Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Arbeitsrecht»Arbeitsgericht

Arbeitsgericht


Begriff und Bedeutung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht ist eine besondere Form des Gerichts, das im deutschen Rechtssystem für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig ist. Es handelt sich dabei um Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, die eigenständig neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestehen. Das Arbeitsgericht befasst sich insbesondere mit individuellen und kollektiven arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie zwischen Koalitionen und Betriebsparteien.


Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Grundlagen

Die Tätigkeit der Arbeitsgerichte basiert im Wesentlichen auf dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Dieses Gesetz regelt sowohl die Organisation der Arbeitsgerichte als auch das arbeitsgerichtliche Verfahren, die Zuständigkeit der Gerichte und die Zulässigkeit von Rechtsmitteln. Weitere maßgebliche Normen finden sich im Grundgesetz (Art. 95 GG) sowie in den einschlägigen Landesgesetzen.

Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit

Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut:

1. Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht ist die Eingangsinstanz und befindet sich in der Regel an bedeutenden Städten eines Landes. Es werden Kammern eingerichtet, die in der Besetzung mit einem hauptamtlichen Vorsitzenden sowie jeweils einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer tagen.

2. Landesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht ist die Berufungs- und Beschwerdeinstanz für Entscheidungen der Arbeitsgerichte. Es gibt mindestens ein Landesarbeitsgericht pro Bundesland.

3. Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt bildet die oberste Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland und entscheidet über Revisionen gegen Urteile der Landesarbeitsgerichte.


Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

Sachliche Zuständigkeit

Gemäß § 2 ArbGG sind die Arbeitsgerichte sachlich zuständig für:

  • Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Einzelarbeitsverhältnis)
  • Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien
  • Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz (z.B. zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber)
  • Streitigkeiten über die Rechtswirksamkeit von Kündigungen oder Abmahnungen

Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 12 ZPO) oder, bei vom Arbeitsort abweichendem Wohnort, nach der Niederlassung des Betriebs oder des Arbeitgebers.


Verfahrensarten vor dem Arbeitsgericht

Urteilsverfahren

Das Urteilsverfahren bezieht sich insbesondere auf bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, beispielsweise bei Kündigungsschutzklagen, Lohnstreitigkeiten oder Ansprüchen auf Arbeitszeugnisse.

Beschlussverfahren

Das Beschlussverfahren betrifft Streitigkeiten, die kollektivrechtliche Angelegenheiten zum Gegenstand haben, wie Auseinandersetzungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber oder tarifrechtliche Fragen.


Verfahrensablauf und Besonderheiten

Klageerhebung und Güteverhandlung

Die Arbeitsgerichte führen nach Einreichung der Klage grundsätzlich zunächst eine Güteverhandlung durch, um eine einvernehmliche Beilegung des Streits zu erreichen. Kommt keine Einigung zustande, folgt das Kammerverfahren mit einer mündlichen Verhandlung und einem Urteil.

Kosten und Kostentragung

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt insbesondere für die erste Instanz, dass jede Partei die eigenen Kosten (z.B. für Rechtsberatung) selbst zu tragen hat, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens (§ 12a ArbGG).


Besetzung der Arbeitsgerichte

Die Kammern der Arbeitsgerichte bestehen aus einem Berufsrichter als Vorsitzenden und je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Die ehrenamtlichen Richter gewährleisten das Prinzip der Parität und bringen berufliche Erfahrung in die Entscheidungsfindung ein.


Rechtsmittel und Instanzenzug

Gegen Urteile und Beschlüsse der Arbeitsgerichte stehen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung:

  • Berufung an das Landesarbeitsgericht (§§ 64ff. ArbGG)
  • Revision zum Bundesarbeitsgericht unter besonderen Voraussetzungen (§§ 72ff. ArbGG)
  • Beschwerde gegen bestimmte Entscheidungen (z. B. im Beschlussverfahren)

Die Zulässigkeit der Rechtsmittel ist gesetzlich geregelt und insbesondere bei geringfügigen Streitwerten oder bestimmten Fallkonstellationen beschränkt.


Aufgaben und Bedeutung der Arbeitsgerichte

Die Arbeitsgerichte üben eine zentrale Rolle im Arbeitsrecht aus, da sie über die Einhaltung und Auslegung arbeitsrechtlicher Vorschriften wachen und den Rechtsschutz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sicherstellen. Sie tragen maßgeblich zur Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht und zur Befriedung des Arbeitslebens bei.


Internationale und europäische Bezüge

Auch internationale Regelungen und EU-Richtlinien, die das Arbeitsrecht betreffen, werden von den Arbeitsgerichten berücksichtigt und wirken sich auf die Rechtsprechung aus, soweit sie in deutsches Recht umgesetzt wurden oder unmittelbar Geltung beanspruchen.


Literatur und Weblinks


Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff Arbeitsgericht und soll die zentralen rechtlichen Aspekte übersichtlich darstellen. Für vertiefende Informationen empfiehlt sich die Konsultation einschlägiger Gesetzestexte und einschlägigen Kommentaren zum Arbeitsgerichtsgesetz.

Häufig gestellte Fragen

Was passiert, wenn eine Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht wird?

Nach Einreichung einer Klage beim Arbeitsgericht leitet dieses das gerichtliche Verfahren ein. Zunächst erfolgt eine Eingangsbestätigung an den Kläger, und die Klageschrift wird dem Beklagten (z. B. dem Arbeitgeber) offiziell zugestellt. Das Gericht beraumt daraufhin in der Regel einen sogenannten Gütetermin an, der meist innerhalb weniger Wochen nach Klageeingang stattfindet. Der Gütetermin dient dem Versuch, eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen, um eine aufwendige streitige Verhandlung zu vermeiden. Scheitert die gütliche Einigung, wird ein Kammertermin anberaumt, bei dem der Fall eingehend mündlich vor einer Kammer – bestehend aus einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern – verhandelt wird. Während des gesamten Verfahrens besteht keine Anwaltspflicht in der ersten Instanz. Die Parteien können sich jedoch anwaltlich vertreten lassen. Das Arbeitsgericht ist stets bemüht, die Konflikte zügig und nach sachlichen Kriterien zu klären. Am Ende des Verfahrens steht ein Urteil oder ein gerichtlicher Vergleich. Im Falle eines Urteils können Rechtsmittel wie die Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt werden, sofern dies zulässig ist.

Wer trägt die Kosten eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht?

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz trägt grundsätzlich jede Partei ihre eigenen Kosten, unabhängig vom Ausgang des Prozesses. Das bedeutet, selbst wenn eine Partei den Rechtsstreit gewinnt, muss sie ihre eigenen Anwaltskosten selbst bezahlen. Gerichtskosten fallen an, wenn der Rechtsstreit nicht durch einen Vergleich endet. Bei einem Vergleich vor Gericht werden die Gerichtskosten in der Regel zu einem geringeren Satz erhoben oder entfallen ganz. Die Kosten für Zeugen oder Sachverständige müssen von der Partei vorgestreckt werden, die diese benannt hat. Eine Besonderheit im Arbeitsrecht ist, dass im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten für die erste Instanz keine Kostenerstattungspflicht für die unterlegene Partei besteht. Im Falle von wirtschaftlicher Bedürftigkeit kann Prozesskostenhilfe beantragt werden, die sowohl Gerichts- als auch Anwaltskosten ganz oder teilweise abdecken kann.

Welche Fristen müssen bei arbeitsgerichtlichen Klagen beachtet werden?

Im Arbeitsrecht existieren zahlreiche Fristen, die zwingend einzuhalten sind. Besonders relevant ist beispielsweise die Dreiwochenfrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Diese beginnt mit Zugang der schriftlichen Kündigung und ist eine sogenannte Ausschlussfrist. Wird sie versäumt, gilt die Kündigung – unabhängig von möglicherweise bestehenden Unwirksamkeitsgründen – als wirksam. Auch bei anderen arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten, etwa bei Lohnklagen, sind tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen zu beachten, die häufig kürzer als die gesetzlichen Verjährungsfristen sind und den Anspruch auf eine bestimmte Zeit begrenzen. Generell empfiehlt sich im Fall einer Streitigkeit, schnellstmöglich rechtlichen Rat einzuholen, um keine relevante Frist zu versäumen. Das Gericht prüft die Einhaltung solcher Fristen im Rahmen des Verfahrens von Amts wegen.

Welche Rolle spielt der Gütetermin im arbeitsgerichtlichen Verfahren?

Der Gütetermin ist ein zentrales Element des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und dient in erster Linie der schnellen, außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Im Gütetermin wird zunächst versucht, durch das Vermitteln des Vorsitzenden Richters eine Einigung – einen sogenannten Vergleich – herbeizuführen. Eine förmliche Beweisaufnahme oder eine inhaltlich tiefgehende Prüfung der Streitfragen findet in diesem Stadium in der Regel nicht statt. Ziel ist es, die Eskalation und damit verbundene Kosten sowie den zeitlichen Aufwand zu vermeiden. Die Teilnahme am Gütetermin ist für die Parteien verpflichtend. Kommt keine Einigung zustande, schließt sich das streitige Verfahren an, in dem die Angelegenheit inhaltlich und rechtlich überprüft wird.

Kann vor dem Arbeitsgericht auch ohne Anwalt verhandelt werden?

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz besteht vor dem Arbeitsgericht für beide Parteien keine generelle Anwaltspflicht. Arbeitnehmer und Arbeitgeber dürfen sich selbst vertreten. In komplexeren Verfahren oder bei erheblicher Unsicherheit empfiehlt sich jedoch die Beiziehung eines anwaltlichen Vertreters. Dies betrifft insbesondere Fälle mit höheren Streitwerten oder komplizierter Sach- und Rechtslage. In den höheren Instanzen – ab dem Landesarbeitsgericht – besteht Anwaltszwang, d. h., die Parteien müssen sich hier von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Für Gewerkschaftsmitglieder oder Mitglieder von Arbeitgeberverbänden besteht häufig die Möglichkeit, sich durch Prozessvertreter ihrer Vereinigung kostenfrei vertreten zu lassen.

Welche Besonderheiten gibt es bei der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht?

Die Beweisaufnahme im arbeitsgerichtlichen Verfahren unterscheidet sich in einigen Punkten von zivilgerichtlichen Verfahren. Das Gericht ist verpflichtet, den Sachverhalt umfassend und möglichst zügig aufzuklären. Als Beweismittel kommen vor allem Zeugen, Urkunden und Sachverständigengutachten infrage. Parteivernehmungen sind im Arbeitsrecht seltener, aber möglich. Das Gericht entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen über die Erhebung von Beweisen. Zeugen werden zur mündlichen Verhandlung geladen und vor Gericht vernommen. Der Grundsatz der Mündlichkeit gilt im Arbeitsgerichtsverfahren besonders streng: Schriftliche Erklärungen oder Stellungnahmen ersetzen im Regelfall nicht die persönliche Vernehmung. Die Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses, ist jedoch im arbeitsrechtlichen Kontext häufig durch Sonderregelungen (wie etwa die abgestufte Darlegungslast im Diskriminierungsrecht) modifiziert.