfahrensakten beim Bundesamt oder beim zuständigen Gericht einzusehen, soweit keine schutzwürdigen Interessen Dritter oder öffentliche Belange dies ausschließen. Die Akteneinsicht umfasst insbesondere das Protokoll der Anhörung sowie alle für das Verfahren relevanten Dokumente. Der Asylsuchende kann sich während des gesamten Verfahrens – sowohl in der Anhörung als auch in etwaigen gerichtlichen Verfahren – durch einen Rechtsanwalt oder eine andere bevollmächtigte Person vertreten oder beistehen lassen (§ 25 Abs. 6 AsylG). Die Kosten eines Rechtsanwalts werden allerdings nur in Ausnahmefällen (bei anerkannter Bedürftigkeit oder gerichtlicher Beiordnung) übernommen. Im Rahmen der Anhörung und auch darüber hinaus kann ein Beistand hinzugezogen werden, dessen Anwesenheit während der Anhörung zu gestatten ist, sofern dadurch der Gang des Verfahrens nicht beeinträchtigt wird.
Welche Bedeutung hat das Beschleunigungsgebot im Asylverfahrensgesetz?
Das Asylverfahrensgesetz enthält ein ausdrückliches Beschleunigungsgebot (§ 24 Abs. 2 S. 2 AsylG), wonach das Verfahren „so zügig wie möglich“ zu betreiben ist, um die Aufenthaltsdauer von Antragstellern ohne endgültigen Aufenthaltsstatus möglichst kurz zu halten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll nach Abschluss der Anhörung in der Regel innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung treffen, wobei Ausnahmen in besonders komplexen Fällen oder bei Folgeanträgen möglich sind. Das Beschleunigungsgebot soll Integrationshemmnisse verringern und eine zügige Klärung des Aufenthaltsstatus ermöglichen, sowohl im Interesse der Antragstellenden als auch der öffentlichen Verwaltung. Falls das Verfahren aus innerbehördlichen oder sachlichen Gründen nicht fristgerecht abgeschlossen werden kann, hat das BAMF dies zu dokumentieren und zu begründen. Das Beschleunigungsgebot spiegelt zudem eine Vorgabe des EU-Rechts wider, insbesondere der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie). Betroffene können bei unangemessen langen Verfahrensdauern eine „Untätigkeitsklage“ nach § 75 VwGO erheben.