Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Arbeitsrecht»Arbeitslosengeld II

Arbeitslosengeld II


Definition und Grundlagen von Arbeitslosengeld II

Das Arbeitslosengeld II (ALG II), umgangssprachlich oft als „Hartz IV“ bezeichnet, ist eine staatliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Deutschland. Das Ziel dieser Grundsicherungsleistung ist es, hilfebedürftigen Personen und deren Bedarfsgemeinschaften die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu geben und sie bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Gesetzliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)

Die rechtliche Grundlage für das Arbeitslosengeld II bildet das SGB II, dessen Aufgabe es ist, die Grundsicherung für Arbeitssuchende zu regeln. Die wichtigsten Vorschriften finden sich in den §§ 1-77 SGB II. Das Gesetz regelt neben der Leistungsgewährung auch die Voraussetzungen, die Anspruchsdauer sowie relevante Mitwirkungspflichten und Sanktionen.

Ziele des SGB II

  • Sicherstellung des existenznotwendigen Lebensunterhalts
  • Förderung der Erwerbsfähigkeit und Integration in Arbeit
  • Vermeidung und Beendigung von Hilfebedürftigkeit
  • Soziale Teilhabe sowie Förderung der Kinder in den Bedarfsgemeinschaften

Anspruchsvoraussetzungen

Erwerbsfähigkeit

Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind gemäß § 7 SGB II Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht haben sowie mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig sind. Erwerbsfähigkeit definiert sich danach, dass eine Person unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann.

Hilfebedürftigkeit

Hilfebedürftig nach § 9 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt und den seiner Bedarfsgemeinschaft nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann. Dabei werden u. a. Einkommen, Vermögen sowie Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten einbezogen.

Gewöhnlicher Aufenthalt

Ein Anspruch auf ALG II besteht nur bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Bedarfsgemeinschaft

Das SGB II definiert in § 7 Abs. 3 die sogenannte Bedarfsgemeinschaft. Diese umfasst meist den Antragsteller, dessen Partner sowie im Haushalt lebende minderjährige Kinder, sofern diese nicht über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen.

Höhe und Berechnung des Arbeitslosengeldes II

Regelbedarf

Der Kern der Leistungen bildet der Regelbedarf, der jährlich angepasst wird (§ 20 SGB II). Die Höhe richtet sich nach dem Alter und dem Familienstand der leistungsberechtigten Person.

Mehrbedarfe und Sonderbedarfe

Zusätzlich zum Regelbedarf können Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) beantragt werden, etwa bei Schwangerschaft, Alleinerziehung, kostenaufwändiger Ernährung oder Behinderung. Für temporäre besondere Lebenslagen kann nach § 24 SGB II ein unabweisbarer Sonderbedarf geltend gemacht werden.

Unterkunft und Heizung

Die tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 SGB II zusätzlich zum Regelbedarf übernommen, soweit sie im Rahmen der Angemessenheit liegen. Die Beurteilung der Angemessenheit orientiert sich an regionalen Mietspiegeln und Rechtsprechung.

Einkommens- und Vermögensanrechnung

Einkommen und Vermögen werden nach §§ 11 ff. und §§ 12 ff. SGB II angerechnet. Dazu zählen Lohn, Unterhalt, Renten und bestimmte Sozialleistungen, wobei Freibeträge und gesetzlich definierte Ausnahmen berücksichtigt werden. Beispielsweise bleibt das sogenannte Schonvermögen unangetastet (§ 12 SGB II).

Leistungsdauer und Zuständigkeit

Bezugsdauer

Arbeitslosengeld II wird grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gewährt, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Nach Wegfall der Hilfebedürftigkeit endet der Leistungsbezug.

Träger der Leistungen

Zuständig für die Bearbeitung und Bewilligung des ALG II sind die Jobcenter, eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen.

Pflichten und Mitwirkung

Eigenbemühungen und Eingliederungsvereinbarung

Leistungsberechtigte sind verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit zu ergreifen (§ 2 SGB II). In einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB II) werden konkrete Maßnahmen und Ziele zur Integration festgelegt.

Mitwirkungspflichten

Gemäß §§ 60 ff. SGB I und § 56 SGB II sind Antragsteller und Leistungsempfänger verpflichtet, relevante Änderungen unverzüglich mitzuteilen und an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

Sanktionen

Bei Pflichtverletzungen, insbesondere der Weigerung zumutbarer Arbeit nachzugehen oder bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflichten, sieht das SGB II abgestufte Leistungsminderungen (Sanktionen) vor (§ 31 ff. SGB II).

Besonderheiten und Ausnahmen

Leistungen für besondere Personengruppen

Für bestimmte Personengruppen, wie Jugendliche im Übergang Schule-Beruf oder langzeitarbeitslose Leistungsbezieher, gelten ergänzende Regelungen hinsichtlich Fördermaßnahmen und Unterstützungsangeboten.

Wechselwirkungen mit anderen Sozialleistungen

Das Arbeitslosengeld II koordiniert sich mit anderen Sozialleistungen wie dem Kinderzuschlag, Wohngeld oder der Grundsicherung im Alter. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme ist ausgeschlossen, sofern dadurch eine Doppelleistung entstehen würde.

Verfahren und Rechtsweg

Antragstellung und Bewilligung

ALG II muss persönlich oder schriftlich beim zuständigen Jobcenter beantragt werden. Die Leistungsgewährung erfolgt grundsätzlich auf Antrag und gilt rückwirkend nur bis zum Monat der Antragstellung.

Widerspruchsverfahren

Gegen Bescheide des Jobcenters kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Im Falle der Ablehnung oder bei Meinungsverschiedenheiten erfolgt ein Sozialverwaltungsverfahren mit gegebenenfalls anschließender Klage vor dem Sozialgericht.

Reformen und aktuelle Entwicklung

Abschaffung/Umwandlung in Bürgergeld

Zum 1. Januar 2023 wurde das Arbeitslosengeld II durch das Bürgergeld abgelöst. Die bisherige Leistung ALG II bleibt aus historischen und rechtlichen Gründen jedoch weiterhin von großer Bedeutung für laufende Verfahren, rückwirkende Ansprüche oder Spezialnormen.

Rechtsprechung und Entwicklungen

Das Sozialgericht, das Landessozialgericht und das Bundessozialgericht haben in zahlreichen Grundsatzentscheidungen Maßstäbe zu Auslegung und Umsetzung des SGB II gesetzt, insbesondere in den Bereichen Bedarfsbestimmung, Angemessenheit der Unterkunftskosten und Sanktionierungen.

Literatur und Weblinks

Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich auf die Rechtslage bis zur Einführung des Bürgergeldes und zur historischen Einordnung von Arbeitslosengeld II im deutschen Sozialrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wie wirkt sich Einkommen auf den Arbeitslosengeld II-Anspruch aus?

Einkommen ist jede Einnahme in Geld oder Geldeswert, die dem Antragstellenden während des Bezugs von Arbeitslosengeld II zufließt. Das Einkommen wird auf den Arbeitslosengeld II-Anspruch angerechnet, soweit es bestimmte Freibeträge übersteigt. Maßgeblich hierfür sind insbesondere die §§ 11 ff. SGB II. Zu den anrechenbaren Einkünften zählen zum Beispiel Lohn aus unselbständiger Arbeit, Renten, Unterhaltszahlungen oder auch bestimmte einmalige Einnahmen wie Weihnachtsgeld. Bestimmte Einkommensarten sind teilweise oder komplett privilegiert, wie beispielsweise das Kindergeld für unter 25-jährige Kinder, welches nur auf deren Bedarf angerechnet wird. Die für Erwerbseinkommen vorgesehenen Freibeträge (Grundfreibetrag und prozentuale Freibeträge nach § 11b SGB II) können aus eigenen oder abhängigen Beschäftigungsverhältnissen geltend gemacht werden. Weitere notwendige Abzüge sind unter anderem Steuern und Sozialabgaben sowie gesetzlich anerkannte Versicherungsbeiträge. Nach Berücksichtigung der Freibeträge und gesetzlichen Abzüge erfolgt die Verrechnung mit dem individuell festgestellten Arbeitslosengeld II-Bedarf. Eine ausführliche Prüfung kann nur unter Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse erfolgen.

Unter welchen Umständen besteht ein Anspruch auf Mehrbedarf?

Ein Mehrbedarf beim Arbeitslosengeld II kann gemäß § 21 SGB II unter bestimmten Voraussetzungen beansprucht werden, wenn über den Regelbedarf hinausgehende unabweisbare, laufende besondere Bedarfe bestehen. Zu den gesetzlich anerkannten Mehrbedarfsgründen zählen u.a. Schwangerschaft ab der 13. Schwangerschaftswoche, Alleinerziehung von Kindern, Vorliegen einer Behinderung mit spezifischem Leistungsanspruch nach § 33 SGB IX, notwendige kostenaufwendige Ernährung bei bestimmten Krankheiten sowie das Heizen mit nicht leitungsgebundenen Brennstoffen. Der Anspruch ist jeweils detailliert nachzuweisen. Höhe, Dauer und Voraussetzungen der jeweiligen Mehrbedarfe richten sich nach gesetzlichen Vorgaben und werden entsprechend dem tatsächlichen Bedarf und der individuellen Situation berechnet. Nicht abschließend geregelt ist der sogenannte „atypische Mehrbedarf“, der in seltenen Härtefällen nach richterlicher oder behördlicher Entscheidung zusätzlich berücksichtigt werden kann.

Wie ist das Schonvermögen definiert und worauf ist zu achten?

Das Schonvermögen bezeichnet im Rahmen des Arbeitslosengeld II jene Vermögenswerte, die nach § 12 SGB II nicht aufgebraucht werden müssen, bevor ein Leistungsanspruch besteht. Dazu zählen insbesondere ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede erwerbsfähige Person in der Bedarfsgemeinschaft, ein angemessener Hausrat, angemessener selbstbewohnter Wohnraum und bestimmte Altersvorsorgeverträge, wie sie der Altersvorsorge dienen und ausdrücklich nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geschützt sind. Darüber hinaus gibt es einen Freibetrag pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, dessen Höhe sich nach dem Lebensalter richtet. Auch kleinere Barbeträge und geldwerte Ansprüche (z.B. Schmuck, Wertpapiere bis zu einer bestimmten Grenze) werden bis zu einer gesetzlich bestimmten Höhe als Schonvermögen angesehen. Bei Überschreiten dieser Grenzen muss überschüssiges Vermögen grundsätzlich verwertet werden, bevor ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II entsteht.

Wie sind Sanktionen im Zusammenhang mit Arbeitslosengeld II rechtlich geregelt?

Sanktionen sind nach den §§ 31 bis 31b SGB II vorgesehen und greifen, wenn Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund ihren Pflichten nicht nachkommen, beispielsweise zumutbare Arbeit ablehnen, Eingliederungsmaßnahmen nicht wahrnehmen oder ihre Meldepflicht versäumen. Die Höhe der Sanktionen richtet sich nach der Art und Häufigkeit der Pflichtverletzung und kann zu Kürzungen des Regelsatzes bis hin zum vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs führen. Besonders beachtenswert ist, dass die Sanktionen seit mehreren Gesetzesänderungen und höchstrichterlichen Entscheidungen eingeschränkt wurden, insbesondere hinsichtlich der Absicherung des Existenzminimums. Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren sind gesondert geregelt. Das Sanktionsverfahren beinhaltet formelle Anforderungen inkl. Anhörung nach § 24 SGB X und ist in jedem Fall einer strengen gerichtlichen Kontrolle unterworfen.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für Beziehende von Arbeitslosengeld II?

Empfänger von Arbeitslosengeld II sind nach den §§ 60 bis 65 SGB I verpflichtet, bei der Antragsstellung sowie im laufenden Leistungsbezug umfassend mitzuwirken. Dazu gehört insbesondere die wahrheitsgemäße und vollständige Angabe aller relevanten Tatsachen (z.B. Einkommen, Vermögen, Haushaltsmitglieder), das rechtzeitige Einreichen von Nachweisen (z.B. Mietverträge, Kontoauszüge, Lohnabrechnungen) und die Mitteilung aller Veränderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Wird eine Mitwirkungspflicht verletzt, kann dies gemäß § 66 SGB I zur Versagung oder Entziehung der Leistungen führen. Die Mitwirkungspflichten sind Teil der sogenannten Obliegenheiten, zu denen auch regelmäßige Termine bei der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter zählen.

Welche Bedeutung hat die Bedarfsgemeinschaft beim Arbeitslosengeld II?

Die Bedarfsgemeinschaft ist ein zentrales Element im System des Arbeitslosengeldes II und ist in § 7 Abs. 3 SGB II geregelt. In einer Bedarfsgemeinschaft werden die Mitglieder gemeinsam betrachtet, so dass Einkommen und Vermögen jeder Person grundsätzlich auf den Gesamtbedarf angerechnet werden. Zur Bedarfsgemeinschaft zählen in der Regel der Antragsteller, dessen im Haushalt lebende Partner oder Partnerin, unverheiratete Kinder (soweit sie unter 25 Jahre alt sind und ihren eigenen Lebensunterhalt nicht sichern können) und unter bestimmten Umständen weitere im Haushalt lebende Personen. Nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählen z.B. volljährige Kinder, die wirtschaftlich unabhängig sind. Die rechtliche Einordnung beeinflusst die Anspruchshöhe und die Berücksichtigung von Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Wie werden Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen von Arbeitslosengeld II übernommen?

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit richtet sich nach lokalen Richtlinien, die sich an den regionalen Mietspiegeln und Heizkosten orientieren. Zu den Kosten zählen grundsätzlich Kaltmiete, Betriebskosten und Heizkosten (keine Nachzahlungen aus vorangegangenen Zeiträumen, wenn diese nicht bereits im Leistungsbezug entstanden sind). Einmalige Nebenkostennachzahlungen können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls übernommen werden. Wird eine Unterkunft als nicht angemessen beurteilt, kann das Jobcenter verlangen, die Kosten innerhalb einer bestimmten Frist durch Wohnungswechsel, Untervermietung oder andere geeignete Maßnahmen auf ein angemessenes Maß zu senken. Bis zum Ablauf einer Übergangsfrist werden die tatsächlichen Kosten übernommen. Besondere Regelungen existieren für besondere Lebenssituationen wie Aufenthalt in Einrichtungen oder temporärer Mehrbedarf.