Legal Lexikon

Arzneimittel


Begriff und rechtliche Einordnung des Arzneimittels

Ein Arzneimittel ist ein Stoff oder eine Zubereitung aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die umfassende rechtliche Definition sowie die Einordnung und Abgrenzung des Begriffs sind wesentliche Grundlagen des Arzneimittelrechts im nationalen und europäischen Kontext.

Definition nach dem Arzneimittelgesetz (AMG)

Gesetzliche Begriffserklärung (§ 2 AMG)

Nach § 2 Absatz 1 des deutschen Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen

  • die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und

– zur Heilung, Linderung, Verhütung oder Erkennung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden dienen,
– physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen,
– zum Erstellen einer medizinischen Diagnose dienen,

  • oder Produkte, die als solche angewendet werden können.

Abgrenzung zu anderen Produktgruppen

Das Arzneimittelgesetz grenzt den Begriff Arzneimittel explizit von anderen Produktgruppen wie Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsmitteln, kosmetischen Mitteln sowie Biozidprodukten ab. Entscheidend ist die Zweckbestimmung; diese wird sowohl durch die stofflichen Eigenschaften als auch durch die Präsentation und die Angabe auf dem Produkt bestimmt.

Präsentations- und Funktionsarzneimittel

Das Gesetz unterscheidet zwischen Präsentationsarzneimitteln, bei denen bereits die Darstellung (z. B. als Heilmittel) ausreicht, und Funktionsarzneimitteln, bei denen eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung maßgeblich ist.

Abgrenzung zu Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika

Medizinprodukte

Medizinprodukte sind rechtlich eigenständig nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) bzw. nach den EU-Medizinprodukteverordnungen geregelt. Sie unterscheiden sich von Arzneimitteln insbesondere durch die primäre Funktionsweise (wirken meist physikalisch und nicht pharmakologisch).

Nahrungsergänzungsmittel

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen dem Lebensmittelrecht und dürfen keine pharmakologische Wirkung haben oder zur Heilung oder Linderung von Krankheiten beim Menschen bestimmt sein.

Kosmetische Mittel

Kosmetika dienen ausschließlich der Reinigung, Pflege und Verschönerung des Menschen und fallen daher nicht unter die Kategorie Arzneimittel.

Zulassung und Inverkehrbringen von Arzneimitteln

Zulassungspflicht nach dem Arzneimittelgesetz

Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln bedürfen einer staatlichen Zulassung oder Registrierung. Dies gilt für sowohl verschreibungspflichtige als auch freiverkäufliche Arzneimittel. Die Zulassung ist an strenge Voraussetzungen gebunden.

Zentrale und dezentrale Zulassung

  • Zentrale Zulassung: Über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für bestimmte innovative Arzneimittel europaweit verpflichtend.
  • Dezentrale Zulassung: In anderen Fällen kann die Zulassung national oder im gegenseitigen Anerkennungsverfahren zwischen Mitgliedstaaten erfolgen.

Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit

Für eine Zulassung ist es erforderlich, die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nachzuweisen. Grundlage hierfür bilden umfangreiche präklinische und klinische Studien gemäß den Vorgaben des AMG und der europäischen Richtlinien.

Herstellung und Vertrieb

Herstellungs- und Betreibermeldepflichten

Die Herstellung von Arzneimitteln unterliegt einer Erlaubnispflicht gemäß § 13 AMG. Die pharmazeutische Industrie muss die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis (GMP) gewährleisten. Der Vertrieb ist zudem an Meldepflichten und Rückverfolgbarkeit gebunden.

Apothekenpflicht

Viele Arzneimittel unterliegen der Apothekenpflicht, dürfen also ausschließlich in Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Für besonders risikoarme Präparate (zum Beispiel bestimmte pflanzliche Arzneimittel) gibt es Ausnahmen (Freiverkäuflichkeit).

Pflichten und Verantwortlichkeiten im Arzneimittelrecht

Informations- und Aufklärungspflichten

Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, die Fach- und Gebrauchsinformationen (Packungsbeilage, Fachinformation) bereitzustellen. Diese müssen klar, verständlich und vollständig informieren.

Pharmakovigilanz (Überwachung nach Marktzulassung)

Nach Inverkehrbringen besteht eine fortlaufende Verpflichtung zur Überwachung der Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz). Verdachtsfälle von Nebenwirkungen müssen erfasst und an die zuständigen Behörden gemeldet werden.

Rücknahme- und Rückrufverpflichtungen

Bei festgestellten Qualitätsmängeln, Unwirksamkeit oder neu erkannten Risiken muss der Hersteller unverzüglich reagieren und ggf. das Arzneimittel vom Markt nehmen oder zurückrufen.

Straf- und Bußgeldvorschriften

Das Arzneimittelgesetz sieht bei Verstößen gegen die genannten Bestimmungen empfindliche Sanktionen vor. Dazu zählen Geldbußen und Freiheitsstrafen, wenn etwa ohne Zulassung, mit gefälschten Arzneimitteln oder unter Missachtung der Pflichten Arzneimittel in Verkehr gebracht werden.

Europarechtliche Einflüsse und internationale Regelungen

Basisrechtsakte der Europäischen Union

Die nationalen Regelungen sind weitgehend durch Rechtsakte der Europäischen Union harmonisiert. Das Kernstück bildet die Richtlinie 2001/83/EG über Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel sowie die Verordnung (EG) Nr. 726/2004.

Internationaler Arzneimittelverkehr

Für den grenzüberschreitenden Handel gelten darüber hinaus internationale Abkommen, die u. a. von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und anderen Institutionen geprägt sind.

Fazit

Arzneimittel sind rechtlich hochkomplexe Produkte, deren Begriffsbestimmung, Zulassung, Vertrieb und Überwachung von einem engmaschigen System aus gesetzlichen Vorgaben erfasst werden. Die klare Unterscheidung zu anderen Produktgruppen sowie der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier stehen dabei im Mittelpunkt der gesetzlichen Regelungen. Das Arzneimittelrecht gewährleistet einen umfassenden Schutzrahmen für alle Beteiligten im Umgang mit Arzneimitteln von der Entwicklung bis zur Anwendung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten haben Apotheken im Umgang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?

Apotheken unterliegen beim Umgang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einer Vielzahl rechtlicher Pflichten, die insbesondere im Arzneimittelgesetz (AMG) sowie in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt sind. Zu den zentralen Pflichten gehört, dass eine Abgabe dieser Arzneimittel grundsätzlich nur gegen Vorlage einer gültigen ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung erfolgen darf. Apotheken sind verpflichtet, die Echtheit und Gültigkeit des Rezepts zu prüfen, insbesondere hinsichtlich des Ausstellungsdatums, der Verschreiberangaben sowie der Unterschrift. Die Abgabe des Arzneimittels muss dokumentiert werden, um eine Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. Außerdem bestehen Verpflichtungen im Bereich der Aufbewahrung: Verschreibungspflichtige Arzneimittel müssen sicher, vor unbefugtem Zugriff geschützt und gemäß den Herstellerangaben gelagert werden. Des Weiteren muss das pharmazeutische Personal, insbesondere der verantwortliche Apotheker, Beratungsgespräche zu Dosierung, Anwendung und möglichen Wechselwirkungen führen – diese Beratungspflicht ist rechtlich verankert. Bei Bedenken hinsichtlich der Verordnung oder der Arzneimitteleignung für einen Patienten ist die Apotheke zur Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt verpflichtet. Verletzungen dieser Pflichten können sowohl ordnungsrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für Werbung und Vertrieb von Arzneimitteln?

Die Werbung für und der Vertrieb von Arzneimitteln unterliegen in Deutschland strengen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Arzneimittelgesetz (AMG). Grundsätzlich ist die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegenüber der breiten Öffentlichkeit verboten; Werbung ist in diesem Fall nur gegenüber Fachkreisen (z.B. Ärzten, Apothekern) erlaubt. Auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten Einschränkungen hinsichtlich irreführender oder unsachlicher Werbung: Aussagen müssen wissenschaftlich belegt und dürfen nicht geeignet sein, Verbraucher zu täuschen. Der Vertrieb von Arzneimitteln ist grundsätzlich Apotheken vorbehalten (Apothekenpflicht), für einige Präparate gelten jedoch Ausnahmen (z.B. bestimmte Medizinprodukte oder freiverkäufliche Arzneimittel). Online-Vertrieb und Versandhandel von Arzneimitteln sind nur mit behördlicher Erlaubnis zulässig; sie unterliegen ebenfalls speziellen Informations- und Sorgfaltspflichten, unter anderem hinsichtlich der Beratung und des Datenschutzes. Verstöße gegen diese Werbe- und Vertriebsvorschriften können wettbewerbsrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Anforderungen bestehen an die Zulassung von Arzneimitteln in Deutschland?

Vor dem Inverkehrbringen eines Arzneimittels in Deutschland ist eine behördliche Zulassung zwingend vorgeschrieben, geregelt im Arzneimittelgesetz (AMG) sowie auf europäischer Ebene durch die Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Hersteller müssen einen detaillierten Zulassungsantrag bei der zuständigen Behörde (in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM bzw. das Paul-Ehrlich-Institut für bestimmte Arzneimittelgruppen) einreichen. Der Antrag umfasst vollständige Angaben zur pharmazeutischen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats, basierend auf umfangreichen präklinischen und klinischen Studien. Ergänzend dazu müssen Risikoabwehrmaßnahmen, Pharmakovigilanz-Systeme und ein Nutzen-Risiko-Profil dargestellt werden. Erst nach positiver Prüfung und Erteilung der Zulassung darf das Arzneimittel auf den Markt gebracht werden. Für besondere Arzneimittelgruppen (z.B. Orphan Drugs, Impfstoffe) oder bei europaweitem Vertrieb kann ein zentrales Zulassungsverfahren über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) notwendig sein. Jegliche Änderungen am zugelassenen Arzneimittel (z.B. Indikationserweiterungen, Rezepturänderungen) sind ebenfalls genehmigungspflichtig.

Welche Anzeige- und Dokumentationspflichten bestehen für Arzneimittelhersteller und -vertriebsunternehmen?

Arzneimittelhersteller und -vertriebsunternehmen müssen eine Vielzahl von Anzeige- und Dokumentationspflichten erfüllen, die überwiegend im Arzneimittelgesetz (AMG), der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) sowie europäischen Regularien geregelt sind. Dazu gehört die Pflicht, jede Herstellung, Einfuhr oder Ausfuhr sowie den Vertrieb und die Abgabe bestimmter Arzneimittelarten vor Aufnahme der Tätigkeit bei den zuständigen Überwachungsbehörden anzuzeigen. Während der gesamten Produktions- und Vertriebsprozesse muss eine lückenlose Dokumentation stattfinden, die beispielsweise Herstellungsprotokolle, Chargendokumentation, Qualitätskontrollen und Rückverfolgbarkeit umfasst. Bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Pharmakovigilanz) sowie bei Qualitätsmängeln sind Meldepflichten gegenüber den Behörden zu beachten. Diese Dokumentationen sind regelmäßig aufzubewahren (in der Regel über mindestens fünf Jahre) und bei Kontrollen durch die zuständigen Behörden vorzulegen. Unvollständige oder fehlerhafte Dokumentation kann zu gravierenden rechtlichen Konsequenzen wie Bußgeldern, Zulassungsentzug oder sogar strafrechtlichen Sanktionen führen.

Welche rechtlichen Regelungen gibt es zum Datenschutz bei der Verarbeitung von Patientendaten im Zusammenhang mit Arzneimittelabgabe?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Arzneimittelabgabe unterliegt den strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie spezifischer Bestimmungen im Sozialgesetzbuch (SGB) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Daten, die im Rahmen der Arzneimittelabgabe, insbesondere von apothekenpflichtigen oder verschreibungspflichtigen Präparaten, erhoben werden, gelten als besonders schützenswerte Gesundheitsdaten. Eine Verarbeitung darf grundsätzlich nur erfolgen, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben oder zur Erfüllung des Apothekenvertrags zwingend erforderlich ist (beispielsweise zur Dokumentation der Abgabe und zur Erstattung gegenüber Kostenträgern). Die Weitergabe an Dritte (z.B. Ärzte, Krankenkassen) darf nur unter strengen Voraussetzungen und meist mit Einwilligung des Patienten erfolgen. Nutzerrechte auf Auskunft, Berichtigung und Löschung müssen gewährleistet sein. Apotheken und Vertriebsunternehmen müssen organisatorische und technische Maßnahmen zum Datenschutz (z.B. Zutrittskontrollen, Verschlüsselung) implementieren und etwaige Datenschutzverstöße binnen 72 Stunden an die zuständigen Behörden melden.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Ärzte, Apotheker und Hersteller im Zusammenhang mit Arzneimitteln?

Die Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Herstellung, Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln sind umfassend und unterschiedlich verteilt. Ärzte haften zivilrechtlich für Behandlungsfehler, insbesondere für eine fehlerhafte oder unzulässige Medikation, fehlende Aufklärung über Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen und für Verstöße gegen die Verschreibungspflicht. Apotheker haften insbesondere im Falle von Abgabe- oder Beratungsfehlern, wenn z.B. ein falsches, abgelaufenes oder für den Patienten ungeeignetes Präparat herausgegeben wird. Hersteller haften nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) und nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) für fehlerhafte Produkte oder mangelhafte Informationsbeilagen zur Anwendung und zu Nebenwirkungen. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig, d.h., schon bei Auftreten eines Schadens durch ein Arzneimittel kann eine Einstandspflicht bestehen. Darüber hinaus sind auch strafrechtliche Sanktionen bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen möglich. Einrichtung umfassender Qualitätssicherungssysteme, Schulung des Personals und sorgfältige Dokumentation sind wichtige Präventivmaßnahmen zur Reduktion des Haftungsrisikos.