Arbeitsgerichtsgesetz: Bedeutung, Zweck und Einordnung
Das Arbeitsgerichtsgesetz regelt die Organisation und das Verfahren der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland. Es bestimmt, welche Gerichte für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen zuständig sind, wie diese Gerichte zusammengesetzt sind und nach welchen Regeln Prozesse geführt werden. Ziel ist eine sachgerechte, zügige und verständliche Klärung von Konflikten zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern sowie von kollektiven Streitfragen aus dem Arbeitsleben.
Stellung im Rechtssystem
Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist ein eigenständiger Zweig der Gerichtsbarkeit. Sie ist auf Konflikte spezialisiert, die aus Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen sowie aus betrieblicher Mitbestimmung und Tarifverträgen entstehen. Das Arbeitsgerichtsgesetz schafft die Brücke zwischen dem materiellen Arbeitsrecht (zum Beispiel zu Kündigung, Vergütung, Urlaub und Mitbestimmung) und der prozessualen Durchsetzung dieser Rechte.
Zielsetzung und Grundprinzipien
Wesentliche Leitgedanken sind Praxisnähe, Verfahrensbeschleunigung und Konfliktlösung auf Augenhöhe. Die Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sichert die Verankerung der Rechtsprechung in der Arbeitswelt. Ein zentrales Element ist die frühe Förderung einvernehmlicher Lösungen.
Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit
Instanzenzug
Der Instanzenzug besteht aus drei Ebenen:
- Arbeitsgerichte als erste Instanz
- Landesarbeitsgerichte als zweite Instanz
- Bundesarbeitsgericht als Revisionsinstanz
Über diese Struktur können Entscheidungen überprüft und vereinheitlicht werden.
Besetzung der Spruchkörper
Die Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten finden regelmäßig in Kammern statt, die aus einer vorsitzenden Berufsrichterin oder einem vorsitzenden Berufsrichter sowie zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern bestehen: je eine Person aus der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite. In höheren Instanzen entscheiden Senate in vergleichbarer Besetzung mit ehrenamtlicher Beteiligung.
Öffentlichkeit und Verhandlungskultur
Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Es gilt der Grundsatz der mündlichen Verhandlung und der Unmittelbarkeit. Das Gericht wirkt aktiv auf eine gütliche Einigung hin und protokolliert Vergleiche so, dass sie vollstreckbar sind.
Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
Individuelle Streitigkeiten
Typische Fälle sind Ansprüche aus Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen, etwa zur Vergütung, zu Arbeitszeiten, Urlaub, Zeugnissen, Versetzungen, Befristungen, Kündigungen, Wettbewerbsabreden oder betrieblicher Altersversorgung. Auch Streitigkeiten aus Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsregeln mit Bezug zum Arbeitsverhältnis gehören hierzu.
Kollektives Arbeitsrecht
Die Arbeitsgerichte entscheiden außerdem über betriebsverfassungsrechtliche Fragen, zum Beispiel zur Mitbestimmung, zur Zusammensetzung und zu Rechten von Vertretungsorganen. Ebenso werden tarifrechtliche Themen wie die Auslegung und Anwendung von Tarifverträgen sowie bestimmte Arbeitskampfkonstellationen verhandelt.
Abgrenzung zu anderen Gerichtszweigen
Nicht alle Streitigkeiten mit Bezug zur Arbeit fallen in die Arbeitsgerichtsbarkeit. Abgrenzungen bestehen insbesondere zu den ordentlichen Gerichten (zivilrechtliche Nachbarbereiche), den Sozialgerichten (Leistungen der Sozialversicherung) und den Verwaltungsgerichten (öffentlich-rechtliche Fragen, etwa beamtenrechtliche Angelegenheiten). Maßgeblich ist der Charakter des Rechtsverhältnisses und der Anspruchsgrund.
Verfahrensarten
Klageverfahren
Im Klageverfahren werden individuelle Ansprüche geltend gemacht. Dazu zählen Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen, etwa zur Durchsetzung von Entgelt, zur Klärung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses oder zur Wirksamkeit einer Beendigungserklärung.
Beschlussverfahren
Das Beschlussverfahren betrifft vor allem kollektive Themen, insbesondere aus der betrieblichen Mitbestimmung und dem Tarifrecht. Beteiligt sind in der Regel betriebliche Interessenvertretungen und Arbeitgeber. Das Verfahren ist stärker auf die Feststellung und Gestaltung von kollektiven Rechtsbeziehungen ausgerichtet.
Eilverfahren
Bei besonderer Dringlichkeit sind einstweilige Regelungen möglich. Sie dienen dem vorläufigen Rechtsschutz, um wesentliche Nachteile bis zur Hauptsacheentscheidung zu vermeiden. Erforderlich sind eine schlüssige Rechtsposition und ein zeitlicher Entscheidungsbedarf.
Verfahrensablauf
Einleitung und Anträge
Ein Verfahren beginnt mit Einreichung einer Klage oder eines Antrags. Für bestimmte Sachgebiete und Fristen gelten besondere Form- und Zeitvorgaben. Die Beteiligten schildern den Sachverhalt und beantragen die Entscheidung des Gerichts.
Gütetermin und Kammertermin
Regelmäßig findet zunächst ein Gütetermin statt, in dem das Gericht eine Einigung fördert. Kommt kein Vergleich zustande, folgt der Kammertermin mit umfassender Erörterung und Beweisaufnahme. Ziel ist eine zügige und sachgerechte Streitbeilegung.
Beweisaufnahme
Das Gericht erhebt Beweise durch Zeugen, Urkunden, Auskünfte und gegebenenfalls Sachverständige. Es gilt die freie Beweiswürdigung. Beweislastfragen richten sich nach dem materiellen Recht; wer sich auf eine anspruchsbegründende oder -vernichtende Tatsache beruft, muss diese im Rahmen der einschlägigen Regeln darlegen und beweisen.
Vergleich und Entscheidung
Viele Verfahren enden durch gerichtlichen Vergleich, der einen vollstreckbaren Titel darstellt. Andernfalls entscheidet das Gericht durch Urteil (im Klageverfahren) oder Beschluss (im Beschlussverfahren). Entscheidungen werden begründet und den Beteiligten zugestellt.
Beteiligte und Vertretung
Parteien
Parteien sind Beschäftigte, Auszubildende, ehemalige Beschäftigte sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. In kollektiven Verfahren treten betriebliche Interessenvertretungen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als Beteiligte auf.
Vertretungsrechte
Vor den Arbeitsgerichten können Beteiligte in der ersten Instanz persönlich auftreten. Zugelassen sind auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Bevollmächtigte bestimmter Organisationen, etwa von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite. In höheren Instanzen bestehen teils weitergehende Vertretungserfordernisse.
Kosten und Gebühren
Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten
Für Verfahren fallen Gerichtskosten nach einem Gebührensystem an. Im erstinstanzlichen Urteilsverfahren trägt jede Seite ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst, unabhängig vom Ausgang. In höheren Instanzen gelten abweichende Erstattungsregeln. Bei Vergleichen können Besonderheiten gelten.
Prozesskostenhilfe
Unter bestimmten Voraussetzungen kann Prozesskostenhilfe gewährt werden. Sie richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie der Erfolgsaussicht des Anliegens. Die Hilfe umfasst Gerichts- und gegebenenfalls Vertretungskosten nach Maßgabe der gesetzlichen Regeln.
Rechtsmittel und Rechtsbehelfe
Berufung
Gegen erstinstanzliche Urteile kann unter bestimmten Voraussetzungen Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt werden. Entscheidend sind die gesetzlichen Zulässigkeitsvorgaben und die Einhaltung der Fristen.
Revision
Gegen Urteile der Landesarbeitsgerichte ist unter engen Voraussetzungen die Revision zum Bundesarbeitsgericht möglich. Sie dient der Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
Beschwerden
In bestimmten Konstellationen sind Beschwerden vorgesehen, etwa im Beschlussverfahren oder gegen verfahrensleitende Entscheidungen. Art und Umfang richten sich nach der prozessualen Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsbehelfs.
Vollstreckung und Umsetzung
Zwangsvollstreckung
Rechtskräftige Entscheidungen und protokollierte Vergleiche sind vollstreckbar. Die Durchsetzung erfolgt nach den allgemeinen Regeln der Zwangsvollstreckung, angepasst an die Besonderheiten des Arbeitsrechts.
Internationaler Bezug
Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse
Bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug regeln internationale Zuständigkeits- und Anerkennungsnormen, welches Gericht zuständig ist und wie Entscheidungen anerkannt und vollstreckt werden. Für EU-Sachverhalte gelten ergänzende europäische Vorgaben.
Entwicklung und Geltungsbereich
Historischer Abriss
Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist als Antwort auf die besonderen Bedürfnisse der Arbeitswelt entstanden. Das Gesetz wurde fortlaufend weiterentwickelt, um den Veränderungen der Arbeitsbeziehungen, der Mitbestimmung und der Tariflandschaft Rechnung zu tragen.
Verhältnis zu anderen Gesetzen
Das Arbeitsgerichtsgesetz verweist für nicht ausdrücklich geregelte Fragen auf allgemeine Zivilprozessregeln. Es steht in engem Zusammenhang mit den materiellen arbeitsrechtlichen Gesetzen, insbesondere zu Arbeitsverträgen, betrieblicher Mitbestimmung und Tarifrecht.
Häufig gestellte Fragen
Was regelt das Arbeitsgerichtsgesetz inhaltlich?
Es legt die Zuständigkeit und den Aufbau der Arbeitsgerichte fest, bestimmt die Verfahrensarten und den Ablauf der Prozesse, regelt die Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter sowie die verfügbaren Rechtsmittel und die Kostenordnung.
Welche Streitigkeiten fallen typischerweise in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte?
Dazu zählen Ansprüche aus Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen wie Vergütung, Urlaub, Zeugnisse, Befristung, Beendigung, Diskriminierung im Beschäftigungsverhältnis sowie kollektive Fragen der Mitbestimmung und des Tarifrechts.
Wie ist ein Arbeitsgericht besetzt?
Regelmäßig entscheiden Kammern mit einer vorsitzenden Berufsrichterin oder einem vorsitzenden Berufsrichter sowie zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern, je aus der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite. In höheren Instanzen wirken ehrenamtliche Mitglieder in entsprechender Weise mit.
Welche Verfahrensschritte sind typisch?
Nach Klage- oder Antragseinreichung findet in der Regel zuerst ein Gütetermin zur Einigungsförderung statt. Kommt keine Einigung zustande, folgt der Kammer- oder Senatstermin mit Beweisaufnahme und abschließender Entscheidung oder Vergleich.
Wer darf vor dem Arbeitsgericht auftreten und vertreten?
In der ersten Instanz können Beteiligte persönlich auftreten. Zulässig sind außerdem Vertretungen durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie durch bestimmte Verbände von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite. In höheren Instanzen bestehen teils weitergehende Vertretungsvorgaben.
Wie werden die Kosten im arbeitsgerichtlichen Verfahren verteilt?
Es fallen Gerichtskosten nach Gebühren an. Im erstinstanzlichen Urteilsverfahren trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst. Für weitere Instanzen und für Beschlussverfahren gelten abweichende Regelungen. Prozesskostenhilfe ist bei entsprechenden Voraussetzungen möglich.
Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung?
Je nach Art der Entscheidung kommen Berufung, Revision und verschiedene Beschwerdearten in Betracht. Zulässigkeit und Fristen richten sich nach der Art des Verfahrens und der angegriffenen Entscheidung.