Asset Backed Securities: Begriff und Grundprinzip
Asset Backed Securities (ABS) sind handelbare Wertpapiere, deren Rückzahlung aus Zahlungsströmen eines abgegrenzten Vermögenspools erfolgt. Dieser Pool besteht typischerweise aus vielen einzelnen Forderungen, zum Beispiel aus Autokrediten, Konsumentenkrediten, Leasingraten, Kreditkartenforderungen oder gewerblichen Darlehen. Rechtlich wird der Forderungspool von der Bilanz des ursprünglichen Gläubigers getrennt und in eine eigenständige Transaktionsstruktur überführt. Ziel ist, die Zahlungsrisiken der Wertpapiere an die Leistungsfähigkeit der zugrunde liegenden Vermögenswerte zu knüpfen und nicht an die des ursprünglichen Forderungsinhabers.
Rechtliche Struktur und Beteiligte
Kernparteien
- Originator: Überträgt die Forderungen in die ABS-Struktur und erhält im Gegenzug den Kaufpreis.
- Emittent (Zweckgesellschaft, SPV): Rechtlich eigenständige Einheit, die die ABS ausgibt und die Forderungen hält.
- Servicer: Verwaltet und zieht die Forderungen ein; nicht selten ist dies der Originator.
- Zahlstelle/Treuhänder: Überwacht Zahlungsflüsse und verteilt diese an die Inhaber der ABS.
- Ratingagentur: Bewertet die Zahlungsrisiken der verschiedenen Wertpapierklassen.
- Weitere Vertragspartner: Konto- und Verwahrstellen, Liquiditäts- oder Zinsabsicherer (z. B. Swap-Gegenparteien).
Transaktionsdokumentation
Die rechtliche Ausgestaltung erfolgt durch ein Bündel von Verträgen, darunter Kauf- und Abtretungsverträge für die Forderungen, Servicing-Verträge, Treuhand- und Sicherheitsverträge, Zahlstellenvereinbarungen sowie gegebenenfalls Sicherungs- und Absicherungsverträge. Ergänzend kommen Prospekt- und Offenlegungsunterlagen hinzu, wenn die ABS öffentlich angeboten oder zum Handel zugelassen werden.
Übertragung der Vermögenswerte und Insolvenzferne
Forderungsübertragung (True Sale)
Rechtlicher Kern ist eine wirksame, endgültige Übertragung der Forderungen auf das SPV. Diese soll sicherstellen, dass die Forderungen bei einer Insolvenz des Originators nicht in die Insolvenzmasse fallen. Zu diesem Zweck werden Forderungen typischerweise verkauft und abgetreten. Wesentliche Punkte sind die Bestimmbarkeit der Forderungen, die Mitübertragung von Sicherheiten sowie die Zulässigkeit der Abtretung nach den jeweiligen Vertragsbedingungen mit den Schuldnern.
Insolvenzferne Struktur
Die Zweckgesellschaft wird so gestaltet, dass sie unabhängig vom Originator besteht. Dazu zählen eine schlanke Unternehmenszweckbeschreibung, Beschränkung operativer Risiken sowie vertragliche Schutzmechanismen, die ein unbeabsichtigtes Zusammenfallen mit anderen Risiken vermeiden. Ein Treuhänder hält häufig Sicherheiten zugunsten der ABS-Inhaber und überwacht vertragliche Schutzklauseln.
Risiken bei der Übertragung
- Anfechtungsrisiko: Rückabwicklungsmöglichkeiten von Rechtshandlungen in Krisensituationen.
- Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte der Schuldner: Können Zahlungsströme beeinflussen.
- Vermischungsrisiko: Zwischenverwahrung von Schuldnereinzügen auf Konten des Servicers.
- Abtretungsverbote und Zustimmungserfordernisse: Können die Wirksamkeit der Übertragung beeinträchtigen.
Strukturierung der Wertpapiere und Zahlungsmechanik
Tranchierung
ABS werden häufig in Tranchen mit unterschiedlicher Risikotragung und Rangfolge ausgegeben. Höher besicherte Tranchen erhalten Zahlungen zuerst, nachrangige Tranchen tragen Verluste zuerst. Diese Struktur wird rechtlich in einem festgelegten Zahlungswasserfall (Waterfall) umgesetzt.
Kreditverbesserungen und Sicherungsmechanismen
- Überbesicherung: Forderungsvolumen übersteigt das Emissionsvolumen der ABS.
- Reservesperrkonten: Zur Abfederung von Zahlungsschwankungen.
- Nachrangige Tranchen: Dienen als Verlustpuffer.
- Garantien oder Liquiditätslinien: Zur Deckung vorübergehender Liquiditätslücken.
- Zins- und Währungsabsicherungen: Begrenzen Marktzins- und Wechselkursrisiken.
Offenlegung und Vertrieb
Prospekt und laufende Informationen
Bei öffentlichem Angebot oder Börsenzulassung ist ein Prospekt mit umfassenden Risikohinweisen und Informationen zur Struktur, den Vermögenswerten und den Zahlungsmechaniken erforderlich. Zusätzlich bestehen laufende Berichts- und Offenlegungspflichten zur Entwicklung des Forderungspools, zu Ausfällen, Rückflüssen und Strukturereignissen. Die Ausgestaltung der Berichte folgt Marktstandards und aufsichtsrechtlichen Vorgaben.
Zielmarkt- und Produktgovernance
ABS unterliegen produktbezogenen Vorgaben, die eine geordnete Vertriebs- und Zielmarktbestimmung vorsehen. Vermittler und Emittenten definieren, für welche Anlegerkategorien das Produkt konzipiert ist, und sorgen für eine konsistente Produktdokumentation.
Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen
Risikoretentions- und Sorgfaltspflichten
Zur Angleichung von Anreizen halten Originatoren oder Sponsoren regelmäßig einen Mindestanteil am Risiko der Verbriefung. Institutionelle Investoren müssen Sorgfaltsanforderungen erfüllen, die insbesondere die Prüfung der Struktur, der Underlyings und der laufenden Berichterstattung betreffen.
Qualitätskriterien und Kennzeichnungen
Für Teile des Marktes existieren anerkannte Qualitätskriterien für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen. Erfüllte Kriterien können zu besonderen Kennzeichnungen führen. Diese betreffen unter anderem Datenqualität, Strukturvereinfachung, klare Zahlungsmechanik und definierte Rechtsverhältnisse.
Verbraucher- und Datenschutz
Rechte der Schuldner
Werden Forderungen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern übertragen, bleiben deren Rechte aus den Ursprungskrediten bestehen. Dazu zählen insbesondere Informationsrechte, vertragliche Schutzmechanismen und die Behandlung bei Leistungsstörungen. Eine Abtretung darf diese Rechte nicht aushöhlen.
Informationsweitergabe und Geheimhaltung
Für die Übertragung und Verwaltung von Forderungen ist die Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich. Es gelten Datenschutz- und Geheimhaltungsvorgaben, insbesondere zur Zweckbindung, Datensparsamkeit, Transparenz gegenüber Betroffenen sowie zur sicheren technischen und organisatorischen Verarbeitung. Die Transaktionsdokumente regeln üblicherweise Rollen, Zugriffsrechte und Sicherheitsmaßnahmen.
Insolvenz- und Vollstreckungsaspekte
Durchsetzung von Sicherheiten
ABS-Strukturen sehen Regelungen vor, wann und wie Sicherheiten verwertet werden. Trigger-Ereignisse lösen Übergänge in einen Amortisations- oder Verwertungsmodus aus. Der Treuhänder oder eine benannte Stelle koordiniert die Durchsetzung zugunsten der ABS-Inhaber.
Servicer-Substitution
Bei Ausfall oder Pflichtverletzung des Servicers enthalten die Verträge Mechanismen zur Abberufung und Ersetzung. So soll die Einziehung der Forderungen auch bei Störungen fortgeführt werden.
Steuer- und Bilanzierungsbezüge
Steuerliche Einordnung
ABS-Transaktionen werden steuerlich so gestaltet, dass die Zahlungsflüsse auf Ebene des SPV neutral verarbeitet werden und keine unbeabsichtigten Mehrfachbelastungen entstehen. Quellensteuer-, Umsatzsteuer- und Ertragsteuerfragen sind abhängig von Struktur, Vermögensart und beteiligten Staaten.
Bilanzielle Behandlung
Für Originator, SPV und Investoren ist die Bilanzierung der Forderungsübertragung, der Risiken und der ausgegebenen Wertpapiere maßgeblich. Je nach Risikoübertragung und Kontrollbehalt können sich unterschiedliche Darstellungsweisen ergeben.
Grenzüberschreitende Aspekte
Bei internationalen Pools oder Investoren treffen unterschiedliche Rechtsordnungen aufeinander. Relevante Themen sind Abtretungs- und Kollisionsrecht, Anerkennung von Sicherheiten, Gerichtsstands- und Schiedsklauseln sowie Abstimmung der Offenlegungspflichten. Die Transaktionsdokumentation enthält hierfür regelmäßig detaillierte Rechtswahl- und Zuständigkeitsregelungen.
Abgrenzung zu verwandten Instrumenten
ABS, MBS und Covered Bonds
- MBS (Mortgage Backed Securities) sind ABS mit Hypothekendarlehen als Underlyings.
- Covered Bonds unterscheiden sich rechtlich durch eine fortbestehende Haftung des Emittenten neben dem Deckungspool; die Forderungen verbleiben grundsätzlich im Deckungsstock des Emittenten und werden nicht auf eine Zweckgesellschaft verkauft.
Risiken aus rechtlicher Perspektive
- Strukturrisiken: Unklare oder lückenhafte Vertragsregelungen können Zahlungsmechaniken beeinträchtigen.
- Rechtsdurchsetzung: Durchsetzung von Forderungen und Sicherheiten kann zeit- und kostenintensiv sein.
- Regulatorische Änderungen: Anpassungen im Aufsichts- oder Prospektrecht können laufende oder künftige Transaktionen beeinflussen.
- Daten- und Verbraucherschutz: Verstöße können Sanktionen und Reputationsschäden auslösen.
- Kontrahentenrisiko: Ausfallrisiken bei Servicer, Sicherungsgebern oder Zahlungsstellen wirken auf die Struktur.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Asset Backed Securities
Worin besteht der rechtliche Unterschied zwischen ABS und Covered Bonds?
Bei ABS werden Forderungen in der Regel endgültig auf eine Zweckgesellschaft übertragen, die die Wertpapiere emittiert. Die Rückzahlung stützt sich primär auf den Forderungspool. Covered Bonds beruhen demgegenüber auf einer Doppelhaftung: Neben dem gesondert geführten Deckungspool bleibt der Emittent verpflichtet. Rechtlich verbleiben die Forderungen grundsätzlich im Deckungsstock des Emittenten, nicht bei einer separaten Zweckgesellschaft.
Welche Rolle spielt das Prospekt bei ABS?
Der Prospekt ist das zentrale Offenlegungsdokument bei öffentlichem Angebot oder Zulassung zum Handel. Er beschreibt Struktur, Parteien, Zahlungsmechanik, Risiken, die Zusammensetzung des Forderungspools und die vorgesehenen Schutzmechanismen. Zudem legt er die Kriterien für laufende Berichte offen, damit Anleger über die Entwicklung der Transaktion informiert bleiben.
Wie wird die rechtliche Trennung (Insolvenzferne) erreicht?
Die Insolvenzferne wird durch eine wirksame Forderungsübertragung auf eine eigenständige Zweckgesellschaft und durch vertragliche Schutzmechanismen hergestellt. Dazu zählen klare Eigentums- und Sicherheitenzuordnungen, Beschränkung operativer Tätigkeiten des SPV sowie Treuhandkonstruktionen für Zahlungsflüsse und Sicherheiten.
Welche rechtlichen Pflichten treffen institutionelle Investoren bei ABS?
Institutionelle Investoren unterliegen Sorgfaltsanforderungen, die eine informierte Beurteilung der Struktur, der zugrunde liegenden Vermögenswerte und der laufenden Berichterstattung verlangen. Zudem ist zu prüfen, ob Risikoretentionsvorgaben eingehalten werden und ob die Offenlegungsunterlagen ausreichende Informationen enthalten.
Welche Bedeutung hat eine STS-Kennzeichnung?
Eine Kennzeichnung als einfach, transparent und standardisiert signalisiert die Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien an Struktur, Daten und Prozesse. Sie betrifft unter anderem klare Zahlungsmechaniken, definierte Risiken und nachvollziehbare Dokumentation. Die Kennzeichnung ist an Bedingungen geknüpft und unterliegt Überprüfungen.
Welche Datenschutzanforderungen gelten bei der Übertragung von Forderungen?
Bei der Übertragung und Verwaltung werden personenbezogene Daten verarbeitet. Es gelten Vorgaben zur Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Datensparsamkeit und Sicherheit. Die Transaktionsdokumente regeln regelmäßig Zugriffsrechte, technische und organisatorische Maßnahmen sowie Informationspflichten gegenüber Betroffenen.
Welche rechtlichen Störungsmechanismen sind in ABS-Strukturen üblich?
Verträge sehen Trigger-Ereignisse vor, die bei Leistungsstörungen den Übergang in Amortisations- oder Verwertungsmodi auslösen. Dazu gehören Servicer-Ersatzmechanismen, die Aktivierung von Reservekonten, die Verwertung von Sicherheiten und eine Anpassung der Zahlungsreihenfolge.
Welche Risiken bestehen im Hinblick auf Aufrechnung und Abtretungsverbote?
Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrechte von Schuldnern können die Zahlungsströme mindern. Abtretungsverbote oder Zustimmungserfordernisse in den Ursprungsverträgen können die Wirksamkeit der Forderungsübertragung beeinträchtigen. Solche Aspekte werden in der Strukturierung adressiert und in den Offenlegungsunterlagen beschrieben.