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Arbeitstherapie


Begriff und rechtlicher Rahmen der Arbeitstherapie

Die Arbeitstherapie stellt eine anerkannte medizinisch-therapeutische Maßnahme dar, die vorrangig im Rahmen der Rehabilitation Anwendung findet. Sie dient der (Wieder-)Eingliederung von Menschen mit physischen oder psychischen Erkrankungen in das Arbeitsleben und wird in unterschiedlichen rechtlichen Kontexten geregelt. Dieser Beitrag beleuchtet die umfangreichen gesetzlichen Bestimmungen, Anwendungsbereiche sowie rechtlichen Schutzmechanismen im Zusammenhang mit der Arbeitstherapie in Deutschland.


Definition und Abgrenzung der Arbeitstherapie

Arbeitstherapie ist gemäß § 2 Abs. 4 SGB IX eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben und zählt zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wiederherzustellen und Betroffenen die Teilhabe an beruflicher Tätigkeit zu ermöglichen. Von arbeitsähnlichen Angeboten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und Maßnahmen des Arbeitstrainings unterscheidet sich die Arbeitstherapie durch ihren expliziten, rehabilitativen und vorbereitenden Charakter.

Medizinisch-therapeutische Ziele

Im Rahmen der Arbeitstherapie wird auf die Entwicklung, Wiedererlangung und Stabilisierung von grundlegenden Arbeitsfähigkeiten und sozialen Kompetenzen abgezielt. Rechtlich wird dies unter anderem über das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung) und Sechstes Buch (SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung) ausgestaltet.


Arbeitstherapie als Leistung zur Rehabilitation und Teilhabe

Soziale und berufliche Rehabilitation

Die Arbeitstherapie ist ein entscheidender Bestandteil der medizinisch-beruflichen Rehabilitation und wird im SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben detailliert geregelt. Sie kann bei Arbeitsunfähigkeit, drohendem Arbeitsplatzverlust oder nach längeren Krankheitsphasen verordnet werden.

Träger der Arbeitstherapie

Die Verantwortung für die Durchführung und Finanzierung der Arbeitstherapie kann je nach Ausgangssituation bei unterschiedlichen Trägern liegen:

  • Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zur medizinischen Rehabilitation
  • Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bei Erwerbsminderung oder zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit
  • Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten
  • Eingliederungshilfe (SGB IX) für Menschen mit Behinderungen

Leistungsumfang und Durchführung

Zur Arbeitstherapie zählen gezielte Trainingsmaßnahmen, praktische Übungen unter Anleitung sowie die Einbindung in Arbeitsprozesse, die nach § 116a SGB V auch als Komplexleistungen mit anderen Therapieformen kombiniert werden können. Die Leistung kann stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen.


Arbeitstherapie in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)

Werkstätten für behinderte Menschen sind zentrale Einrichtungen für die Durchführung von Arbeitstherapie. Rechtlich maßgeblich ist hier das SGB IX, insbesondere die Vorschriften zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 219 ff. SGB IX).

Status der Teilnehmenden

Teilnehmende an Arbeitstherapie in einer WfbM stehen im besonderen Schutz nach dem Sozialgesetzbuch:

  • Sie erhalten kein reguläres Arbeitsentgelt, sondern ein sogenanntes Arbeitsentgelt auf Basis der jeweiligen Rahmenverträge.
  • Sie sind unfall- und rentenversichert, wobei die Beiträge durch die Einrichtung und die Rentenversicherung getragen werden.
  • Die Maßnahme dient ausdrücklich nicht der Gewinnerzielung, sondern ausschließlich der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben und zur Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit.

Rechtsstellung und Mitwirkungsrechte

Bewohnerrechtlich gelten für Arbeitstherapie-Teilnehmende in WfbM durch das Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB) sowie die Mitwirkungsrechte nach dem SGB IX umfassende Schutzvorschriften, zum Beispiel durch Werkstatträte und Frauenbeauftragte.


Verordnung, Zugang und Schutzvorschriften

Indikationsstellung und Durchführung

Die Zuweisung zur Arbeitstherapie erfolgt in der Regel durch den behandelnden Arzt oder auf Empfehlung des Reha-Teams und wird durch eine entsprechende Verordnung nach den Maßgaben der §§ 26, 39 SGB IX durchgeführt.

Datenschutz und Schweigepflicht

Personenbezogene Daten sowie Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit der Arbeitstherapie unterliegen den strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie ergänzend § 35 SGB I und § 67a SGB X. Bei der Dokumentation und Weitergabe medizinischer Information gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Schweigepflicht des therapeutischen Personals (§ 203 StGB).


Besonderheiten im Straf- und Maßregelvollzug

Arbeitstherapeutische Maßnahmen finden auch Anwendung im Maßregelvollzug (§ 64 StGB – Unterbringung in einer Entziehungsanstalt), im Strafvollzug und Jugendstrafvollzug. Ziel ist dort insbesondere die Förderung der Resozialisierung und die Vorbereitung auf ein straffreies Leben.

  • Arbeitstherapie als Teil der Resozialisierung: Die Teilnahme ist verpflichtend und richtet sich nach den Vorgaben der jeweiligen Vollzugsgesetze der Bundesländer.
  • Mitwirkungspflichten und Beschwerderecht: Teilnehmende haben ein Beschwerderecht nach den jeweiligen Vollzugsgesetzen, und es gelten spezifische Arbeitsschutz- und Sicherungsvorschriften.

Arbeitstherapie und Arbeitsschutzrecht

Arbeitszeit, Versicherung, Unfallverhütung

Das Arbeitsschutzrecht findet in der Arbeitstherapie in angepasster Form Anwendung. Arbeitszeitregelungen, Unfallverhütungsvorschriften und Anforderungen an die Arbeitsplatzgestaltung müssen beachtet werden, wobei die individuellen Einschränkungen der Teilnehmenden besondere Berücksichtigung finden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) formuliert hierzu ergänzende Branchenregeln.


Finanzierung und Vergütung

Die Kostenübernahme erfolgt entsprechend dem individuellen Anspruch nach dem jeweiligen Sozialgesetz. Zuzahlungen durch Betroffene sind, sofern gesetzlich vorgesehen, begrenzt oder ausgeschlossen; es besteht unter Umständen ein Anspruch auf Übergangsgeld (§§ 20, 49 SGB IX).


Rechtsschutz und Beschwerdemöglichkeiten

Bei Streitigkeiten über Umfang oder Bewilligung der Arbeitstherapie stehen den betroffenen Personen umfassende Rechtsmittel offen, insbesondere Widerspruchs- und Klageverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG). Überdies kann eine Überprüfung durch den Integrations- oder Werkstattrat erfolgen.


Literatur und Weiterführende Rechtsquellen

  • Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
  • Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung
  • Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung
  • Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) – Gesetzliche Unfallversicherung
  • Strafgesetzbuch (StGB) – Maßregelvollzug
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)

Fazit

Arbeitstherapie ist nach deutschem Recht ein integraler, umfassend regulierter Bestandteil der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Sie ist eingebettet in einen durch zahlreiche gesetzliche Regelungen abgesicherten Rechtsrahmen, der nicht nur die Durchführung und Finanzierung, sondern auch Datenschutz, Versicherungsschutz, Mitwirkungsrechte und Rechtsschutz detailliert regelt. Damit stellt die Arbeitstherapie ein zentrales Instrument zur Förderung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Arbeitstherapie in Deutschland?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Arbeitstherapie in Deutschland sind vielfältig und ergeben sich aus mehreren Gesetzen und Verordnungen. Zentrale Bedeutung hat hierbei das Sozialgesetzbuch (SGB), insbesondere das SGB IX, das die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen regelt. Arbeitstherapie wird hier als Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation verstanden, die dazu dient, die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (wieder) herzustellen oder zu erhalten. Weitere maßgebliche Gesetze sind das SGB V (Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung), das SGB VI (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Deutschen Rentenversicherung) sowie das SGB XII (Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen). Darüber hinaus finden das Bundesteilhabegesetz (BTHG), die Werkstättenverordnung (WVO) und spezifische Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung Anwendung. Die Umsetzung und Ausgestaltung obliegt außerdem entsprechenden Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände sowie den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern.

Wie sind die Rechte und Pflichten der Teilnehmer an arbeitstherapeutischen Maßnahmen geregelt?

Teilnehmer an arbeitstherapeutischen Maßnahmen sind in mehrfacher Hinsicht rechtlich abgesichert. Während der Teilnahme besteht, je nach Maßnahme, ein Anspruch auf eine angemessene Förderung, Betreuung und eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte therapeutische Begleitung gemäß §4 SGB IX. Die Rechte umfassen insbesondere den Datenschutz (Schweigepflicht, Schutz personenbezogener Daten nach DSGVO und BDSG), Mitbestimmungsrechte und Beschwerdemöglichkeiten in Bezug auf die Gestaltung und Durchführung der Arbeitstherapie. Die Pflichten umfassen vor allem die Teilnahmeverpflichtung, sofern die Maßnahme von einem Träger bewilligt und als notwendig anerkannt wurde, sowie die Mitwirkung gemäß §60 SGB I. Kommen Teilnehmer diesen Pflichten nicht nach, kann dies zu Konsequenzen wie dem Verlust von Leistungsansprüchen führen.

Wann besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme für Arbeitstherapie durch Sozialleistungsträger?

Ein Anspruch auf die Kostenübernahme für Arbeitstherapie besteht nur, wenn die Maßnahme medizinisch, psychisch oder sozial notwendig und von einem anerkannten Leistungsträger (z. B. Krankenkasse, Deutsche Rentenversicherung, Unfallkasse, Agentur für Arbeit, Integrationsamt, Sozialamt) bewilligt wurde. Die Voraussetzungen sind in den jeweiligen Sozialgesetzbüchern geregelt und setzen in der Regel eine ärztliche oder psychologische Indikation, die Antragsstellung und die Einwilligung des Versicherten voraus. Das Bundesteilhabegesetz hat die Zuständigkeiten neu geregelt und insbesondere den Nachranggrundsatz gestärkt, wonach zunächst vorrangige Leistungsträger in Anspruch genommen werden müssen. Die Arbeitstherapie muss zudem von einer anerkannten Einrichtung oder Praxis durchgeführt werden, die entsprechende Zulassungen besitzt.

Inwieweit besteht ein arbeitsrechtliches oder sozialversicherungsrechtliches Verhältnis während der Arbeitstherapie?

Arbeitstherapeutische Maßnahmen begründen in der Regel kein reguläres Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Teilnehmer gelten nicht als Arbeitnehmer, sondern als Rehabilitanden oder Maßnahmeteilnehmer. Es besteht daher kein Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des Mindestlohngesetzes, Urlaubsgeld oder andere arbeitsvertragliche Leistungen. Allerdings gelten Schutzrechte, etwa zur Unfallversicherung nach § 2 SGB VII oder zur betrieblichen Mitbestimmung gemäß WVO in Werkstätten für behinderte Menschen. Im Versicherungsrecht bleibt der Anspruch auf Renten-, Pflege- und Krankenversicherung durch die Weiterzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen über den Träger der Maßnahme unberührt, sofern dafür eine gesetzliche Grundlage besteht.

Wie sieht der rechtliche Datenschutz im Kontext der Arbeitstherapie aus?

Im Rahmen der Arbeitstherapie fallen sensible personenbezogene Daten an, insbesondere gesundheitsbezogene Informationen. Diese unterliegen einem besonderen Schutz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen. Leistungserbringer sind verpflichtet, die Vertraulichkeit und Sicherheit der Daten zu gewährleisten und dürfen diese nur mit ausdrücklicher Einwilligung weitergeben oder verarbeiten. Betroffene haben das Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten. Verstöße gegen den Datenschutz können nicht nur zivilrechtliche Ansprüche, sondern auch Sanktionen durch die Datenschutzaufsichtsbehörden nach sich ziehen.

Welche Mitwirkungs- und Beschwerdemöglichkeiten bestehen für Teilnehmer?

Teilnehmer an Arbeitstherapie haben umfangreiche Mitwirkungsrechte gemäß § 9 SGB IX. Dazu zählen insbesondere das Recht auf Teilhabeplanung, auf umfassende Information und Beratung sowie auf Beteiligung an Zielvereinbarungen und Evaluationsgesprächen. Darüber hinaus besteht ein Beschwerderecht bei Problemen mit der Maßnahme, das entweder intern (beim Träger oder in der Einrichtung) oder extern, zum Beispiel bei unabhängigen Beschwerdestellen, bei Integrationsämtern oder beim Sozialleistungsträger geltend gemacht werden kann. Es besteht zudem die Möglichkeit, gegen behördliche Bescheide (zum Beispiel zur Leistungsbewilligung oder Ablehnung) Widerspruch einzulegen oder vor dem Sozialgericht zu klagen.

Welche Regelungen gelten bei Arbeitsunfällen während der Arbeitstherapie?

Teilnehmer an einer anerkannten arbeitstherapeutischen Maßnahme stehen grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Absatz 1 Nr. 15 SGB VII. Dies gilt sowohl für stationäre wie auch für teilstationäre oder ambulante Maßnahmen, sofern diese von einer geeigneten Stelle durchgeführt werden. Der Versicherungsschutz umfasst Unfälle, die sich während der Maßnahme, auf dem direkten Weg dorthin oder zurück ereignen, und regelt entsprechende Ansprüche auf Heilbehandlung, Rehabilitation und gegebenenfalls Rentenleistungen bei bleibender Beeinträchtigung. Für die Meldung und Bearbeitung von Arbeitsunfällen ist die Einrichtung verpflichtet, umgehend die Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse zu informieren.