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Arbeitsverweigerung


Definition und Begriff der Arbeitsverweigerung

Arbeitsverweigerung beschreibt im deutschen Arbeitsrecht das Verhalten eines Arbeitnehmers, der seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung bewusst und willentlich nicht erbringt, obwohl diese vom Arbeitgeber ordnungsgemäß eingefordert wird. Dabei unterscheidet sich Arbeitsverweigerung von anderen Fehlverhalten, wie etwa der Arbeitsunfähigkeit, durch die Absicht, die Arbeitspflicht nicht zu erfüllen. Sie zählt zu den besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis und kann weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Rechtsgrundlagen der Arbeitsverweigerung

Gesetzliche Grundlagen

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind die wesentlichen Vorschriften zur Arbeitsverweigerung verankert. Zentral sind dabei insbesondere:

  • § 611a BGB: Begründung des Arbeitsverhältnisses und arbeitsvertragliche Pflichten
  • § 615 BGB: Annahmeverzug des Arbeitgebers
  • § 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Weitere arbeitsrechtliche Normen, wie das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie tarifvertragliche und arbeitsvertragliche Vereinbarungen, können ergänzend Anwendung finden.

Abgrenzung zu vergleichbaren Tatbeständen

Nicht jede nicht erbrachte Arbeitsleistung gilt als Arbeitsverweigerung im Sinne des Arbeitsrechts. So liegt keine Arbeitsverweigerung vor bei:

  • Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
  • Streik oder erlaubte Arbeitskampfmaßnahmen
  • Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts (z. B. bei erheblichem Lohnrückstand)
  • Erfüllung gesetzlicher Pflichten (z. B. Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte)

Eine Arbeitsverweigerung ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn dem Arbeitnehmer die Leistung objektiv zumutbar ist und keine rechtlich anerkannten Gründe für das Fernbleiben bestehen.

Voraussetzungen der Arbeitsverweigerung

Die Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass:

  1. Eine Arbeitspflicht besteht: Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße, konkretisierte Weisung im Rahmen des Direktionsrechts erteilt haben (§ 106 GewO).
  2. Leistungserbringung tatsächlich möglich und zumutbar ist: Die geschuldete Arbeit muss objektiv und subjektiv leistbar sein.
  3. Willentliches und bewusstes Nichtleisten: Der Arbeitnehmer verweigert trotz Möglichkeit bewusst und erkennbar die Arbeitsleistung.
  4. Kein Recht zur Verweigerung vorliegt: Weder gesetzliche noch vertragliche Befreiungs- oder Zurückbehaltungsrechte bestehen.

Ein einmaliges Versäumnis der Arbeitsleistung (z. B. durch Irrtum oder Vergesslichkeit) genügt nicht, um eine Arbeitsverweigerung im rechtlichen Sinne anzunehmen.

Form der Arbeitsverweigerung

Die Arbeitsverweigerung kann offen (explizite Aussage oder Handlung) oder stillschweigend (schuldhaftes Unterlassen trotz Arbeitsaufforderung) erfolgen. Auch eine sogenannte „schleichende“ Arbeitsverweigerung, d. h. absichtliches Unterschreiten des Arbeitstempos oder gezielte mangelhafte Erfüllung, kann in Einzelfällen eine Arbeitsverweigerung darstellen.

Rechtliche Folgen der Arbeitsverweigerung

Minderungs- und Entgeltanspruch

Im Falle einer Arbeitsverweigerung entfällt für den betreffenden Zeitraum der Anspruch des Arbeitnehmers auf die vereinbarte Vergütung (§ 326 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber ist nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet, solange die Leistungspflicht vom Arbeitnehmer nicht erbracht wird.

Arbeitsrechtliche Sanktionen

Arbeitsverweigerung gilt als erhebliche Vertragsverletzung und kann arbeitsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen, darunter:

  • Abmahnung: In der Regel ist vor einer Kündigung wegen Arbeitsverweigerung eine Abmahnung erforderlich. Die Abmahnung dient der Rüge und Warnung.
  • Ordentliche Kündigung: Kommt der Arbeitnehmer der Arbeitsaufforderung auch nach Abmahnung nicht nach, kann eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden, sofern Kündigungsfristen beachtet werden.
  • Fristlose Kündigung: In schwerwiegenden Fällen, etwa bei beharrlicher oder mehrfacher Arbeitsverweigerung, kann eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt sein.

Voraussetzungen der fristlosen Kündigung

Eine fristlose Kündigung setzt stets eine schwere Pflichtverletzung voraus, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht. Ob eine solche Pflichtverletzung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Interessen beider Vertragsparteien sind dabei gegeneinander abzuwägen.

Schadensersatzansprüche

Verursacht die Arbeitsverweigerung einen nachweisbaren Vermögensschaden beim Arbeitgeber, kann dieser – unter den Voraussetzungen des § 280 BGB – auf Ersatz pochen. Der Nachweis des konkreten Schadens und der Kausalität zur Arbeitsverweigerung ist dabei unerlässlich.

Besondere Fallgruppen der Arbeitsverweigerung

Teilweise Arbeitsverweigerung

Eine teilweise Arbeitsverweigerung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nur bestimmte Teile seiner vertraglichen Pflichten nicht erfüllt (z. B. einzelne Arbeitsanweisungen nicht befolgt). Auch dies kann unter Umständen eine fristlose Kündigung nach sich ziehen, insbesondere, wenn durch das Verhalten das Vertrauensverhältnis massiv beeinträchtigt wird.

Kollektive Arbeitsverweigerung

Kommt es zu einer kollektiven, d. h. von mehreren Arbeitnehmern organisierten Arbeitsverweigerung außerhalb tarifrechtlicher oder arbeitsrechtlich zulässiger Streikmaßnahmen, kann dies disziplinarische oder sogar strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe

Eine Arbeitsverweigerung ist nicht unzulässig, wenn berechtigte Gründe vorliegen, wie etwa:

  • Gefährdung der eigenen Gesundheit oder der anderer Personen (§ 618 BGB, Arbeitsschutzrecht)
  • Unvereinbarkeit der Arbeitsanweisung mit Gesetz oder guten Sitten
  • Sittenwidrige oder sittenwidrig angewiesene Arbeiten
  • Unzumutbarkeit aus persönlichen oder ethischen Gründen, sofern diese gesetzlich anerkannt sind

Im Einzelfall muss stets geprüft werden, ob ein Recht zur Leistungsverweigerung bestand.

Arbeitsverweigerung im gerichtlichen Verfahren

Im Falle einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung, beispielsweise im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht, kommt der rechtlichen Bewertung von Arbeitsverweigerung erhebliche Bedeutung zu. Das Gericht prüft, ob eine wirksame arbeitsrechtliche Maßnahme ergriffen wurde und ob die Voraussetzungen der Arbeitsverweigerung vorlagen. Arbeitgeber müssen die Pflichtverletzung detailliert darlegen und beweisen.

Zusammenfassung

Arbeitsverweigerung ist die willentliche und objektiv unbegründete Nichtleistung der geschuldeten Arbeit durch den Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers. Sie stellt einen erheblichen Pflichtverstoß im Arbeitsverhältnis dar und kann von Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die rechtliche Bewertung erfolgt stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sowie unter Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Vermeintliche oder tatsächliche Rechtfertigungsgründe sind stets sorgfältig zu prüfen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Arbeitsverweigerung?

Arbeitsverweigerung stellt in Deutschland grundsätzlich eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses dar. Wird eine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit ohne rechtfertigenden Grund verweigert, kann der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen. Wiederholte oder besonders schwerwiegende Arbeitsverweigerung kann sogar eine außerordentliche (fristlose) oder ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Darüber hinaus riskiert der Arbeitnehmer bei ungerechtfertigter Verweigerung auch Lohnkürzungen für die verweigerte Arbeitszeit, da gemäß § 275 Abs. 1 BGB die Arbeitspflicht entfällt und nach § 326 Abs. 1 BGB der Anspruch auf Vergütung erlischt. In Einzelfällen kann der Arbeitgeber auch Schadensersatzansprüche geltend machen, sofern durch die Verweigerung ein konkreter Schaden entstanden ist. Für tariflich oder betrieblich geschützte Arbeitnehmer gelten unter Umständen spezielle Regelungen, etwa durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die zusätzliche Schutzmechanismen bieten.

Unter welchen Umständen ist Arbeitsverweigerung rechtlich zulässig?

Nicht jede Arbeitsverweigerung führt automatisch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Rechtlich zulässig ist die Verweigerung insbesondere dann, wenn die zugewiesene Tätigkeit nicht dem Arbeitsvertrag entspricht, also eine sogenannte „vertragswidrige Beschäftigung“ vorliegt. Ebenfalls berechtigt ist die Verweigerung, wenn die Arbeit unzumutbar oder mit einer objektiven Gefährdung der Gesundheit verbunden ist (z. B. Arbeitsschutz wird missachtet oder Maßnahmen zur Unfallverhütung fehlen). Ein weiterer Sonderfall ist das sogenannte „Zurückbehaltungsrecht“ nach § 273 BGB; beispielsweise dürfen Arbeitnehmer die Arbeit verweigern, wenn der Arbeitgeber massiv mit der Lohnzahlung in Verzug gerät. Auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 87 BetrVG) kann eine kollektive Arbeitsverweigerung im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks zulässig sein.

Kann bei Arbeitsverweigerung außerordentlich gekündigt werden?

Eine außerordentliche, also fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ist möglich, jedoch nur unter engen Voraussetzungen. Es muss sich dabei um eine schwere und beharrliche Pflichtverletzung handeln. In der Regel ist eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Verhaltensänderung zu geben. Erst wenn der Arbeitnehmer trotz schriftlicher Abmahnung erneut oder dauerhaft unberechtigt die Arbeit verweigert, kann die außerordentliche Kündigung rechtlich Bestand haben. Eine Ausnahme besteht bei besonders gravierenden Fällen der Arbeitsverweigerung, bei denen dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Die Umstände und Gründe müssen im Einzelfall sorgfältig abgewogen und dokumentiert werden.

Wie muss der Arbeitgeber auf Arbeitsverweigerung reagieren?

Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Bekanntwerden einer Arbeitsverweigerung unverzüglich zu handeln. Üblicherweise erfolgt zunächst eine mündliche Aufforderung zur Arbeitsaufnahme, gefolgt von einer schriftlichen Abmahnung, falls der Arbeitnehmer weiterhin die Arbeit verweigert. Die Abmahnung dient der Dokumentation des Fehlverhaltens und gibt dem Arbeitnehmer die Chance, sein Verhalten vertragskonform zu ändern. Kommt es dennoch zu keiner Veränderung, ist der Arbeitgeber berechtigt, weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, bis hin zur Kündigung. Die jeweiligen Schritte müssen arbeitsrechtlich sauber dokumentiert sein, um im Falle eines Rechtsstreits Bestand zu haben. Insbesondere im öffentlichen Dienst oder bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen sind zudem spezifische Verfahrensvorschriften zu beachten.

Verliert der Arbeitnehmer bei Arbeitsverweigerung sofort den Anspruch auf Lohnzahlung?

Bei unberechtigter Arbeitsverweigerung entfällt grundsätzlich der Anspruch auf Lohnzahlung für die verweigerte Arbeitszeit, da keine Arbeitsleistung erbracht wird (§ 326 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Arbeitsverweigerung durch einen rechtlich zulässigen Grund gerechtfertigt ist (z. B. Gesundheitsgefährdung, Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts oder Streik). Zu beachten ist, dass auch Teilverweigerungen – also das Einschränken auf bestimmte Tätigkeiten – zu anteiligen Lohnkürzungen führen können. In bestimmten Fällen können wiederholte unentschuldigte Fehlzeiten zudem weitere Konsequenzen wie Lohnrückforderungen oder Schadensersatzansprüche begründen.

Welche Nachweis- und Dokumentationspflichten bestehen für Arbeitgeber bei Arbeitsverweigerung?

Um arbeitsrechtliche Maßnahmen aufgrund von Arbeitsverweigerung – insbesondere Abmahnungen und Kündigungen – wirksam durchsetzen zu können, sind Arbeitgeber verpflichtet, das Fehlverhalten detailliert zu dokumentieren. Dazu zählen Datum, Uhrzeit, genaue Beschreibung der verweigerten Tätigkeit sowie gegebenenfalls Anwesende und der Verlauf der Gespräche. Eine schriftliche Abmahnung sollte eine klare Schilderung des Sachverhalts, den Hinweis auf die Vertragspflichten und die mögliche arbeitsrechtliche Folge enthalten. Diese lückenlose Dokumentation ist im Falle eines späteren Rechtsstreits entscheidend, da der Arbeitgeber die Beweislast für die Arbeitsverweigerung trägt.

Hat der Betriebsrat bei Arbeitsverweigerung Mitbestimmungsrechte?

Auch in Fällen von Arbeitsverweigerung hat der Betriebsrat gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eingeschränkte Mitbestimmungsrechte, insbesondere im Zusammenhang mit personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen oder Kündigungen (§§ 99, 102 BetrVG). Im Fall einer vorgesehenen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligen und zu den Gründen der Kündigung anhören. Der Betriebsrat kann Einwendungen erheben, die zumindest im Rahmen des vom Arbeitgeber zu führenden Prozesses zu berücksichtigen sind. Bei kollektivrechtlichen Arbeitskampfmaßnahmen (z. B. Streik) hingegen stehen dem Betriebsrat weitergehende Beteiligungsrechte zu.