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Arbeitsverhinderung


Begriff und Grundlagen der Arbeitsverhinderung

Der Begriff Arbeitsverhinderung bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht eine zeitweilige Unmöglichkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Arbeitsverhinderung kann durch verschiedene Gründe wie Krankheit, persönlichen oder betrieblichen Ursachen hervorgerufen werden und betrifft in erster Linie das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die rechtlichen Konsequenzen der Arbeitsverhinderung sind insbesondere in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) sowie weiterer arbeitsrechtlicher Normen geregelt.

Rechtlicher Rahmen der Arbeitsverhinderung

Gesetzliche Grundlagen

Die zentralen gesetzlichen Regelungen zum Thema Arbeitsverhinderung finden sich in folgenden Normen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 616 BGB: Regelt die vorübergehende Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung ohne eigenes Verschulden.
  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Enthält die Vorgaben zur Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung infolge Krankheit.
  • Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Behandelt Auszeiten durch Erholungsurlaub, die keine Arbeitsverhinderung im eigentlichen Sinne, aber Überschneidungen aufweisen.
  • Mutterschutzgesetz und Pflegezeitgesetz: Erfassen Spezialfälle wie Mutterschutzfristen und Pflege naher Angehöriger.

Abgrenzung zu anderen arbeitsrechtlichen Begriffen

Arbeitsverhinderung ist abzugrenzen von anderen Formen der Abwesenheit wie Urlaub, unbezahlter Freistellung oder Kurzarbeit. Entscheidend ist, dass die Verhinderung unverschuldet und vorübergehend eintritt, und der Arbeitsleistende grundsätzlich zur Leistung bereit wäre.

Arten von Arbeitsverhinderungen

1. Arbeitsverhinderung durch Krankheit

Die häufigste Form der Arbeitsverhinderung ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Rechtsgrundlage hierfür bildet das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Arbeitnehmer haben bei ordnungsgemäßer Anzeige und Nachweis der Krankheit bis zu sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber.

Voraussetzungen

  • Unverschuldete Arbeitsunfähigkeit
  • Unmittelbare Anzeige beim Arbeitgeber
  • Ärztliche Bescheinigung ab dem 4. Tag der Krankheit

2. Vorübergehende Arbeitsverhinderung nach § 616 BGB

§ 616 BGB regelt, dass Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Vergütung haben können, wenn sie für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ durch einen in der Person liegenden Grund, ohne eigenes Verschulden, an der Arbeitsleistung verhindert sind. Typische Beispiele sind:

  • Geburt und Tod naher Angehöriger
  • Eheschließung
  • Arztbesuche, soweit unaufschiebbar und außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich

Der Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB ist in vielen Arbeits- und Tarifverträgen jedoch häufig ausgeschlossen oder eingeschränkt.

3. Arbeitsverhinderung aus persönliche Gründen

Zu den persönlichen Gründen einer Arbeitsverhinderung zählen unvorhersehbare Ereignisse, die zwingend persönliche Anwesenheit erforderlich machen. Dazu gehören:

  • Pflege eines akut erkrankten Kindes (geregelt im § 45 SGB V)
  • Unverschuldete Verspätungen (z.B. bei sämtlicher Verkehrsmittelversagen, sofern keine alternative Anreise zumutbar war)

In diesen Fällen kann eine Lohnfortzahlung, je nach individueller Vertragssituation, möglich sein.

4. Betriebliche Gründe für Arbeitsverhinderung

Die Arbeitsverhinderung kann auch aus betrieblichen Gründen erfolgen, etwa durch Produktionsausfälle, höhere Gewalt oder behördliche Anordnungen (Betriebsrisiko). Die Rechtsfolgen ergeben sich regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag und den gesetzlichen Vorgaben.

Pflichten des Arbeitnehmers und Rechte des Arbeitgebers

Anzeige- und Nachweispflichten

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und auf Verlangen entsprechende Nachweise zu erbringen (insbesondere im Krankheitsfall durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).

Mitwirkungspflichten

Der Arbeitnehmer hat alles Zumutbare zu unternehmen, um eine Arbeitsverhinderung zu verhindern oder deren Dauer zu verkürzen. Beispielsweise ist bei planbaren Ereignissen eine rechtzeitige Abstimmung mit dem Arbeitgeber erforderlich.

Auswirkungen der Arbeitsverhinderung auf das Arbeitsverhältnis

Vergütungsanspruch

Der Vergütungsanspruch während einer Arbeitsverhinderung hängt maßgeblich von deren Grund und Dauer ab. Im Krankheitsfall besteht nach dem EFZG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu sechs Wochen, bei anderen vorübergehenden Verhinderungen nach § 616 BGB typischerweise nur für wenige Tage.

Kündigungsschutz

Eine Arbeitsverhinderung, insbesondere krankheitsbedingt, bietet keinen absoluten Kündigungsschutz. Sie ist aber kein Kündigungsgrund an sich. Eine durch Krankheit bedingte Kündigung bedarf besonderer Voraussetzungen und einer Interessenabwägung.

Urlaubsanspruch

Arbeitsverhinderungen, insbesondere wegen Krankheit, führen grundsätzlich nicht zum Verlust des Urlaubsanspruchs. Nachweispflichten bestehen jedoch seitens des Arbeitnehmers gemäß § 9 Bundesurlaubsgesetz.

Verfall und Ausschlussfristen

Die Ansprüche im Zusammenhang mit Arbeitsverhinderung unterliegen häufig arbeits- oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Arbeitnehmer sollten daher unverzüglich ihre Rechte geltend machen, um den Verlust von Zahlungsansprüchen zu vermeiden.

Sonderfälle und Ausschlussmöglichkeiten

Viele Arbeits- und Tarifverträge schließen den Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB ausdrücklich aus oder regeln Einzelfälle konkret, beispielsweise durch einen Katalog bezahlter Freistellungen. Auch durch betriebliche Übung oder verbindliche Richtlinien können hiervon abweichende Regelungen bestehen.

Fazit

Die rechtliche Einordnung und Behandlung von Arbeitsverhinderungen erfordert eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Ursache, der gesetzlichen und vertraglichen Regelungen sowie den Nachweis- und Anzeigepflichten. Die Kenntnis der maßgeblichen Vorschriften sowie der vertraglichen Grundlagen bietet sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmenden Rechtssicherheit im Umgang mit Arbeitsverhinderungen.


Quellenhinweis:
Für detaillierte Auskünfte wird das Studium der relevanten arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie einschlägiger Gerichtsurteile empfohlen. Besonders maßgeblich für die Praxis sind das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 616 BGB), das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und die Regelungen im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).

Häufig gestellte Fragen

Muss die Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber mitgeteilt werden?

Eine Arbeitsverhinderung ist dem Arbeitgeber grundsätzlich unverzüglich mitzuteilen. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz). Die Anzeigepflicht besteht unabhängig vom Grund der Arbeitsverhinderung, etwa Krankheit, Unfall, unvorhergesehene Ereignisse oder höhere Gewalt. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber spätestens zu Beginn der regulären Arbeitszeit mitteilen, dass und weswegen er seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Verzögerungen bei der Mitteilung können Abmahnungen oder sogar im Wiederholungsfall eine Kündigung nach sich ziehen sowie zu finanziellen Einbußen führen, beispielsweise beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Wird die Arbeitsverhinderung später nachgereicht, kann dies den Arbeitnehmer den vollständigen Vergütungsanspruch verlieren lassen (§ 7 EFZG). Der Arbeitgeber ist berechtigt, nähere Angaben zu den Gründen der Verhinderung zu verlangen, insbesondere, wenn eine längere oder wiederholte Verhinderung vorliegt. Erfolgt die Mitteilung nicht rechtzeitig, trägt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht und eventuelle rechtliche Folgen selbst.

Welche Nachweise sind im Falle einer Arbeitsverhinderung zu erbringen?

Je nach Grund der Arbeitsverhinderung sieht das Gesetz verschiedene Nachweispflichten vor. Bei Erkrankungen ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber kann jedoch schon ab dem ersten Tag ein Attest verlangen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Bei sonstigen Hinderungsgründen, wie beispielsweise einer plötzlichen Katastrophe oder behördlichen Anordnung, müssen die entsprechenden Nachweise zeitnah vorgelegt werden. Dazu zählen behördliche Schreiben, Polizeiberichte oder andere amtliche Bescheide. Für Zwecke der Lohnfortzahlung und zum Schutz eigener Rechte sollte der Arbeitnehmer proaktiv und vollständig alle erforderlichen Dokumente einreichen, um sich gegen mögliche rechtliche Nachteile zu wappnen.

Welche Rechtsfolgen hat eine unentschuldigte Arbeitsverhinderung?

Eine unentschuldigte Arbeitsverhinderung, das heißt das Fernbleiben von der Arbeit ohne einen anerkannten rechtlichen Grund oder ausreichende Mitteilung und/oder Nachweise, kann ernste arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst entfällt grundsätzlich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die versäumte Arbeitszeit (§ 616 BGB, § 3 EFZG). Zudem liegt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht vor, was in einer Abmahnung durch den Arbeitgeber münden kann. Wiederholtes Fehlverhalten kann eine verhaltensbedingte, im Einzelfall sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. In besonders schwerwiegenden Fällen, etwa bei vorgetäuschter Krankheit oder bewusstem Nicht-Anzeigen, drohen zudem Schadensersatzforderungen durch den Arbeitgeber, wenn diesem durch das Verhalten des Arbeitnehmers nachweisbar ein Schaden entstanden ist.

Gibt es für bestimmte Arbeitsverhinderungen einen Vergütungsanspruch?

Ein Vergütungsanspruch besteht, wenn die Arbeitsverhinderung auf einem in § 616 BGB genannten wichtigen Grund ohne eigenes Verschulden beruht und eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit andauert. Klassische Beispiele sind familiäre Notfälle, Todesfälle naher Angehöriger oder die Ladung zu einer öffentlichen Behörde oder Gerichtsverhandlung als Zeuge. Der Anspruch ist jedoch eingeschränkt und kann durch tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelungen ausgeschlossen werden. Bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts bis zu sechs Wochen. Bei anderen Hinderungsgründen muss stets der konkrete Sachverhalt geprüft werden, da Art und Dauer der Arbeitsverhinderung sowie vertragliche Abreden entscheidend sind.

Wie unterscheidet sich Arbeitsverhinderung von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit?

Arbeitsverhinderung bezeichnet im rechtlichen Kontext die vorübergehende Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass eine planmäßige Freizeit wie beim Urlaub oder eine ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Während beim Urlaub ein gegenseitiges Einvernehmen und eine Freistellung von der Arbeitspflicht besteht, fehlt dies bei einer Arbeitsverhinderung, die meist unvorhergesehen eintritt. Arbeitsunfähigkeit ist ein Unterfall der Arbeitsverhinderung und erfordert eine ärztliche Bescheinigung, während bei anderen Verhinderungen oftmals andere Nachweise relevant sind. Der rechtliche Umgang, insbesondere hinsichtlich Anzeige- und Nachweispflichten sowie Entgeltansprüchen, unterscheidet sich je nach Kategorie und muss jeweils gesondert betrachtet werden.

Welche Pflichten treffen den Arbeitnehmer bei vorhersehbarer Arbeitsverhinderung?

Ist eine Arbeitsverhinderung vorhersehbar, beispielsweise wegen einer dringenden Behördenangelegenheit oder geplanter medizinischer Behandlung, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber so früh wie möglich zu informieren und die erforderlichen Freistellungsanträge einzureichen. Der Arbeitnehmer muss ferner alles Zumutbare unternehmen, um die Beeinträchtigung des Arbeitsbetriebs zu minimieren, z.B. Termine so zu legen, dass betriebliche Abläufe möglichst wenig gestört werden. Versäumt der Arbeitnehmer dies, kann der Arbeitgeber die Vergütung verweigern und gegebenenfalls andere arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Insbesondere bei planbaren Ereignissen darf der Arbeitnehmer eine Eigenvorsorge und Absprache mit dem Arbeitgeber nicht außer Acht lassen.

Welche Unterschiede bestehen bei Arbeitsverhinderungen aufgrund höherer Gewalt?

Arbeitsverhinderungen aufgrund höherer Gewalt, wie Naturkatastrophen, extreme Wetterlagen, Streiks im öffentlichen Nahverkehr o.ä., stellen Sonderfälle dar. Hier sieht § 616 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Entgeltfortzahlung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ vor, solange den Arbeitnehmer kein Verschulden trifft. Der Begriff der „höheren Gewalt“ erfordert jedoch jeweils eine Einzelfallprüfung, und die konkrete Dauer der zumutbaren Entgeltfortzahlung ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern richtet sich nach der jeweiligen Situation und Rechtsprechung. In Tarifverträgen oder individuellen Arbeitsverträgen können weitergehende oder einschränkende Regelungen enthalten sein, die stets zu beachten sind. Auch hier obliegt es dem Arbeitnehmer, unverzüglich über die Verhinderung zu informieren und alle bestehenden Nachweispflichten zu erfüllen.