Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
Das Arbeitsgerichtsgesetz (Abkürzung: ArbGG) ist das zentrale Gesetz zur Regelung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland. Es bildet die rechtliche Grundlage für den Aufbau, die Zuständigkeit, das Verfahren sowie die Organisation der deutschen Arbeitsgerichte. Seit seinem Inkrafttreten schafft das Arbeitsgerichtsgesetz ein spezielles Verfahrensrecht, das auf die Besonderheiten arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen zugeschnitten ist und somit die Umsetzung des Arbeitsschutzes sowie die Befriedung und Klärung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten fördert.
Historische Entwicklung des Arbeitsgerichtsgesetzes
Das erste Arbeitsgerichtsgesetz stammt aus dem Jahr 1953 (BGBl. I S. 45). Es wurde als Reaktion auf die sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. Die Entwicklung des Gesetzes steht im Zusammenhang mit der Etablierung der Sozialpartnerschaft und dem Schutz der Arbeitnehmerrechte. Das Arbeitsgerichtsgesetz wurde mehrfach novelliert, um aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Bedeutende Änderungen betreffen beispielsweise die Zuständigkeiten, die Verfahrensarten sowie die Beteiligung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen.
Aufbau des Arbeitsgerichtsgesetzes
Das ArbGG ist in 12 Abschnitte gegliedert, die alle wesentlichen Aspekte der Arbeitsgerichtsbarkeit regeln. Die wichtigsten Regelungen umfassen:
- Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit
- Zuständigkeiten der Arbeitsgerichte
- Verfahrensvorschriften
- Rechtsmittel, Kosten und Vollstreckung
- Besondere Vorschriften für Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsrecht und dem Tarifvertragsrecht
Im Folgenden werden die zentralen Teile des Arbeitsgerichtsgesetzes detailliert erläutert.
Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit
Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit
Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland ist dreistufig aufgebaut:
- Arbeitsgerichte (erste Instanz): Entscheiden in erster Linie über individuelle arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
- Landesarbeitsgerichte (zweite Instanz): Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte.
- Bundesarbeitsgericht (dritte Instanz): Revisionsgericht zur Wahrung der einheitlichen Rechtsanwendung.
Zusammensetzung der Gerichte
Die Arbeitsgerichte sind mit Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die ehrenamtlichen Richter werden jeweils zur Hälfte aus Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestellt. Dieses paritätische Prinzip unterstützt die Ausgewogenheit und Praxisnähe der Urteilsfindung.
Geschäftsverteilung und Zuständigkeit
Das Arbeitsgerichtsgesetz regelt die örtliche, sachliche sowie instanzielle Zuständigkeit. Die Arbeitsgerichte sind insbesondere für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Berufsausbildungsverhältnissen, Tarifverträgen sowie betriebsverfassungsrechtlichen Fragen zuständig.
Verfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz
Verfahrensgrundsätze
Das Arbeitsgerichtsverfahren ist auf besondere Schnelligkeit und Zweckmäßigkeit ausgelegt. Im Gegensatz zum allgemeinen Zivilprozess herrscht Untersuchungsgrundsatz. Die Arbeitsgerichte können von Amts wegen Beweise erheben, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären.
Ablauf des Verfahrens
- Einleitung: Das Verfahren beginnt grundsätzlich mit einer Klage oder einem Antrag.
- Gütetermin: Ein Gütetermin ist obligatorisch. In diesem Termin versucht das Gericht unter Vermittlung des Vorsitzenden eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien zu erzielen.
- Kammertermin: Scheitert die gütliche Einigung, folgt der Kammertermin. Hier wird die Sache unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter verhandelt und entschieden.
- Rechtsmittel: Gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte kann unter bestimmten Voraussetzungen Berufung vor dem Landesarbeitsgericht eingelegt werden. Beim Bundesarbeitsgericht kann Revision eingelegt werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Kosten und Prozesskostenhilfe
Die beim Arbeitsgericht anfallenden Gerichtsgebühren und Kosten richten sich nach dem Streitwert. In der ersten Instanz trägt jede Partei ihre Kosten grundsätzlich selbst, dies gilt auch für die Kosten der Prozessvertretung. Prozesskostenhilfe ist unter den üblichen sozialrechtlichen Voraussetzungen möglich.
Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens
- Anwaltszwang: Es besteht grundsätzlich kein Vertretungszwang in der ersten Instanz, allerdings können sich Parteien vertreten lassen.
- Schnelligkeit und Praxisnähe: Aufgrund der kurzen Fristen und des gütlichen Ansatzes ist das arbeitsgerichtliche Verfahren besonders effizient.
- Rechtskraft und Vollstreckung: Urteile der Arbeitsgerichte werden ebenso wie zivilrechtliche Urteile vollstreckt.
Sachliche Zuständigkeit und Anwendungsbereich
Typische Streitgegenstände
Das Arbeitsgerichtsgesetz findet Anwendung auf eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Streitigkeiten, unter anderem:
- Individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten (z.B. Kündigungsschutzklagen, Entgeltforderungen, Zeugnisse)
- Kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeiten (z.B. betriebsverfassungsrechtliche Auseinandersetzungen)
- Streitigkeiten aus dem Tarifvertragsgesetz
- Ausbildungsverhältnisse und arbeitnehmerähnliche Rechtsbeziehungen
Besondere Verfahren nach ArbGG
Das Gesetz sieht für bestimmte Streitigkeiten – etwa bei Beschlussverfahren im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsrecht oder bei Tarifkonflikten – spezielle Verfahrensarten vor. Für diese sogenannten Beschlussverfahren gelten teilweise abweichende Regelungen gegenüber dem Urteilsverfahren.
Bedeutung und praktische Relevanz
Das Arbeitsgerichtsgesetz sichert einen fairen und zügigen Zugang zum Rechtsschutz bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Die gesetzlich geregelten Verfahren gewährleisten Transparenz, Rechtsklarheit und einen Gleichgewicht der Interessen. Das ArbGG trägt erheblich zur Befriedung des Arbeitslebens, zur Sicherung des sozialen Friedens und zur Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten und Arbeitgeberinteressen bei.
Rechtsquellen und weiterführende Bestimmungen
Das Arbeitsgerichtsgesetz ist eng verflochten mit weiteren arbeitsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, insbesondere:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für inhaltliche Regelungen von Arbeitsverträgen
- Tarifvertragsgesetz (TVG) für kollektive Streitfragen
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für betriebsverfassungsrechtliche Verfahren
- Zivilprozessordnung (ZPO), sofern das ArbGG nichts Abweichendes anordnet
Literatur und Weblinks
Weiterführende Informationen zum Arbeitsgerichtsgesetz finden sich in den Materialien des Bundesministeriums der Justiz, den Veröffentlichungen des Bundesarbeitsgerichts sowie in amtlichen Gesetzessammlungen und Kommentaren.
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Hinweis: Dieser Beitrag liefert einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen, den Zweck sowie den Verfahrensablauf und Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes in Deutschland. Für die aktuelle Gesetzesfassung und weitere rechtliche Details empfiehlt sich die Konsultation der offiziellen Gesetzestexte und einschlägiger Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen
Welche Klagearten sind vor dem Arbeitsgericht möglich?
Vor den deutschen Arbeitsgerichten sind grundsätzlich drei Klagearten zu unterscheiden: Leistungsklage, Feststellungsklage und Gestaltungsklage. Die Leistungsklage ist darauf gerichtet, den Beklagten zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung zu verpflichten (z.B. Zahlung ausstehender Löhne). Die Feststellungsklage zielt darauf ab, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellen zu lassen; typische Beispiele sind die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Kündigung oder das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Die Gestaltungsklage bewirkt eine Änderung der Rechtslage durch das Urteil selbst, etwa bei der Anfechtung einer Kündigung. Die besondere arbeitsrechtliche Relevanz dieser Klagearten ergibt sich aus den Regelungen des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), insbesondere den §§ 2, 3 und 46 ArbGG in Verbindung mit der Zivilprozessordnung. Das Gericht prüft stets, ob die Klageart nach dem Klageziel zulässig und sachgerecht ist. Dabei ist auch zu beachten, dass bestimmte arbeitsrechtliche Streitigkeiten, etwa aus dem Betriebsverfassungsgesetz, nur im Beschlussverfahren geregelt werden können.
Was ist bezüglich der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu beachten?
Die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich aus § 2 ArbGG. Danach sind die Arbeitsgerichte zuständig für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie für Streitigkeiten zwischen Tarifparteien oder zwischen Betriebspartnern. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Sitz des Arbeitgebers oder dem Ort, an dem die Arbeitsleistung gewöhnlich erbracht wird (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12 ff. ZPO). Daneben regelt das ArbGG eine Konzentration arbeitsgerichtlicher Streitigkeiten bei speziellen Kammern, um eine einheitliche Rechtsprechung zu ermöglichen. Zu beachten ist ferner, dass in betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Angelegenheiten teilweise Sonderzuständigkeiten bestehen. Die Prüfung der Zuständigkeit erfolgt von Amts wegen und ist entscheidend für die Wirksamkeit der Klageerhebung und die Durchführung des Verfahrens.
Welche Fristen sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren zwingend zu beachten?
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren existieren unterschiedliche Fristen, die zwingend einzuhalten sind. Besonders bedeutsam ist die Klagefrist bei Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG, die eine Erhebung der Klage binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung verlangt. Das Arbeitsgerichtsgesetz sieht zudem in § 61a ArbGG eine Frist für die Auszahlung von Abfindungen im Rahmen eines Vergleichs vor. Ferner gelten allgemeine zivilprozessuale Fristen, z.B. zur Zustellung von Schriftsätzen oder zur Einlegung von Rechtsmitteln (Berufung nach § 66 ArbGG: ein Monat nach Zustellung des Urteils). Fristversäumnisse führen grundsätzlich zu Rechtsverlust bzw. Rechtskraft bestimmter Entscheidungen. Die Fristen sind entweder gesetzlich festgelegt oder können durch das Gericht im Verfahren bestimmt werden. Eine Fristverlängerung ist nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen oder mit Zustimmung des Gerichts bzw. der Gegenseite möglich.
Wie erfolgt das arbeitsgerichtliche Verfahren in den einzelnen Instanzen?
Das arbeitsgerichtliche Verfahren ist dreistufig aufgebaut: Erste Instanz ist das Arbeitsgericht, zweite Instanz das Landesarbeitsgericht, dritte Instanz das Bundesarbeitsgericht. Das Verfahren ist grundsätzlich auf schnelle, gütliche Einigung – also einen Vergleich – ausgerichtet. In der ersten Instanz findet eine Güteverhandlung statt (§ 54 ArbGG), gefolgt bei Nichtbeilegung durch eine streitige Verhandlung und Urteil. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist geprägt von beschleunigter Verhandlungsführung und reduziertem Formalismus, um Arbeitnehmerinteressen zu schützen. In der Berufungsinstanz (§§ 64 ff. ArbGG) werden Urteile überprüft und neue Beweise ggf. nur eingeschränkt zugelassen. Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (§§ 72 ff. ArbGG) ist grundsätzlich auf Rechtsfragen beschränkt. Regelungen zu Kosten, Vertretung und Beweiserhebung sind jeweils zu beachten. Die besonderen prozessualen Vorschriften des ArbGG gelten vorrangig vor der ZPO, soweit letztere nicht ausdrücklich angewendet wird.
Ist die Vertretung durch Rechtsanwälte im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgeschrieben?
Ein Anwaltszwang besteht vor dem Arbeitsgericht – anders als vor den ordentlichen Gerichten – in der ersten Instanz nicht (§ 11 Abs. 1 ArbGG). Arbeitnehmer und Arbeitgeber können sich selbst vertreten, durch Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände, aber auch durch Rechtsanwälte oder andere Bevollmächtigte. In der Berufungs- und Revisionsinstanz (§ 11 Abs. 2 ArbGG) hingegen ist die Vertretung durch Rechtsanwälte, Gewerkschaftsvertreter oder Vertreter von Arbeitgeberverbänden verpflichtend. Juristische Laien werden in diesen Instanzen nicht mehr zugelassen, um eine sachgerechte Durchführung komplizierter Rechtsverfahren zu gewährleisten. Einzelheiten ergeben sich aus den Vertretungsregelungen in Verbindung mit dem jeweiligen Verfahrensstand.
Welche Besonderheiten gelten im Bereich des Beschlussverfahrens nach ArbGG?
Das Beschlussverfahren nach §§ 2a, 80 ff. ArbGG ist ein spezielles arbeitsgerichtliches Verfahren für soziale Angelegenheiten zwischen Betriebsparteien, insbesondere bei Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, Sprecherausschussgesetz oder Personalvertretungsgesetz. Es handelt sich um ein strukturell von Amts wegen geführtes Verfahren, in dem Gericht und Beteiligte nicht im Sinne des Zivilprozesses Kläger und Beklagter sind, sondern als Antragsteller und Beteiligte auftreten. Das Verfahren ist stärker auf Sachaufklärung durch das Gericht ausgerichtet (offizial- und inquisitorisches Prinzip), Sachanträge können auch durch das Gericht selbst angeregt werden, die Beteiligten sind verpflichtet, umfassend zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Die Zuständigkeit und Verfahrensführung regelt das Arbeitsgerichtsgesetz detailliert, wobei im Zweifel das förmliche Beschlussverfahren einschlägig ist, sobald betriebsverfassungsrechtliche Rechte und Pflichten zwischen Belegschaftsvertretung und Arbeitgeber im Streit stehen.
Wie verhält es sich mit den Kosten im arbeitsgerichtlichen Verfahren?
Im Arbeitsgerichtsprozess trägt grundsätzlich jede Partei in der ersten Instanz ihre Kosten selbst, das heißt, es findet kein vollständiger Kostenerstattungsanspruch statt (§ 12a ArbGG). Dies soll sozialen Härten insbesondere für Arbeitnehmer vorbeugen. Gerichtskosten werden allerdings auch hier fällig, können jedoch bei Obsiegen zurückgefordert werden. In Berufungs- und Revisionsinstanz gilt die allgemeine Regel des Zivilprozesses, wonach die unterliegende Partei auch die Kosten des Gegners zu tragen hat. Ausnahmen gelten für bestimmte Streitigkeiten, insbesondere im Beschlussverfahren. Die Kostenregelungen sind für Arbeitnehmer von Bedeutung, da sie das Kostenrisiko minimieren und damit den Zugang zum Rechtsschutz erleichtern. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe bleibt hiervon unberührt und ist nach § 114 ZPO möglich, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind.