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Arbeitslosenversicherung

Begriff und Funktion der Arbeitslosenversicherung

Die Arbeitslosenversicherung ist ein öffentlich-rechtliches Sozialversicherungssystem. Sie schützt Erwerbstätige vor den wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit und finanziert Maßnahmen, die eine Rückkehr in Beschäftigung fördern. Sie beruht auf dem Solidarprinzip: Beiträge werden während der Beschäftigung erhoben, Leistungen werden bei Eintritt des versicherten Risikos gewährt.

Zweck und Grundprinzip

Die Versicherung verfolgt zwei Ziele. Zum einen gewährt sie zeitlich befristete Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Arbeitslosigkeit oder bei vorübergehendem Arbeitsausfall. Zum anderen fördert sie durch Vermittlung, Beratung und Qualifizierung die Aufnahme einer Beschäftigung. Die Absicherung erfolgt beitragsfinanziert, die Leistungsgewährung ist an gesetzlich bestimmte Voraussetzungen gebunden.

Träger und Organisation

Träger der Arbeitslosenversicherung ist die Bundesagentur für Arbeit mit ihren regionalen Agenturen und Jobcentern in gemeinsamer Einrichtung. Die Organisation unterliegt der staatlichen Aufsicht und handelt durch Verwaltungsakte im Rahmen des Sozialverwaltungsverfahrens. Die Selbstverwaltung wirkt bei Grundsatzentscheidungen und der Mittelverwendung mit.

Versicherungspflicht und -freiheit

Wer ist versicherungspflichtig?

Versicherungspflichtig sind grundsätzlich Personen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und Arbeitsentgelt beziehen. Dazu zählen regelmäßig Voll- und Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende sowie Personen in bestimmten Formen befristeter oder saisonaler Beschäftigung. Maßgeblich ist das Vorliegen einer Beschäftigung gegen Entgelt mit Weisungsgebundenheit.

Ausnahmen und Versicherungsfreiheit

Von der Versicherungspflicht ausgenommen sind insbesondere Personengruppen, deren Absicherung anderweitig erfolgt oder die nicht als abhängig beschäftigt gelten. Hierzu gehören typischerweise Beamte, Richter und Soldaten sowie überwiegend selbstständig Tätige. Geringfügig Beschäftigte können versicherungsfrei sein, sofern gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Bestimmte Praktika, Freiwilligendienste und familienhafte Mitarbeit können gesondert zu beurteilen sein.

Freiwillige Versicherungsmöglichkeiten

Für Personen ohne Versicherungspflicht kann unter bestimmten Voraussetzungen eine freiwillige Weiterversicherung bestehen, etwa bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach vorheriger Versicherungspflicht. Zugang, Fristen und Beitragshöhe sind gesetzlich geregelt; die freiwillige Versicherung setzt regelmäßig einen lückenlosen Übergang und eine rechtzeitige Antragstellung voraus.

Finanzierung und Beiträge

Beitragssatz und Bemessung

Die Finanzierung erfolgt durch einen gesetzlich festgelegten Beitragssatz, der auf das Bruttoarbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze angewendet wird. Entgeltbestandteile oberhalb dieser Grenze bleiben beitragsfrei. Der Beitragssatz kann durch Gesetz oder Verordnung angepasst werden.

Beitragszahler und Abführung

Arbeitgeber und Beschäftigte tragen die Beiträge grundsätzlich je zur Hälfte. Der Arbeitgeber behält den Arbeitnehmeranteil vom Entgelt ein und führt die Gesamtbeiträge an die Einzugsstellen der Sozialversicherung ab. Bei freiwillig Versicherten erfolgt die Zahlung unmittelbar an den Träger.

Insolvenzgeldumlage

Zur Finanzierung des Insolvenzgeldes entrichten Arbeitgeber eine gesonderte Umlage. Diese Umlage ist unabhängig von den individuellen Beiträgen der Beschäftigten und wird allein vom Arbeitgeber getragen.

Leistungsarten

Geldleistungen

Arbeitslosengeld

Das Arbeitslosengeld ist eine zeitlich befristete Entgeltersatzleistung. Es bemisst sich nach dem versicherten Entgelt der Vergangenheit und wird in gesetzlich festgelegter Höhe gezahlt. Voraussetzung ist unter anderem, dass Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und eine Mindestversicherungszeit vorliegen.

Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld gleicht vorübergehende, unvermeidbare Entgeltausfälle aus, wenn der Betrieb den Arbeitsausfall anzeigt und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Es dient dem Erhalt von Arbeitsplätzen und ist auf Zeiten erheblichen Arbeitsausfalls begrenzt.

Insolvenzgeld

Das Insolvenzgeld sichert rückständiges Nettoarbeitsentgelt für einen gesetzlich bestimmten Zeitraum vor dem Insolvenzereignis. Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig wird.

Förderleistungen

Vermittlung und Beratung

Die Bundesagentur für Arbeit erbringt Leistungen der Arbeitsvermittlung, erstellt berufliche Profile, unterbreitet Vermittlungsvorschläge und unterstützt bei der Stellensuche. Diese Leistungen sind Teil der aktiven Arbeitsförderung.

Weiterbildung und Qualifizierung

Zur Erhöhung der Integrationschancen können Förderung der beruflichen Weiterbildung, Teilqualifikationen und Umschulungen gewährt werden. Die Auswahl richtet sich nach Eignung, Notwendigkeit und arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit.

Eingliederungsleistungen und Zuschüsse

Möglich sind Zuschüsse an Arbeitgeber zur Eingliederung, Maßnahmen bei Arbeitgebern, Aktivierungsmaßnahmen sowie Leistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Umfang und Dauer richten sich nach gesetzlichen Kriterien und verfügbarer Mittel.

Anspruchsvoraussetzungen und Dauer

Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit

Arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine Beschäftigung sucht und den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung steht. Erforderlich ist die persönliche Meldung sowie die Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen.

Anwartschaftszeit und Rahmenfrist

Für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist eine Mindestzeit versicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb einer gesetzlich festgelegten Rahmenfrist nachzuweisen. Zeiten bestimmter Schutzstatbestände können berücksichtigt werden. Unterbrochene Beschäftigungen werden zusammengezählt, sofern sie innerhalb der Rahmenfrist liegen.

Leistungsdauer und -höhe

Die Dauer des Anspruchs richtet sich nach der zurückgelegten Versicherungszeit und, in bestimmten Grenzen, nach dem Alter. Die Höhe orientiert sich am pauschalierten Nettoeinkommen der maßgeblichen Bemessungszeit, wobei für Personen mit Kindern ein erhöhter Leistungssatz vorgesehen sein kann. Obergrenzen und Rundungsregeln sind festgelegt.

Ruhen, Sperrzeiten und Anrechnung

Sperrzeitgründe

Eine Sperrzeit tritt ein, wenn die versicherte Person bestimmte Obliegenheiten verletzt, etwa durch eigenveranlasste Lösung des Arbeitsverhältnisses ohne wichtigen Grund oder durch Ablehnung zumutbarer Beschäftigungen. Während einer Sperrzeit ruht der Anspruch; der Gesamtanspruch kann sich verkürzen.

Ruhenstatbestände

Der Anspruch ruht, wenn andere Leistungen vorrangig sind oder eine Entlassungsentschädigung gezahlt wurde, die den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abdeckt. Auch während bestimmter Entgeltfortzahlungs- oder Krankengeldzeiten kann der Anspruch ruhen.

Anrechnung von Einkommen und Zeiten

Erzieltes Einkommen aus Nebenbeschäftigungen kann die Leistung mindern. Zeiten einer Beschäftigungsaufnahme werden berücksichtigt und können den Anspruch unterbrechen oder beenden. Bestimmte Hinzuverdienstgrenzen und Freistellungen sind geregelt.

Pflichten und Mitwirkung

Meldepflichten

Es bestehen gesetzliche Melde- und Mitwirkungspflichten. Hierzu zählen insbesondere die rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung bei absehbarem Beschäftigungsende, die Arbeitslosmeldung sowie die Teilnahme an Terminen und Maßnahmen.

Zumutbarkeit und Eigenbemühungen

Versicherte müssen zumutbare Beschäftigungen annehmen. Zumutbarkeit richtet sich unter anderem nach Qualifikation, gesundheitlicher Eignung, Entgelt, Arbeitsweg und familiären Umständen. Nachweise über Eigenbemühungen zur Stellensuche können verlangt werden.

Sanktionen bei Pflichtverletzungen

Verstöße gegen Mitwirkungspflichten können zu Minderung, Ruhen oder Widerruf von Leistungen führen. Auch Erstattungsansprüche und Ordnungswidrigkeiten kommen in Betracht, wenn Leistungen rechtsgrundlos erlangt wurden.

Verfahren und Rechtsschutz

Antrag und Bescheid

Leistungen werden auf Antrag gewährt. Die Entscheidung erfolgt durch Bescheid. Der Bescheid enthält die tragenden Gründe, die bewilligte Dauer, die Höhe sowie Hinweise zu Pflichten und Rechtsbehelfen.

Widerspruch und Klageweg

Gegen belastende oder ablehnende Bescheide steht der Rechtsbehelf des Widerspruchs offen. Nach erfolglosem Vorverfahren ist der Klageweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Fristen und Formerfordernisse sind zu beachten.

Datenschutz und Auskunftsrechte

Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt zweckgebunden. Betroffene haben Anspruch auf Auskunft und Berichtigung. Datenübermittlungen an Dritte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage oder Einwilligung.

Internationale Koordinierung

EU-Koordinierung

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union und des EWR koordinieren unionsrechtliche Regelungen die Systeme der Arbeitslosenversicherung. Zeiten der Versicherung und Beschäftigung können zusammengerechnet werden; die Zuständigkeit richtet sich nach besonderen Anknüpfungspunkten.

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Für Grenzgänger, Entsandte und Personen mit Auslandsbeschäftigungen gelten besondere Bestimmungen. Unter Voraussetzungen ist ein vorübergehender Export des Arbeitslosengeldes zur Arbeitssuche im Ausland möglich.

Besondere Konstellationen

Selbstständigkeit und Unternehmensgründung

Selbstständig Tätige sind grundsätzlich nicht versicherungspflichtig. Unter bestimmten Bedingungen ist eine freiwillige Weiterversicherung möglich. Für den Übergang in Selbstständigkeit kann eine Förderung in Betracht kommen, sofern arbeitsmarktliche Voraussetzungen erfüllt sind.

Elternzeit, Pflegezeiten und Krankheit

Zeiten der Elternzeit, Pflege oder Krankheit können den Versicherungsverlauf berühren. Je nach Konstellation können Schutz- oder Anrechnungszeiten vorliegen, die für die Anwartschaftszeit bedeutsam sind. Gleiches gilt für Entgeltfortzahlung und Krankengeld, die den Leistungsbeginn beeinflussen können.

Altersteilzeit und Transfergesellschaften

In besonderen Beschäftigungsformen wie Altersteilzeit oder bei Wechsel in eine Transfergesellschaft bestehen eigenständige Regelungen zur Absicherung und Förderung. Hierzu zählen etwa Anpassungen bei der Bemessung und besondere Zugangswege zu Qualifizierungsmaßnahmen.

Abgrenzung zu anderen Sicherungssystemen

Bürgergeld

Das Bürgergeld dient der Grundsicherung für Arbeitssuchende, wenn eigenes Einkommen, Vermögen und vorrangige Leistungen, insbesondere das Arbeitslosengeld, den Lebensunterhalt nicht decken. Es ist bedarfsorientiert und keine Versicherungsleistung.

Krankengeld und Rentenversicherung während des Bezugs

Während des Bezugs von Arbeitslosengeld besteht Versicherungsschutz in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nach besonderen Regeln. Bei Krankheit geht die Leistung unter Umständen in Krankengeld über. Beiträge zur Rentenversicherung während des Bezugs können rentenrechtliche Zeiten begründen.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung?

Versicherungspflicht besteht in der Regel bei abhängiger Beschäftigung gegen Entgelt. Maßgeblich ist eine Tätigkeit unter Weisungsgebundenheit und Eingliederung in eine Arbeitsorganisation. Bestimmte Personengruppen, etwa Beamte oder überwiegend Selbstständige, sind versicherungsfrei.

Wie wird Arbeitslosigkeit rechtlich definiert?

Arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht, den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung steht und die erforderlichen Meldungen bei der zuständigen Stelle vorgenommen hat.

Welche Voraussetzungen müssen für Arbeitslosengeld vorliegen?

Erforderlich sind die Feststellung von Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit, die Erfüllung einer Mindestversicherungszeit innerhalb einer Rahmenfrist sowie die rechtzeitigen Meldungen. Ausschluss- oder Ruhensgründe können den Anspruch beeinflussen.

Wie lange wird Arbeitslosengeld gezahlt?

Die Anspruchsdauer richtet sich nach der in der Vergangenheit zurückgelegten Versicherungszeit und kann sich für ältere Personen verlängern. Sperrzeiten und Ruhenstatbestände können die Dauer mindern oder unterbrechen.

Was führt zu einer Sperrzeit?

Eine Sperrzeit tritt ein, wenn Pflichtverletzungen vorliegen, etwa eigenveranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne wichtigen Grund, Ablehnung zumutbarer Arbeit oder Meldeversäumnisse. Während der Sperrzeit ruht die Leistung und der Gesamtanspruch kann sich verkürzen.

Wie wird die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt?

Die Höhe orientiert sich am pauschalierten Nettoeinkommen aus dem maßgeblichen Bemessungszeitraum. Es gelten feste Leistungssätze, die sich je nach Kindermerkmal unterscheiden können. Obergrenzen und Rundungsregeln sind gesetzlich festgelegt.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen während des Leistungsbezugs?

Erforderlich sind insbesondere die fristgerechten Meldungen, Nachweise eigener Bemühungen, die Wahrnehmung von Terminen sowie die Mitteilung relevanter Änderungen. Verstöße können zu Minderung, Ruhen oder Aufhebung der Leistung führen.

Was gilt bei Beschäftigungszeiten im Ausland?

Innerhalb der EU und des EWR werden Versicherungs- und Beschäftigungszeiten nach Koordinierungsregeln zusammengezählt. Zuständigkeit, Leistungsumfang und ein möglicher Export des Arbeitslosengeldes richten sich nach unionsrechtlichen Anknüpfungen und nationalen Bestimmungen.