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Architekten- und Ingenieurvertrag


Definition und rechtliche Einordnung des Architekten- und Ingenieurvertrags

Ein Architekten- und Ingenieurvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag, der die rechtlichen Beziehungen zwischen einem Auftraggeber (Bauherr) und einem Architekten beziehungsweise Ingenieur regelt. Gegenstand dieser Vertragsart ist in der Regel die Erbringung von Planungsleistungen und teilweise auch der Überwachung der Bauausführung für Bauwerke. Der Architekten- und Ingenieurvertrag weist eine besondere rechtliche Ausgestaltung auf, da sowohl dienst- als auch werkvertragliche Elemente enthalten sein können.

Rechtsgrundlagen des Architekten- und Ingenieurvertrags

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Der Architekten- und Ingenieurvertrag ist primär im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Grundlegend sind dabei insbesondere:

  • §§ 631 ff. BGB (Werkvertrag)
  • §§ 650p ff. BGB (besondere Vorschriften zum Architekten- und Ingenieurvertrag, eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts zum 1. Januar 2018)

Mit Inkrafttreten der neuen Vorschriften im Bauvertragsrecht enthält das BGB nun spezielle Regelungen, die dem besonderen Charakter des Architekten- und Ingenieurvertrags Rechnung tragen.

Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)

Zusätzlich zu den Vorschriften im BGB bestimmen die Regelungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen. Die HOAI ist eine eigenständige Rechtsverordnung und enthält detaillierte Vorgaben zu den abrechnungsfähigen Leistungen und den Honorarsätzen.

Vertragstyp und Leistungsbild

Vertragstyp: Werkvertrag mit dienstvertraglichen Elementen

Der Architekten- und Ingenieurvertrag ist in der Regel als Werkvertrag zu qualifizieren, da er auf die Herbeiführung eines konkreten Erfolges (zum Beispiel die Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung) gerichtet ist. In einigen Leistungsphasen, wie der Beratung oder der Betreuung während der Nutzung, tritt ein dienstvertragliches Element hinzu, bei dem nicht der Erfolg, sondern die Tätigkeit als solche geschuldet wird.

Leistungsbild gemäß HOAI

Das Leistungsbild eines Architekten- oder Ingenieurvertrags ist typischerweise in Phasen gegliedert, die sich nach der HOAI richten. Typische Phasen sind:

  • Grundlagenermittlung
  • Vorplanung
  • Entwurfsplanung
  • Genehmigungsplanung
  • Ausführungsplanung
  • Vorbereitung der Vergabe
  • Mitwirkung bei der Vergabe
  • Objektüberwachung (Bauüberwachung)
  • Objektbetreuung und Dokumentation

Inhalt und Bestandteile des Architekten- und Ingenieurvertrags

Vertragsparteien

Vertragsparteien sind auf der einen Seite der Bauherr (Auftraggeber) und auf der anderen Seite der Architekt oder Ingenieur (Auftragnehmer).

Leistungsumfang

Der genaue Umfang der geschuldeten Leistungen ergibt sich aus dem Vertrag, der HOAI und gegebenenfalls weiteren individuellen Vereinbarungen. Es ist möglich, nur bestimmte Leistungsphasen zu beauftragen oder einen Stufenvertrag abzuschließen, bei dem weitere Leistungsphasen jeweils gesondert abgerufen werden.

Vergütung

Die Vergütung richtet sich in der Regel nach der HOAI, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren und die Anwendbarkeit gegeben ist. Die HOAI unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Honorarzonen nach Schwierigkeitsgrad und bezieht sich auf anrechenbare Kosten.

Haftung und Mängelansprüche

Architekten und Ingenieure haften gegenüber dem Auftraggeber für die ordnungsgemäße und mangelfreie Erbringung ihrer Leistungen. Grundlage für Mängelansprüche sind die §§ 634 ff. BGB. Dabei gelten folgende Regelungen:

  • Nacherfüllungsanspruch: Der Auftraggeber hat zunächst einen Anspruch auf Beseitigung des Mangels.
  • Minderung: Bei wesentlichen Mängeln kann der Auftraggeber die Vergütung mindern.
  • Schadensersatz: Unter bestimmten Voraussetzungen kann Schadensersatz gefordert werden.
  • Rücktritt: In schwerwiegenden Fällen ist der Rücktritt vom Vertrag möglich.

Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt in der Regel fünf Jahre ab Abnahme des Werkes (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Abnahme

Die Abnahme markiert einen zentralen Zeitpunkt im Architekten- und Ingenieurvertrag. Erst mit der Abnahme beginnt die Frist für Mängelansprüche zu laufen. Die Abnahme umfasst die Anerkennung der vertraglich geschuldeten Leistung durch den Bauherrn.

Mitwirkungspflichten des Auftraggebers

Der Auftraggeber ist verpflichtet, dem Architekten oder Ingenieur die erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen und die notwendigen Entscheidungen zeitgerecht zu treffen. Das Unterlassen von Mitwirkungspflichten kann zu Verzögerungen und Mitverschulden führen.

Besondere rechtliche Aspekte des Architekten- und Ingenieurvertrags

Widerruf und Kündigung

Der Architekten- und Ingenieurvertrag kann vom Auftraggeber jederzeit bis zur Vollendung des Werks gemäß § 648 BGB gekündigt werden. Der Architekt hat dann Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, muss sich jedoch ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann die Kündigung auch von der Architektenseite erfolgen.

Urheberrechtliche Aspekte

Architekten und Ingenieure genießen für ihre Planungen u. U. urheberrechtlichen Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, sofern die Planung eine sogenannte „eigene geistige Schöpfung“ darstellt. Der Auftraggeber erhält in der Regel Nutzungsrechte zur Durchführung des Bauvorhabens.

Versicherungs- und Nachweispflichten

Für die Tätigkeiten ist nach den einschlägigen Landesbauordnungen häufig eine Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben. Die Nachweispflichten über bestehende Versicherungen können bereits Teil des Vertrages sein.

Besonderheiten bei öffentlichen Aufträgen

Bei öffentlichen Bauaufträgen unterliegt der Architekten- und Ingenieurvertrag zudem den Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts, insbesondere der VgV (Vergabeverordnung) sowie, im weiteren Sinne, auch den Regelungen der UVgO (Unterschwellenvergabeordnung).

Fazit und Zusammenfassung

Der Architekten- und Ingenieurvertrag stellt eine eigenständige Vertragsart des deutschen Zivilrechts dar, die in mehrfacher Hinsicht spezialisierte rechtliche Regelungen aufweist. Neben den gesetzlichen Bestimmungen des BGB prägen insbesondere die Vorgaben der HOAI, zahlreiche Haftungsfragen sowie versicherungs- und vergaberechtliche Vorschriften die Vertragsgestaltung und -durchführung. Der sachgerechten vertraglichen Ausgestaltung, der eindeutigen Definition der zu erbringenden Leistungen und einer klaren Regelung der Rechte und Pflichten der Parteien kommt hierbei zentrale Bedeutung zu, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden und den Projekterfolg zu gewährleisten.


Dieser Beitrag bietet eine umfassende rechtliche Übersicht über den Architekten- und Ingenieurvertrag und ist für die Verwendung in einem Rechtslexikon konzipiert. Die Ausführungen berücksichtigen die aktuelle Gesetzeslage und die wichtigsten praxisrelevanten Aspekte.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den wirksamen Abschluss eines Architekten- und Ingenieurvertrags erfüllt sein?

Für den wirksamen Abschluss eines Architekten- und Ingenieurvertrags müssen die allgemeinen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Vertrages nach deutschem Zivilrecht (§§ 145 ff. BGB) erfüllt sein. Dazu zählen ein Angebot und eine Annahme, die sich inhaltlich decken müssen. Weiterhin ist die Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien erforderlich, das heißt, beide Parteien müssen die rechtliche Fähigkeit besitzen, Verträge abzuschließen. Grundsätzlich ist der Vertrag formfrei, das heißt, er kann schriftlich, mündlich oder sogar konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, geschlossen werden. Lediglich in Ausnahmefällen, etwa bei Verträgen über Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften, kann ausnahmsweise eine Schriftform oder notarielle Beurkundung erforderlich sein. Des Weiteren sollten im Vertrag die wesentlichen Leistungsinhalte hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, um später Unklarheiten oder Streitigkeiten zu vermeiden. Der Vertrag unterliegt zudem speziellen gesetzlichen Regelungen, wie etwa dem Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) und den berufsrechtlichen Vorgaben der Architekten- bzw. Ingenieurkammern.

Welche Regelungen zur Vergütung sind bei Architekten- und Ingenieurverträgen besonders zu beachten?

Die Vergütung von Architekten- und Ingenieurleistungen ist detailliert in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) geregelt, sofern deren Anwendungsbereich eröffnet ist. Vergütungsabreden, die unterhalb der Mindest- oder oberhalb der Höchstsätze der HOAI liegen, sind nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2019 (Rechtssache C-377/17) wurde klargestellt, dass verbindliche Mindest- und Höchstsätze unionsrechtswidrig sind, weshalb seit Inkrafttreten der HOAI-Novelle 2021 mehr Vertragsfreiheit besteht. Dennoch besteht eine Pflicht zur Vereinbarung des Honorars in Textform (§ 7 HOAI n.F.). Kommt keine wirksame Honorarvereinbarung zustande, gilt die sogenannte „Basishonorartafel“ als vereinbart. Es empfiehlt sich, die Vergütung einschließlich der Fälligkeiten im Vertrag exakt zu regeln sowie Abrechnungsmodalitäten, etwa zu anrechenbaren Kosten, Nebenkosten und Zahlungsfristen, eindeutig zu definieren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Welche rechtlichen Pflichten und Hauptleistungspflichten ergeben sich für den Architekten oder Ingenieur aus dem Vertrag?

Aus dem Architekten- oder Ingenieurvertrag entstehen dem Architekten bzw. Ingenieur umfangreiche Hauptleistungspflichten nach dem Grundsatz des Werkvertragsrechts (§ 631 BGB). Er schuldet die fachgerechte Planung und/oder Bauüberwachung gemäß den anerkannten Regeln der Technik, den Vorgaben der HOAI und den jeweiligen Leistungsbildern einer Honorarzone. Darüber hinaus gehört die Koordination mit Fachplanern, das rechtzeitige Anzeigen von Risiken, die Einhaltung von Kosten- und Terminplänen sowie die Mitwirkung bei Genehmigungsverfahren zu den zentralen Pflichten. Weiterhin besteht die Pflicht zur umfassenden und fehlerfreien Dokumentation sowie zur vertragsgemäßen Abnahme der Leistung. Kommt der Architekt oder Ingenieur diesen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, können sich Haftungsansprüche des Auftraggebers wegen Schlechterfüllung oder Pflichtverletzung ergeben.

Welche besonderen Hinweispflichten treffen den Architekten oder Ingenieur im Rahmen des Vertragsverhältnisses?

Der Architekt oder Ingenieur hat nach ständiger Rechtsprechung umfangreiche Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Auftraggeber. Diese bestehen insbesondere dann, wenn der Auftraggeber erkennbar über mangelndes Fachwissen verfügt oder wenn Risiken, Unklarheiten oder technische Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des Vorhabens bestehen. Der Architekt muss den Auftraggeber über baurechtliche Vorgaben, Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit der Planung, Kostenüberschreitungen, notwendige Genehmigungen und mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig und klar informieren. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, kann dies eine Haftung wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten nach § 280 BGB begründen.

Welche Regelungen zur Haftung des Architekten oder Ingenieurs gelten im Schadensfall?

Im Schadensfall haftet der Architekt oder Ingenieur grundsätzlich nach den Vorschriften des Werkvertragsrechts (§§ 634 ff. BGB). Bei mangelhafter Leistung kann der Auftraggeber Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz oder Rücktritt verlangen. Die Haftung umfasst sowohl Planungs- als auch Überwachungsfehler. Die Verjährung von Mängelansprüchen beträgt grundsätzlich fünf Jahre ab Abnahme des Werkes (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Häufig wird im Vertrag eine Haftungsbegrenzung vereinbart; diese ist jedoch nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen zulässig. Eine vollständige Freizeichnung von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz ist unzulässig (§ 309 Nr. 7 BGB). Zudem besteht regelmäßig eine Berufshaftpflichtversicherungspflicht zum Schutz sowohl des Architekten oder Ingenieurs als auch des Auftraggebers.

Wie kann ein Architekten- oder Ingenieurvertrag rechtlich wirksam beendet werden?

Die Beendigung des Architekten- oder Ingenieurvertrags ist grundsätzlich durch ordentliche Kündigung, außerordentliche Kündigung oder durch Erreichen des vertraglich vereinbarten Leistungsziels möglich. Das gesetzliche Kündigungsrecht des Auftraggebers nach § 648 BGB („jederzeitiges Kündigungsrecht“) bleibt hiervon unberührt, wobei dem Architekten oder Ingenieur in diesem Fall grundsätzlich ein Vergütungsanspruch für bereits erbrachte sowie nicht erbrachte, aber bereits beauftragte Leistungen unter Berücksichtigung angemessener ersparter Aufwendungen zusteht. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB sind weitergehende Pflichten einzuhalten, insbesondere eine unverzügliche Anzeige des Kündigungsgrundes. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehen Rückgabe- und Herausgabepflichten bezüglich der Unterlagen, Pläne und Dokumentationen, soweit vertraglich nicht anderes vereinbart.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Abnahme der Architekten- oder Ingenieurleistungen?

Die Abnahme stellt im Architekten- und Ingenieurvertrag eine maßgebliche Zäsur dar, denn mit ihr beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche und die Gefahr des zufälligen Untergangs geht auf den Auftraggeber über. Anders als bei reinen Bauleistungen ist die Abnahme bei Planungsleistungen häufig schwieriger, da sie nicht unmittelbar körperlich geprüft werden können. Die Rechtsprechung verlangt daher eine funktionale Abnahme: Es ist zu prüfen, ob die planerische Leistung in ihrer Gesamtheit prüfbar und brauchbar für die vorgesehene Verwendung ist. Häufig wird im Vertrag auch eine sogenannte Teilabnahme vereinbart, etwa zwischen verschiedenen Leistungsphasen nach HOAI. Eine förmliche Abnahme sollte stets protokolliert werden, um spätere Beweisprobleme zu vermeiden. Bei verweigerter Abnahme kann ggf. eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB stattfinden, wenn der Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat.

Welche Anforderungen bestehen an die Dokumentation im Architekten- und Ingenieurvertrag?

Die Dokumentationspflicht ist ein zentraler Bestandteil des Architekten- und Ingenieurvertrags. Der Planer ist verpflichtet, sämtliche wesentlichen Vorgänge, Planungen, Abstimmungen, Änderungen, Prüfvermerke und Bauüberwachungsmaßnahmen schriftlich zu dokumentieren. Die Dokumentation dient nicht nur dem Zweck der Nachweissicherung im Streitfall, sondern auch der ordnungsgemäßen Übergabe an den Auftraggeber und der Einhaltung etwaiger behördlicher Nachweispflichten. Der Umfang der Dokumentation richtet sich unter anderem nach den Forderungen aus der HOAI, den berufsrechtlichen Regelungen der Kammern sowie den vertraglichen Vereinbarungen. Unvollständige oder fehlerhafte Dokumentationen können zu Beweislastproblemen und im Falle eines Schadens zu einer Haftung des Architekten oder Ingenieurs führen.