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Arbeitslosengeld II

Begriff und Einordnung

Arbeitslosengeld II bezeichnete eine staatliche Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Menschen mit geringem oder fehlendem Einkommen. Ziel war die Sicherung des Lebensunterhalts und die Unterstützung bei der Integration in Arbeit. Die Leistung stand im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende und wurde regelmäßig durch ergänzende Förder- und Beratungsangebote begleitet. Seit 2023 wurde das System inhaltlich weiterentwickelt und unter der Bezeichnung Bürgergeld fortgeführt. Der Begriff Arbeitslosengeld II wird deshalb häufig historisch oder zur Abgrenzung verwendet.

Abgrenzung zu anderen Leistungen

Arbeitslosengeld I

Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung. Anspruch besteht bei ausreichenden Beitragszeiten und Arbeitslosigkeit. Arbeitslosengeld II war demgegenüber eine steuerfinanzierte Sozialleistung, die sich am individuellen Bedarf orientierte und nicht an vorherigen Beitragszeiten.

Sozialhilfe

Sozialhilfe richtet sich grundsätzlich an dauerhaft nicht erwerbsfähige Personen und deckt den notwendigen Lebensunterhalt ab. Arbeitslosengeld II war demgegenüber auf erwerbsfähige Personen und deren Bedarfsgemeinschaft ausgerichtet.

Bürgergeld

Das Bürgergeld führt die Grundsicherung für erwerbsfähige Menschen fort und hat Arbeitslosengeld II abgelöst. Aufbau und Zielrichtung sind verwandt, einzelne Verfahren und Regelungen wurden modernisiert. In der Praxis begegnen weiterhin beide Begriffe, insbesondere bei historischen Darstellungen und in älteren Bescheiden.

Anspruchsvoraussetzungen

Erwerbsfähigkeit

Vorausgesetzt war die Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine mindestens geringe Wochenstundenzahl arbeiten zu können. Dies schloss gesundheitliche, rechtliche und tatsächliche Aspekte ein.

Hilfebedürftigkeit

Hilfebedürftig war, wer den notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen und nicht durch vorrangige Leistungen sichern konnte. Bei der Prüfung wurden die Verhältnisse der gesamten Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt.

Alter und Aufenthalt

Anspruch bestand in der Regel ab dem vollendeten 15. Lebensjahr bis zur maßgeblichen Altersgrenze für Altersrenten. Erforderlich war ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. Bestimmte aufenthalts- und unionsrechtliche Besonderheiten führten zu abweichenden Regelungen.

Bedarf und Bedarfsberechnung

Regelbedarf

Der Regelbedarf erfasste laufende, pauschalierte Bedarfe des täglichen Lebens, etwa Nahrung, Kleidung, Strom für Haushaltsgeräte (ohne Heizung), Körperpflege, Mobilität und Kommunikation. Die Höhe wurde bundeseinheitlich festgesetzt und regelmäßig angepasst.

Mehrbedarfe

Mehrbedarfe ergänzten den Regelbedarf bei besonderen Lebenslagen, beispielsweise bei Schwangerschaft, Alleinerziehung oder bestimmten gesundheitlich bedingten Aufwendungen. Sie wurden zusätzlich berücksichtigt, wenn die jeweiligen Voraussetzungen vorlagen.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden in angemessener Höhe anerkannt. Maßstab war die Angemessenheit im örtlichen Vergleich, bezogen auf Wohnungsgröße, Miete und Heizkosten. Bei Überschreitung der Angemessenheitsgrenzen kamen Übergangsfristen und Kostensenkungsprüfungen in Betracht.

Einmalige Leistungen und Bildungspaket

Neben laufenden Leistungen waren unter bestimmten Voraussetzungen einmalige Bedarfe möglich, etwa für eine Erstausstattung. Für Kinder und Jugendliche sah das Bildungspaket zusätzliche Unterstützungen vor, beispielsweise für Mittagessen, Lernförderung oder Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.

Einkommen und Vermögen

Einkommensberücksichtigung

Auf den Bedarf wurde grundsätzlich anrechenbares Einkommen angerechnet, darunter Erwerbseinkommen, bestimmte Sozialleistungen, Unterhaltsleistungen oder Kapitaleinkünfte. Für Erwerbseinkommen galten abgestufte Freibeträge, damit Beschäftigung wirtschaftlich vorteilhaft blieb. Nicht jede Einnahme war anrechenbar; es bestanden Ausnahmen und Pauschalen.

Vermögensberücksichtigung

Vermögen war einzusetzen, soweit es nicht geschützt war. Als Schonvermögen galten insbesondere angemessene Altersvorsorge, ein angemessenes Kraftfahrzeug, notwendige Haushaltsgegenstände und ein gewisses Grundfreibetragsniveau. Für selbstgenutztes Wohneigentum galten Angemessenheitsgrenzen.

Bedarfsgemeinschaft

Leistungen wurden für die Bedarfsgemeinschaft berechnet. Dazu zählten in der Regel die erwerbsfähige Person, deren Partnerin oder Partner sowie im Haushalt lebende minderjährige Kinder. Einkommen und Vermögen der Mitglieder wurden gemeinschaftlich berücksichtigt; dies beeinflusste sowohl den Bedarf als auch die Hilfebedürftigkeit.

Mitwirkungspflichten und Sanktionen

Mitwirkung

Leistungsberechtigte mussten erforderliche Angaben machen, Veränderungen mitteilen und an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken. Dazu gehörten etwa die Wahrnehmung von Terminen, das Vorlegen von Nachweisen und die Kooperation bei Förderangeboten.

Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen

Bei Pflichtverletzungen waren leistungsrechtliche Kürzungen möglich. Unterschiedlich behandelt wurden Meldeversäumnisse und Verstöße gegen vereinbarte Pflichten. Kürzungen waren gesetzlich begrenzt; für besonders schutzbedürftige Personen und für Bedarfe der Unterkunft galten Schutzmechanismen. Die Ausgestaltung änderte sich im Zeitverlauf und wurde später im Bürgergeld-System weiterentwickelt.

Bewilligung, Dauer und Verfahren

Antragserfordernis

Leistungen wurden grundsätzlich nur auf Antrag gewährt. Abzustellen war regelmäßig auf den Zeitpunkt des Antragseingangs; Leistungen wurden in der Regel nicht für weit zurückliegende Zeiträume bewilligt.

Bewilligungszeitraum

Die Bewilligung erfolgte für einen bestimmten Zeitraum. Nach Ablauf war eine erneute Prüfung erforderlich. Bei unklarer Einkommenslage, etwa bei Selbstständigen, konnten vorläufige Entscheidungen getroffen und später angepasst werden.

Zahlung und Nachweise

Die Auszahlung erfolgte monatlich. Leistungsberechtigte waren verpflichtet, Änderungen in den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen mitzuteilen, damit die Leistungsbewilligung fortlaufend korrekt blieb.

Rückforderung, Erstattung und Aufrechnung

Zu viel gezahlte Leistungen konnten zurückgefordert werden, beispielweise bei nachträglich bekannt gewordenen Einnahmen oder fehlender Mitteilungspflichten. Rückforderungen konnten mit laufenden Leistungen aufgerechnet werden, wobei gesetzliche Begrenzungen bestanden. Bei schuldhaftem Fehlverhalten waren gesonderte Ersatzansprüche möglich.

Besondere Konstellationen

Aufstockende Leistungen

Beschäftigte mit niedrigem Einkommen konnten ergänzend Arbeitslosengeld II erhalten, wenn der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht gedeckt war.

Selbstständige

Bei Selbstständigen erfolgte die Leistungsberechnung häufig vorläufig, da Einkommen schwanken kann. Nach Vorlage abschließender Unterlagen wurde die Bewilligung angepasst.

Ausbildung und Studium

Für Auszubildende und Studierende galten besondere Regeln. Vorrangige Ausbildungsförderungen standen im Vordergrund; ergänzende Leistungen konnten in eng begrenzten Fällen in Betracht kommen.

Aufenthaltsrechtliche Bezüge

Für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie Drittstaatsangehörige waren aufenthalts- und freizügigkeitsrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese konnten den Leistungszugang beeinflussen.

Rechtsschutz

Gegen Bescheide waren verwaltungsinterne Rechtsbehelfe und der Weg zum Sozialgericht eröffnet. In eilbedürftigen Fällen bestand die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes. Die Ausgestaltung der Verfahren diente dem effektiven Schutz der Rechte der Leistungsberechtigten und der rechtmäßigen Umsetzung der Leistungsgewährung.

Historische Entwicklung und Übergang zum Bürgergeld

Arbeitslosengeld II wurde im Zuge grundlegender Reformen der Arbeitsmarkt- und Grundsicherungspolitik eingeführt. Es bündelte die existenzsichernde Unterstützung für erwerbsfähige Menschen und setzte auf Aktivierung, Förderung und Forderung. Im Zeitverlauf wurden Regelungen zu Bedarfen, Freibeträgen, Sanktionen und Verfahren mehrfach angepasst. Seit 2023 wird die Grundsicherung unter der Bezeichnung Bürgergeld fortgeführt; Zielsetzung und Grundstruktur blieben vergleichbar, einzelne Instrumente, Beträge und Abläufe wurden modernisiert.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Arbeitslosengeld II

Wer galt als anspruchsberechtigt für Arbeitslosengeld II?

Anspruchsberechtigt waren erwerbsfähige Personen im erwerbsfähigen Alter mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen, Vermögen oder vorrangigen Leistungen sichern konnten. In die Prüfung einbezogen wurde die gesamte Bedarfsgemeinschaft.

Was umfasste der anerkannte Bedarf?

Der Bedarf setzte sich im Kern aus dem Regelbedarf für den laufenden Lebensunterhalt, anerkannten Mehrbedarfen sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe zusammen. Zusätzlich konnten einmalige Leistungen und Leistungen für Bildung und Teilhabe berücksichtigt werden.

Wie wurden Einkommen und Vermögen berücksichtigt?

Anrechenbares Einkommen minderte den Leistungsanspruch. Für Erwerbseinkommen galten gestaffelte Freibeträge, um Arbeit finanziell zu begünstigen. Vermögen war einzusetzen, soweit es nicht als Schonvermögen geschützt war, etwa in Form notwendiger Haushaltsgegenstände, angemessener Altersvorsorge oder selbstgenutzten Wohneigentums innerhalb bestimmter Grenzen.

Was bedeutet Bedarfsgemeinschaft im Zusammenhang mit Arbeitslosengeld II?

Die Bedarfsgemeinschaft umfasst regelmäßig die erwerbsfähige Person, deren Partnerin oder Partner sowie im Haushalt lebende minderjährige Kinder. Einkommen und Vermögen der Mitglieder wurden gemeinsam betrachtet, wodurch sich Bedarf und Hilfebedürftigkeit für alle Beteiligten auswirken konnten.

Welche Pflichten bestanden und welche Folgen hatten Verstöße?

Es bestanden Mitwirkungspflichten, insbesondere zur Angabe und Mitteilung relevanter Tatsachen, zur Wahrnehmung von Terminen und zur Zusammenarbeit bei Eingliederungsmaßnahmen. Bei Pflichtverstößen waren gesetzlich begrenzte Kürzungen möglich; für schutzwürdige Personengruppen und bestimmte Bedarfe galten besondere Schutzmechanismen.

Wie lange wurde Arbeitslosengeld II bewilligt?

Die Bewilligung erfolgte für einen festgelegten Zeitraum und musste anschließend erneut geprüft werden. Bei unklaren oder schwankenden Einkünften konnten vorläufige Bewilligungen ergehen, die später anhand der tatsächlichen Verhältnisse angepasst wurden.

Worin unterscheidet sich Arbeitslosengeld II von Arbeitslosengeld I?

Arbeitslosengeld I ist eine Versicherungsleistung, die an vorherige Beitragszeiten anknüpft. Arbeitslosengeld II war eine bedarfsorientierte, steuerfinanzierte Leistung zur Sicherung des Existenzminimums, unabhängig von vorheriger Versicherungsbiografie.

Was änderte sich mit der Einführung des Bürgergelds?

Mit dem Bürgergeld wurde die Grundsicherung für erwerbsfähige Menschen fortgeführt und modernisiert. Kernelemente wie die Bedarfsprüfung blieben erhalten; einzelne Abläufe, Beträge und Instrumente wurden angepasst. In der Praxis ist der Begriff Arbeitslosengeld II vor allem historisch relevant.