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Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung


Begriff und Bedeutung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung oder umgangssprachlich „Krankschreibung“) ist eine ärztliche oder zahnärztliche Bescheinigung, die bestätigt, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aufgrund einer körperlichen oder psychischen Erkrankung vorübergehend nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben. Sie nimmt im deutschen Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsrecht eine zentrale Rolle ein und ist Grundlage für zahlreiche Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers und der Sozialleistungsträger.

Rechtsgrundlagen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Gesetzliche Grundlagen

Die Ausstellung und der Umgang mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind in verschiedenen Vorschriften geregelt, insbesondere:

  • § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG)
  • Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere § 46 und § 109 SGB V
  • Arbeitsvertragliche und betriebliche Regelungen

Darüber hinaus enthalten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen häufig spezifische Vorgaben zum Nachweis und zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit.

Begründung und Zweck

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient einerseits dem Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber, dass die Arbeitsverpflichtung aufgrund einer Erkrankung vorübergehend entfällt. Andererseits ist sie Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie ggf. für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, wie das Krankengeld.

Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Zuständiger Personenkreis

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dürfen ausschließlich von approbierten Ärzten und Zahnärzten ausgestellt werden. In Ausnahmefällen kann auch ein Krankenhausärztlicher Dienst die Bescheinigung ausstellen, sofern die Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer stationären Behandlung festgestellt wird.

Voraussetzungen für die Ausstellung

Die Ausstellung erfolgt nach Prüfung und Feststellung einer Erkrankung, die die Ausübung der beruflichen Tätigkeit einschränkt oder unmöglich macht. Die Beurteilung umfasst medizinische und arbeitsbezogene Aspekte. Das Ausstellungsdatum sowie Beginn und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit müssen eindeutig angegeben werden.

Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Pflichten der Arbeitnehmer

Anzeige- und Nachweispflicht

Nach § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, ist spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage bereits ab dem ersten Fehltag zu verlangen.

Fortlaufende Nachweispflicht

Sollte die Arbeitsunfähigkeit länger andauern als ursprünglich bescheinigt, ist rechtzeitig eine Folgebescheinigung einzureichen, um den lückenlosen Nachweis zu gewährleisten.

Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Bescheinigung entgegenzunehmen, die Arbeitsverhinderung zu dokumentieren und unterliegt datenschutzrechtlichen Vorgaben. Bei verspäteter oder fehlender Vorlage kann der Arbeitgeber das Entgelt zurückhalten, bis der Nachweis erbracht wird.

Pflichten der Krankenkassen

Die Krankenkassen haben im Rahmen der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) die Aufgabe, die von den Arztpraxen digital übermittelten Bescheinigungen an den Arbeitgeber weiterzugeben oder für den Arbeitgeber digital bereit zu stellen.

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Seit dem 1. Januar 2023 ist die papierfreie, digitale Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verpflichtend. Ärztinnen und Ärzte senden die eAU direkt an die zuständige Krankenkasse, welche wiederum dem Arbeitgeber die Information elektronisch zur Verfügung stellt. Ziel ist eine Effizienzsteigerung und Reduktion von Bürokratie. Die Regelung gilt für gesetzlich Versicherte. Für privat Krankenversicherte bleibt das Papierformular weiterhin bestehen.

Inhalt und Form der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält folgende zentrale Angaben:

  • Name und Geburtsdatum des Versicherten
  • Beginn und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit
  • Datum der ärztlichen Feststellung
  • Vermerk, ob eine Erst- oder Folgebescheinigung vorliegt
  • Angaben zum behandelnden Arzt

Diagnosen oder nähere Angaben zur Erkrankung dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht angegeben werden.

Rechtsfolgen und Auswirkungen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Die rechtzeitige und lückenlose Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber gemäß § 3 EFZG. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes entsteht ggf. ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB V.

Kündigungsschutz und Fehlzeiten

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schützt nicht vor einer arbeitgeberseitigen Kündigung, kann aber Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung haben, insbesondere im Hinblick auf die krankheitsbedingte Kündigung oder den besonderen Kündigungsschutz (z. B. Mutterschutz, Schwerbehinderung).

Rechte und Pflichten bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit

Bei begründeten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann die Krankenkasse eine gutachterliche Untersuchung durch den Medizinischen Dienst veranlassen (§ 275 SGB V). Der Arbeitgeber darf eine solche Überprüfung anregen, aber nicht selbst durchführen.

Missbrauch und arbeitsrechtliche Konsequenzen

Im Falle einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit kann dies eine fristlose Kündigung und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers nach sich ziehen. Die Beweislast für die tatsächliche Arbeitsfähigkeit liegt in solchen Fällen beim Arbeitgeber, wobei die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert hat.

Datenschutz und Vertraulichkeit

Die mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verbundenen Gesundheitsdaten unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Arbeitgebern dürfen nur die für die Lohnabrechnung und Fehlzeitenerfassung notwendigen Daten und keine Details zur Diagnose mitgeteilt werden.

Internationale Aspekte

Für Arbeitnehmer, die im Ausland erkranken, bestehen besondere Mitteilungs- und Nachweispflichten. Die Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitgeber und der Krankenkasse unverzüglich anzuzeigen. Zudem ist eine Auslandsbescheinigung nach den geltenden internationalen Abkommen (z. B. EU-Sozialrecht) vorzulegen.

Literatur und weiterführende Regelwerke

  • Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
  • Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
  • Arbeitsrechtliche Kommentierungsliteratur
  • Sozialgerichtliche Rechtsprechung (z.B. BSG, BAG)

Hinweis: Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein zentrales Instrument im deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und dient der Dokumentation und Durchsetzung von Ansprüchen sowie der Einhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen. Eine rechtskonforme Ausstellung, Einreichung und Behandlung ist für alle Beteiligten von erheblicher Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann und wie muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorgelegt werden?

Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG). Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, also das ärztliche Attest, muss spätestens am vierten Kalendertag der Erkrankung vorgelegt werden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage bereits früher zu verlangen. Die Übermittlung erfolgt mittlerweile in vielen Fällen nicht mehr durch den Arbeitnehmer selbst, sondern digital durch die Arztpraxis an die Krankenkasse („eAU“, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung). Der Arbeitnehmer muss seinen Arbeitgeber jedoch weiterhin unverzüglich informieren und die Bescheinigung ggf. nachreichen, falls dies der Arbeitgeber verlangt oder wenn keine automatische Übermittlung gewährleistet ist. Eine verspätete oder fehlende Vorlage kann arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder sogar eine Lohnkürzung bis hin zur Kündigung nach sich ziehen.

Welche Folgen hat eine verspätet oder nicht eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

Die rechtzeitige Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist zentral für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Wird die Bescheinigung nicht oder verspätet eingereicht, kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung für die entsprechenden Tage bis zur Vorlage verweigern (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen die Nachweis- und Mitteilungspflicht eine Abmahnung nach sich ziehen. Wiederholte Verstöße können sogar die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, insbesondere, wenn dem Arbeitgeber dadurch erheblicher Schaden oder Mehraufwand entsteht. Die Vorlage der Bescheinigung muss so erfolgen, dass der Arbeitgeber rechtzeitig informiert wird; hierbei gilt jedoch, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, Details zur Krankheit offenzulegen.

Kann der Arbeitgeber die Gründe der Arbeitsunfähigkeit oder den Diagnoseschlüssel verlangen?

Der Arbeitgeber hat aus datenschutzrechtlichen Gründen kein Recht darauf, nähere Angaben über die Art der Erkrankung, den Diagnoseschlüssel oder die genaue Diagnose zu erfahren. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weist lediglich den Zeitraum und das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit aus, ohne die genaue Krankheitsursache zu nennen. Ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers liegt vor, sollte der Arbeitgeber weitergehende medizinische Angaben einfordern. Nur die Krankenkasse erhält eine detaillierte Ausfertigung mit weiterführenden Informationen, der Arbeitgeber erhält lediglich einen „Durchschlag“ mit den notwendigen Formalien für die Entgeltfortzahlung.

Wie ist die Rechtslage bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit (Fortsetzungserkrankung)?

Tritt innerhalb von sechs Monaten nach einer vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung erneut eine Arbeitsunfähigkeit auf, wird der Zeitraum der erneuten Krankheit auf die vorangegangene und somit auf die maximale Bezugsdauer der Entgeltfortzahlung von 6 Wochen (42 Kalendertagen) angerechnet (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zwischen den Zeiträumen mindestens sechs Monate ununterbrochen arbeitsfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit zwölf Monate vergangen sind. Arzt und Krankenkasse berücksichtigen dies bei der Ausstellung und Abrechnung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Nachfrage Angaben dazu zu machen, sofern der Zusammenhang für die Entgeltfortzahlung relevant ist.

Dürfen Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit reisen oder das Haus verlassen?

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt keine generelle Ausgangssperre dar, sondern belegt nur die durch eine Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit (§ 275 SGB V). Aktivitäten, die der Genesung nicht entgegenstehen oder diese sogar fördern, sind erlaubt, sofern der behandelnde Arzt dem nicht widerspricht. Reisen, Spaziergänge oder Sport können je nach ärztlicher Empfehlung zulässig sein. Allerdings kann der Arbeitgeber im Einzelfall nach einer besonders auffälligen Verhaltensweise eine sogenannte außerordentliche Überprüfung (§ 275 Abs. 1a SGB V) durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung veranlassen. Bei Verdacht auf genesungswidriges Verhalten drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Lohnkürzung, Abmahnung oder Kündigung.

Welche Sonderregelungen gelten bei Arbeitsunfähigkeit im Ausland?

Ist ein Arbeitnehmer während eines Auslandsaufenthaltes arbeitsunfähig, muss er dies dem Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 2 EFZG unverzüglich anzeigen und gleichzeitig die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie die voraussichtliche Dauer der Erkrankung mitteilen. Zusätzlich ist die Krankenkasse unverzüglich zu informieren. Die ärztliche Bescheinigung aus dem Ausland muss bestimmte Angaben enthalten, damit sie von Krankenkassen und Arbeitgeber anerkannt wird. Besonderheiten können sich aus bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder EU-Richtlinien ergeben, insbesondere bezüglich Anerkennung und Vergütung der Auslandsarbeitsunfähigkeit. Verspätungen oder Nichtmitteilungen können zum Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs führen.

Kann der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen?

Der Arbeitgeber hat das Recht, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Arbeitsunfähigkeit die Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu veranlassen (§ 275 Abs. 1a SGB V). Hierfür muss er die zuständige Krankenkasse informieren, die daraufhin den Vorgang prüft und ggf. eine Begutachtung veranlasst. Typische Gründe für eine solche Überprüfung sind zum Beispiel ungewöhnlich oft auftretende oder regelhaft mit Wochenenden ursächliche Krankmeldungen, Arbeitsunfähigkeit nach Kündigung oder bei vermutetem Missbrauch. Das Ergebnis der Prüfung ist für den Arbeitgeber bindend. Der Arbeitnehmer muss an der Überprüfung mitwirken, andernfalls kann dies Konsequenzen für die Entgeltfortzahlung haben.