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Arbeitslosengeld


Begriff und rechtlicher Rahmen des Arbeitslosengeldes

Arbeitslosengeld ist eine Sozialleistung zur finanziellen Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Falle von Arbeitslosigkeit. In Deutschland ist das Arbeitslosengeld als Entgeltersatzleistung konzipiert und wird im Wesentlichen durch das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelt. Es unterscheidet sich in die Leistungsarten Arbeitslosengeld I (kurz: ALG I) und Arbeitslosengeld II (kurz: ALG II, auch als „Bürgergeld“ bekannt). Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Berechnung, Bezugsdauer, Anspruchsausschluss sowie die Rechtsfolgen und Pflichten der Leistungsbeziehenden ausführlich dargestellt.


Rechtliche Grundlagen

Das Arbeitslosengeld I ist im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelt. Neben den materiellen Voraussetzungen bestimmt das Gesetz auch förmliche Vorgaben und regelt die Verfahren zur Antragstellung, Berechnung, Zahlung und Beendigung der Leistungsgewährung. Das Arbeitslosengeld II („Bürgergeld“) ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt, seine Zielrichtung und Anspruchsvoraussetzungen unterscheiden sich jedoch grundlegend vom Arbeitslosengeld I.

Arbeitslosengeld I (ALG I) – Versicherungsleistung

ALG I ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, die an die Zahlung von Versicherungsbeiträgen gekoppelt ist. Anspruchsgrundlage ist § 136 ff. SGB III.

Arbeitslosengeld II (ALG II/Bürgergeld) – Grundsicherungsleistung

ALG II fungiert als existenzsichernde Leistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, wenn Hilfebedürftigkeit vorliegt und kein oder kein ausreichender Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht. Anspruchsgrundlage ist § 7 ff. SGB II.


Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld

Voraussetzungen für Arbeitslosengeld I

  • Arbeitslosigkeit: Nach § 138 SGB III muss die antragstellende Person tatsächlich arbeitslos sein. Arbeitslos im Sinne des Gesetzes ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht.
  • Anwartschaftszeit: Innerhalb der letzten 30 Monate vor der Arbeitslosmeldung müssen mindestens 12 Monate Versicherungspflichtverhältnis (Beschäftigungszeiten, die zu Beitragszahlungen geführt haben) vorliegen, vgl. § 142 SGB III.
  • Arbeitslosmeldung: Die Anspruchsvoraussetzung wird nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III erst mit erfolgter persönlicher Arbeitslosmeldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit erfüllt.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Bei bestimmten Personengruppen, z. B. Saisonarbeitskräften oder ausländischen Grenzgängern, können hinsichtlich der Anwartschaftszeit Ausnahmen und Sonderregelungen greifen (§ 143 SGB III).

Voraussetzungen für Arbeitslosengeld II (Bürgergeld)

Für ALG II sind folgende Bedingungen maßgeblich:

  • Erwerbsfähigkeit: Anspruch hat, wer mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes arbeiten kann (§ 8 SGB II).
  • Hilfebedürftigkeit: Die antragstellende Person kann ihren Lebensunterhalt und den ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder Vermögen bestreiten (§ 9 SGB II).
  • Alter: Der Anspruch besteht grundsätzlich ab Vollendung des 15. Lebensjahres und endet mit Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II).
  • Wohnsitz: Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist erforderlich.

Beantragung und Leistungsdauer

Antragstellung

Die Zahlung des Arbeitslosengeldes setzt einen förmlichen Antrag voraus. Arbeitslosengeld wird nicht automatisch gewährt. Der Antrag kann schriftlich, elektronisch oder persönlich bei der Agentur für Arbeit gestellt werden. Für ALG II sind die Jobcenter zuständig (§ 37 SGB II).

Leistungsdauer von Arbeitslosengeld I

Die Dauer richtet sich nach dem Lebensalter und nach der Dauer des zurückgelegten Versicherungspflichtverhältnisses (§ 147 SGB III). Die maximale Anspruchsdauer beträgt in der Regel 12 Monate. Für Personen ab dem vollendeten 50. Lebensjahr kann die Dauer gestaffelt bis zu 24 Monate betragen.

Bezugsdauer von Arbeitslosengeld II

ALG II wird – solange Hilfebedürftigkeit besteht und die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind – unbefristet gewährt. Der Bewilligungszeitraum beträgt in der Regel zwölf Monate, nach Ablauf ist ein erneuter Antrag erforderlich.


Berechnung und Höhe der Leistungen

Arbeitslosengeld I

Die Höhe richtet sich nach dem durchschnittlichen beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt der letzten zwölf Monate vor der Arbeitslosmeldung (§ 149 SGB III). Es werden folgende Leistungen gezahlt:

  • Für Arbeitnehmer ohne Kinder: 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungssatz)
  • Für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind: 67 % des pauschalierten Nettoentgelts

Sogenannte Einmalzahlungen, wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, werden berücksichtigt.

Steuerliche Behandlung

Die Leistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG und erhöhen dadurch den individuellen Steuersatz.

Arbeitslosengeld II (Bürgergeld)

ALG II ist als pauschalierter Regelsatz ausgestaltet, ergänzt um Mehrbedarfe und Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 19, §§ 20-22 SGB II). Die Regelsätze werden jährlich angepasst.


Ruhen und Ausschluss des Anspruchs

Ruhen des Anspruchs

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld kann ruhen, wenn beispielsweise eine Abfindung gezahlt wurde (§ 158 SGB III), bei Bezug von Krankengeld oder wenn eine Sperrzeit verhängt wird (§§ 156, 159 SGB III). Während der Ruhensdauer erhält die berechtigte Person kein Arbeitslosengeld.

Sperrzeiten

Beim Eintritt bestimmter Tatbestände, wie Eigenkündigung ohne wichtigen Grund oder Ablehnung einer zumutbaren Arbeit, verhängt die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit (§ 159 SGB III). Diese kann je nach Sachverhalt zwischen einer und zwölf Wochen betragen.

Ausschlussgründe

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I ist ausgeschlossen, wenn die erforderlichen beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten nicht erfüllt sind oder wenn dauerhaft Erwerbsminderung vorliegt (§ 142, § 137 SGB III). Beim Bürgergeld bestehen Ausschlussgründe beispielsweise bei vollstationärem Aufenthalt oder fehlender Erwerbsfähigkeit.


Pflichten und Obliegenheiten der Leistungsbeziehenden

Mitwirkungspflichten

Leistungsbeziehende haben verschiedene Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I). Sie müssen insbesondere jede Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich melden, einen zumutbaren Arbeitsplatz annehmen und Eigenbemühungen nachweisen.

Sanktionen

Verstöße gegen Mitwirkungspflichten oder Ablehnung zumutbarer Beschäftigungen führen beim Arbeitslosengeld II zum Eintritt von Minderungs- oder Wegfalltatbeständen, sogenannten „Sanktionen“ (§ 31 SGB II). Auch beim Arbeitslosengeld I sind Leistungskürzungen durch Sperrzeiten möglich.


Rechtsweg und Widerspruch

Gegen Bescheide der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden (§ 84 SGG). Lehnt die Behörde den Widerspruch ab, ist eine Klage vor dem Sozialgericht möglich.


Internationaler Bezug und Anrechnung

Zeiten der Arbeitslosenversicherung, die im EU-Ausland zurückgelegt wurden, können – unter den Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 883/2004 – auf die deutsche Anwartschaftszeit angerechnet werden. Umgekehrt gilt dies für deutsche Versicherungszeiten im Ausland.


Zusammenfassung

Das Arbeitslosengeld stellt in Deutschland ein zentrales Element der sozialen Sicherung im Erwerbsleben dar. Die gesetzlichen Regelungen sind umfangreich und differenzieren je nach Versicherungsverlauf, Hilfebedürftigkeit und Lebenslage zwischen Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II (Bürgergeld). Anspruch, Berechnung, Dauer sowie Rechte und Pflichten sind detailliert im Sozialgesetzbuch geregelt. Rechtsbehelfe ermöglichen die Überprüfung von Behördenentscheidungen im Sozialrechtsweg.


Siehe auch:

Literatur und weiterführende Links:

  • Bundessozialgericht, Urteile zum Arbeitslosengeld
  • Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Leistungsrecht
  • Fachzeitschriften des Sozialrechts

Dieser Artikel wurde für ein Rechtslexikon erstellt und enthält eine umfassende Darstellung der aktuellen Rechtslage zum Arbeitslosengeld in Deutschland (Stand: 2024).

Häufig gestellte Fragen

Wie lange hat man Anspruch auf Arbeitslosengeld?

Die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld richtet sich in Deutschland nach der Dauer der vorherigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Lebensalter des Arbeitslosen bei Eintritt der Arbeitslosigkeit. Grundsätzlich besteht der Anspruch, wenn innerhalb der letzten 30 Monate vor der Arbeitslosmeldung mindestens zwölf Monate eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde (sogenannte Anwartschaftszeit). Die reguläre Anspruchsdauer beträgt mindestens sechs Monate und kann sich gestaffelt bis zu 12 Monate erhöhen. Für Personen, die bei Eintritt der Arbeitslosigkeit das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann sich die Bezugsdauer gestaffelt bis zu 24 Monate verlängern, sofern längere Versicherungszeiten vorliegen. Es gilt hierbei § 147 SGB III. Die genaue Anspruchsdauer wird von der Agentur für Arbeit anhand der individuellen Beschäftigungszeiten nach gesetzlichen Vorgaben ermittelt.

Welche Unterlagen müssen zur Beantragung von Arbeitslosengeld eingereicht werden?

Für den Bezug von Arbeitslosengeld ist die persönliche Arbeitslosmeldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit zwingend erforderlich (§ 137 SGB III). Zu den einzureichenden Unterlagen zählen in der Regel der Personalausweis oder Reisepass mit aktueller Meldebescheinigung, die Arbeitsbescheinigung des letzten Arbeitgebers, Nachweise über frühere Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Lohnabrechnungen oder Versicherungsverläufe), die Kündigungsschreiben oder Aufhebungsverträge, sowie der Nachweis über die eigenhändige Wohnanschrift. Ergänzend sind Unterlagen zum Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartners in bestimmten Konstellationen erforderlich. Bei Kündigung durch den Arbeitgeber muss der Nachweis der ordnungsgemäßen Kündigung sowie über die Bemühungen zur Arbeitsplatzsuche vorgelegt werden. Die Agentur für Arbeit kann je nach Einzelfall weitere Unterlagen verlangen.

Kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen oder gemindert werden?

Ja, der Anspruch auf Arbeitslosengeld kann sowohl ruhen als auch gemindert werden, wenn bestimmte rechtliche Tatbestände vorliegen. Ein Ruhen tritt beispielsweise ein, wenn der Arbeitslose eine Abfindung erhalten hat und das Arbeitsverhältnis dadurch vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endet, oder wenn ein Anspruch auf Entgeltersatzleistungen gegenüber einem früheren Arbeitgeber besteht (§ 158 SGB III). Eine Minderung – konkret eine sogenannte Sperrzeit – wird verhängt, wenn der Betroffene das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat, ohne dafür einen wichtigen Grund nachzuweisen, oder sich nicht ausreichend um Arbeit bemüht und zumutbare Beschäftigungen ablehnt. Die Sperrzeit beträgt in der Regel zwölf Wochen, kann aber je nach Schwere und Dauer des Verstoßes kürzer oder länger ausfallen (§ 159 SGB III). Während einer Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, der Gesamtanspruch verringert sich entsprechend.

Was ist bei einer Eigenkündigung bezüglich des Arbeitslosengeldes zu beachten?

Im Falle einer Eigenkündigung prüft die Agentur für Arbeit stets, ob ein „wichtiger Grund“ für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorlag (§ 159 SGB III). Liegt kein wichtiger Grund vor, führt die Eigenkündigung regelmäßig zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, das heißt, der Leistungsbezug beginnt für die Dauer von bis zu zwölf Wochen nicht. Wichtige Gründe können zum Beispiel gesundheitliche Gründe, unzumutbare Arbeitsbedingungen, oder die Betreuung von Angehörigen in bestimmten Notlagen sein. Der Arbeitslose ist verpflichtet, diese Gründe gegenüber der Agentur für Arbeit glaubhaft darzulegen und gegebenenfalls zu belegen. Das bloße Vorliegen von Unzufriedenheit mit dem Arbeitgeber oder Wunsch nach beruflicher Neuorientierung wird regelmäßig nicht anerkannt.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für Bezieher von Arbeitslosengeld?

Bezieher von Arbeitslosengeld unterliegen umfassenden Mitwirkungspflichten gemäß §§ 60 ff. SGB I und den spezifischen Regelungen im SGB III. Dazu zählen insbesondere die Pflicht zur aktiven Arbeitssuche und die unverzügliche Meldung jeglicher Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, wie zum Beispiel die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung, Änderungen des Wohnorts oder des Personenstands. Zudem sind die Vorgaben und Maßnahmen der Agentur für Arbeit, wie die Teilnahme an Vermittlungsgesprächen, -maßnahmen oder Qualifizierungen, zwingend zu erfüllen. Kommt der Arbeitslose seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nur unzureichend nach, können Leistungen ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden.

Unter welchen Umständen ist eine Nebenbeschäftigung während des Bezugs von Arbeitslosengeld erlaubt?

Eine Nebenbeschäftigung ist während des Bezugs von Arbeitslosengeld grundsätzlich möglich, sofern die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 15 Stunden nicht überschreitet (§ 138 Abs. 3 SGB III). Arbeitsentgelte aus solchen Nebenbeschäftigungen werden auf das Arbeitslosengeld angerechnet, wenn sie den monatlichen Freibetrag von 165 Euro übersteigen. Der Arbeitslose ist verpflichtet, jede Aufnahme und Änderung einer Nebenbeschäftigung der Agentur für Arbeit unverzüglich anzuzeigen. Überschreitet die Wochenarbeitszeit die 15-Stunden-Grenze, entfällt die Verfügbarkeit und damit der Anspruch auf Arbeitslosengeld vollständig.

Welche Pflichten bestehen bei Auslandsaufenthalten während des Bezugs von Arbeitslosengeld?

Ein Aufenthalt im Ausland während des Bezugs von Arbeitslosengeld ist nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig. Ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung der Agentur für Arbeit ruht der Anspruch für jeden Tag des Auslandsaufenthaltes (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). In bestimmten Fällen kann eine höchstens dreiwöchige Ortsabwesenheit pro Kalenderjahr genehmigt werden, sofern die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt anderweitig nicht beeinträchtigt ist. Bei längerer oder nicht genehmigter Abwesenheit erlischt der Anspruch; darüber hinaus kann eine Rückforderung bereits gezahlter Leistungen erfolgen. Auch bei EU-weiten Arbeitsaufenthalten (EURES, Art. 64 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004) bestehen gesonderte Regelungen zur Mitnahme des Leistungsanspruchs.